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Veröffentlicht am 11.04.2019

Ein Wal, ein Joe und das Ende der Welt

Der Wal und das Ende der Welt
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Ich liebe Bücher über den Weltuntergang. Egal ob durch Krieg, Terror, Umweltverschmutzung oder Krankheiten verursacht, das Thema fasziniert mich einfach.

Der Wal und das Ende der Welt von John Ironmonger ...

Ich liebe Bücher über den Weltuntergang. Egal ob durch Krieg, Terror, Umweltverschmutzung oder Krankheiten verursacht, das Thema fasziniert mich einfach.

Der Wal und das Ende der Welt von John Ironmonger geht mal etwas anders an dieses Thema heran. Statt viel Spektakel und Action schlägt diese Geschichte ruhigere Töne an.

Alles beginnt damit, dass am Strand des kleinen Fischerdorfs St. Piran im Cornwall morgens ein nackter Mann, gerade so noch lebend, gefunden wird. Er heißt Joe, kommt aus London und prophezeit den Untergang der Welt. Und dann ist da noch dieser riesige Wal aufgetaucht, der die Bucht von St. Piran nicht verlassen will...

Ironmonger fokussiert sich in seiner Geschichte auf das Menschliche, auf den Zusammenhalt dieser kleinen Gemeinschaft, auf die Beziehungen und das Vertrauen der Dorfbewohner (zu denen Joe sich bald selbst zählt) zueinander.

Einerseits kann man das als schönes Plädoyer für Zusammenhalt in schwierigen Zeiten sehen. Andererseits, finde ich es schwierig dabei den Plot an sich und insbesondere die Welt außerhalb von St. Piran so aus dem Fokus zu rücken. Für mich ergeben sich durch das stets freundlich-menschliche Miteinander Loggiklücken und Handlungen von Charakteren, die in einem Weltuntergangsszenario für mich so komplett unvorstellbar sind. Ein Beispiel: die ganze Zeit kam wirklich kein Charakter auf die Idee, Wachen für das Nutzvieh im Dorf aufzustellen und diese zu bewaffnen, selbst nach wiederholten Viehdiebstählen nicht! Das ist wirklich extrem unglaubwürdig.

Johann von Bülow erledigt seinen Job als Hörbuchsprecher tadellos, er trifft einen nachdenklichen Ton, der zum Buch passt.

Für mich ist dieser Roman eine Art 'Wohlfühlbuch' unter den Apokalypse- Romanen und evtl. für Leser die nicht so gern gewalttätige oder drastische Handlungen mögen oder für jene, denen es primär um die philosophische Bedeutung einer Apokalypse geht, interessant. Man muss es eher unter dem Aspekt 'was bedeutet Apokalypse für die Beziehungen innerhalb einer Dorfgemeinschaft' lesen und weniger auf Realismus oder logisch nachvollziehbare Handlungen wert legen.

Mich konnte dieser Ansatz leider nicht überzeugen, die oft mangelnde Logik in den Handlungen, insbesondere des Hauptcharakters Joe Haak, aber auch der restllichen Dorfbewohner trübten meinen Hörgenuss, so dass ich es nur als ausreichend bewerten kann.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Kein typischer Läckberg

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.
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Kurz vorweg: Kein typischer Läckberg- Thriller a la 'Mord in Fjällbacka", aber ich bin restlos begeistert!

Ich finde der Klappentext dieses Hörbuchs trügt ein wenig.

In ihm wird erzählt: Faye, Ehefrau ...

Kurz vorweg: Kein typischer Läckberg- Thriller a la 'Mord in Fjällbacka", aber ich bin restlos begeistert!

Ich finde der Klappentext dieses Hörbuchs trügt ein wenig.

