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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.06.2023

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Kälte
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Tom Rob Smith - Kälte
(Heyne Verlag)

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Lissabon, Portugal, in naher Zukunft. Die New Yorker Medizinstudentin Liza macht mit ihrer Familie eine Stadtführung ...

Tom Rob Smith - Kälte
(Heyne Verlag)

- bizarre Dystopie mit langatmigen Durststrecken -

Lissabon, Portugal, in naher Zukunft. Die New Yorker Medizinstudentin Liza macht mit ihrer Familie eine Stadtführung durch Portugals Hauptstadt. Bei einer kurzen Verschnaufpause trifft sie auf den jungen Reiseführer Atto, der Liza unentgeltlich auf eine Sonnenuntergangsfahrt auf dem Rio Tejo einlädt. Als sie nach der Fahrt wieder am Pier anlanden, bemerken die beiden, dass die Praça do Comércio menschenleer ist, die anderen Boote unvertäut im Hafen treiben und ihre Handys nicht mehr funktionieren. Plötzlich tauchen am Himmel lauter helle Punkte auf, die sich als Raumschiffarmada herausstellen. Die Menschheit dreht daraufhin vollends durch und verstopft die Straßen. Unfälle geschehen, es wird geplündert, gerangelt, getreten, geschlagen. Alles gerät außer Rand und Band. Der Flughafen wird geschlossen, die Armee schießt auf jeden, der sich nähert. So bleibt Liza und ihrer Familie keine Möglichkeit mehr, das Land Richtung USA zu verlassen. Doch die Botschaft der Außerirdischen weist ohnehin in eine gänzlich andere Richtung: Die Menschheit solle sich innerhalb von 30 Tagen auf den Kontinent Antarktika begeben. Dem kältesten, windigsten und lebensfeindlichsten Kontinent auf dem gesamten Planeten. Wer es bis dahin nicht schafft, wird vernichtet.

Tom Rob Smith ist ein wahnsinnig guter Erzähler. Das hat er bereits mit seiner dreiteiligen Erfolgsserie um den ehemaligen MGB Agenten Leo Stepanowitsch Demidov bewiesen. Selbst unwichtig erscheinenden Nichtigkeiten haucht der, 1979 in London geborene Schriftsteller, Drehbuchautor und Fernsehproduzent, in einer intelligenten, niveauvollen und flamboyanten Erzählkunst, Leben ein. Allerdings wechselt Tom Rob Smith, in seinem neuesten Roman "Kälte", für meinen Geschmack, etwas zu abrupt die Themenfelder. Auch der Notwendigkeit, auf Teufel komm raus in die Antarktis ausweichen zu müssen, hätte der Brite gerne eine plausible Erklärung folgen und somit mehr Nachdruck verleihen dürfen. Einen Grund dafür nennt er nämlich nicht. Eine solch kriegerische Spezies wie sie der Mensch darstellt, ließe sich sicherlich nicht so mir-nichts-dir-nichts von seinem geliebten und gelobten Land vertreiben und seien die Folgen für seine Spezies auch noch so katastrophal. Das utopische und zukunftsorientierte Gedankenkonstrukt gerät im weiteren Verlauf der Story leider zu einer bizarren Dystopie mit enormen Durchhängern, was sich äußerst negativ auf die anfängliche Spannung auswirkt.

Neben etlichen Fremden gelingt Liza, ihrer kleinen Schwester Emma und Atto die Überfahrt an Bord des Supertankers Axios. Doch in der Antarktis angekommen, merken alle recht schnell, dass ihre Kleidung gegen die starken Winde und die Temperaturen von unter -50° Celsius keinen ausreichenden Schutz bieten. Viele der Abermillionen an Menschen, die von Bord der unzähligen angelandeten Schiffe an Land gehen, sterben bereits nach kurzer Zeit. Etliche fallen ins eisige Wasser, andere fallen den frostklirrenden Temperaturen zum Opfer. Ein Kampf ums Überleben im ewigen Eis beginnt.

