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Veröffentlicht am 13.07.2023

Ein Roman wie ein Kammerspiel

Der Vertraute der Königin
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Schottland, Mitte des 16. Jahrhunderts. Ein Tennismatch zwischen Lord Darnley und David Rizzio. Erster ist mit Mary Queen of Scots verheiratet, Rizzio ist ihr Freund und Berater. Eine Intrige ist im Gange: ...

Schottland, Mitte des 16. Jahrhunderts. Ein Tennismatch zwischen Lord Darnley und David Rizzio. Erster ist mit Mary Queen of Scots verheiratet, Rizzio ist ihr Freund und Berater. Eine Intrige ist im Gange: Rizzio soll umgebracht werden, die schwangere Queen soll vor Schock und Trauer eine Fehlgeburt haben und am besten selbst sterben. Darnley wäre dann König.

Das alles erfährt man bereits in den ersten paar Sätzen des Romans. Und mehr sollte auch eigentlich gar nicht gesagt werden. Denn nach diesen ersten Sätzen entfaltet sich ein Netz an Intrigen, in das fast alle Figuren des Romans verwickelt sind.

Die intriganten Männer sind überzeugt, sie hätten alles unter Kontrolle, doch ganz allmählich merken sie, dass jeder von ihnen eigene Pläne verfolgt und dass keiner von ihnen das Geschehen wirklich kontrolliert.

Ich habe den Roman wie ein Kammerspiel wahrgenommen. Man stellt ihn sich sehr bühnenhaft vor. Das liegt sicherlich daran, dass er sich aus mehreren Szenen zusammensetzt, einen sehr theatralen Handlungsbogen hat und durch seine Figuren und Motive shakespearisch anmutet: Religion als Vorwand, um die Macht an sich zu reißen und Männer, die vor keinem Hinterhalt zurückschrecken und für ihre Interessen über Leichen gehen. Sogar über die ihrer eigenen Söhne.

Der Roman ist kein ausladender historischer Roman, sondern konzentriert sich auf einen konkreten Moment in der Geschichte. Er ist spannend erzählt und trotz seiner Kürze nicht oberflächlich. Insgesamt habe ich ihn als kurzweilige Lektüre empfunden. Für alle, die schon länger mal wieder was von Shakespeare im Theater sehen wollen/sollten 😊 (natürlich nicht seine Komödien) ist es genau das Richtige.

Übersetzt aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Spannender Ökothriller

Frau des Himmels und der Stürme
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Wilfried N'Sondé: "Frau des Himmels und der Stürme" ("Femme du ciel et des tempêtes"). Übersetzt aus dem Französischen von Brigitte Große. Erschienen im Kopf & Kragen Verlag.

Der Roman spielt in Sibirien ...

Wilfried N'Sondé: "Frau des Himmels und der Stürme" ("Femme du ciel et des tempêtes"). Übersetzt aus dem Französischen von Brigitte Große. Erschienen im Kopf & Kragen Verlag.

Der Roman spielt in Sibirien in der heutigen Zeit. Große Erdgasvorkommen sollen ohne Rücksicht auf die Natur und das fragile Ökosystem der Region gefördert werden. Doch dann findet der Schamane Num während eines Erdrutsches etwas Sensationelles: In einem alten Grab im Eis liegt eine afrikanische Frau.

Der Fund schürt in ihm die Hoffnung, dass die Bohrungen gestoppt werden können und dass die Region in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken wird. Er informiert seinen Freund, einen französischen Wissenschaftler. Doch die skrupellose russische Mafia setzt alles daran, das Grab zu zerstören.

"Frau des Himmels und der Stürme" ist ein spannender Ökothriller, der mythische Elemente mit wichtigen ökologischen Themen verbindet!

Seid ihr neugierig geworden?

Dann könnt ihr auf @lesereien ein kurzes Interview mit dem Autor lesen. Ich hatte die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen auf Französisch zu stellen.

https://www.instagram.com/p/Ct6XPHaLl72/?igshid=MTc4MmM1YmI2Ng==

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Zwei Klassiker in einem Band

Die gelbe Tapete & Herland - Zwei feministische Klassiker in einem Band
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Zum ersten Mal ist mir die Kurzgeschichte “The Yellow Wallpaper”/“Die gelbe Tapete” im Studium begegnet. Schon beim ersten Lesen hat sie sich mir eingeprägt und das passiert mir bei Kurzgeschichten, die ...

Zum ersten Mal ist mir die Kurzgeschichte “The Yellow Wallpaper”/“Die gelbe Tapete” im Studium begegnet. Schon beim ersten Lesen hat sie sich mir eingeprägt und das passiert mir bei Kurzgeschichten, die nicht meine Lieblingsgattung sind, nur selten. In der Geschichte geht es um eine Frau, von ihrem Mann zur Untätigkeit verdammt wird und irgendwann beginnt, die in der gelben Tapete ihres Zimmers Muster zu erkennen. Mit der Zeit nimmt sie Formen und Bewegungen wahr und ist schließlich überzeugt, dass eine andere Frau in der Tapete wohnt. 

