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Veröffentlicht am 03.03.2023

Lose und vage

Ich. Sie. Die Frau
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„Ich. Sie. Die Frau“ geht den möglichen Versionen eines Lebens nach. Mal ist die Protagonistin mit einem Mann verheiratet, dann verliebt sie sich in eine Frau. Sie kann Affären und Geliebte haben, ist ...

„Ich. Sie. Die Frau“ geht den möglichen Versionen eines Lebens nach. Mal ist die Protagonistin mit einem Mann verheiratet, dann verliebt sie sich in eine Frau. Sie kann Affären und Geliebte haben, ist selbst Schriftstellerin oder die Figur im Roman ihrer eigenen Freundin.

Diese möglichen Varianten sind im Roman gleichwertig. Sie folgen nicht aufeinander, bedingen sich nicht, sondern stehen nebeneinander. Im Grunde besteht der Roman somit aus mehreren Geschichten, die selbstständig sind und denen es oft an Verbindungen fehlt. Als Leser wünscht man sich mehr Tiefe während man durch diese unterschiedlichen Leben geht und sie miteinander in Verbindung zu setzen versucht. Es hätte mehr roter Fäden bedurft, damit der Roman sein Potential hätte entfalten können. So wirkt alles äußerst lose und vage.

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ein starker Debütroman

Mama
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Während sie ihr erstes Kind erwarten, kommen Amira und Josef in eine Hütte im Wald. Josef hat dort seine Kindheit verbracht, abgeschieden von der Welt. Doch bald schon beginnt Amira, Merkwürdiges um sich ...

Während sie ihr erstes Kind erwarten, kommen Amira und Josef in eine Hütte im Wald. Josef hat dort seine Kindheit verbracht, abgeschieden von der Welt. Doch bald schon beginnt Amira, Merkwürdiges um sich herum wahrzunehmen. Sie sieht in einer Gewitternacht einen Wanderer, verscheucht aus ihrem Garten eine Hündin, die ihre eigenen Welpen tötet. Auch entdeckt sie Blutspuren im Haus und sogar Josef scheint ihr plötzlich gefährlich. Und dann ist da noch der Wald, der sie umgibt, umhüllt, sie gleichzeitig beschützt und nicht freizugeben scheint.

Jessica Lind hat einen atmosphärischen Debütroman geschrieben, der mit den Grenzen der Wahrnehmung spielt. Realität und Traum gehen ineinander über, Zeit und Raum scheinen außer Kraft gesetzt zu sein. In Amiras Bewusstsein und in ihren Erinnerungen klaffen Lücken auf, ihr Blick in die Welt ist kein zuverlässiger.

Indem sie das Unheimlichen, das Albtraumhafte und die Psyche ihrer Protagonistin in den Vordergrund stellt, untersucht Lind, was Mutterschaft bedeutet. Sie bricht mit idealisierten Bildern und Vorstellungen und schafft stattdessen das Porträt einer Mutter, die mit ihrer eigenen Unsicherheit zu kämpfen hat.

Ein starker Debütroman, der Lust darauf macht, mehr von der Autorin zu lesen!

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Kurz, interessant, empfehlenswert

Eine Seuche in der Stadt
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Ulitzkaja erzählt in diesem kurzen Buch, eine Geschichte, die auf einem wahren Kern beruht und ursprünglich als Drehbuch verfasst wurde. Es geht um den drohenden Ausbruch einer Lungenpest-Seuche in Moskau ...

Ulitzkaja erzählt in diesem kurzen Buch, eine Geschichte, die auf einem wahren Kern beruht und ursprünglich als Drehbuch verfasst wurde. Es geht um den drohenden Ausbruch einer Lungenpest-Seuche in Moskau im Jahr 1939. Durch das Eingreifen des sowjetischen Geheimdienstes, durch strikte Quarantänen und Nachverfolgungen kann eine Epidemie jedoch verhindert werden.

Sehr anschaulich zeigt die Geschichte, wie eng gestrickt das Netz des Geheimdienstes ist und wie tief die Angst sitzt, die er in den Bürgern des Landes auslöst. Terror und Angst, die durch die Staatsmacht verbreitet werden, aber auch durch die Natur in Form der Pest, stehen sich in diesem Drehbuch gegenüber.