Das Leben und Wirken der Protagonisten stellt sich schon ein wenig skurril, konstruiert und an den Haaren herbeigezogen dar. Das muss man schon abkönnen. Der vollkommen überzeichnete, 464 Seiten umfassende Plot zu "Kälte", welcher im englischen Original Anfang 2023 unter dem Titel "Cold People" erschien, geht vielleicht gerade deswegen nicht so recht an mich. Verhalten und Kommunikation der einzelnen Charaktere sind für mich ebenfalls nicht immer stimmig. Hier bleibt mir deutlich zu viel Authentizität auf der Strecke. Die Geschichte ist zum Teil widersprüchlich, zieht sich, wie ein frisch verdauter Kaugummi, lässt sich aber, trotz seiner Widrigkeiten recht gut lesen, das muss man Tom Rob Smith schon lassen. Dennoch kommt innerhalb der lahmen Schreckensvision selten Atmosphäre, Spannung oder Action auf.

Nach einem Sprung ins Jahr 2043 nimmt der komplexe, literarische Trip im ewigen Eis, abermals eine deutliche Wende. Besser wird er dadurch allerdings nicht! Zwei Millionen Überlebende, die sich 20 Jahre nach der Verbannung auf insgesamt drei Siedlungen aufgeteilt haben, meistern ihr Leben unter den extremen Umständen so gut es geht. Atto und Liza leben in Hope Town ein hartes und entbehrungsreiches Leben. Nur den eisadaptierten Kindern aus McMurdo Citys Kältemenschen-Projekt scheint die Kälte, aufgrund der dort durchgeführten Genmanipulationen, nichts auszumachen. Sie sollen den Fortbestand der menschlichen Rasse sichern. So wie Attos und Lizas gemeinsame Tochter Echo. Die immer radikalere Vorgehensweise innerhalb der geheimen, experimentellen Genveränderung in McMurdo City hält unvorhersehbare Nebenwirkungen bereit und schnell gerät eine neue Variante der Eisadaptierten mit den restlichen Bewohnern der Siedlungen in eine blutige Fede um Leben und Tod.

(Janko)

https://tomrobsmith.com/
https://www.facebook.com/tom.r.smith.92
https://www.instagram.com/tomrobsmith/

Brutalität/Gewalt: 26/100
Spannung: 62/100
Action: 52/100
Unterhaltung: 70/100
Anspruch: 23/100
Atmosphäre: 57/100
Emotion: 52/100
Humor: 03/100
Sex/Obszönität: 02/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 64/100

Tom Rob Smith - Kälte
Heyne Verlag
SciFi-Thriller
ISBN-13: 978-3-453-27413-6
464 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
Originaltitel: Cold People
Aus dem Englischen von Michael Pfingstl
Erscheinungstermin: 12.04.2023
EUR 22,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-29481-6
Erscheinungstermin: 01.02.2023
EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Kälte" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Kaelte/Tom-Rob-Smith/Heyne/e612360.rhd

Leseprobe: https://www.penguinrandomhouse.de/leseprobe/Kaelte/leseprobe_9783453274136.pdf

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Veröffentlicht am 08.06.2023

- spannender, abstrakter Genremix aus Science-Fiction, Thriller und ein wenig Slasher -

Die 22 Tode der Madison May
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Max Barry - Die 22 Tode der Madison May
(Heyne Verlag)

- spannender, abstrakter Genremix aus Science-Fiction, Thriller und ein wenig Slasher -

Clayton "Clay" Hors ist nicht von dieser Welt. Während einer ...

Max Barry - Die 22 Tode der Madison May
(Heyne Verlag)

- spannender, abstrakter Genremix aus Science-Fiction, Thriller und ein wenig Slasher -

Clayton "Clay" Hors ist nicht von dieser Welt. Während einer Hausbesichtigung, bei der er sich als Kaufinteressent ausgibt, versucht er der jungen Immobilienmaklerin Madison "Maddie" May klarzumachen, dass er in ihre Welt gereist sei, um sie zu schützen. Maddie sei in großer Gefahr. Er wolle sie mitnehmen.

