Manipulationen
Dark Memories - Nichts ist je vergessenAlan Forrester ist Psychiater mit dem Spezialgebiet, Erinnerungen wieder auszugraben. Und zwar Erinnerungen, die durch ein Medikament ausgelöscht worden sind. Seine Patientin Jenny wurde brutal vergewaltigt ...
Alan Forrester ist Psychiater mit dem Spezialgebiet, Erinnerungen wieder auszugraben. Und zwar Erinnerungen, die durch ein Medikament ausgelöscht worden sind. Seine Patientin Jenny wurde brutal vergewaltigt und malträtiert. Ihre Mutter wollte Jenny mit dem Vergessen helfen und sorgte dafür, dass sie diese Medikamente bekam. Doch Jennys Körper hat nicht vergessen und Jenny kämpft mit den Geistern in ihrem Inneren. Um weiterleben zu können, muss sie sich unbedingt erinnern. Alan Forrester will ihr helfen. Doch dann verändern sich die Umstände und Jenny weiß nicht mehr, ob das, woran sie sich erinnert, wirklich geschehen ist.
Wendy Walker wendet hier ein paar Kniffe an, die ich so noch nicht gesehen habe und die einen erstaunlichen Effekt erzielen. Genauer darauf eingehen möchte ich nicht, denn das soll jeder selbst entdecken und genießen! Nur so viel: was zunächst verwirrt, fesselt später. Zumindest war es bei mir so.
Die Protagonisten sind sehr klar gezeichnet, ohne sie allzu ausführlich zu beschreiben. Ob Patienten oder Angehörige, Unbeteiligte oder der Ich-Erzähler – man hat schnell das Gefühl, sie zu kennen (auch wenn man definitiv einige der Personen des Buches überhaupt niemals kennenlernen möchte). Durch geschickt eingestreute Zeit- und Perspektivwechsel (bzw. Wechsel der Personen, um die es gerade geht und die gefühlt überhaupt nichts mit Jennys Fall zu tun haben) stutzt man zwar immer mal wieder und muss sich neu sortieren (wer war das noch mal?), aber diese Taktik hat ihren Grund und deshalb auch Sinn. Ganz langsam ahnt man, auf was man zusteuern wird.
Ich fand das Buch durchgehend interessant. Es hat eine Form der Spannung, die „von hinten kommt“ und mich in ihren Bann zieht, auch wenn ich das dann irgendwann gar nicht mehr will, weil es sich anfühlt, als würde man bei einem Unfall gaffen.
Das Thema „Erinnerungsauslöschung durch Medikamente“ ist keine Erfindung, es wird tatsächlich daran gearbeitet, diese Möglichkeit, die es schon gibt, auszubauen und gezielt einzusetzen. Das allein ist schon erschreckend. Was daraus werden kann, noch erschreckender. Wendy Walker hat dieses Thema in meinen Augen sehr gut dargestellt und noch eine Extraportion Erschrecken (Thrill) dazu gepackt. Mag sein, dass dieser Thrill erst ganz am Ende klar wird – mir hat das Buch gefallen! Vor allem wird es ja als Roman gehandelt, nicht als ausgesprochener Thriller.
So oder so – ich wurde von der Autorin prima an der Nase herumgeführt und zudem hat sie es geschafft, meine Einstellung zu dem einen oder anderen Protagonisten quasi auf links zu drehen. Das hat bisher noch kein Autor geschafft!
Für mich hat dieses Buch alles, was ich erwarte und brauche, um gefesselt zu werden und mich sehr gut unterhalten zu fühlen. Deshalb gibt es von mir auch die vollen fünf Sterne!