Eine kurze, zuweilen fragmentarisch anmutende, aber trotzdem interessante Lektüre. Empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Horizonterweiternd

Tier werden
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Wo verlaufen eigentlich die Grenzen, die uns vom Tier unterscheiden? Und wie nehmen wir sie wahr? Diesen Fragen widmet sich Teresa Präauer in ihrem hundert Seiten langen Essay "Tier werden".

Sich auf ...

Wo verlaufen eigentlich die Grenzen, die uns vom Tier unterscheiden? Und wie nehmen wir sie wahr? Diesen Fragen widmet sich Teresa Präauer in ihrem hundert Seiten langen Essay "Tier werden".

Sich auf Beispiele aus der Literatur, Kunst, Philosophie, Kultur, Religion und Naturwissenschaft stützend, nähert sich Präauer dem an, was den Blick des Menschen auf das Tier ausmacht. Es sind die Grenzorte, die dabei besonders aussagekräftig sind: Tiermenschen und Opfertiere, mythologische Mensch-Tier-Figuren wie die Harpyien, Wolfskinder, die sprechenden Tiere der Literatur oder vermenschlichte Haustiere.

Das Buch ist eine Spurensuche und Zeitreise von den ersten Höhlenmalereien bis in die Gegenwart. Präauer lässt den Blick schweifen und macht deutlich, dass die vermeintlich klare Trennung von Mensch und Tier bei genauerer Betrachtung und in kultureller Hinsicht fließend oder sogar hinfällig ist. Wir vergleichen uns sprachlich mit Tieren, verkleiden uns als Tiere, um den Winter zu vertreiben, bedrucken unsere Kleidung mit Fellmustern oder lassen uns von Apps Hundeohren aufsetzen und mit Katzenschnuten ausstatten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Was am Ende des Essays bleibt, sind Einblicke in unsere Faszination für die Grenzräume und die darin existierenden zahlreichen Vermischungen, Überschreitungen und Hybridisierungen zwischen Mensch und Tier.

Und noch etwas bleibt am Ende, nämlich dass „der Blick auf das Tier, das gezeichnet und beschrieben worden ist, das erfunden worden ist, [...] ein medial vermittelter [ist] – und doch zeigt sich darin etwas so unmittelbar: unser Blick auf uns selbst, unser Blick auf die Welt, und wie er sich formt im Lauf der Zeit, und schließlich die Hoffnung auf die Möglichkeit, dass die Blicke erwidert werden.“

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ermüdend und aufgesetzt

bitterer zucker
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“Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.”

Mit diesem Satz beginnt Avni Doshis Debütroman “Bitterer Zucker”, der die Geschichte einer schwierigen ...

“Zu behaupten, ich hätte mich niemals über das Leid meiner Mutter gefreut, wäre eine glatte Lüge.”

Mit diesem Satz beginnt Avni Doshis Debütroman “Bitterer Zucker”, der die Geschichte einer schwierigen und von Konflikten getragenen Beziehung zwischen Mutter und Tochter erzählt. Das Verhältnis ist geprägt von Vorwürfen und von Erinnerungen an eine Vergangenheit, die für beide schmerzlich war. Nun, da die Mutter an Demenz erkrankt und pflegebedürftig ist, wird die Tochter mit ihren Erlebnissen aus der Kindheit und Jugend konfrontiert.

So vielversprechend der erste Satz auch klingen mag, so enttäuschend ist der gesamte Rest des Romans. Er verliert sich in einem ständigen Hin und Her, trifft keine Aussagen und schafft es nicht, seine Charaktere glaubwürdig darzustellen. Außerdem fühlt sich keine der zwischenmenschlichen Beziehungen nachvollziehbar und authentisch an. Alles wirkt künstlich, aufgesetzt, gezwungen.

Letztlich ist der Roman ermüdend und vermag es nicht, unter die Oberfläche dessen zu dringen, was er zu erzählen versucht. Er will den Anschein von psychologischer Tiefe erwecken, indem er zahlreiche literarische und gesellschaftliche en vogue-Themen einbaut, doch auch das ist zum Scheitern verurteilt.

Diese Geschichte einer Tochter, die sich um die demenzkranke Mutter kümmern muss, obwohl sie selbst in der Kindheit scheinbar vernachlässigt wurde, hätte eindrücklicher und einfühlsamer erzählt werden müssen. Leider ist das der Autorin nicht gelungen. Schade!

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