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Veröffentlicht am 02.06.2024

Schriftstellerinnen und Schwestern

Mary & Claire
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Mary Shelley und Claire Clairmont sind Stiefschwestern, angehende Schriftstellerinnen und lieben denselben Mann, Percy Shelley.
Percy ist Dichter und verliebt in beide Frauen. Er ermöglicht ihnen die Flucht ...

Mary Shelley und Claire Clairmont sind Stiefschwestern, angehende Schriftstellerinnen und lieben denselben Mann, Percy Shelley.
Percy ist Dichter und verliebt in beide Frauen. Er ermöglicht ihnen die Flucht aus ihrem engstirnigen und konservativen Elternhaus Anfang des 19. Jahrhunderts in England. Diese Flucht ist der Auftakt ihrer jahrelangen, gemeinsamen Beziehung und führt später zu der schicksalhaften Nacht am Genfer See, in der Mary Shelley die Idee zu „Frankenstein“ hatte.
 
Markus Orths erzählt hier aber nicht die Entstehungsgeschichte „Frankensteins“, sondern schreibt über die beiden Schwestern und ihre Verbindung zueinander.
Dabei hat er einen eingängigen Schreibstil, der manchmal fast poetisch anmutetet und immer wieder einen herrlich feinen Humor aufblitzen lässt. Gleichzeitig wirken seine Charaktere absolut modern in ihren Gesprächen und ich hatte mühelos ihr Bild vor Augen.
Beide Frauen werden als selbstbewusste und fortschrittliche Frauen beschrieben, die ihrer Zeit weit voraus sind und in Percy einen Mann finden, der diesen Weg mitgeht und sie respektiert. Sie setzen sich somit über gesellschaftliche Konventionen hinweg und stehen zu ihren Gefühlen. Besonders gefreut hat mich dabei, dass ihre Schwestern-Beziehung über der Liebesbeziehung stand.
Beide Lebenswege habe ich mit Interesse gelesen und ihre Schicksalsschläge ließen mich nicht kalt, auch wenn ich mich Mary immer ein Stück näher gefühlt habe. Bei Claire fand ich es sehr bedauerlich, dass sie sich später in Lord Byron verliebt und hierbei eine – für sie – toxische Beziehung eingeht.
 
Immer wieder gibt es auch Szenen mit magischem Realismus. Dieses Stilmittel setzt der Autor geschickt ein um emotionale Bindungen zu veranschaulichen und gibt dem Roman zusätzlich Tiefe.
 
Bezüglich des Wahrheitsgehaltes des Romans, weist der Markus Orths am Ende darauf hin, dass er sich bei Orten und Handlungen auf überprüfbare Fakten bezieht, bei Aussagen und Gedanken der Personen, nimmt er sich allerdings auch ein gewisses Maß an schriftstellerischer Freiheit heraus.
 
Für mich war es ein gelungener Roman, über reale Personen, der mir ein kurzweiliges Lesevergnügen beschert hat.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Ehrlich, bewegende und lesenswert

Windstärke 17
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Das Cover versetzt einen gleich ins richtige Setting der Geschichte, die fast nur auf Rügen spielt. Dabei geht es um Ida, die nach dem Tod ihrer Mutter nicht weiß wohin mit ihren ganzen Emotionen. Sie ...

Das Cover versetzt einen gleich ins richtige Setting der Geschichte, die fast nur auf Rügen spielt. Dabei geht es um Ida, die nach dem Tod ihrer Mutter nicht weiß wohin mit ihren ganzen Emotionen. Sie fühlt sich schuldig, ohnmächtig, allein und wütend. Anstatt nach Hamburg zu ihrer Schwester Tilda, fährt sie einfach weiter nach Rügen und landet dort bei Marianne und Knut, einem älteren Ehepaar.
Diese beiden geben Ida Raum für sich und ihre Gefühle, ohne Erwartungen an sie zu stellen. Es ist berührend mit zuerlesen, wie Ida sich immer mehr öffnet und Teil dieser kleinen Familie wird. Wie sie ankommt auf der Insel und dem Paar. Sich ihrer Vergangenheit stellt und daran wächst.
Es sind zarte Momente, gerade zwischen Marianne und Ida, die beiden viel bedeuten.
Und dann gibt es da noch Leif, der so unnahbar wirkt und doch immer wiederkommt. Mit dem sich Idas Leben plötzlich so viel leichter und heller anfühlt.
Caroline Wahl besitzt ein großartiges Fingerspitzengefühl für diese emotionalen und zärtlichen Momente, die ich so gut nachempfinden konnte. Und ganz schnell war mein einziger Gedanke nur noch "Leif, brich uns nicht das Herz!"

