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Veröffentlicht am 15.08.2023

Zuhause in einem fremden Land

Terafik
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Die erste Reise in den Iran, zur unbekannten Familie. Nilufar Karkhiran Khozani ist als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters in Deutschland aufgewachsen. Der Vater verließ die Familie ...

Die erste Reise in den Iran, zur unbekannten Familie. Nilufar Karkhiran Khozani ist als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters in Deutschland aufgewachsen. Der Vater verließ die Familie als sie noch ein Kind war und kehrte in den Iran zurück. Nun drängt er zu einer Reise. Sie soll ihn besuchen, die neue Ehefrau und die Verwandten kennenlernen. Eine gleichzeitig Einblicke in ein Land der Gegensätze erhalten.

Die Autorin verbindet in diesem autobiographischen Romane unterschiedliche Elemente und Erfahrungen miteinander. Ausgehend von der Reise in den Iran dringt sie zu ihren eigenen Erinnerungen die Kindheit und Jugend in Deutschland, aber auch an die Erlebnisse des Vaters vor.

Darüber hinaus ist der Roman die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung. Die Frage nach Schuld und nach Verantwortung steht im Raum, das Unausgesprochene: „Warum bist du gegangen?“.

Am eindringlichsten waren für mich jedoch die Erfahrungen von Ausgrenzung, die sowohl der Vater als auch Nilufar Jahrzehnte später erleben und die sich wie ein leuchtend roter Faden durch den Roman ziehen. Es fängt mit dem Namen an: Den Vater nennen sie im hessischen Dorf einfach Karl anstatt Khosrow. Und in den Behörden weiß man nicht recht, wie man seinen Nachnamen ins lateinische Alphabet übertragen soll. Er und sein Bruder müssen so später ihre Nachnamen unterschiedlich schreiben. In der Hochschule will man ihn um seinen Abschluss bringen und er muss dafür kämpfen, dass er ihn überhaupt bekommt.

"Warum nicht bei Siemens bleibe. Arbeiten, etwas Wohlstand vielleicht, ein guter zuverlässiger Angestellter sein. Rentenversicherung. Erfolg haben, gerade so viel wie vorgesehen. Geliehenes Glück, gegönnt von Menschen, die den Hörer auflegen, wenn sie einen Akzent am Telefon hörten."

All das setzt sich fort, wenn Nilufars Lateinlehrein fragt, woher sie so gut Deutsch könne, wenn Vermieter auflegen, wenn sie den ausländischen Namen hören und wenn sie in Behördenbriefen mit „Herr“ angesprochen wird.

Von all dem erzählt Khozani in klaren, einprägsamen Bildern. Der Roman ist Zeugnis ihrer Beobachtungsgabe und ihres Talent, Zeiten, Menschen und ihre Erlebnisse so miteinander zu verbinden, dass sie ein eindrucksvolles Gesamtbild ergeben. Für mich ein lesenswertes Buch!

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Ein kluger, geistreicher und origineller Dorfroman

Nincshof
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Ein Dorf im Burgenland: Nincshof. Ein Dorf "mit einer Handvoll Häuser, zusammengerottet am Ende von Österreich". Jeder kennt jeden. Und jeder weiß alles vom anderen. Kaum ein Fremder verirrt sich je nach ...

Ein Dorf im Burgenland: Nincshof. Ein Dorf "mit einer Handvoll Häuser, zusammengerottet am Ende von Österreich". Jeder kennt jeden. Und jeder weiß alles vom anderen. Kaum ein Fremder verirrt sich je nach Nincshof.

Doch einigen Anwohnern ist selbst das nicht genug. Sie wollen, dass ihr Dorf vergessen wird. Dass Nincshof regelrecht von der Landkarte verschwindet. Um das zu erreichen, gründen sie den Oblivismus.

"Wir wollen, dass man Nincshof vergisst. [...] Komplett vergisst. Keiner soll sich mehr erinnern an unser Dorf."

