Ein hochaktueller Roman
Vor einiger Zeit habe ich den Roman Zwischenwelten von Juli Zeh und Simon Urban gelesen. Es war der erste Roman, den ich jemals von einem der beiden Autorinnen gelesen habe.
Dieser Roman ist so wahnsinnig ...
Vor einiger Zeit habe ich den Roman Zwischenwelten von Juli Zeh und Simon Urban gelesen. Es war der erste Roman, den ich jemals von einem der beiden Autorinnen gelesen habe.
Dieser Roman ist so wahnsinnig umfassend, dass es mir wahrheitsgemäß schwerfällt, darüber eine würdige Rezension zu schreiben. Aber ich gebe dennoch mein Bestes.
Der Roman ist in der Form der E-Mail Kommunikation und WhatsApp Nachrichten geschrieben. Die beiden Protagonisten, die hier miteinander in Kontakt stehen, sind Theresa und Stefan.
Theresa ist Landwirtin. Sie hat den Hof ihres Vaters in Brandenburg übernommen, nachdem dieser verstorben ist. Da war sie kurz vor dem Abschluss ihres Germanistikstudiums: Es ist ein kleiner Betrieb mit ein paar Mitarbeitern und über 200 Milchkühen. Theresa hat den Hof in einen Biohof -Milchhof umgewandelt und unter anderem eine Biogasanlage bauen lassen. Aufgrund der äußeren Umstände und der politischen Gesetze kämpft sie schon einige Zeit um die Aufrechterhaltung des Hofes und steht kurz vor der Insolvenz. Hinzu kommt ihre Familie. Sie und ihr Mann haben 2 Kinder. Ihr Mann Basti ist Mechatroniker, besucht die Meisterschule und will nächstes Jahr die Prüfung zum Kfz-Meister machen. Da er wegen der Kinder nur halbtags arbeitet, trägt er den kleineren Teil des Familieneinkommens dazu. Theresia ist also momentan mit dem Hof diejenige, die das Einkommen der Familie sichert.
Stefan lebt in Hamburg. Er ist stellvertretender Chefredakteur der Zeitung namens der Bote. So wie man im Roman erfährt, ist er Single und lebt alleine in einer Wohnung in Hamburg. Momentan arbeitet er an einer Sonderausgabe, die sich mit dem Thema des Klimawandels beschäftigen soll. Dazu holt er sich als Unterstützer des Sonderteils auch Aktivistinnen der Klimabewegung in die Redaktion.
Wie man gleich am Anfang des Romanes erfährt, treffen diese beiden Charakter nach 20 Jahren erneut durch Zufall in der U-Bahn in Hamburg aufeinander. Denn Teresa und Stefan waren einst WG Freunde während ihres Germanistikstudiums. Sie waren so etwas wie eine Familie füreinander.
Es gab regelmäßig rege Diskussionen zu verschiedenen Themen bei gemeinsamen Abenden am Küchentisch. Bis Theresia an diesem einen Abend vor 20 Jahren den Anruf bekam, dass ihr Vater verstorben sei. Sie ging und kam nicht mehr zurück.
Beide freuen sich nun über das Wiedersehen und fangen also an, sich miteinander über Mail und WhatsApp auf den neusten Stand ihrer jetzigen Lebenssituationen zu bringen.
Dabei kommt es schon nach sehr kurzer Zeit zu einem hitzigen WhatsApp Schlagabtausch, der nicht der einzige in diesem Buch sein wird. Dabei schenken sich beide nichts.
Beide befinden sich jetzt in 2 komplett unterschiedlichen Lebenswelten. Stefan weiß nichts vom modernen Hofleben, bis ihm Theresia davon berichtet.