"Wenn ich mit Leif Hand in Hand am Sassnitzer Hafen entlangspaziere, so wie gestern, denke ich ganz kitschi und blöd, dass mir seine Hand in meiner genügt zum Leben, dass ich nicht mehr brauche." S.124

Die Autorin hat hier einen wundervollen, warmen und menschlichen Roman geschrieben. Der trotz der Schwere der Themen, nicht hoffnungslos macht. Es ist das ungeschönte, ehrliche Leben, das sie hier vor uns ausbreitet mit all seinen Höhen und Tiefen. Ihre Figuren sind mir dabei innerhalb kürzester Zeit vollkommen ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen gelitten und mich gefreut.

Für mich war es ein vollkommenes Lesevergnügen und ich kann ihn Euch nur wärmsten empfehlen.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Berührender Einblick in die vietnamesische Kultur anhand einer Familiengeschichte

Wo auch immer ihr seid
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„Als Kind war mir nicht klar, dass die Welt meiner Familie eine andere war als die aller anderen um uns herum“ S.101

Kim ist dreißig und die Tochter vietnamesischer Einwanderer. Bisher hat sie sich nie ...

„Als Kind war mir nicht klar, dass die Welt meiner Familie eine andere war als die aller anderen um uns herum“ S.101

Kim ist dreißig und die Tochter vietnamesischer Einwanderer. Bisher hat sie sich nie für ihre familiären Wurzeln interessiert, doch dann nimmt ihr Onkel Kontakt zu ihr auf und damit ändert sich alles.
Die Autorin gibt einen gefühlvollen und berührenden Einblick in ihr Familienleben und bringt uns so die vietnamesische Kultur und ihre Geschichte auf ganz eindrückliche Weise nahe.
Gerade über die historischen Begebenheiten in Vietnam in den 60er/70er Jahren war mir, außer dem Vietnamkrieg, nicht viel bekannt. Wie wurde dieser Krieg von den Vietnamesen selbst wahrgenommen? Die unterschiedlichen Sichtweisen dazu veranschaulicht sie gelungen anhand ihres Vaters und ihres Onkels, die neben ihr abwechselnd die jeweiligen Kapitel des Romans bestreiten.
Dadurch gelingt ihr ein sehr differenziertes Bild dieser Familie und Erklärung für die herrschenden Verhältnisse innerhalb.
Was allen drei gemein ist, ist die Suche nach ihrem Platz im Leben. Kim und ihre Eltern, die in Deutschland versucht haben und immer noch versuchen, vollumfänglich dazu zu gehören.

„Es war wichtig, die Unterschiede zwischen meiner Familie und ihren Familien verschwinden zu lassen, denn unsere Welt war klein und komisch, während ihre groß und allgemeingültig war.“ S.102

Onkel Son dagegen ist nach dem Krieg nach Kalifornien emigriert und lebt dort in „Little Saigon“.
Hier trifft sich nun die Familie das erste Mal seit 15 Jahren aufeinander und Kim taucht immer mehr in ihre vietnamesische Kultur ein.

„Seltsam, wie sehr mich dieses kleine Wort berührt. >Wir< haben bisher nur wenige zu mir gesagt. Die meisten sagten >ihr<.“ S.236

Es ist ein fesselnder und bewegender Roman, der mich seine leise Art sehr berührt hat. Die Autorin schafft es mit ihren Sätzen mühelos die Dinge auf den Punkt zu bringen und benennt auch heutige herrschende Missstände. Gleichzeitig hat sie eine emotionalen und am Ende auch hoffnungsvolle Familiengeschichte geschrieben, die mir wohl noch länger im Gedächtnis bleiben wird.

Ich kann Euch dieses Buch nur ans Herz legen. Taucht ein in die vietnamesische Kultur und lasst Euch mitnehmen in diese Welt.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Aktueller und spannender Roman über Generationendifferenzen

Der Fall Miriam Behrmann
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Die angesehene Professorin Miriam Behrmann ist von ihrer Doktorandin Selina Aksoy des psychischen Missbrauchs beschuldigt worden. Heute ist der Tag, an dem entschieden wird, ob Miriam Behrmann entlassen ...

Die angesehene Professorin Miriam Behrmann ist von ihrer Doktorandin Selina Aksoy des psychischen Missbrauchs beschuldigt worden. Heute ist der Tag, an dem entschieden wird, ob Miriam Behrmann entlassen wird oder nicht.

