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Veröffentlicht am 19.07.2023

Ratgeber, der Betroffenen Mut macht

Scheiß-Angst
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Als Karina Spiess mit 16 Jahren für ein Jahr ins Ausland geht, entwickelt sie dort schwere Magen-Darm-Beschwerden und erlebt ihre erste Panikattacke – Dinge, die sie noch bis zum heute begleiten. Auf Instagram ...

Als Karina Spiess mit 16 Jahren für ein Jahr ins Ausland geht, entwickelt sie dort schwere Magen-Darm-Beschwerden und erlebt ihre erste Panikattacke – Dinge, die sie noch bis zum heute begleiten. Auf Instagram beginnt sie schließlich, über ihre Erfahrungen zu sprechen und stellt fest: es geht vielen Menschen ähnlich. So formt sich der Gedanke, auch weiter zur Enttabuisierung dieser Themen beizutragen und eine Karriere als selbst ernannte „Kackfluencerin“ beginnt.

Verfasst hat die Autorin, auch bekannt als @kikidoyouloveme, ihr Sachbuch gemeinsam mit Schwägerin Ekaterina Spiess, einer Ärztin, die den medizinischen Teil zum Buch liefert. Schon der Titel „Scheiß-Angst“ ist gut gewählt, denn zum einem geht es wortwörtlich um die Angst, in einer unpassenden Situation auf die Toilette zu müssen und auf der anderen hat Kiki manchmal genau das: eine Scheiß-, also eine riesige Angst, die sich in Panikattacken äußert. Auch die äußere Ausstattung ist mit ihren Pastellfarben und der Grafik modern und ansprechend und erinnert so gar nicht an ein klassisches, trockenes Sachbuch.

Inhaltlich gibt Karina Spiess zunächst eine Einführung, wie bei ihr alles überhaupt angefangen hat, wann und wie die Diagnose Reizdarm zustande kam und wie sie heute damit lebt. Dabei schneidet sie die unterschiedlichsten Themen an: Was stellt das alles mit der Psyche an? Wie gehen Partner und Freunde damit um? Wie gestaltet sich der Alltag und was kann selbst oder mit professioneller Unterstützung an Therapien unternommen werden? Ekaterina Spiess ergänzt immer wieder medizinische Fakten, zum Beispiel erklärt sie, wie unser Gehirn mit dem Darm verbunden ist oder was die fünf Säulen der Reizdarmtherapie sind. Zwischendurch gibt es dann auch Dinge, die selbst reflektiert und ausgefüllt werden sollen.

„Scheiß-Angst“ ist kein rein medizinischer Ratgeber und nicht zur Selbst-Diagnose und -behandlung gedacht – das machen die Autorinnen auch deutlich. Aber es ist ein Anfang, sich mit dem Thema zu beschäftigen und die Bestätigung, dass man mit diesen Themen eben nicht allein ist, was Betroffenen viel Hoffnung und Trost geben dürfte.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Falsche Erwartungen?

Mord & Croissants
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Richard will nur ein ruhiges Leben führen. Der Brite hat im Loire-Tal vor einigen Jahren eine eigene Pension eröffnet und lebt dort ohne seine Frau, dafür mit einer Schar Hühner, die er nach Filmdiven ...

Richard will nur ein ruhiges Leben führen. Der Brite hat im Loire-Tal vor einigen Jahren eine eigene Pension eröffnet und lebt dort ohne seine Frau, dafür mit einer Schar Hühner, die er nach Filmdiven benannt hat. Denn Richard liebt alte Filme, welche die einzige Action in seinem Leben ausmachen. Doch dann checkt Valerie d‘Orçay mit ihrem winzigen Hund Passepartout in der Pension ein und ein weiterer Gast, Monsieur Grandchamps, verschwindet spurlos.

„Mord und Croissants“ ist der erste Band der Reihe um Richard und seine Pension aus der Feder des britischen Comedian Ian Moore. Im englischen Original sind bereits weitere Bände und Kurzgeschichten erschienen. Erzählt wird hauptsächlich aus Sicht des Protagonisten, die Perspektive wechselt aber auch zu Valerie, wenn Ereignisse geschildert werden, an denen Richard nicht teilgenommen hat. Sprachlich gesehen merkt man dem Buch deutlich an, dass hier ein Comedian am Werk war, denn eine slapstickhafte Szene jagt die nächste und auch die Hauptfigur versucht sich stets an witzigen Bemerkungen.

