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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2024

Zu gut erzogen zum Schreien

Gentleman über Bord
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Erinnert ihr Euch? Im vergangenen Jahr erlebte dieses schmale in Leinen gebundene Buch einen neuen großen Auftritt. Da war ich natürlich neugierig. Der Roman ist bereits 1937 in New York erschiene, nun ...

Erinnert ihr Euch? Im vergangenen Jahr erlebte dieses schmale in Leinen gebundene Buch einen neuen großen Auftritt. Da war ich natürlich neugierig. Der Roman ist bereits 1937 in New York erschiene, nun übersetzt von Klaus Bonn und mit einem Nachwort von Jochen Schimmang versehen besonders edel im Schuber erschienen.
Auf knappen 150 Seiten in 10 Kapiteln erleben wir ein Drama, dass einem Versehen geschuldet ist. Denn auf einem Frachtschiff, dass auch einige wenige Passagiere an Board hat, geht der erfolgreiche New Yorker Börsenhändler Henry Preston Standish über Board. Ohne Absicht, ein dummer Fehler, wie so vieles tragische sich aus Missgeschicken entspinnt.
Was die Tragödie umso bedrückender macht, ist die Tatsache, dass seine Abwesenheit auf dem Schiff selbst sehr lange unentdeckt bleibt. Der Roman wechselt zwischen der Perspektive Standishs im Wasser und den Personen an Board.
Herbert Clyde Lewis, selbst eine zutiefst tragische Person, hat sich hier in Kürze en Detail damit beschäftigt was einem durch den Kopf geht, wenn man im Wasser landet und dazu noch ein Gentleman für den es unschicklich ist, sich laut zu äußern und so zunächst nicht nach Hilfe schreit. Auch sind die anderen Passagiere nebst Personal des Schiffes grandios gezeichnet.
Den ein und anderen Absatz haben ich quergelesen, weil dem im Wasser treibende Mann seine ganze Trostlosigkeit bewusst wird und etwas lamentiert. Extrem real, denn die Zeit dehnt sich dann sicherlich aus wie Kaugummi. Meine Geduld war dann strapaziert. Aber trotz dieses Aspektes eine gelungene Geschichte!
Fazit: Wer bald auf einem Dampfer, Kreuzfahrtschiff oder einfach nur am Ufer eines Meeres sitzt, dem kann ich diese Lektüre „Gentleman über Board“ ans Herz legen.

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Veröffentlicht am 16.06.2024

Kunst – facettenreich beleuchtet

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen
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Dieser Roman ist dicht gepackt und erfreut alle Leser:innen, die Kunst als Teil ihres Lebens begreifen in jeglicher Form. Sei es gute Literatur, bilde Kunst, Film oder anderes.
Dana Grigorcea hat in „Das ...

