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Julia_Matos

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Veröffentlicht am 06.01.2020

Seichte Unterhaltung vor historischer Kulisse

Die Tochter der Bettlerin
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Dies ist kurzweilige Unterhaltung um verhängnisvolle Liebschaft und Hingabe, Krieg und Intrigen, verknüpft mit historischen Figuren und Schauplätzen in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Reich von Friedrich ...

Dies ist kurzweilige Unterhaltung um verhängnisvolle Liebschaft und Hingabe, Krieg und Intrigen, verknüpft mit historischen Figuren und Schauplätzen in der Mitte des 18. Jahrhunderts im Reich von Friedrich II., König von Preußen.
Das Buch im auktorialen Erzählstil ist flüssig lesbar, manchmal zu langatmig, sprachlich zu melodramatisch für meinen Geschmack. “Show, don’t tell” möchte ich der Autorin Nora Berger empfehlen. Figuren wird ein Skript auferlegt, das nicht richtig passt. Gefühle und Urteile sind oft einfach da, schwer nachvollziehbar.
Die fiktive Hauptfigur Anna ist als Tochter einer alkoholabhängigen Prostituierten und Bettlerin aufgewachsen, dabei gutgläubig und schwärmerisch geblieben. Mehr Pragmatismus und Abgebrühtheit wären glaubwürdiger gewesen. Ihre weibliche Erscheinung wird hervorgehoben, was die weitere Entwicklung unlogisch erscheinen lässt. Ihr Gedankenkarussel nervt irgendwann. Dass sie in Schwierigkeiten gerät, ist das Ergebnis offensichtlich haarsträubend falscher Entscheidungen. Dementsprechend schwer fielen mir Identifikation und Mitfühlen.
Die historische Persönlichkeit Friedrich Freiherr von der Trenck wird hofiert und ist in allen Disziplinen brilliant, dabei hochmütig, sodass sich hier erst recht keine Sympathie einstellen will. Es stellt sich auch die Frage, wie geschönt seine Memoiren sind und welche Quellen ergänzend herangezogen wurden.
Zu Nebenfiguren habe ich gemischte Gefühle. Manche sind interessant, z. B. Kameraden, über deren Motive und Ehrbarkeit sich spekulieren lässt. In einigen Fällen sind zugedachte Rollen zu offensichtlich oder die Persönlichkeit kommt flach daher.
Die Handlung vermag trotz mancher absehbarer Entwicklungen durchaus zu gefallen, weil man beachtliche Einblicke in Alltag, Hofleben (inkl. Debatten z. B. mit König Friedrich des Großen und Philosoph Voltaire), Rekrutenausbildung, Gefängnis, Krieg inkl. Verläufe der Fronten/Hoheitsgebiete bekommt. Vielleicht nicht alles historisch verbürgt, aber doch so, dass man brauchbare Eindrücke mitnimmt.
Positiv fällt auf, dass es ein Personenverzeichnis gibt, welches zwischen Fakt und Fiktion unterscheidet, sowie eine Nachbemerkung, wie es mit im Mittelpunkt stehenden historischen Persönlichkeiten weiterging.
Mein Gesamteindruck: Stilistisch zu seicht, unglaubwürdig, gestelzt, zurechtgebogen. Zu vorhersehbar, um zu beeindrucken. Ich habe die Handlung mit Interesse verfolgt, ohne eine emotionale Bindung zu den Figuren eingehen zu können. Danke für den Kenntniszuwachs zu einer mir bis dato wenig bekannten Epoche. Knappe drei Sterne.

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Veröffentlicht am 13.12.2019

Eigenständig lesbar, viele ereignisreiche Jahre beleuchtend, berührend

Das Mädchen aus Assam
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Der Klappentext lässt bereits erahnen, dass die Geschichte vom Meisterwerk „Stolz und Vorurteil“ inspiriert ist. Meine Befürchtung, es könne hiervon ein seichter, langweiliger Abklatsch sein, bleibt unbegründet.
Tatsächlich ...