Und die Oblivisten tun alles, um die Freiheit ihres Dorfes zurückzuerlangen: Sie löschen Wikipedia-Einträge, vernichten Lexika-Seiten in der Bibliothek, beseitigen Ortsschilder und entführen nicht zuletzt sogar eine schwangere Ziege.

Doch die Feinde der Dorffreiheit lauern überall und schließlich müssen die Oblivisten sich die Frage stellen, wie weit sie gehen können, gehen wollen, um für das zu kämpfen, was ihnen so am Herzen liegt.

Johanna Sebauers Roman ist eine unterhaltsame Lektüre, die an all diesen verregneten Sommertagen besonders viel Spaß gemacht hat. Schnell wachsen die urigen Dorfcharaktere einem ans Herz. Da ist zum Beispiel die Erna, die nachts alleine Poolparties im Garten ihrer Nachbarin feiert, mit der sie zerstritten ist. Oder Silvano, der eigentlich Städter ist, aber sich gleich als Nincshofer fühlt und seine Irrziegen (noch so ein grandioser Einfall Sebauers) mehr liebt als alles andere.

Diese Komposition aus schrägen Figuren, geistreichen Wendungen und Einfällen und einer Geschichte, die die Grenzen zwischen Legende und Wahrheit verwischt, ist absolut gelungen.

Ein kluger, geistreicher und origineller Dorfroman!

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Ein stimmiger Roman, vom Anfang bis zum Ende

Mattanza
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Er ist ausgeblieben. Der Enkelsohn, der Erbe, der Raìs. Der, auf den alle gewartet hatten. Der, der den traditionellen Thunfischfang auf der Insel anführen muss. Stattdessen: Ein Mädchen. Nora. Doch kann ...

Er ist ausgeblieben. Der Enkelsohn, der Erbe, der Raìs. Der, auf den alle gewartet hatten. Der, der den traditionellen Thunfischfang auf der Insel anführen muss. Stattdessen: Ein Mädchen. Nora. Doch kann ein Mädchen die Aufgaben eines Raìs übernehmen?

Aus Mangel an einer Alternative und weil der Raìs immer aus der selben Familie stammen muss, wird entschieden, ja. Und so wächst Nora in einer Welt auf, in der Traditionen, Regeln, Rituale, Aberglaube, aber gleichzeitig auch die Beziehung zur Natur und zum Meer ihr Leben bestimmen.

Es ist ein Leben, dass sie an die Insel bindet. Als Raìs ist sie eine Art Oberhaupt, trifft Entscheidungen und trägt Verantwortung. Ihr Schicksal ist in vielerlei Hinsicht fremdbestimmt. Außerdem muss sie sich behaupten, muss ihrer Rolle gerecht werden, muss all die Männer, die an ihr gezweifelt hatten, eines Besseren belehren. Germana Fabianos Protagonistin ist eine faszinierende Figur, weil sie sich zwischen Stärke, Anderssein, Einsamkeit und Sehnsüchten bewegt, weil sie nicht in grellen Tönen gezeichnet ist und trotzdem hervorsticht.

Und dann ist da noch die andere Protagonistin, nämlich die Insel, auf der die Geschichte spielt, Katria. Irgendwo bei Sizilien. Es ist ein Ort, an dem noch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Traditionen und Zusammenhalt das Leben aller prägen. Doch Veränderungen lassen nicht lange auf sich warten. Tourismus, Überfischung, Globalisierung und die ersten Flüchtlingsboote sind Anzeichen dafür, dass nichts so bleiben wird, wie es war.

"Mattanza" ist ein von Anfang bis zum Ende stimmiger Roman. Und das sowohl in inhaltlicher als auch in stilistischer und ganz besonders in sprachlicher Hinsicht. Germana Fabiano schafft etwas, was nicht vielen Autor*innen gelingt: Alles harmoniert miteinander, jedes Wort ist an seinem Platz, nichts ist zu viel, nichts zu wenig. Für mich ist dieser Roman eine wahre Entdeckung.

