Vor dem Lesen:
Diese Geschichte handelt von Corey Callahan und Adam Hartley. Beide sind Eishockeyspieler, allerdings zu Beginn der Geschichte keine aktiven. Adam hat sich ein Bein gebrochen und muss deshalb aussetzen, Corey kann nach einem Unfall ihre Beine nicht mehr bewegen und verbringt die meiste Zeit im Rollstuhl. Diese Umstände sorgen allerdings dafür, dass die beiden sich überhaupt erst kennenlernen, denn dadurch bekommen sie am College die behindertengerechten Zimmer zugewiesen und werden so erst Nachbarn und schließlich Freunde. Für Corey ist ziemlich schnell klar, dass sie mehr sein will, als eine Freundin von Adam, doch wer findet schon ein Mädchen im Rollstuhl attraktiv, wenn er auch eine Freundin wie Stacia haben kann, die nicht nur gut aussieht, sondern auch noch aus einer reichen Familie stammt und vor allem gesund ist?
Zentrales Thema ist hier die aus ihrem Unfall stammende Behinderung von Corey. Ihr ganzes Leben hat sich um Eishockey gedreht, ihr älterer Bruder ist ebenfalls Eishockeyspieler, und ihr Vater ist Trainer. Seit dem Unfall bleiben für Corey nur noch der Rollstuhl und ihre Beinschienen. Natürlich hat Corey damit mächtig zu kämpfen, plötzlich ist sie anders als die anderen und einfache Treppen werden schon zu unüberwindbare Hindernissen. Coreys Verzweiflung über ihre Unbeweglichkeit und die damit aufkommende Überfürsorge der Eltern war leicht vorstellbar. Ich konnte absolut nachempfinden, weshalb Corey die Flucht auf das College wagt, um ihren Eltern zu entkommen.
Corey als Hauptcharakter mochte ich. Sie macht sich ständig Sorgen wegen ihrer Behinderung und was die anderen davon denken könnten und ob sie nicht stört. Das fand ich ziemlich gut getroffen, als Leser war es leicht, all ihre Ängste und Sorgen zu verstehen und nachzuempfinden. Corey stellt irgendwann fest, dass sie ihre Beweglichkeit gar nicht zu schätzen wusste, bevor sie den Unfall hatte und ich denke, so geht es uns allen. Erst ab dem Moment, in dem wir nicht mehr gesund sind und uns nicht mehr wie immer bewegen können, merken wir, wie viel Glück wir hatten.
Adam als zweiter Hauptcharakter (die Geschichte wird auch aus seiner Perspektive erzählt) hat mich wenig berührt. Er war wie ein netter Junge, der gut aussieht, gerne Eishockey spielt und bei dem es das ein oder andere Problem zu Hause gibt – also absolut austauschbar. Egal in welche Konflikte er geriet, nie konnte er mich in seinen Bann ziehen.
Obwohl die Geschichte bemüht ist, Coreys Problematik ausführlich darzustellen, konnte sie mich letztendlich nicht ganz überzeugen. Stellenweise blieben mir die Probleme und Coreys oder Adams Empfindungen zu oberflächlich, um mich zu berühren und mitzureißen. Es gab immer wieder Szenen, die komplizierter hätten sein müssen für Corey, mehr Menschen, die aus Unsicherheit dumm reagieren, mehr Stellen, in denen Corey ausgeschlossen gewesen wäre. Auch, dass Adam so gar kein Problem mit ihrer Behinderung hatte, fand ich, war zu schön um wahr zu sein. Er hatte überhaupt keine Berührungsängste und das kommt eher bei Menschen vor, die Erfahrungen mit behinderten Menschen haben. Zudem fand ich, dass Corey einfach von jetzt auf gleich in Adam verliebt war, es gab keinen Prozess, den man als Leser mitfühlen konnte. Es war, als würde sie sich in ihn verlieben und umgekehrt, weil es ihre Aufgabe war, als Hauptcharaktere eines Liebesromans. Und Corey hatte überhaupt keine Skrupel, dass sie, um ihre Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen, einem anderen Mädchen den Freund ausspannt. Als wäre es vollkommen in Ordnung, weil Stacia eine gemeine Zicke war und es damit verdient hatte.
Um es kurz zu sagen: Die Idee hinter der Geschichte fand ich super, die Umsetzung hat mich allerdings nicht völlig zufrieden stellen können.
Am Cover ist nichts auszusetzen, es ist wirklich wunderschön und sieht toll aus im Bücherregal. Der Titel ist im Original (The Year we Fell Down) besser gewählt, wie ich finde, und passt eher zum Inhalt.
Fazit: The Ivy Years - bevor wir fallen basiert auf einer tollen, tiefsinnigen Idee, einem Thema, das ruhig öfters in Romanen vorkommen könnte, leider hat die Umsetzung ein paar Mängel für mich. Leseempfehlung: Trotzdem ja.
