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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2020

Fesselnd, derb und unterhaltsam

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
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Inhalt:
Henry Chinasky ist still, einsam und lässt sich von niemandem etwas sagen. Seine Eltern sind arm, wollen aber gerne reich sein und benehmen sich deshalb so, wie sie denken, dass sich reiche Menschen ...

Inhalt:
Henry Chinasky ist still, einsam und lässt sich von niemandem etwas sagen. Seine Eltern sind arm, wollen aber gerne reich sein und benehmen sich deshalb so, wie sie denken, dass sich reiche Menschen benehmen sollten. Kinder sind da, um den Mund zu halten und später eine gute Ausbildung zu machen und arbeiten zu gehen. Also bleibt Henry still, lässt aber auf dem Schulhof seine Fäuste sprechen. Er scheint komische Kauze anzuziehen und umgibt sich aus Mitleid mit dem einarmigen Red oder dem bald kahlen Baldy. Mit Red wird er besser im Football, mit Baldy schafft er es bis ins Studium und die Kämpfe seiner Freunde ficht er auch gleich noch für sie mit aus.

Meine Meinung:
Heute vor hundert Jahren wurde Charles Bukowski geboren und nach einigen Seiten in "Das Schlimmste kommt noch", die ich ihm zu Ehren heute lesen wollte, inhalierte ich das Buch in wenigen Stunden komplett. Die rauhe, derbe, aber auch urkomische Sprache kannte ich schon von "Den Göttern kommt das grosse Kotzen" und "Opfer der Telefonitis", die Fixiertheit auf den jugendlichen Sexualtrieb, die Probleme mit extremster Akne und die Gewalterfahrungen innerhalb der Familie, aber auch die unendlich schrägen Situationen mit dem Vater und Chinaskys Mitschülern, machen dieses Buch zu einer unterhaltsamen, kritischen und fesselnden Erzählung.

Sprache:
Gewohnt ungeschönt - direkt aus der Gosse und mitten ins Herz - beschreibt Bukowski die Kindheit und Jugend seines Ich-Erzählers und alter Ego Chinasky und spart dabei nicht an detaillierten Beschreibungen der Ausschweifungen, Exzesse, des Scheiterns und Suchens seines Anti-Helden. Nur gegen Ende wird die Erzählung ein wenig zäh, bevor sie am Schluss noch einmal gewaltig aufrüttelt und leider kommen die Szenen rund um das Schreiben ein wenig zu kurz. Nichtsdestotrotz rast die Handlung, die eigentlich wie eine atemlose Aneinanderreihung von Ereignissen scheint, nur so dahin und macht Lust auf mehr.
Besonders spannend: die Sprache hat mich sehr stark an eine derbere Form von Hemingway erinnert, was sicher damit zusammenhängen könnte, dass Hemingway eines von Bukowskis grössten Vorbildern war, wie sich im Verlauf der Lektüre herausstellt.

Meine Empfehlung:
Greift doch wieder einmal zu einem guten alten Bukowski, gönnt euch ein Weinchen dazu und erfreut euch eures täglichen Glücks, das anderen ein Leben lang verwehrt bleibt.

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Veröffentlicht am 30.07.2020

Unterhaltsam, packend, intelligent

Der Fall des Lemming
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Inhalt:

Ein Lehrermord zieht ja schon genug Aufmerksamkeit auf sich. Dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat aber eigentlich von einem Privatdetektiv überwacht werden sollte und dass dieser Privatdetektiv ...

Inhalt:

Ein Lehrermord zieht ja schon genug Aufmerksamkeit auf sich. Dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat aber eigentlich von einem Privatdetektiv überwacht werden sollte und dass dieser Privatdetektiv niemand geringeres als der ehemalige Mordkommissar Leopold Wallisch mit dem Spitznamen "Lemming" ist, macht die Angelegenheit schon viel komplizierter. Zumal Lemming nun alles daran setzt, den Fall vor der Polizei zu lösen und dabei nicht nur heimlich ermitteln, sondern auch noch die unangenehme Vergangenheit einer ganzen Schulklasse in Erfahrung bringen muss. Wo Gewalt, Angst und Erniedrigung herrschten, finden sich schnell viele Menschen mit einem Motiv. Um so auffälliger ist es daher, dass die meisten dieser ehemaligen Schüler des Opfers aus diversen Gründen nicht mehr Leben oder vom Erdboden verschwunden sind...