In ihm wird erzählt: Faye, Ehefrau des Unternehmers und Millionärs Jack, lebt im Stockholmer Luxus. Edelste Wohnung, erlesene Freundin, eine süße Tochter, doch der Schein trügt. Jack benimmt sich extrem abwertend und respektlos Faye gegenüber, sie bemüht sich zu gefallen, doch die Ehe hat tiefe Risse. Dann ist Juliette verschwunden, in der Wohnung ist Blut und Jack steht im Verdacht der Ermittler.

Man könnte meinen, dieser Thriller drehe sich im Fokus um Juliennes Verschwinden, doch dem ist nicht so!

Die Story beginnt gemächlich, zeigt Fayes goldenen Käfig und offenbart bereits in den ersten Minuten Jacks Neigung Pornos mit Teenagerinnen als Darstellerinnen zu schauen. Faye weiß von dieser Seite ihres Mannes.

Sie lebt damit tagtäglich seine kalte Wut, seine Verachtung und seine Geringschätzung ihr gegenüber auszuhalten. Von außen betrachtet führt sie ein wunderschönes Leben im Luxus, doch sie weiß um ihre Hölle.

Als sie unerwartet und Tage zu früh mit Julienne von einer Reise heim kommt, ändert sich alles. Faye ist erst wie betäubt, bleibt das demütige Opfer, dass ihr Mann gewohnt ist. Doch dann wacht sie dank ihrer Freundin Kris aus dieser Lethargie auf und will kämpfen.

Hier sind wir beim Hauptthema dieses Romans: Rache! Davon gibt es hier mehr als genug und ich bin der Ansicht, dass Camilla Läckberg diesen Plot so faszinierend und unheimlich gut aufgebaut hat, dass wir hier einen der besten Romane zum Thema Rache haben.

Und es ist ein Loblied an alle Frauen die nach erlittenen Niederlagen aufstehen und weitermachen, um eine Erfahrung reicher und stärker als zuvor! Tut mir leid, aber ich liebe diese Story, muss daran liegen, dass ich eine Frau bin. Wie Faye in der Geschichte sagt (frei zitiert): 'Wie oft wurden sie von einem Mann betrogen oder gedemütigt?... Haben Sie bemerkt, ich habe nicht gefragt OB sie betrogen wurden, ich gehe davon aus.'

Ich glaube ja persönlich, dass die Autorin so richtig Spaß daran hatte, die Figur des Millionärs, Unternehmers und A****lochs Jack Adelheim zu entwerfen, der ganze Bua a Depp wie man bei uns sagen würde und nicht eine liebenswerte Seite ist an ihm zu finden. Respekt, so jemanden muss man erstmal schreiben können und den Mut haben, ihn als Hassperson so zu verteten.

Vera Teltz macht ihre Aufgabe als Sprecherin phänomenal, Fayes Charakterwandlung verkörpert sie stimmlich perfekt und Kris' Stimme habe ich ebenso geliebt.

Wenn ihr damit leben könnt, dass wir hier in 90% der Story keinen typischen Krimiplot haben (sehr wohl aber viel sinistres, kompromissloses und erschreckendes) und starke Frauen liebt, hört dieses Hörbuch (oder lest das Buch)!

Veröffentlicht am 18.03.2019

Teilweise schwer zu ertragen

Die große Heuchelei
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Manche Hörbücher sind nur schwer auszuhalten. Dieses hier gehört dazu, Jürgen Todenhöfer beschreibt in 'Die große Heuchelei - Wie Politik und Medien unsere Wert verraten' ein bekanntes Schema ...

Manche Hörbücher sind nur schwer auszuhalten. Dieses hier gehört dazu, Jürgen Todenhöfer beschreibt in 'Die große Heuchelei - Wie Politik und Medien unsere Wert verraten' ein bekanntes Schema der modernen, westlichen Politik.