Nach dem Lesen – Spoiler:
Es gibt diese Szene in der Corey mit den anderen Spielern aus der Gummireifen-Wasserpolo-Gruppe auf eine Party geht. Um die Treppen zu überwinden, wird der Rollstuhl stehen gelassen und man trägt sie hoch zum Ort des Geschehens. Dann wird ihr reichlich Bier gereicht, dass sie das aber auch wieder wegbringen muss, daran denkt keiner. Corey ist gewissermaßen gestrandet und jede Möglichkeit, aus dieser Situation zu entfliehen, ist mehr als peinlich. Diese Situation trifft das Dilemma eines körperlich Behinderten auf den Punkt. Die Leute können sich nicht in sie hineinversetzen, verstehen nicht, das völlig normale Alltagssituation zu richtige Problemen werden können, wenn man sich nicht, wie alle anderen, selbstständig bewegen kann. Ihnen fehlt der Blick für mögliche Komplikationen, weil sie sie selbst nie beachten müssen. Hier hat die Autorin wirklich gut dargestellt, was es heißt, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Für mich eine der besten Stellen im Buch.
Die Szene, in der Adam und Corey miteinander schlafen. Ihre Behinderung und die damit verbundenen Unbeweglichkeit ist gar kein Thema, hätte es aber sein müssen, damit die Geschichte rund ist, schließlich lässt sich eine Behinderung im wahren Leben auch nicht ausklammern, wenn sie ungünstig ist.
Der „verrückteste Abend“ – Konnte ich nicht nachvollziehen, trotz aller Erklärungsversuche.
Stacia. Sie ist der Prototyp der Zicke. Ich fand es schade, dass Stacia so eindimensional blieb. Von Anfang bis Ende war sie die gemeine, eingebildete Zicke, die alle Klischees bedient: Gutaussehend, reich, unfreundlich, oberflächlich und egoistisch, damit man als Leser auch kein Problem damit hat, dass Hartley ihr den Laufpass gibt und sie Platz für Corey macht. Einziger Lichtblick: Ziemlich am Ende, als sie Corey zuzwinkert und damit mal aus ihrem Klischeeverhalten ausbricht. Allerdings hatte ich mich gefragt, warum sie sich so verhalten hat. Vorher hatte sie Corey gar nicht erst wahrgenommen und dann plötzlich doch? Weil es netter ist für das Happy End? War sie gar nicht gekränkt? Aus ihrem Klischee-Sumpf hat es sie für mich jedenfalls nicht mehr gezogen. Schade- wäre sie etwas vielschichtiger gestaltet, hätte es der ganzen Geschichte gutgetan. Ein bisschen tiefere Gefühle, Drama und die Möglichkeit, als Leser richtig mitzufühlen, hat mir hier so oft gefehlt.
Auch Bridger ist mit wenig Fassetten ausgestattet, genauso wie Coreys Eltern, ihr Bruder oder Hartleys Mutter und vor allem sein Vater. Hier hätte ich mir ein bisschen mehr Tiefe für die Nebencharaktere gewünscht. Einzig Dana fand ich greifbar. Mit ihrem Hintergrund und ihren Interessen wurde sie realer, als alle anderen.
Was ich super schade fand: Adam und Corey nennen sich die ganze Zeit bei ihren Nachnamen. Corey sagt, sie macht das, weil es alle machen. Adam nennt als Grund, dass er nicht wollte, dass aus Corey mehr wird, als aus den Jungs vom Eishockey. Spätestens, als er und Corey ein Paar sind, hätte er doch dann anfangen können, sie beim Vornamen zu nennen, denn dann waren sie definitiv mehr. Wer nennt denn seinen Freund beim Nachnamen? Erstrecht, wenn er so einen schönen Vornamen hat. Dadurch, fand ich, entstand gar keine Nähe und Vertrautheit zwischen Adam und Corey.
Auch fand ich ihre Liebesgeschichte etwas zu holprig. Corey entschließt ziemlich schnell, dass sie mehr will von Adam als nur Freundschaft. Adam versteht erstmal lange gar nichts, dann trennt er sich endlich von seiner zickigen Freundin und prompt zieht er Corey in sein Bett. Hatte eigentlich keiner ein schlechtes Gewissen wegen Stacia? Insbesondere in „der verrücktesten Nacht“? Hier hat mir ein bisschen das Hin und Her gefehlt, die Entwicklung von Gefühlen und Zuneigung. Ich hatte eher das Gefühl, als sei alles plötzlich da gewesen, dabei ist es doch die langsame Entwicklung der Liebesgeschichte, die man als Leser erleben möchte.
Adam hat zudem interessante Anreden für seine Freundinnen. Stacia redet er mit „Heißer Feger“ an, Corey mit „Schönste“. Beim Lesen wollte ich das Buch in diesen Momenten am liebsten vor die nächste Wand schmeißen. Ich könnte keinen Mann ernst nehmen, der mich so anspricht.