Ein aus der Sicht der anderen typischer Fall von weiblichem Wahnsinn, von weiblicher Hysterie. Perkins stellt ihn auf brillante und komplexe Weise dar, findet kraftvolle Worte und Bilder und vermischt gekonnt Gothic-Elemente mit feministischem Schreiben. Gelbe gemusterte Tapeten nimmt man nach der Lektüre anders wahr! 

Es versteht sich ganz von selbst, dass ich auf Perkins Roman “Herland” sehr neugierig war.

Dieser ist jetzt in einer Neuausgabe zusammen mit der “Gelben Tapete” im @anacondaverlag erschienen. Herland, also “her land” und im wahrsten Sinne des Wortes “no man’s land”, beschreibt das Leben in einer feministischen Utopie. Fernab der bekannten Zivilisation existiert ein Land, in dem Frauen völlig abgeschottet leben. Es hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die in vielerlei Hinsicht überlegen scheint, die mit den Stereotypen von Weiblichkeit bricht und stattdessen weiblicher Stärke und Unabhängigkeit Raum gewährt. 

Entdeckt wird diese Utopie von drei männlichen Wissenschaftlern/Abenteurern, die zufällig auf Herland stoßen. Sie staunen angesichts der Tatsache, dass eine Gemeinschaft ohne männliche Beschützer und Familienoberhäupter funktionieren kann und verstehen bald, dass Mutterschaft die Frauen mit Stärken und Kräften ausstattet, die es ihnen erlauben, autark zu leben. 

Es ist erstaunlich, wie zeitlos der Roman wirkt. Beispielsweise kommen Aspekt wie Kapitalismuskritik oder Tierleid und auch Umweltschutz vor. Im Mittelpunkt von allem steht jedoch das Utopische, das Feministische! 

"Herland", eine Entdeckung! Zumindest für mich. Und “Die gelbe Tapete” sowieso.

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Veröffentlicht am 04.06.2023

"Äußerlich gut, aber innerlich zerknittert, danke"

Anne auf Green Gables
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Zuallererst: Ich liebe den Roman von Lucie Maud Montgomery! Für mich gehört er zu den schönsten Kinder- und Jugendbüchern überhaupt. Deshalb war ich mir unsicher, ob eine Graphic Novel überhaupt das richtige ...

Zuallererst: Ich liebe den Roman von Lucie Maud Montgomery! Für mich gehört er zu den schönsten Kinder- und Jugendbüchern überhaupt. Deshalb war ich mir unsicher, ob eine Graphic Novel überhaupt das richtige Format ist, um Annes Geschichte wiederzugeben und dem Roman gerecht zu werden.

Die Antwort lautet: ja! Natürlich bleibt der Roman das Original und kann durch keine Serie oder Graphic Novel ersetzt werden. Aber trotzdem ist es Mariah Marsden und Brenna Thummler gelungen, das, was die Geschichte ausmacht, einzufangen. Annes Fantasie und Lebhaftigkeit, all ihre wunderbar klugen Gedanken, ihr offener Blick für die Welt und auch ihre Missgeschicke gibt das Buch wieder. Außerdem ist das Gesamtbild farblich stimmig und stilistisch. Nicht alle Zeichnungen haben mir gefallen, aber einige der Doppelseiten fand ich dafür sehr schön.

Für Kinder und Jugendliche, die Anne entdecken und lieben lernen möchte, die sich von einer Figur und ihrer Geschichte verzaubern lassen möchten, eignet sich die Graphic Novel also. Und der Roman folgt dann hoffentlich direkt als Anschlusslektüre.

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Veröffentlicht am 14.05.2023

Aus dem Leben eines japanischen Teenagers

Idol in Flammen
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Akari lebt und atmet für ihr Idol, den Sänger Masaki Ueno. Sie sammelt alle Bilder und Informationen, die sie über ihn finden kann, schreibt in ihrer Freizeit einen Blog und ist überzeugt davon, sein Verhalten ...

Akari lebt und atmet für ihr Idol, den Sänger Masaki Ueno. Sie sammelt alle Bilder und Informationen, die sie über ihn finden kann, schreibt in ihrer Freizeit einen Blog und ist überzeugt davon, sein Verhalten in- und auswendig zu kennen.

Es ist die totale Idealisierung eines Menschen, die jedoch einen Riss erhält, als Masaki angeblich einen Fan geschlagen haben soll.

Der Roman liefert einen speziellen Einblick in das Leben eines Teenagers. Alles dreht sich bei Akari um ihr Idol, all ihre Zeit sowie ihre gedankliche und körperliche Kraft verwendet sie auf die Beschäftigung mit ihm. Es ist sicherlich keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass sie wie besessen von seiner Person ist.

Ihr Verhalten wirkt befremdlich, zumindest auf all die Leser*innen, die in ihrer eigenen Jugend keine Idole hatte, keine Stars angehimmelt haben. Aber gleichzeitig kann man sich bis zu einem gewissen Grad zumindest in diese Mädchen hineinfühlen, das versucht, in ihrem Dasein als Fan einen Halt und vor allem Sinn zu finden. Ihre Hingabe für ihr Idol ist identitätsstiftend.

All das erzählt Rin Usami auf eigentlich überzeugende Weise. Nur manchmal würde man sich wünschen, es würde noch tiefer gehen und auch das Ende wirkt etwas abrupt.

Davon abgesehen ist der Roman eine kurzweilige Lektüre.

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