Vermutlich bin ich mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen. Was ich mir gewünscht hatte, war ein Cozy Krimi in einer kleinen Pension in Frankreich. Was ich bekommen habe, ist ein Hotelier, der sich permanent von seinen Gästen genervt fühlt und froh ist, dass er von seiner Frau getrennt lebt. Denn die würde nur stören, wenn er sich mit der exzentrischen Valerie auf eine waghalsige Verbrecherjagd begibt. Die ist – ganz klischeehaft – bereits mehrmals geschieden und für Richard, so betont er immer selbst – eigentlich eine Nummer zu groß.

Der Kriminalfall beginnt recht interessant und harmlos mit einem verschollenen Gast und einem blutigen Handabdruck an der Wand und steigert sich dann zu einem absolut übertriebenen Agententhriller mit teils sehr vorhersehbaren, teils vollkommen unlogischen Wendungen. Rätselhafte Details, die im Verlauf der Handlung immer wieder auf den Tisch gebracht werden, werden am Ende nicht aufgelöst. Hat der Autor hier den Faden verloren oder will er nur, dass wir Band 2 kaufen? Nein, danke!

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Nette Geschichte(n) mit großem Kritikpunkt

Frau Komachi empfiehlt ein Buch
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Sayuri Komachi arbeitet in der Gemeindebibliothek und gibt mit ihren Empfehlungen nicht nur Hilfestellung für die Suche nach Literatur, sondern auch den Anstoß, im eigenen Leben etwas zu verändern. So ...

Sayuri Komachi arbeitet in der Gemeindebibliothek und gibt mit ihren Empfehlungen nicht nur Hilfestellung für die Suche nach Literatur, sondern auch den Anstoß, im eigenen Leben etwas zu verändern. So berät sie beispielsweise die 21-jährige Verkäuferin Tomoka, die in ihrem Beruf keine Freude findet oder den 65-jährigen Rentner Masao, der herausfinden muss, wer er jenseits der Arbeit überhaupt ist.

„Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ ist der erste Roman der japanischen Schriftstellerin Michiko Aoyama, ins Deutsche übertragen wurde er von Sabine Mangold, die bereits Haruki Murakami oder Yoko Ogawa übersetzte. Erzählt wird im Prinzip in fünf Kurzgeschichten, die durch Parallelverweise immer wieder miteinander verwoben werden. In jedem Kapitel kommt eine der Figuren in der Ich-Perspektive, aber unterschiedlichen Zeitformen zu Wort.

Obwohl die einzelnen Charaktere sehr unterschiedlich sind, dreht sich doch alles um dasselbe Thema: die Arbeit. Unzufriedenheit, ein missglückter Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft, die Suche nach dem Traumjob oder überhaupt einer Anstellung und die Leere nach der Pensionierung – hier hätte ich mir mehr Varianz gewünscht. Einzig eine Geschichte beschäftigt sich noch mit ungleich verteilter Care-Arbeit zwischen Mann und Frau. Gut gelungen ist hingegen, dass bereits bekannte Figuren in späteren Kapiteln wieder auftauchen und wir so erfahren, wie es mit ihnen weitergeht.

Negativ aufgefallen ist mir die Darstellung der Bibliothekarin Frau Komachi. Sie wird von allen Charakteren als dick beschrieben, ja geradezu als gigantisch. Diese Eigenschaft trägt nichts weiter zur Handlung bei und man fragt sich, wozu diese Beschreibung dienen soll – zumal sich alle Kund*innen überrascht zeigen, dass Frau Komachi trotz ihrer Körperfülle sanftmütig und intelligent ist, so als gäbe es da einen Zusammenhang. Dieser Blick auf weibliche Körper ist mir in anderen japanischen Romanen, vor allem von Frauen, schon begegnet und wenn das Gesellschaftskritik sein soll, müssen die stets gleichen Vorurteile gegenüber dicken Frauen auch in der Handlung herausgefordert werden. Daher leider nur 3 Sterne von mir.

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Veröffentlicht am 13.07.2023

Konrads Geheimnis

Die Dauer der Liebe
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Eines Abends steht die Polizei vor Renatas Tür. Konrad, ihr Lebensgefährte, ist unerwartet auf einem Parkplatz verstorben. Nun muss die Übersetzerin nicht nur damit klarkommen, dass eine geliebte Person ...

Eines Abends steht die Polizei vor Renatas Tür. Konrad, ihr Lebensgefährte, ist unerwartet auf einem Parkplatz verstorben. Nun muss die Übersetzerin nicht nur damit klarkommen, dass eine geliebte Person sie nach 25 Jahren für immer verlassen hat, sondern auch mit der Tatsache, dass – vor dem Gesetzt und vor allem für Konrads Familie – eine Liebe ohne Trauschein nichts wert ist. So beginnt eine niederschmetternde Zeit für Renata und schon bald muss sie sich fragen, ob sie wirklich alles über ihren Partner wusste.