Der erste Schlagabtausch beginnt schon dabei, dass es für Stefan wichtig ist, die Gendersprache zu verwenden. Darüber macht sie Theresia ein wenig lustig. Sie kann dem Ganzen nur wenig abgewinnen. Sie findet, er sei ein Idealist, der sich in seinem Beruf teilweise mit Themen beschäftige, die für sie gerade Nichtigkeiten sind, schließlich geht es für sie gerade um die Existenz des Hofes. Theresia fängt in ihrer Antwort an, Stefan geradezu zu provozieren und das Thema in das lächerliche zu ziehen. Was Stefan nicht sehr lustig findet.
Dies ist nur eines der hochaktuellen Themen, die in diesem Buch zur Sprache kommen. Auch Themen wie Corona, Rassismus, die hochriskante Vermischung von Journalismus und Aktivismus und der im Roman gerade ausbrechende Krieg gegen die Ukraine.
Natürlich ist ein großes Diskussionsthema der beiden auch der Klimawandel. Denn natürlich erläutert Stefan Theresia auch, welche Auswirkungen die Landwirtschaft auf das Klima hat.
Immer wieder kommt es dadurch zu Mails und Nachrichten, bei denen man meinen müsste, dass die Freundschaft nun beendet wird. Doch gerade Stefan versucht geradezu verbittert darum zu kämpfen, dass es doch am Ende zu einer gemeinsamen Einigkeit kommt. Denn er erinnert sich an eine Theresia, die meist seiner Meinung war. Wo ist nur die wortgewandte Germanistin in ihr hin? Er hat Angst um sie und deutet an, dass sie in die Richtung des Rechtsradikalen gehe.
Derzeit bringen die Aktivisten in der Redaktion des Boten nicht nur Gutes zutage. Stefan fühlt sich immer mehr zwischen die Fronten gedrängt. Besonders als es dann auch noch zu einem verunglückten Witz seines Chefs Flori Sota kommt, der anschließend in die Öffentlichkeit gerät. Es kommt zu einem Shitstorm im Netz, in dem Menschen ihrem Hass freien Lauf lassen, ohne beide Seiten zu kennen. Wie wird es für den Boten weitergehen?
Theresia wendet sich aus Verzweiflung heraus an Stefan und hofft auf seine Hilfe als Journalist. Doch leider läuft es nicht so, wie sie sich dies erhofft hatte.
Als sich Theresa dann aus der Not heraus selbst von einer Aktivistin helfen lässt, wird der Hergang des Romanes noch brisanter. Denn der Hof ist nicht nur dabei, ihre berufliche Existenz zu bedrohen, sondern auch die ihrer Ehe.
Wie beide Leben weitergehen und ob ihre Freundschaft eine Zukunft hat, das müsst ihr selbst herausfinden.
Es lohnt sich!
Meine Meinung zum Buch:
Nach dem Beenden des Romanes war ich sprachlos. Juli Zeh und Simon Urban haben diesem Roman, der Protagonisten und anderen Charaktere in WhatsApp und Mail Form so viel Leben eingehaucht, dass es immer wieder schwer war, mit dem lesen aufzuhören.
Ich empfand es als wahnsinnig spannend, etwas über beide Berufe zu erfahren.
All die angesprochenen Themen sind so komplex, dass ich teilweise Dinge nachschlagen musste.
Mich hat der Roman zum Nachdenken angeregt. Es gab immer wieder viel Redebedarf für mich und ich habe den Austausch mit meinem Verlobten gesucht.
Ich kann innerhalb des Romanes immer wieder zum Teil beide Seiten verstehen. Also die unterschiedlichen Meinungen beider Protagonist*innen zu verschiedenen Themen. Daher möchte ich mich auf keine Seite schlagen. Ich mochte zu keiner Zeit einen der beiden mehr oder weniger. Immer wieder gab es im Roman für mich Situationen, die ich sehr aufwühlend empfand und danach erst mal eine Lesepause einlegen musste.
Dieser Roman ist eine absolute Leseempfehlung von mir. Ich kann verstehen, warum er zu so vielen Diskussionen führt. Dies ist aber absolut nichts Negatives. Ich glaube, er wird viele so wie mich zum Nachdenken bringen.