Wenn Politiker zu militärischen Einsätzen und Beteiligungen an Kriegen befragt werden, führen sie nur allzu oft 'unsere Werte' im Munde, doch meinen sie eher unsere Interessen oder die Interessen von Bündnispartern, meist sind diese Interessen eben nicht das Vebreiten von Demokratie oder Hilfe für Unterdrückte sondern eher ökonomischer oder strategischeer Natur. Er zeigt u.a. auf, welche begünstigende Rolle die USA bei der Entstehung des IS gespielt haben.


Was unsere sogenannten Werte im Rest der Welt bringen, davon berichtet Jürgen Todenhöfer. Er schreibt von seinen Reisen in die aktuellen Kriegsgebiete u.a. in Syrien und im Jemen. Das ist manchmal schwer zu ertragen, wenn er die gebrochenen Lebenswege der Überlebenden dieser Kriege erzählt, auch drastische Schilderungen der (vom Westen und Russland) ausgebombten Städte in Syrien und den Todesopfern tragen nicht gerade zum Verständnis für westliche Interventionen bei.




Als Hörbuch wird dieses Buch von Frank Arnold gelesen, er schafft es genau den richtigen Ton zu treffen, nicht zu dramatisch, nicht zu unbeteiligt.


Jürgen Todenhöfer hat ein wichtiges Buch geschaffen, das jeder global politisch Interessierte Mensch lesen sollte. Ich möchte anmerken, dass man bei einigen Teilen dieses Buches auf Todenhöfers Redlichkeit (an der ich bis jetzt nie gezweifelt habe) vertrauen muss, da hier das Factchecking schwierig wird. Trotzdem kann dieses Buch ein Anfangspunkt für eigene Gedanken zur globalen Geopolitik und der Natur unserer militärischen Einsätze sein.


Abschließend ein, sinngemäß wiedrgegebenes, Zitat aus dem Buch mit dem ich voll konform gehe:

'Wenn es bei militärischen Einsätzen um Interessen geht und nicht um Werte, dann ist es doch kein Problem das so zu formulieren. Wenn diese Interessen berechtigt sind, und nicht die Interessen anderer tangieren, warum sie verheimlichen?'

Veröffentlicht am 12.03.2019

Verdammt gut!

1793
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Gleich vorab, mit der Aussage von Arne Dahl im Klappentext gehe ich nicht konform. Das Buch ist weder 'wild' noch handelt es sich um einen 'ungewöhnlichen Mix'. 1793 ist schlicht und ergreifend ein historischer ...

Gleich vorab, mit der Aussage von Arne Dahl im Klappentext gehe ich nicht konform. Das Buch ist weder 'wild' noch handelt es sich um einen 'ungewöhnlichen Mix'. 1793 ist schlicht und ergreifend ein historischer Krimi mit leichten Thriller- Elementen. Allerdings ist es eine richtig gute Geschichte!

Die Geschichte spielt im Jahr 1793 (wer hätte das geahnt?) in Stockholm. Der Armee- Veteran und Stadthäscher Jean Michael Cardell und der Jurist Cecil Winge haben einen Mord aufzuklären. In der Stadtkloake namens Fatburen schwimmt eine männliche Leiche, Arme und Beine fehlen, ebenso wie Augen und Zunge; scheinbar wurde alles zu Lebzeiten des Mannes entfernt. Wird es mit Cardells 'schlagenden Argumenten' und Winges Scharfsinn gelingen den Mörder zu überführen?

Niklas Natt och Dag (der Autor heißt wirklich so, ich habe es recherchiert) entwirft hier ein spannendes Bild der Stockholmer Gesellschaft im späten 18. Jahrhundert, er spart nicht an unschönen Details und dem elenden Leben der Ärmsten und schafft dabei eine faszinierende Geschichte, die abseits des Kriminalfalls, auch eben viel über die damaligen Verhältnisse, Recht und Unrecht, Ausbeutung und dem wozu verzweifelte Menschen alles bereit sind erzählt.