Last but not least: Eine grandiose Übersetzung von Barbara Neeb und Katharina Schmidt!

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Ein Buch zum Abtauchen, zum Versinken

Fourth Wing – Flammengeküsst
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Für all diejenigen, die noch unentschlossen sind oder die aufgrund des riesigen Hypes skeptisch sind: Lest das Buch! Es lohnt sich, weil es einen wirklich zu fesseln vermag. Es ist die Art von Buch, bei ...

Für all diejenigen, die noch unentschlossen sind oder die aufgrund des riesigen Hypes skeptisch sind: Lest das Buch! Es lohnt sich, weil es einen wirklich zu fesseln vermag. Es ist die Art von Buch, bei der man abends anfängt zu lesen und dann gar nicht bemerkt, wie die Stunden langsam verstreichen, es immer später und später wird und die Müdigkeit irgendwie wie weggeblasen ist. Es ist die Art von Buch, die fantasievoll ist, die Spannung und Magie mit glaubhaften Charakteren verbindet. Die Art von Buch also, der es immer wieder bedarf, die nicht schwer oder problembeladen ist und stattdessen einfach Freude am Lesen bereitet.

Es geht um Violet, die eine Ausbildung zur Drachenreiterin beginnen muss. Eigentlich hatte sie sich auf eine Karriere als Schriftengelehrte vorbereitet. Doch als Sprössling einer Drachenreiter-Familie und Tochter der Generalin bleibt ihr keine Wahl. Nun heißt es für sie, zu Überleben. Denn das Auswahlverfahren ist brutal. Hinzu kommt, dass Violet durch Familienfehden Feinde unter den anderen Schülern hat, die sie von Beginn an ermorden möchten. Doch Violet beweist Stärke und überlebt entgegen aller Erwartungen...

Von mir eine große Empfehlung für DAS Buch des Sommers!

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Veröffentlicht am 24.07.2023

Enttäuschend

Cleopatra und Frankenstein
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Ein Treffen im Fahrstuhl an Silvester. Cleo lernt Frank kennen. Sie verlieben sich, heiraten. Der Roman geht all dem nach, was Einfluss auf eine Partnerschaft nehmen kann: Familientragödien, Freunde und ...

Ein Treffen im Fahrstuhl an Silvester. Cleo lernt Frank kennen. Sie verlieben sich, heiraten. Der Roman geht all dem nach, was Einfluss auf eine Partnerschaft nehmen kann: Familientragödien, Freunde und deren Probleme, Alkoholismus, Drogen, Depressionen, Einsamkeit, Treue und das sich Hingezogenfühlen zu anderen Personen.

Puh, also. Gerne würde ich mit etwas Positivem anfangen, aber leider überwiegen die negativen Eindrücke. Denn von Anfang an haben die Dialoge und Interaktionen zwischen den Figuren künstlich auf mich gewirkt. Unzählige Szenen waren melodramatisch, soapig. Der ständige Selbstinszenierungsdrang der Figuren hat total genervt! Nichts geht wirklich in die Tiefe, alles bleibt oberflächlich und Übertreibungen tragen dazu bei, dass eine Vielzahl der Handlungen nicht glaubwürdig wirkt. Die Beziehung zwischen Cleo und Frank, die im Mittelpunkt des Erzählten steht, ist außerdem ein ständiges, nicht nachvollziehbares und vor allem nerviges Hin und Her. Man will ihnen zuschreien: Trennt euch doch einfach! It's not that hard.

Das Buch wird als Porträt der Struggles von Millennials vermarktet und von Rezensenten mit den Werken von Sally Rooney verglichen. Weder bei Rooney noch hier finde ich mich als Millennial in irgendeiner Form wieder. Wenn das das Abbild von Millennials sein soll, dann ist entweder irgendwas an mir vorbeigegangen oder es ist einfach ein schlechtes Porträt.

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