Der Klappentext lässt bereits erahnen, dass die Geschichte vom Meisterwerk „Stolz und Vorurteil“ inspiriert ist. Meine Befürchtung, es könne hiervon ein seichter, langweiliger Abklatsch sein, bleibt unbegründet.
Tatsächlich schlägt die Handlung ohne zu große Zeitsprünge einen beachtlichen Bogen von 1904 bis 1919. Beleuchtet wird das farbenfrohe, weitläufige Indien und das graue Stadtleben Newcastles, mit Schwerpunkt auf England. Schnell offenbart sich für beide Welten, wie herausfordernd und von Armut und Ausgrenzung geprägt es zugehen kann und welche Lebensstile und Sorgen die bessere Gesellschaft prägen, wobei die Übergänge fließend verlaufen.
Besonders reizvoll finde ich die Ausführungen zur Freizeitgestaltung der armen Bevölkerung und zu den die Stellung haltenden Frauen während der kriegsbedingten Abwesenheit vieler Männer. Auch politische Strömungen (Wahlrecht, Emanzipation, Suffragetten, Journalismus) werden angerissen, was mir gefällt und einen Lerneffekt mit sich bringt. Begeistert dürften diejenigen sein, die sich für Teeanbau, -verarbeitung und -verkauf interessieren.
All das erfährt man beiläufig, während Familie, Beziehungen sowie Motive wie Stolz, Schuld, Selbstverwirklichung im Vordergrund stehen.

Alles ist aus der Perspektive der zur Frau heranwachsenden Clarrie wiedergegeben. Man könnte meinen, dass der Erzählstil einseitig und langweilig wirkt. Das ist aber nicht der Fall. Die Autorin hat diesen Charakter als liebenswürdig und als gute Beobachterin, mit wachem Verstand und gut nachvollziehbaren, tiefgründigen, zu Herzen gehenden Gedanken und Gefühlen ausgestattet. Über die Ziele der anderen Figuren kann auf diese Weise herrlich spekuliert werden. Ich gewinne den Eindruck, dass es sich so zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgespielt haben könnte. Die Handlung ist glaubhaft und gleichzeitig schwer vorhersehbar. Ich mag die Wendungen und Überraschungen.

Negativ aufgefallen sind sprachliche Ausdrücke, die auf mich melodramatisch wirken und wohl ein weibliches Publikum ansprechen sollen, z. B. das für einen Schlag aussetzende Herz. Gutmenschentum wurde mir streckenweise zu stark bedient. Solche Faktoren erschwerten mir punktuell das Mitfiebern.
Demgegenüber gibt es aber auch richtig schöne, allgemeingültige, zu Herzen gehende Zitate.

Bereichernd würde ein erklärendes Nachwort wirken. Vielleicht ergänzen das Autorin und Verlag irgendwann. Mich würde z. B. interessieren, ob Figuren historischen Vorbildern nachempfunden sind und wie sich die Teewirtschaft in dieser Epoche (vom fiktiven Beispiel losgelöst) entwickelte.

Das Werk bietet ein gelungenes, abgeschlossenes Ende. Alle Fragen werden zufriedenstellend beantwortet und dabei auch Nebenfiguren nicht vergessen. Die weitere Entwicklung bleibt der Fantasie überlassen. Nachfolgende Bände der Reihe (im Englischen bereits veröffentlicht) vereinen den Handlungsort Indien, stellen aber völlig neue Figuren und Gegenden in den Vordergrund.
Völlig ungezwungen möchte ich auch gern nachfolgende Bände kennenlernen.

Ich vergebe vier Sterne mit Tendenz zu fünf. Es lässt sich zum schlappen eBook-Preis von derzeit 2,49 € für viele Stunden tief in verschiedene Gesellschafts- und Familienformen des beginnenden 20. Jahrhunderts eintauchen. Meine Erwartungen wurden übertroffen. Ich fühle mich gut unterhalten und auch berührt und durfte einen Kenntniszuwachs mitnehmen.

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Veröffentlicht am 07.12.2019

Band 2: Vertiefung bekannter Problemlagen, langatmig, melodramatisch

Zeit der Sehnsucht auf Morgan's Hall
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Man sollte Band 1 gelesen haben und sich auf mindestens vier Bände mit jeweils offenem Ende einlassen wollen (vergleichbar Clifton-Saga von Jeffrey Archer). Es erhärtet sich die Zuordnung zu den Genres ...

Man sollte Band 1 gelesen haben und sich auf mindestens vier Bände mit jeweils offenem Ende einlassen wollen (vergleichbar Clifton-Saga von Jeffrey Archer). Es erhärtet sich die Zuordnung zu den Genres Belletristik für Frauen, (komplizierte) Liebe, Heimatroman (Kleinstadt / landschaftliche Idylle / Apfelplantage in den USA). Spirituelles und Erotik ohne explizite Szenen sind enthalten. Band 1 ließ Ansätze eines historischen Romans erkennen (NS-Regime), das trifft auf Band 2 nicht mehr zu. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik in den beschriebenen Dekaden spielen eine untergeordnete Rolle, was ich schade finde. Bloß am antiquierten Frauenbild und beiläufig an Mode und Technik lässt sich die zeitliche Verortung erahnen.