Einige Zeit später erhält die dreiunddreißigjährige Journalistin der New Yorker Zeitung Daily News Felicity Staples den Auftrag, Recherchen bezüglich des Mordes an einer weißen Frau anzustellen, die erstochen wurde, als sie einem potenziellen Käufer ein Haus an der 177th Street in Jamaica zeigte. Der Name des Opfers sei Madison May. Sie wurde nur 22 Jahre alt.

Der 1973 in Australien geborene Schriftsteller Max Barry beschreibt die mysteriösen Geschehnisse seines neuesten, fiktionalen Genremix "Die 22 Tode der Madison May" mit einem humorvollen Unterton und einer blühenden Fantasy. Das hierzulande am 15.03.2023 erschienene Crossover aus Science-Fiction, Thriller und Slasher, welches zu einer unbestimmten Zeit in der Gegenwart oder der näheren Zukunft angesiedelt ist, verspricht eine hohe Schlagzahl an Spannung, Action und Abenteuer. Barry, beziehungsweise seine Protagonisten, stoßen darin immer wieder auf Probleme, die "normale" Menschen gar nicht haben, geschweige denn kennen. "Die 22 Tode der Madison May" ist eine interessante Mischung aus hypothetischen Gedankenspielen, Ideen, Illusionen, Utopien, Spekulationen, Traumbildern und Blendwerken. Ein Thriller mit kleineren Längen, der sich seltsam geradlinig über mehrere Ebenen zu erstrecken vermag.

Als die Journalistin Felicity Staples eine Art Logo, das offensichtlich mit einem Messer in eine Wand des Mordhauses geritzt wurde, ebenfalls auf der Basecap eines der Schaulustigen entdeckt, ist ihr Ehrgeiz und ihr Interesse an dem Fall Madison May endgültig geweckt. Bei ihrer Recherche stolpert sie über das Firmenlogo der THE SOFT HORIZON JUICE COMPANY und einem, zur Fahndung ausgeschriebenen Typen namens Hugo Garrelly. Als Felicity dessen Verfolgung in die New Yorker U-Bahn aufnimmt, trifft sie dort auch auf Clayton Hors, den vermeintlichen Mörder der Immobilienmaklerin. Völlig perplex, dass sich Hugo und Clayton offensichtlich zu kennen scheinen, nimmt sie den Gegenstand in Form eines metallenen Eies von Garelly entgegen, der Felicity anschließend vor einen einfahrenden Zug auf die Bahngleise stößt. Von nun an ist Felicitys Staples Welt eine andere, wenn auch nur marginal, denn ihr Leben zeigt fortan kleinere Unregelmäßigkeiten auf. So auch das Leben der Madison May, denn plötzlich sind die Umstände ihres Todes grundlegend anders, was die Journalistin vollends an sich selbst zweifeln lässt. Felicity ist fortan in großer Gefahr, denn der Killer und sein Widersacher scheinen es nun auch auf sie abgesehen zu haben. Wem kann sie in dieser, ihr fremd gewordenen Welt noch trauen, wenn sie sich nicht einmal mehr selbst trauen kann? Die Erkenntnisse, die Felicity an diesem suspekten Ort erlangt, sind weitaus erschreckender und wesentlich weitreichender als ihr reines Vorstellungsvermögen.

Der 432-seitige Mystery/Fiction Roman, der im Original im Jahre 2021, unter dem Titel "The 22 Murders of Madison May" erschien, hat schon eine skurrile Ader, bleibt dabei aber stets bodenständig, zugänglich und klar strukturiert. Max Barry, der mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Melbourne lebt, weiß wie man Spannung erzeugt und den Leser auch mal ordentlich zappeln lässt. Es sind die authentischen Ideen eines Fantasten, die der intelligenten, humorvollen Fiktion ihren Drive verleihen. Die abwechselnde Sicht auf das Leben und Sterben der Madison May, sowie das unbekannte Entdecken der Felicity Staples während ihres ungewollten Worldhoppings, verleihen dem vielschichtigen Gedankenkonstrukt zusätzlich Schub. Der australische Schriftsteller nötigt seiner Leserschaft durchaus abstraktes Denken ab, überfordert sie dabei aber eher selten und hat die Idee zu seinem ganz speziellen SciFi-Thriller bestens umgesetzt.