Dieser Roman ist dicht gepackt und erfreut alle Leser:innen, die Kunst als Teil ihres Lebens begreifen in jeglicher Form. Sei es gute Literatur, bilde Kunst, Film oder anderes.
Dana Grigorcea hat in „Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen“ zwei Zeit- und Erzählstränge vorangetrieben auf – wie ich finde – wenigen Seiten (224 Seiten). Zwischen den beiden Ebenen springt sie nonchalant hin und her wie es ihr beliebt, wir Leser:innen können ohne weiteres folgen, den die Verknüpfung passiert über vereinende Sujets die uns den Lesefluss ermöglichen. Sehr gekonnt geschrieben!
Der Kern des Roman ist die Kunst und ihre Abgrenzung von ästhetischem Alltagsgegenstand zum ikonischen Werk, auch die Arbeit von männlichen zu weiblichen Kunstschaffenden sowie die mit der künstlerischen Freiheit einhergehenden Geldsorge.
Was sich komplex anhört, schreibt die rumänisch-schweizerische Dana Grigorcea mit viel Humor und pointierten Situationen und bringt gar historisch bekannte Gegenebenheiten ein. Denn sie nutzt für die vergangene Zeitebene der 20er Jahre in New York einen bekannten Fall in dem ein Bildhauer sein Werk im Hafen verzollen sollte, da es sich aus Sicht der Behörde nicht um ein Kunstwerk sondern um reines Messing handelte.
Und da wären wir schon mittendrin in dem einen Strang, in dem sich der Bildhauer Constantin Avis 1926 nach New York aufmacht um seine Skulptur „Der Flug eines Vogels“ zu seinem neuen Besitzer zu bringen. Hier erlebt er die erblühende neue Zeit und muss sich mit einer Anfrage auseinandersetzen, ob er für die eigene gute Werbung eine Skulptur für einen Film anfertigt. Auftrag statt Überzeugung. Eine interessante Verwebung der damals aufkommenden Filmbranche und des Künstlers.
Und genau diese fiktive Geschichte schreibt Dora in der Gegenwart. Die wiederum ist mit ihrem Sohn und dem Kindermädchen in Ligurien sitzt und diesen Roman versucht zu Papier zu bringen, denn nur das Schreiben erwirtschaftet ihre Existenz. Den Aufenthalt ermöglicht ein Stipendium. Sie versucht sich nicht von ihrem Liebhaber ablenken zu lassen und zugleich ihrer Mutterrolle gerecht zu werden. Wieder ein neuer Blickwinkel auf den Themenkomplex der schaffenden Künstler:inne.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ist es doch sehr unterhaltsam und zugleich birgt der Roman eine Komplexität, die überrascht. Zudem mächtig gekonnt geschrieben!

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Bunte Welt gut erklärt

Big Ideas. Das LGBTQIA*-Buch
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In der Reihe „Big Ideas“ im DK Verlag sind schon so einige gute umfangreiche Themen einfach erklärt worden und nun brandaktuell und wirklich fundiert: Das LGBTQIA*-Buch! Für alle die auf diesem Gebiet ...

In der Reihe „Big Ideas“ im DK Verlag sind schon so einige gute umfangreiche Themen einfach erklärt worden und nun brandaktuell und wirklich fundiert: Das LGBTQIA*-Buch! Für alle die auf diesem Gebiet Wissenslücken haben, sicherlich die einen größere als die anderen. Das Buch wurde von einer Gruppe aus acht Autor:innen gemeinsam kuratiert und geschrieben unter Mitwirkung von vielen vielen anderen. Federführend aber von Professor Michael Bronski erarbeitet. Dadurch sind die Themen vielfältig und die Art der Erzählung auch unterschiedlich.
Etwas über 300 Seiten umfasst das Sachbuch, dass in der älteren Vergangenheit beginnt, dann geschichtlich in die Renaissance und Strafe übergeht. Andere Themenblöcke beschäftigen sich mit der Subkultur und Sichtbarkeit, natürlich ist auch ein Abschnitt über Sexualwissenschaft und sexuelle Identität enthalten sowie die politische Komponente, wenn es um Protest, Pride und Bündnisse geht. Zu guter Letzt noch ein wahnsinnig wichtiger Abschnitt der das Thema in der Öffentlichkeit heute behandelt.
Ich fand das ganze wahnsinnig spannend, weil es eben den langen historischen Bogen spannt und bis zur heutigen Debatte. Das Buch kann chronologisch gelesen werden, muss es aber überhaupt nicht. Denn die Themen sind einzeln in sich geschlossen abgearbeitet und losgelöst lesen. Hinten im Buch ist auch ein Register, wenn etwas Bestimmtes gesucht wird. Auch das Glossar ist hilfreich, wenn doch noch mal Begrifflichkeiten unklar sind. Weil es so kompakt und zugleich geballt ist, eignt es sich auch für Schüler auf Weiterführenden Schulen sehr, denn die meisten Texte sind in der Regel eine Doppelseite, maximal aber 4 Seiten lang. Das geht und kann immer mal wieder zur Hand genommen werden. Übersichtlich aufbereitet – was will man mehr?
Fazit: Alles drin, viel gelernt.

