Facettenreich, stark, mutig und zugleich bedrückend
In ihrem Essay-Band "Sorry not sorry: Über weibliche Scham" nimmt Anika Landsteiner kein Blatt vor den Mund und beleuchtet in eindringlicher Sprache sowie anhand zahlreicher, sehr persönlicher Beispiele ...
In ihrem Essay-Band "Sorry not sorry: Über weibliche Scham" nimmt Anika Landsteiner kein Blatt vor den Mund und beleuchtet in eindringlicher Sprache sowie anhand zahlreicher, sehr persönlicher Beispiele vom Leben mit ihrer Scham, die sinnbildlich für so viele weibliche Leben und Erfahrungen marginalisierter Gruppen stehen dürfte.
Das Buch taucht tief ab und streift historische Themenfelder, die bis heute Relevanz für unsere Gesellschaft und unser "Selbstverständnis" haben. Von griechischer Mythologie jahrtausendelang geprägten, beschämenden Begriffen, welche ich inhaltlich nie hinterfragt, sondern schlicht benutzt habe, hinüber zum Hier und Jetzt und der kritischen Frage, wo wir denn eigentlich stehen. Sind Frauen, Männer und andere Gruppen wirklich gleichberechtigt? Begegnen wir uns tatsächlich auf Augenhöhe oder liegt der Teufel doch mehr als nur einmal im Detail, wenn ich nur ganz genau hinschaue und es mir (und anderen) unbequem mache?
Das Buch hat mich tief bewegt, erschüttert, wütend gemacht und manchmal auch fassungslos, deprimiert und beschämt zurückgelassen, weil ich mich ertappt fühl(t)e. Es ist so leicht, verbal gegen Ungerechtigkeit (vermeintlich) ins Feld zu ziehen, aber eine ganz andere, den Rücken gerade zu halten und konsequent zu leben, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Es sagt sich nur so einfach, sich nicht mehr zu schämen oder nicht mehr schämen zu wollen, wenn das Gefühl so tief in mir wohnt, dass selbst eine Räumungsklage kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
Gerade deshalb ist dieses Buch so wertvoll und hilfreich: Weil es das Augenmerk auf Missstände, tradierte Verhaltensweisen und Zuschreibungen richtet und der Leserin / dem Leser so die Chance gibt, zu reflektieren. Zugegeben, es wird gewiss nicht Jedem und nicht Jeder gefallen, was Anika Landsteiner hier schreibt. Und umso mehr ist es essenziell, dass sie es schreibt.
Danke, Anika Landsteiner, in mir hat ein wichtiger, schmerzhafter und trotzdem nötiger Prozess seinen Anfang genommen!