„Die Dauer der Liebe“ ist mein erstes Buch der österreichischen Autorin Sabine Gruber, die für ihr Werk - bestehend aus Erzählungen, Gedichten, Hörspielen, Theaterstücken und Romanen - mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Handlung wird aus Sicht der Protagonistin in der Gegenwartsform und der dritten Person erzählt, so dass wir das Gefühl haben, Renata von Anfang an durch diese furchtbare Situation zu begleiten und ihre Emotionen unmittelbar und in all ihrer Wucht zu erfahren. Das ist vor allem dann eindringlich, wenn geschildert wird, wie Konrads Familie dessen Wünsche völlig übergeht und Renata um so viele wertvolle und Erinnerungsstücke betrügt.

Renata selbst fühlt sich nach Konrads Tod wie betäubt, den Handlungen von Schwiegermutter, Schwägerin und Schwager hat sie nichts entgegenzusetzen. Verzweifelt klammert sie sich an an die Erinnerungen, die sie mit ihrem Lebensgefährten verbinden, doch mit jedem Gegenstand, der aus der gemeinsamen Wohnung verschwindet, scheint auch er nach und nach zu verblassen. Als sie schließlich in Konrads Kleidung und seinen Unterlagen Hinweise auf ein großes Geheimnis entdeckt, findet ihr guter Freund Bruno das sogar positiv. Denn vielleicht, so hofft er, kann das Renata endlich aus ihrer Lethargie reißen.

Sabine Gruber ist hier eine großartige Geschichte über Trauer und Verlust gelungen, aber auch darüber, dass Familienbande beim Thema Geld dann oft doch zerreißen. Ihr Schreibstil ist mitreißend, ihre Worte voll schmerzhaft-poetischer Wahrheit, aber das ganz ohne Kitsch. Damit macht „Die Dauer der Liebe“ große Lust, das weitere Werk der Autorin zu entdecken.

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Veröffentlicht am 28.06.2023

Auftakt einer charmanten Cozy Fantasy-Reihe

Emily Wildes Enzyklopädie der Feen
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Professorin Emily Wilde ist DIE Expertin der Feenforschung. Um endlich ihre Enzyklopädie über die faszinierenden Wesen fertigstellen zu können, macht sie sich auf eine Forschungsreise in das verschneite ...

Professorin Emily Wilde ist DIE Expertin der Feenforschung. Um endlich ihre Enzyklopädie über die faszinierenden Wesen fertigstellen zu können, macht sie sich auf eine Forschungsreise in das verschneite Dorf Hrafnsvik. Von den Bewohnern wird sie mit Misstrauen aufgenommen, was zum einen an ihrem riesigen Hund Shadow liegt, aber auch daran, dass Emily Menschen nicht besonders leiden kann. Dann taucht auch noch ihr Rivale Wendell Bambleby auf und bringt ihre Forschung und ihr Leben durcheinander.

„Emily Wildes Enyzyklopädie der Feen“ ist der erste Fantasyroman für Erwachsene der kanadischen Autorin Heather Fawcett. Geschildert wird die Handlung aus der Sicht der Protagonistin in der Ich- und Vergangenheitsform, manchmal werden aber auch Tagebucheinträge mit eingewoben. Emily ist dabei eine äußerst charmante Erzählerin, die ihre Emotionen nicht versteckt und auch mit Humor und Selbstironie nicht geizt. Vor allem ihr Blick auf ihren Konkurrenten Wendell ist herrlich und die ständigen Streitgespräche zwischen den beiden machen einfach Spaß.

Ich muss zugeben, dass sich die Ereignisse hier nicht unbedingt überschlagen. Den Großteil des Buch machen Emilys Forschung und ihre Begegnungen mit dem Feenvolk und den Menschen im Dorf aus. Für mich ist aber genau das ein Plus, denn die Autorin verwendet dadurch deutlich mehr Aufmerksamkeit auf die feinen zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Besonderheiten. Während Emily über die Feen gut Bescheid weiß, muss sie erst nach und nach lernen, wie die einzelnen Dorfbewohner ticken, was sie brauchen und was sie sich wünschen.

Gut gefallen hat mir außerdem, dass mit Emily eine Frau aus dem akademischen Bereich im Fokus steht. Als solche hat sie immer noch Nachteile gegenüber ihren männlichen Kollegen; so ist Wendell beliebter und wird beruflich bevorzugt – doch Emily kämpft um den Platz, der ihr dank ihrer Forschung zusteht. Einziger Kritikpunkt? In der Handlung wiederholen sich einige Elemente, so wird bspw. 3 mal aufgebrochen, um jemanden zu retten, es geht immer wieder um Wendells Faulheit usw. Dennoch ist Band 2 ein Muss!

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