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Veröffentlicht am 09.06.2024

Ich war nicht mehr ich

Was das Meer verspricht
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Genau die richtige Sommerlektüre, wenn es euch in diesem Sommer an nördliche Küsten Europas verschlägt, denn dieser Roman spielt auf einer Insel im hohen Norden. Raues Klima, frische Brise, aber trotzdem ...

Genau die richtige Sommerlektüre, wenn es euch in diesem Sommer an nördliche Küsten Europas verschlägt, denn dieser Roman spielt auf einer Insel im hohen Norden. Raues Klima, frische Brise, aber trotzdem ein Sommer in einem ganz eigenen Mikrokosmos. Ich hatte eine Nordseeinsel vor Augen, aber da hier eine fiktionale Welt erschaffen wurde, passt sicherlich auch vieles andere.
Der Roman liest sich super und entblättert diese ganz eigene Welt in der sich die Erzählstimme bewegt. Vida, der Roman wird nur aus ihrer Perspektive erzählt. Eine junge Frau, die auf der Insel groß geworden ist und durch den Zusammenhalt und die Erwartungshaltung der Eltern bleibt und ihre langjährige Jugendliebe Jannis heiratet und den Laden der Eltern übernehmen wird.
Doch dann gibt es diese andere junge Frau, die nicht von der Insel stammt, auf einmal da, so anders, so unnahbar und eigenwillig. Marie, die jeden Tag mit ihrer Meerjungfrauflosse im Meer schwimmt. Vida ist gebannt von ihr und nähert sich ihr an, sehr Nahe und Vida kommt ins Schwanken ob ihr vorgezeichneter Lebensweg wirklich das ist was sie will.
Noch dazu kommt ihr Bruder Zander, der nicht schnell genug von der Insel fliehen konnte zurück und bringt auf zwei Ebenen Vidas Leben ins Wanken, denn die Eltern wollen lieber, dass er den Laden übernimmt und außerdem bändelt er mit Marie an. Explosiv.
Was sich nach schlechtem Vorabendprogramm anhört, wenn ich das Zusammenfasse, ist von Alexandra Blöchl wahnsinnig gut in eine einsaugende Prosa verpackt. Eine absolute Leseempfehlung! Übrigens ist die Autorin unter diesem Namen Debütantin und in diesem etwas literarischeren Genre, aber sie hat schon etliches andersartiges publiziert unter den Namen: Lea Coplin und Anne Sanders!

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Veröffentlicht am 09.06.2024

Ein soziologisches Stimmungsbarometer

Sorry not sorry
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Bei einem feministischen Buch sollte man nicht zuerst die Gestaltung loben, den der Inhalt überwiegt die Verpackung. Aber ich muss es einfach gleich loswerden, denn: stabil, praktisch, gut gemacht – I ...

Bei einem feministischen Buch sollte man nicht zuerst die Gestaltung loben, den der Inhalt überwiegt die Verpackung. Aber ich muss es einfach gleich loswerden, denn: stabil, praktisch, gut gemacht – I like.
Anika Landsteiner, die mit ihren Romanen `So wie du mich kennst`und `Nachts erzähl ich dir alles` viele Leseherzen erobert hat, publiziert nun ein Sachbuch über weibliche Scham. So der Deckel und der Klappentext. Es ist zwar ein Sachbuch, aber sehr kontextualisiert mit eigenem Erleben der Autorin und im Grunde ein großes (zu Recht!) Fragezeichen warum Frauen vieles im Leben mit Scham begegnen. Keine tiefgreifende Analyse, eher ein soziologisches Stimmungsbarometer, dass uns etwas transparent macht und in Worte fasst, was die meisten Frauen auf die ein und andere Weise schon selbst erlebt haben.
Fazit: Ein knapp 240 Seiten langer Denkanstoß

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