(Janko)

www.maxbarry.com
https://www.facebook.com/maxbarry

Brutalität/Gewalt: 35/100
Spannung: 84/100
Action: 82/100
Unterhaltung: 84/100
Anspruch: 46/100
Atmosphäre: 78/100
Emotion: 42/100
Humor: 14/100
Sex/Obszönität: 06/100

LACK OF LIES - Wertung: 82/100

Max Barry - Die 22 Tode der Madison May
Heyne Hardcore
Fiction Thriller
ISBN: 978-3-453-32235-6
432 Seiten
Paperback, Broschur
Originaltitel: The 22 Murders of Madison May
Aus dem amerikanischen Englisch von Dr. Bernhard Kempen
Erscheinungstermin: 15.03.2023
EUR 15,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
eBook (epub) ISBN: 978-3-641-29444-1
Erscheinungstermin: 15.03.2023
EUR 11,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Die 22 Tode der Madison May" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Die-22-Tode-der-Madison-May/Max-Barry/Heyne/e605944.rhd

Leseprobe: https://www.penguinrandomhouse.de/leseprobe/Die-22-Tode-der-Madison-May/leseprobe_9783453322356.pdf

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 24.05.2023

- tiefgründiger, emotionaler und intelligenter Ermittlungs- und Gesellschaftsroman -

Mit zitternden Händen
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Malin Persson Giolito - Mit zitternden Händen
(Bastei Lübbe)

- tiefgründiger, emotionaler und intelligenter Ermittlungs- und Gesellschaftsroman -

Zwischen den fiktiven Stockholmer Vororten Våringe und ...

Malin Persson Giolito - Mit zitternden Händen
(Bastei Lübbe)

- tiefgründiger, emotionaler und intelligenter Ermittlungs- und Gesellschaftsroman -

Zwischen den fiktiven Stockholmer Vororten Våringe und Rönnviken verläuft die achtspurige Autobahn. Am späten Abend des verschneiten 6. Dezember ertönen am Rande von Rönnviken kurz hintereinander vier Schüsse. Einige Minuten später geht bei der Polizei der Notruf eines Jugendlichen ein. Ein Junge sei in den Kopf geschossen worden. Jugendpolizist Farid Ayad macht sich sofort auf den Weg zu dem verstörenden Schauplatz.

In ihrem komplexen Ermittlungs- und Gesellschaftsroman "Mit zitternden Händen", berichtet die schwedische Autorin Malin Persson Giolito, von der Kindheit und der Freundschaft der beiden 14 Jahre alten Jugendlichen Billy Ali und Douglas "Dogge" Arnfeldt. Während Billy immer alles zuzufliegen scheint, muss sich Dogge alles schwer erarbeiten. Anerkennung, Mädels, sogar die Liebe seines Vaters Theo. Die beiden Minderjährigen schwänzen die Schule, stellen allerlei Blödsinn an und beginnen schon früh an ihrer kriminellen Karriere zu feilen. Auf eine triste, distanzierte, dennoch einfühlsame Art verknüpft Malin Persson Giolito verschiedene Handlungsstränge miteinander, denen man jedoch mit Leichtigkeit folgen kann. Die gebürtige Stockholmer Autorin geht in ihrem, von Trauer und Endgültigkeit umspülten Ermittlungs- und Gesellschaftsdrama, ebenfalls auf die Beziehungen der Eltern untereinander ein, in der Arm und Reich in ihrer ungerechten Ungleichheit oder ihrer ungleichen Ungerechtigkeit aufeinandertreffen. Die verschiedenen Blickwinkel, Ursachen und Hintergründe, die zu der Entwicklung der Kinder hin zu jugendlichen Kleinkriminellen führte, heizen den tiefgehenden Plot ordentlich an und gestalten ihn äußerst interessant.