Der Schreibstil ist flüssig, die Perspektivwechsel in den vier verschiedenen Teilen des Romans geben der Geschichte immer wieder neuen Schwung, langatmige Passagen sind fast nicht vorhanden und die Auflösung des Falles und Winges Handeln haben mich verblüfft. Insbesondere eben die Entwicklung des Charakters Cecil Winge hat mich beeindruckt, er startet als rationaler Mensch, inspiriert vom Geist der Aufklärung und seiner Zeit vorraus und wird im Laufe der Geschichte ein anderer Mensch.

Mein Fazit: Niklas Natt och Dag beherrscht das Autorenhandwerk perfekt, sein Roman ist in jedem Fall eine Leseempfehlung für alle Krimifans, für die es nicht unbedingt eine Handlung in der Gegenwart sein muss. Durch die leichten Thrillerelemente sollten auch Thrillerfans mal in die Leseprobe reinschnuppern!

Veröffentlicht am 06.03.2019

Man bleibt etwas ratlos zurück

Das Volk der Bäume
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Dieses Hörbuch hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Zwei Themen wurden hier sehr interessant vereint: Forschung und ihre Folgen sowie Kindesmissbrauch.



Die erfundene Lebensgeschichte des ...

Dieses Hörbuch hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Zwei Themen wurden hier sehr interessant vereint: Forschung und ihre Folgen sowie Kindesmissbrauch.



Die erfundene Lebensgeschichte des Nobelpreisträgers Norton Perina wird hier spannend und bildreich beschrieben. Im Stile einer Biografie führt die Geschichte durch sein ganzes Leben, von Kindesbeinen an bis zu seiner Inhaftierung wegen Kindesmissbrauchs im hohen Alter.



Nicht ganz verstehen konnte ich die Entscheidung der Autorin, Perina so komplett unsympathisch anzulegen. Forscher, Nobelpreisträger, Denker, all diese Verdienste hin oder her, ich konnte an diesem Charakter nicht das kleinste Bisschen Positives abgewinnen. Sein Assistent, Ronald Kubodera, der sich im Prolog, Epilog und zwischendurch in fußnotenartigen Einschüben zu Wort meldet, macht die Sache durch seine Perina anhimmelnde Art auch nicht besser.



Wunderbar hingegen fand ich Yanagiharas Art, schwelgerisch die Forschungsreise Perinas zu einem noch unentdeckten Naturvolk beschreiben. Ihre Art jede Farbe, jede Textur, jeden Geruch poetisch zu beschreiben ist wirklich ein Ohrenschmeichler beim Hörbuch hören. Jedoch wird dies in dem Moment zunichte gemacht, in dem wieder Perinas narzisstische Art und seine Geringschätzung anderen gegenüber durchbricht. So sind die Stellen, in denen er sich über seine Wissenschaftler- Kollegin Esme ergeht stellenweise schwer zu ertragen.


Auf dieser Insel wird Perina eine bedeutende Entdeckung machen: scheinbar unsterbliche Menschen, deren körperliche Jugend jedoch mit enormen geistigen Verfall einhergeht. Seine Entdeckung findet großes Echo in der Wissenschaft, jedoch bedeutet dies den Niedergang für dieses Volk und Perina fühlt sich schuldig.


So ausführlich dieser Teil gestaltet ist, so vage bleibt der Verlauf der Erzählung um Perinas Schandtaten gegenüber seinen Adoptivkindern. Auch nach Lektüre dieser Geschichte könnte ich dazu, ob es passierte oder nicht, keinen qualifizierten Kommentar abgeben. Natürlich hat man hier nur die 'Täersicht' und dies merkt man dem Roman an. Ein Narzisst berichtet über seine Großtaten und schweigt über Fehlschläge oder delegiert die Schuld. Deswegen hängt man nach der Lektüre auch gedanklich etwas in der Luft.


Die Sprecher machen beide einen großartigen Job und wurden perfekt ausgewählt, beide Stimmen passen perfekt zu meinem inneren Bild der Charaktere.