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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2023

Hochaktuelle Gesellschaftskritik

Zwischen Welten
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„Zwischen Welten „von Juli Zeh und Simon Urban befasst sich mit der aktuelle Streitkultur, in der andere Meinungen nur schwerlich akzeptiert werden. Vielmehr werden Andersdenkende gerne beschimpft und ...

„Zwischen Welten „von Juli Zeh und Simon Urban befasst sich mit der aktuelle Streitkultur, in der andere Meinungen nur schwerlich akzeptiert werden. Vielmehr werden Andersdenkende gerne beschimpft und diffamiert. Man wirft ihnen sofort etwas vor, wie etwa Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Fortschrittsverweigerung u.s.w.. Sehr schön ist das ja in der Politik zu beobachten, aber auch zunehmend in der Gesellschaft.

Unsere beiden Protagonist*innen kennen sich aus Studientagen, wo sie zusammen in einer WG in Münster gewohnt haben. Theresa ist irgendwann über Nacht einfach aus Stefan‘s Leben verschwunden, da ihr Vater verstorben war und ihre Mutter sich außerstande sah den eigenen Bauernhof in Brandenburg weiterzuführen. Sie hat dann entschieden selbst Bäuerin zu werden und hat es geschafft den Familienhof zum Ökobetrieb umzustrukturieren. Stefan dagegen ist nach dem Studium Journalist geworden und hat Karriere in einem renommierten Wochenblatt in Hamburg gemacht. Ihre Lebenswelten unterscheiden sich heute also sehr. Während Stefan sich von seinem Großstadtschreibtisch zu allen Themen unserer Zeit eine Meinung bildet, kämpft Theresa auf dem Land ganz konkret gegen die ganze Bürokratie, die der Landwirtschaft das Leben schwer macht. Einerseits versucht sie alles richtig zu machen, ihren Hof mit biologischer Landwirtschaft in die Zukunft zu führen, andererseits werden ihr von der Politik immer wieder Auflagen gemacht, die ihre Existenz gefährden.

Jetzt wo sie sich zufällig wiedergetroffen haben, versuchen Theresa und Stefan, die alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen, tauschen ihre Kontaktdaten und beginnen einen regen Austausch per e-Mail und What’s App. Das ganze Buch ist ein „Briefroman“ allerdings mit den modernen Medien e-Mail, What‘s App und ab und an SMS. Das macht es auch zuweilen etwas anstrengend und ist sicher nichts für jedermann.

Beide Figuren waren mir nicht wirklich sympathisch. Stefan ist ein Besserwisser, der sich für total weltoffen und reflektiert hält und eigentlich jedem politischen Trend hinterherläuft. Und Theresa wirkt auch irgendwie etwas stereotyp. Sie kämpft tagtäglich in ihrem Betrieb mit den Folgen des Klimawandels, z.b den trockenen Böden oder den vielen bürokratischen Hürden, die den Landwirten das Leben wirklich schwer machen.

Auch wenn sie sich heftig streiten, auch vor Beleidigungen des anderen nicht zurückschrecken, finden sie doch immer wieder zum Gespräch zurück. Die Themen sind vielfältig und aktuell. Es geht um Rassismus, die Frauenrollen, das Gendern aber auch um den Krieg in der Ukraine, Fremdenfeindlichkeit im Osten, Corona und die AFD, um nur ein paar Themen zu nennen. Die Auswirkungen der modernen Medien auf die Gesellschaft, die Hetze im Netz und die Cancel Culture bekommt Stefan dann auch hautnah in seinem Zeitungsbetrieb zu spüren.


Auch wenn man weder Theresa noch Stefan zu 100% mag, kann man der einen oder anderen Position durchaus zustimmen. Juli Zeh und Simon Urban haben einen Gesellschaftsroman geschrieben, der sehr aktuell ist und den Finger immer genau in die Wunden des Systems stößt. Man wird nach der Lektüre schon nachdenklich, und die Lektüre gibt einem mit Sicherheit eine Menge Denkanstöße mit auf den Weg.

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Veröffentlicht am 27.11.2023

Zwischen Liebe und Hass

Ambivalenz
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Claude umgarnt die unerfahrene Dominique, die sein Werben für Liebe hält. Als er ihr sogar Chanel No5 schenkt, schmilzt sie dahin und stimmt seinem Heiratsantrag zu. Sie ahnt nichts von Claude‘s inneren ...