Band 1 betrachtete 20 Jahre. Band 2 umfasst September 1956 bis August 1959 rund um John, Ehefrau Isabelle, Schwester Violett sowie die nächste Generation: Tochter Elizabeth, Ziehsohn James und Neffe Tristan. Schauplatz ist überwiegend das landschaftlich geprägte Anwesen Morgan’s Hall und die unmittelbare Umgebung. Ein Abschnitt in New York bildet einen starken Gegenpart, der mir gut gefiel.

Die Erwartungen waren hoch, da mich der Auftaktband auf eine tolle Gefühlsachterbahn mitnahm. Leider tritt die Handlung hier oft auf der Stelle, bietet wenig Neues. Gedankenkarussell, innere Kämpfe nehmen einen großen Teil ein. Dabei empfand ich die Sprache oft als gestelzt (z. B. Herz bleibt ständig stehen). Das erschwerte mir das Mitfiebern. Viele Gedankengänge wirken oberflächlich: Die Schönheit diverser Frauen wird gepriesen, immerzu werden Haarfarbe, intensive blaue und grüne Augen hervorgehoben. Eine rationale Abwägung von Argumenten für mögliche Lebensentwürfe hätte die Intelligenz der Figuren unterstreichen können. Dass lebensverändernde Entscheidungen aus der Laune heraus getroffen werden, entfaltet einen faden Beigeschmack. Trotz in Summe mehr glücklicher Momente hinterlässt das Ende ein negatives Gefühl.

Trotz aller Kritik: Drei Sterne mit Tendenz zu vier. Man profitiert davon, wenn man wie ich einige Charaktere bereits in Band 1 liebgewonnen hat. Auch wenn das Vokabular nicht so meins war, ich gern Politik und Gesellschaft mehr beleuchtet sehen würde und ein höheres Erzähltempo bevorzugt hätte, konnte ich streckenweise emotional mitgehen und hoffen. Atmosphäre und Spiritualität sind etwas Besonderes. Es erfüllt mich mit Spannung, wie es - insbesondere rund um James und Elizabeth - in Band 3 und 4 in 2020 weitergeht.

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Veröffentlicht am 14.11.2019

Spannend, mit liebenswerten Figuren mitfiebern und hoffen …

Vernichtung 2
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Band 2 von 3 (geplante Trilogie von Pascal Wokan nicht mitgerechnet, da optional) setzt ca. 6 bis 8 Wochen nach Band 1 ein und ist klar als Joshua-Tree-Werk zu erkennen. Stilistisch und in Handlung und ...

Band 2 von 3 (geplante Trilogie von Pascal Wokan nicht mitgerechnet, da optional) setzt ca. 6 bis 8 Wochen nach Band 1 ein und ist klar als Joshua-Tree-Werk zu erkennen. Stilistisch und in Handlung und Figurenzeichnung finden sich Parallelen zu den Reihen Ganymed, The Dark Invasion, The Wall, Das Signal, Das Fossil, Das Artefakt. Es ist den Genres Military-SF, Nahe-Zukunft-Thrilller, Agenten-Thriller, Dystopie, Alien-Erstkontakt zuzuordnen. Es teilt sich auf in zwei linear verlaufende und kapitelweise wechselnde Perspektiven mit bekannten Gesichtern in extremen Gegenden.
Es gelingt eine gute Mischung aus Action, Ruhe vor dem Sturm und Charakterstudie.
Die Handlung ist körperbetont und militärisch geprägt, was grundsätzlich nicht so meins ist. Ich habe es so wahrgenommen, davon zu profitieren, im Vorgängerband eine emotionale Bindung zu den Protagonisten eingegangen zu sein. Das Mitverfolgen der Gefühle und Gedanken wird dadurch intensiviert. Den zwei Hauptfiguren wird eine gewisse Tiefe verliehen. So unterschiedlich sie auch sein mögen, sind es im Kern gute, bodenständige Kerle, die zum Sympathisieren animieren und die Handlung (auch wenn sie streckenweise nicht besonders innovativ ist) gut tragen. Angst, Frieren, Schwitzen, Beklemmung, Erschöpfung, die Atmosphäre finde ich gut eingefangen. Auch die Nebenfiguren, allen voran das KSK-Team, mag ich, wenn auch oberflächlich, doch menschlich, mit coolen Sprüchen, ohne in Klamauk abzurutschen.
Ich wollte immer wissen, wie es weitergeht, habe mich über Wendungen und Überraschungen gefreut.
Die Militarisierung und Entrechtung der Gesellschaft wird gelungen angerissen. Hiervon gern mehr.
Diese Reihe bietet im Vergleich zu anderen Werken nicht so viele Denkanstöße für das gegenwärtige Leben, da die Handlung (glücklicherweise) ziemlich abgedreht ist.
Man erfährt diesmal viel über die Aliens, ihre Beweggründe und wie sich die Menschheit im Erstkontakt verhält. Das Ende ist turbulent, hat mich emotional mitgerissen, weist einen Wow-Effekt und neue Fragen auf. Ich hoffe, Abschlussband 3 lässt nicht lange auf sich warten.