Es wird eine Ermittlungsgruppe zusammengestellt. Protokolle von Dogges Vernehmung, sowie die Aufnahmen der jeweiligen Überwachungskameras werden diskutiert. Ermittler Farid Ayad, der in gewisser Weise auch als Sozialarbeiter in Våringe fungiert, kennt die Leute und ihr Umfeld besser als jeder andere. So wird recht schnell offenbar, dass der 14-jährige Douglas "Dogge" Arnfeldt die Schüsse auf seinen besten Freund Billy Ali, der sich zu dem Zeitpunkt bereits in einem Aussteigerprogramm befunden hatte, abgefeuert hat. Beide nehmen Drogen und stehen in den Diensten und tief in der Schuld des aufstrebenden Kleinkriminellen Mehdi Ahmad. Dogge will sich jedoch keine Schuld eingestehen. Er tat nur das, was Mehdi wollte. Dogge ist frech und überheblich, obwohl er von jedermann mit Samthandschuhen angefasst und allerseits gehätschelt und getätschelt wird. Bis er in einem geschlossenen Jugendheim untergebracht wird und dort auf einen alten Bekannten trifft. Nun beginnt für Dogge erst recht ein wahrer Albtraum.

"Wenn mein Sohn die Polizei hört, läuft er sofort und so schnell er kann in die entgegengesetzte Richtung, ganz egal, ob er etwas ausgefressen hat oder nicht. Für meinen Jungen ist die Polizei wie der Eiswagen, nur andersherum." (Zitat S. 44)

Malin Persson Giolito begleitet das Leben, den Alltag und die frustrierenden Ermittlungen in und rund um Våringe, das ganze Prozedere nach Douglas "Dogge" Arnfeldts Festnahme, sowie dessen Unterbringung in seiner neuen Umgebung. Die potenzielle Leserschaft muss sich hierbei auf unzählige Protagonisten einlassen. Knallhart resignierend und im steten Wechsel bindet die Schwedin Rückblicke auf die beiden Kinder, ihre Freundschaft zueinander und den Umgang innerhalb ihrer Familien in das, im Präsens verfasste Gesellschaftsdrama, ein. Die Anwältin und Schriftstellerin, die heute mit ihrer Familie in Brüssel lebt, beschreibt die Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung gegenüber den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. Innerhalb dieses brandaktuellen Themas beschäftigt sich Persson Giolito ebenso mit der zunehmenden Gewalt unter Kindern und Jugendlichen, der Jugend- und Gang-Kriminalität, dem leidigen Thema Jugendstrafrecht, Täterschutz und Opferschutz, dem Scheitern der kaputten Gesellschaft, dem Scheitern der resignierenden Erziehungsberechtigten, Depressionen und dem Thema Selbstjustiz. Das 447 Seiten umfassende "Mit zitternden Händen" ist eine enorm spannende, vielschichtige, gleichwohl sehr traurige Gesellschaftsstudie geworden, die zum Nachdenken anregt und noch lange, lange nachhallt. Sie diente als Vorlage zu einer kommenden Netflix-Serie.

(Janko)

https://www.facebook.com/malin.perssongiolito
https://www.instagram.com/malinperssongiolito/

Brutalität/Gewalt: 57/100
Spannung: 86/100
Action: 70/100
Unterhaltung: 91/100
Anspruch: 65/100
Atmosphäre: 84/100
Humor: 09/100
Emotion: 86/100
Sex/Obszönität: 15/100

LACK OF LIES - Wertung: 88/100

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.05.2023

- frostkalter und atmosphärischer Mystery-Horror-Thriller aus alten Legenden, (Aber-)Glaube, Wahnsinn, Blut und Tod -

Road of Bones – Straße des Todes
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Auf dem Weg nach Kolyma kommen Felix Teigland und sein Freund Jack Prentiss, bei minus 30 Grad Celsius, um ein Haar von der zugefrorenen "Straße des Todes" ab. Die beiden Filmemacher starteten ihre Mission ...