Claude umgarnt die unerfahrene Dominique, die sein Werben für Liebe hält. Als er ihr sogar Chanel No5 schenkt, schmilzt sie dahin und stimmt seinem Heiratsantrag zu. Sie ahnt nichts von Claude‘s inneren Abgründen.
Claude möchte dringend ein Kind, doch als seine Tochter Epicène geboren ist, hasst er sie. Das Mädchen, hübsch und klug wächst heran und durchschaut den Vater schnell. Zum Glück kann Epicène sich der Liebe ihrer Mutter sicher sein.
Kurz und knapp und trotzdem sprachgewaltig erzählt die Autorin ein Familiendrama, dass sich immer mehr zuspitzt und mit einer überraschenden Wendung aufwartet.
Ich mochte das Hörbuch wirklich gerne. Allerdings fand ich das Kennenlernen von Claude und Dominique schon etwas merkwürdig.

Der trockene Schreibstil von Amelie Nothomb hat mir gut gefallen, und ich werde sicher noch zu weiteren ihrer Bücher greifen.

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Mord im Theatermilieu

Experte in Sachen Mord
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Josephine Tey ist Theater- und Romanautorin. Ihr sehr erfolgreiches Theaterstück „Richard von Bordeaux“ wird schon seit einer gefühlten Ewigkeit in London aufgeführt und hat Josephine berühmt gemacht. ...

Josephine Tey ist Theater- und Romanautorin. Ihr sehr erfolgreiches Theaterstück „Richard von Bordeaux“ wird schon seit einer gefühlten Ewigkeit in London aufgeführt und hat Josephine berühmt gemacht. Nun reist sie wieder einmal aus ihrer schottischen Heimat Inverness mit dem Zug nach London und lernt während ihrer Fahrt die reizende junge Elspeth kennen, die ein großer Fan ist und nach Ankunft des Zuges ermordet aufgefunden wird. Josephine‘s guter Freund und Detective Inspector Archie Penrose ermittelt in dem Mordfall, der, so wird ihm schnell klar, eng mit der Theaterwelt London‘s in Zusammenhang gebracht werden kann. Auch die Schrecken des zurückliegenden Krieges werden immer wieder thematisiert.

Genau wie ich es mir gewünscht hatte, ist der Krimi „very british“. Die Autorin nimmt sich viel Zeit eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Wir befinden uns in der Zeit zwischen den Weltkriegen, die Zeit, in der auch die Krimis von Agatha Christie spielen. ( Und A. Christie Vibes spürt man beim Lesen auf jeden Fall.) Es ist ein Cosy Crime, es geht nicht allzu blutrünstig zu und der Krimiplot ist auch nicht extrem spannend. Wenn man aber gerne in diese Theaterwelt und das England der 30erJahre etwas tiefer eintauchen möchte, macht das Buch wirklich Spaß. Es ist der 1. Band einer Reihe, und interessanterweise erfährt man im Nachwort, dass es Josephine Tey wirklich gegeben hat.

Gerade zu Beginn des Buches musste ich mich schon sehr konzentrieren, um alle Details mitzubekommen, und an den sehr ruhigen Schreibstil musste ich mich erst einmal gewöhnen. Als ich dann aber in die Geschichte eingetaucht bin, habe ich es sehr gemocht. Das Schöne an einer Reihe ist ja, dass es mit den Protagonisten, der selbstbewussten, freundlichen Josephine und dem ein klein wenig in sie verliebten Archie ein Wiedersehen geben kann, wenn man das möchte. Weitere Bände der Reihe sind nämlich auf Deutsch schon erschienen.

Fazit: netter 1. Band einer Cosy Crime Reihe im Agatha Christie Stil, sehr gemütlich und atmosphärisch erzählt mit Theaterflair und ohne Riesenspannung. Wunderbar für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Sehr unterhaltsam

Daisy Jones and The Six
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Daisy Jones & the Six ist die Geschichte einer fiktiven Band.

Erneut hat T.J. Reid bewiesen, dass sie Charaktere wirklich lebendig werden lassen kann. Daisy Jones ist ein junge und sehr begabte Sängerin, ...

Daisy Jones & the Six ist die Geschichte einer fiktiven Band.