Die Autorin lässt den kompletten Roman aus der Sicht und den Gedanken der Professorin erzählen. Dadurch bin ich tief in die Empfindungen und die Wahrheit von Miriam Behrmann eingetaucht. Ihre Beklemmung, ihre Fassungslosigkeit, Hoffnung und Verzweiflung sind für mich mühelos spürbar. Immer wieder geht sie in Erinnerungen Situationen mit ihren Kolleg*innen und ihrem Ehemann durch und rekapituliert so das Geschehen aus ihrer Sicht.
Dabei erfahre ich auch einiges über ihren persönlichen Werdegang und ihre Biografie.
Weitere Anhaltspunkte sind die verschiedenen offiziellen Vorwürfe, die ihre gemacht werden, zu denen sie im Geiste Stellung bezieht und so auch Szenen mit Selina vor ihrem inneren Auge ablaufen.
Diese Einblicke erzeugen für mich ein stimmiges Bild ihrer Person und erklären nur allzu deutlich ihre Erwartungshaltung und Verhalten ihrer Doktorandin gegenüber.
Miriam und Selina gehören zwei unterschiedlichen Generationen und Kulturkreisen an und „müssen“ nicht zuletzt schon deshalb miteinander in Konflikt geraten.

Lydia Lewitsch hat hier einen wirklich spannenden und temporeichen Roman über Erwartungen, Generationenunterschiede und das Frau-Sein geschrieben. Geschickt verbindet sie aktuelle Themen, wie Diskriminierung und internationale Biografien miteinander und hält dem traditionell geprägten Mikrokosmos Universität den Spiegel vor.
Sprachlich sind es klare und häufig sehr kurze Sätze, die die gestresste Stimmung von Miriam gelungen unterstreichen. Einzig das Fehlen der Satzzeichen bei der direkten Rede, hat mich manchmal aus dem Lesefluss gebracht.

Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diesen dichten und aktuellen Roman.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Lesenswerte und erschreckende Fortsetzung

Die Zeuginnen
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Ich bin zurück nach Gilead gereist und habe es nicht bereut.
Wie ging es weiter in dieser dystopischen Welt und diesem erschreckenden, frauenverachtenden, totalitären Staat?
Das erzählen uns drei Zeuginnen ...

Ich bin zurück nach Gilead gereist und habe es nicht bereut.
Wie ging es weiter in dieser dystopischen Welt und diesem erschreckenden, frauenverachtenden, totalitären Staat?
Das erzählen uns drei Zeuginnen abwechselnd fünfzehn Jahre nach dem „Report der Magd“. Die Perspektiven wählt Atwood hierbei geschickt. Indem sie einmal die jugendliche Agnes und Tante Lydia in Gilead und zum anderen die sechzehnjährigen Daisy in Kanada zu Wort kommen lässt, beleuchtet sie das System von allen Seiten.
Die beiden Mädchen schildern ihr Aufwachsen und wie sie jeweils ihr Leben wahrnehmen ganz klar und ungeschönt, wodurch die Unterschiede in beiden Staaten unmittelbar deutlich werden für uns Lesende.
Tante Lydia berichtet in ihren Aufzeichnungen nicht nur von der momentanen Lage, sondern schildert auch ihren Werdegang als Tante und berichtet von den ersten Tagen Gileads. Es sind erschreckende Einblicke, die mich immer wieder nach Luft schnappen ließen. Gerade ihren Teil empfand ich als unglaublich stark, der er ein ganz anderes und sehr viel differenzierteres dieser Frau zeichnet, als es im ersten Teil der Fall war. Was wir Menschen erleiden und ertragen können und wozu wir am Ende bereit sind zu tun, veranschaulicht diese Figur vollumfänglich. Dadurch bringt vor allem ihr Lebensweg mich immer wieder zum Nachdenken.
Es sind die gewichtigen Fragen nach Moral und Schuld und nach dem Überlebenswillen eines Menschen. Wo sind die Grenzen der Menschenwürde und gibt es eine Rechtfertigung sie zu überschreiten?
Margaret Atwood schreibt packend und fesselnd, dabei blitzt in ihren Aussagen immer wieder auch Sarkasmus und schwarzer Humor auf. Ab der ersten Seite nahm sie mich mit in die Handlung und ich konnte das Buch nur schwer zur Seite legen.
Die Entwicklungen ihrer Charaktere sind nachvollziehbar und ließen mich immer wieder atemlos mitfiebern. Relativ schnell hatte ich verschiedene Vermutungen bezüglich Agnes und Daisy, was der Spannung keinen Abbruch tat.
Die Autorin führt uns hier einmal mehr vor Augen, was in unserer Welt möglich sein könnte und leider durchaus bereits in Teilen der Realität entspricht. Der Schrecken, der sich beim Lesen einstellt, rührt meiner Meinung genau daher und das ist gut so.

Ein definitiv lesenswerter Roman!
Allerdings mit der klaren Empfehlung erst „Der Report der Magd“ zu lesen, um den Staat Gilead zu kennen.

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