Auf dem Weg nach Kolyma kommen Felix Teigland und sein Freund Jack Prentiss, bei minus 30 Grad Celsius, um ein Haar von der zugefrorenen "Straße des Todes" ab. Die beiden Filmemacher starteten ihre Mission in Magadan, einer 90.000 Einwohner zählenden Hafenstadt am Ochotskischen Meer, im Nordosten Sibiriens. Auf der 2.031 Kilometer langen Kolyma-Fernstraße R504 gibt es für sie nur ein Ziel. Sie wollen an den kältesten bewohnten Ort der Welt. Ein 500-Seelen-Dorf mitten im Nirgendwo, an dem die Temperaturen in den kältesten Winternächten, schon mal unter minus 70 Grad sinken können. Hier in Achust ist man den Elementen gnadenlos ausgesetzt. Doch noch etwas viel Gefährlicheres und Mächtigeres erwartet die beiden ahnungslosen Freunde.

Der, 1967 in Massachusetts geborene Schriftsteller etlicher Horror-, Mystery- und Fantasy -Romane, sowie diverser Comicbücher und Video-Spiele Christopher Golden hat mit seinem, 2022 im Original erschienenen "Road Of Bones - Straße des Todes", einen frostkalten und atmosphärischen Mystery-Horror-Thriller aus alten Legenden, (Aber-)Glaube, Wahnsinn, Blut und Tod erschaffen. Es sind die erschütternden, geradezu unmenschlichen historischen Ereignisse, um den Bau der Kolyma-Fernstraße (auch Straße der Knochen genannt), die der Leserschaft schier das Blut in den Adern gefrieren lassen. Goldens heimeliger und cinematischer Erzählstil lässt den Leser, trotz der allgegenwärtigen, frostklirrenden Kälte von Anfang an tief in seinen 338-seitigen Roman eintauchen. Man spürt die gnadenlose Unbarmherzigkeit der todbringenden Temperaturen an diesem trostlosen Ort, aber auch die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, der Menschen, die hier leben.

Felix "Teig" Teigland, seines Zeichens Betreiber einer Fernsehproduktionsfirma, die sich mit dem Paranormalen beschäftigt und in finanzielle Schieflage geraten ist, möchte in und um Achust die Dokumentation seines Lebens drehen. Als er gemeinsam mit seinem Kameramann Jack Prentiss und dem jakutischen Guide Kaskil auf der Kolyma-Fernstraße an einem liegengebliebenen SUV vorbeikommen, nehmen sie die Jakutin Nariyaana (Nari) auf und retten die junge Frau dadurch vor dem sicheren Erfrierungstod. In Achust angekommen, beziehen Teig und Prentiss das Haus von Kaskils verstorbenem Onkel, während sich Kaskil mit Nari in der kleinen Ortschaft umschauen. Als es kurze Zeit später an der Tür klopft und Kaskil mit Nari ins Haus stürmen, offenbaren die beiden Teig und Prentiss voller Entsetzen, dass das gesamte Dorf verlassen ist. Der Albtraum am kältesten ehemals bewohnen Ort der Welt nimmt seinen furchtbaren Lauf. Denn das einzige Zeichen, das die vier bei minus 50 Grad von den ehemals hier lebenden Einwohnern entdecken, sind Fußspuren von nackten Füßen, die allesamt von den Häusern wegführen. Und sie führen allesamt in den Wald. Einzig und allein ein katatonisches Mädchen wurde im Dorf zurückgelassen, das Teig, Prentiss, Nari und Kaskil selbstredend in Sicherheit zu bringen gedenken. Als die fünf erkennen, was die Menschen bei diesen todbringenden Temperaturen barfuß in den Wald getrieben hat, beginnt für sie alle ein knallharter Kampf ums pure Überleben.

Christopher Golden, der mit seiner Familie in Massachusetts lebt, hat seinen Mystery-Horror mit actiongeladenen Sequenzen, spannungsvollen Momenten und einer unheimlichen Aura ausgestattet. Der cozy Plot, aus übernatürlichen Ereig-nissen, Mystery-Elementen und magischer Anziehungskraft, setzt mehr auf Action, als auf bösartige Horror- oder Gewalt-Sequenzen und ist wie im Laufschritt erzählt. Der US-amerikanische Schriftsteller knüpft dabei emotionale Bindungen, die es dem Leser leicht machen, mit seinen Protagonisten mitzufühlen und mitzuleiden. Goldens üppiges Angebot an Gewalt, ist jedoch nicht allzu detailliert dargestellt. Doch etwas Entrücktes, aus alten Mythen und Legenden geboren, zieht wie ein fremder Schatten durch die nebulöse Gedankenwelt des überschaubaren Personals, das den todbringenden Elementen schutzlos ausgeliefert ist.