Erneut hat T.J. Reid bewiesen, dass sie Charaktere wirklich lebendig werden lassen kann. Daisy Jones ist ein junge und sehr begabte Sängerin, die aus einem wohlhabendem aber auch lieblosen Elternhaus kommt und schon früh Probleme mit Alkohol und Drogen bekommt. Sie stößt irgendwann zu der aufstrebenden Band „the Six“ und harmoniert perfekt mit deren Frontmann Billie. Für Billie ist sie aber auch gefährlich, da er mit aller Kraft versucht, dass Drogen keinen Platz mehr in seinem Leben einnehmen sollen. Das hat er seiner Frau Camilla versprochen.

Der Roman ist komplett im Interview Stil geschrieben. Im Hörbuch hat jeder Charakter seinen eigenen Sprecher, und diese erzählen abwechselnd, was damals in den 70er Jahren vorgefallen ist. Das war gut gemacht. Allerdings ist mir aufgefallen, dass in dem deutschen Hörbuch z.b Ortsnamen schon mal falsch ausgesprochen wurden.

Ansonsten hatte man das Gefühl am Bandleben teilzuhaben, an den tollen und auch mal nicht so tollen Gigs, an Reibereien, an Drogengeschichten, an Beziehungen innerhalb und außerhalb der Band.

Ich glaube , ich hätte das Buch nicht so gerne gelesen, wie ich es gehört habe. Vertont hat es wirklich Spaß gemacht die Entstehung und den Werdegang der Band zu verfolgen. Die Autorin hat sich sogar Songtexte ausgedacht und genau beschrieben welche Instrumente wie und wann zum Einsatz kommen. Inzwischen ist das Buch wohl auch verfilmt, und das kann ich mir wirklich sehr gut vorstellen.

Schön ist, dass die Bücher von Taylor Jenkins Reid alle zu einem Universum gehören, man also ganz am Rande immer mal Charaktere aus ihren anderen Büchern begegnet. Das ist auch hier der Fall.

Mich hat das Buch als Hörbuch wirklich gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 02.11.2023

Aktive Traumabewältigung

Wie ein Herzschlag auf Asphalt
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Annabelle hat mit ihren fast 18 Jahren etwas Furchtbares erleben müssen. Kurz vor ihrem Schulabschluss ist ihre Welt zusammengebrochen.

Die Jugendliche verspürt nur noch das Verlangen aus ihrem Heimatort ...

Annabelle hat mit ihren fast 18 Jahren etwas Furchtbares erleben müssen. Kurz vor ihrem Schulabschluss ist ihre Welt zusammengebrochen.

Die Jugendliche verspürt nur noch das Verlangen aus ihrem Heimatort zu fliehen und setzt kurz entschlossen ohne große Vorbereitung ihren schnell gefassten Plan um, von Seattle nach Washington zu laufen - 4375 Kilometer. Ihre alleinerziehende Mutter, ihr Bruder und ihr Opa Ed können sie von ihrem Vorhaben nicht abhalten, das wissen sie. Also unterstützen sie Annabelle mit Tatkraft und Liebe, und das ist auch dringend nötig, da sich die schlimmen Erinnerungen mit ihr auf den Weg machen.



Was Annabelle widerfahren ist, wird erst im letzten Drittel des Buches aufgelöst. Ich habe es allerdings schon vorher geahnt. Nichtsdestotrotz schafft es die Autorin einen emotional mitzunehmen. Man kann sich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzten, ihre Schmerzen und Tränen und die Anstrengung sich jeden Tag neu zu motivieren nachfühlen. Ganz wunderbar fand ich Opa Ed, der sich entschließt seine Enkelin mit dem Wohnwagen zu begleiten und am Ende eines Lauftages nicht nur Wasser und Essen und eine Schlafkoje für sie bereithält, sondern auch jede Menge emotionale Unterstützung. Familie und Freunde sorgen von zu Hause aus dafür, dass Annabelle in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, und so wird die junge Frau auch von völlig Fremden unterwegs eifrig unterstützt.



Mich hat die Geschichte von Annabelle sehr berührt und nachdenklich gemacht. Den Schreibstil fand ich zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig , aber dann habe ich mich doch recht schnell damit arrangiert.

Eine Triggerwarnung wäre auch angebracht gewesen, aber ansonsten habe ich nichts zu meckern.

Das Buch ist auf jeden Fall zu Recht auf der Nominierungsliste für den deutschen Jugendliteraturpreis 2023 gelandet und ich empfehle es gerne weiter.

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