Veröffentlicht am 14.11.2019

Mitfiebern im dystopischen Athen und bei Alien-Mission im afrikanischen Dschungel

Vernichtung 1
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Neben der Signal-Reihe ist dies bisher das Beste, was ich von Joshua Tree gelesen habe.
Die erste Hälfte wird erzählt aus der Perspektive des Erziehers Nikos im dystopischen, abgeriegelten Athen. Ich empfand ...

Neben der Signal-Reihe ist dies bisher das Beste, was ich von Joshua Tree gelesen habe.
Die erste Hälfte wird erzählt aus der Perspektive des Erziehers Nikos im dystopischen, abgeriegelten Athen. Ich empfand das als sehr atmosphärisch, wie in einem guten Apokalypse-, Endzeit- oder Zombie-Thriller. Es wurden bei mir z. B. positiv gemeinte Assoziationen zu Maze Runner und 28 Weeks Later hervorgerufen, wobei ich nicht um die Grübelei herumkam, ob ich einigen Menschen hier Zombies vorgezogen hätte … Strapazen werden einfühlsam beschrieben. Ich habe mit Freude gerätselt und war vor allem dank der sympathischen, authentischen Gefühle und Gedanken des Protagonisten und der realistischen, greifbaren Umgebung emotional voll dabei, habe mitgelitten, mitgehofft und mich gefragt, wie ich mich verhalten würde.
Stark und prägnant sind philosophische Exkurse eingebettet, z. B. „Jeder Mensch besaß eine solche Grenze, die eine Trennwand zwischen dem, was sich zu leben lohnte, und dem, was das Leben zu etwas Unaushaltbarem machte, darstellte.“
In der zweiten Hälfte wird linear weitererzählt, anderenorts rund um ein militärisches Fünfergespann plus Zivilist auf Erkundungs- und Kampfmission. Das Team versteht sich auf familiär anmutenden Zusammenhalt und derben Witz, der auf die Lachmuskeln geht (besonders „Uffe“) und ins Herz trifft. Viel mehr als Materialschlacht. Joshua Tree versteht sich auf Stilmittel, die zum Ende hin Tempo und Spannung anziehen. Die bildmalerische Sprache bis hin zu Geräuschen generiert dabei allerbestes Kopfkino.
Trotz der ungewöhnlichen Idee und der exotischen Schauplätze gewinne ich den Eindruck, dass es sich in der Realität tatsächlich so abspielen könnte.
Wie vom Autor gewohnt, sei es dennoch lobend erwähnt: Es gibt Nachwort, Glossar und Personenverzeichnis. Ich bestätige, dass spürbar geworden ist, dass Joshua Tree mit Leidenschaft geschrieben hat. Band 1 bildet einen Abschluss der im Mittelpunkt stehenden Mission, klärt also fairerweise viele Fragen und endet nicht auf einem Spannungshöhepunkt. Gleichzeitig ist für mich klar, dass ich wissen muss, wie es mit der Welt und den liebgewonnenen Helden weitergeht. Übrigens bildet der Alienkontakt die Initialzündung zur Story, der Fokus liegt in Band 1 aber eindeutig auf menschlichen Schicksalen. Auch für Neulinge im SF-Genre geeignet.
Die Fortsetzung ist bereits für November 2019 angekündigt – juchu! Weil mir dieser Roman so gut gefiel, habe ich mir ergänzend das optionale Werk von Pascal Wokan gekauft. Zwar habe ich keine Wissenslücken verspürt, bin aber umso gespannter, welcher größere Kontext sich hieraus ergeben wird.