(Janko)

https://www.christophergolden.com/
https://www.facebook.com/christopher.golden.5832
https://www.instagram.com/christopher_golden

Brutalität/Gewalt: 48/100
Spannung: 84/100
Action: 83/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 28/100
Atmosphäre: 85/100
Emotion: 70/100
Humor: 03/100
Sex/Obszönität: 08/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 86/100

Christopher Golden - Road Of Bones - Straße des Todes
Cross Cult
Horror/Thriller
ISBN: 978-3-96658-989-5
338 Seiten
Gebundene Ausgabe
Originaltitel: Road Of Bones
Aus dem amerikanischen Englisch von Johannes Neubert
Erscheinungstermin: 02.05.2023
EUR 26,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (EPUB): 978-3-96658-990-1
Erscheinungstermin: 02.05.2023
EUR 9,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"Road Of Bones - Straße des Todes" bei Cross Cult: https://www.cross-cult.de/titel/road-of-bones-strasse-des-todes.html" target="_blank">https://www.cross-cult.de/titel/road-of-bones-strasse-des-todes.html

Leseprobe: https://www.cross-cult.de/titel/road-of-bones-strasse-des-todes.html" target="_blank">https://www.cross-cult.de/titel/road-of-bones-strasse-des-todes.html (rechts oben neben dem Cover)

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Veröffentlicht am 28.04.2023

- überspitzter, leidvoller Thriller mit kleineren Mystery-Sequenzen -

The Violence – Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?
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Die explizite Warnung der US-amerikanischen Autorin Delilah S. Dawson, im Vorwort zu ihrem Thriller "The Violence", es kämen Themen wie körperliche und emotionale Misshandlung, sexueller Missbrauch, sowie ...

Die explizite Warnung der US-amerikanischen Autorin Delilah S. Dawson, im Vorwort zu ihrem Thriller "The Violence", es kämen Themen wie körperliche und emotionale Misshandlung, sexueller Missbrauch, sowie drastische Gewaltdarstellungen (auch gegen Tiere) zur Sprache, können Sie zumindest zu Beginn der Story, getrost für bare Münze nehmen. "Violence" ist eine fiktive Geschichte, die auf den leidvollen Erfahrungen der Autorin und ihrer Mutter aufbaut. Von Anfang an macht sich eine triste, leicht überspitzte und von triefendem Sarkasmus umspülte Stimmung breit. Distanziert emotional, in leicht verständliche Sprache gehüllt und im Präsens bekundet, beinhaltet der infame Thriller auf subtile Weise, eine willkommene Prise tiefschwarzen (Galgen-)Humors. Scharfkantig, wie ein frisch gewetztes Messer, schneidet sich jede der 688 Seiten, ins Bewusstsein des Lesers.

In einem chaotischen Amerika der nahen Zukunft führen Chelsea Martin und ihr Ehemann David eine Ehe, die nicht auf Augenhöhe stattfindet. Sie, Verkäuferin von Aromaölen, für die sich niemand interessiert. Er, leitender Angestellter im Bankwesen. Dazu noch die beiden Töchter Ella (17) und Brooklyn (5). Vom Leben gezeichnet, frustriert, ausgenutzt und zutiefst gedemütigt, würde Chelsea ihrer, ohnehin von Misstrauen und Misshandlungen, Gewalt und Erniedrigung dominierten Ehe am liebsten entfliehen, als eine hochinfektiöse Pandemie, mit dem bezeichnenden Namen Violence-Virus um sich greift. Dieses Virus stellt nicht nur die Machtverhältnisse der Familie Martin auf den Kopf, es beseitigt auch beinahe sämtliche ihrer Angstzustände und ihrer tiefsitzenden Depressionen. Als sich die ungewöhnlichen Vorfälle unvermittelter Gewaltexzesse häufen, schmiedet Chelsea einen perfiden Plan. Als es dann zum Äußersten kommt, macht das die Situation für Chelsea nicht unbedingt komfortabler. Denn in Davids Freundeskreis gibt es Polizisten und Anwälte, die ihr das Leben schwer machen. Macht über sie ausüben wollen. Und diese Männer sind genau wie David:

- Raubtiere, die sich mit einem Lächeln tarnen -

Aber auch für Chelsea kommt alles ganz anders als sie denkt, denn plötzlich greift das Virus um sich und es ist dabei nicht wählerisch, wenn es befällt. Auch ihre 17-jährige Tochter Ella macht mit ihrem Freund Hayden ähnliches wie Chelsea durch, während ihre Großmutter Patricia die Flucht vor dem Virus antreten will. Als sich Violence nahezu weltweit auszubreiten beginnt, alles allmählich aus den Fugen gerät und eine heilende Impfung gegen das Virus eine kaum aufzubringen Menge an Geld verschlingen würde, bringt Chelsea ihre Kinder in vermeintliche Sicherheit und begibt sich auf eine gefährliche Mission.

Wie beiläufig wird aus der Sicht der jeweiligen Protagonisten berichtet. Ganz normale Lebensläufe. Die einen mit kleineren Hürden, die anderen mit großen Hindernissen. Als Leser schreit es wutentbrannt in einem: "Brich aus diesem frustrierenden Leben, mit diesem frustrierenden Ehemann aus!" In der psychologischen Studie geht es um Macht, Kontrolle, Neid, Abhängigkeiten, Angstzustände, Depressionen, Missachtung, gestohlene Jugend und darum jemanden schutzlos ausgeliefert zu sein. Die Männerwelt kommt in der zu Beginn recht gewalttätigen Offenbarung "The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?" nicht sonderlich gut weg. Die hin und wieder auftretenden Gewaltexzesse wurden von der, in Georgia beheimateten Autorin nicht allzu explizit dargestellt. Dafür spürt man das entsetzliche Misstrauen gegenüber dem Leben nur allzu deutlich. Leider ist die Erzählung, gerade im letzten Drittel sehr langatmig ausgefallen, wodurch sie langweilig, wirr und konstruiert wirkt und mehrere Tiefschläge in Form von ausladenden Durststrecken erfährt. Wie ein geprügelter Hund habe ich mich durch das aus-ufernde letzte Drittel geschleppt. Ebenso hat mich die supernervige, geschlechterneutrale Sprache genervt, die in Dawsons Roman glücklicherweise nur selten Anwendung findet. Sollte sich derartiges dauerhaft durchsetzen, na dann gute Nacht! Der Plot nimmt auch eine Abzweigung, die den wirklich guten und tiefgründigen Beginn der Geschichte nach und nach zerstört. Was sich Delilah S. Dawson dabei gedacht hat, kann ich nicht so recht nachvollziehen, da die Geschichte, mit ihrem leichten Hang zur Mystery, ohnehin ausschweifend genug ist und es diesen Nebenhandlungsstrang nicht gebraucht hätte.

(Janko)

https://www.whimsydark.com/
https://www.facebook.com/delilahpaints
https://www.instagram.com/delilahsdawson/

Brutalität/Gewalt: 58/100
Spannung: 58/100
Action: 62/100
Unterhaltung: 70/100
Anspruch: 25/100
Atmosphäre: 61/100
Emotion: 58/100
Humor: 13/100
Sex/Obszönität: 08/100

https://www.lackoflies.com - Wertung: 72/100

Delilah S. Dawson - The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?
Heyne Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-453-32240-0
688 Seiten
Taschenbuch
Originaltitel: The Violence
Aus dem amerikanischen Englisch von Maike Hallmann
Erscheinungstermin: 15.02.2023
EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-29481-6
Erscheinungstermin: 01.02.2023
EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

"The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?" beim Heyne Ver-lag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/The-Violence-Wie-weit-wirst-du-fuer-deine-Freiheit-gehen/Delilah-Dawson/Heyne/e606467.rhd

Leseprobe: https://books.google.de/books?id=XEJnEAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false

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