Meine Meinung:

Endlich wieder einmal habe ich einen durch und durch intelligenten, unterhaltsamen und spannenden Krimi lesen dürfen und bereue es nun schon, dass ich den vierten Band der Reihe, der ebenfalls gebraucht im Brockenhaus zu finden war, nicht auch in meinen Einkaufskorb gepackt habe. Vielleicht ist er ja bei meinem nächsten Einkauf noch dort? Auf jeden Fall habe ich entschieden, die weiteren Bände der Reihe nach und nach bei mir einziehen zu lassen und freue mich schon darauf.

Besonders angetan hat es mir natürlich der Ermittler dieses Krimis, der aber kein Kommissar mehr ist - nach einer doch eher fragwürdigen und sehr feuchtfröhlichen Aktion ist er nämlich aus der Mordkommission entlassen worden - der aber als Privatdetektiv und ehemaliger Polizist die Methoden und Marotten der Polizei in- und auswendig kennt. Mit viel Wiener Lokalkolorit, der sich auch in der Sprache zeigt, Humor, Feinsinn und diversen skurrilen Fügungen und Dialogen hat dieser Krimi alles, was er braucht und noch mehr. Anders als einige Regionalkrimis, die mich doch auch manchmal enttäuscht haben, wirkt "Der Fall des Lemming" nie plump, ganz im Gegenteil. Sehr einfühlsam werden zum Beispiel die Erinnerungen eines jüdischen Arztes an die Gefangenschaft im zweiten Weltkrieg eingeflochten oder äusserst packend wird der Strudel aus Gewalt und Mobbing beschrieben, der unter Schülern herrschen kann. So klingen stets auch leise, kritische Töne an, welche meiner Meinung nach zur ganz grossen Stärke dieses Krimis gehören und für Auflockerung sorgt dann zum Glück immer wieder der kalbsgrosse Leonberger Castro, der versehentlich als Drogenschmuggler fungiert und kurzfristig zu Lemmings vierbeinigem Begleiter wird.



Meine Empfehlung:

"Der Fall des Lemming" ist ein packender, unterhaltsamer, rasanter und intelligenter Auftakt einer Krimireihe. Von mir gibt es eine herzliche Empfehlung.

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Von der ersten Liebe...

Die Liebe
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Meine Meinung:

Innerhalb von kürzester Zeit bin ich durch dieses wunderschön aufgemachte, mit zahlreichen kunstvollen schwarz-weiss-Fotografien ausgestattete und mit einem festen Einband versehene Büchlein ...

Meine Meinung:

Innerhalb von kürzester Zeit bin ich durch dieses wunderschön aufgemachte, mit zahlreichen kunstvollen schwarz-weiss-Fotografien ausgestattete und mit einem festen Einband versehene Büchlein gerast. Mit treffenden Worten erzählt die Ich-Erzählerin Sonja von der Liebe, ihren intimsten Wünschen und ihrer besten Freundin Irma. Heidenreich legt ihrer jungen Heldin Worte in den Mund, die das Bild von einem nicht ganz einfachen Alltag, von Sorgen, den ersten heimlichen Küssen und einer Familiensituation zeichnet, die verstehen lässt, weshalb es der grösste Wunsch der Protagonistin ist, ein Waisenkind zu sein... In "Die Liebe" wird sowohl von der ersten grossen Liebe und dem unweigerlich folgenden ersten Herzschmerz als auch vom Schwärmen für James Dean und dem Bilden einer tiefen Freundschaft erzählt. Die Suche nach den eigenen Wurzeln und einer inexistenten Vaterfigur gehören für Sonja genau so zum Erwachsenwerden dazu, wie die ersten Erfahrungen mit Likör und Zigaretten und so wird das Gesamtbild einer Familie und einer jungen Frau in der Blüte ihrer Jahre gezeichnet, das von Leerstellen, spitzem Humor, dem persönlichen Drama von Teenagern und ganz vielen unerfüllten Träumen lebt.



Meine Empfehlung:

Für diese kurze Erzählung spreche ich eine ganz deutliche Empfehlung aus und dies liegt nicht nur an der fesselnden und einfühlsamen Art, mit der es Elke Heidenreich gelingt, ihre junge Protagonistin durch erste Liebesqualen zu führen, sondern auch an der wundervollen Aufmachung dieses Büchleins.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Fesselnd, leidenschaftlich und melancholisch

Fünf Viertelstunden bis zum Meer
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Meine Meinung:

Die erste grosse Liebe vergisst man nie, wird oft gesagt. Vor allem wohl, wenn einem von der vermeintlich geliebten Person das Herz nach allen Regeln der Kunst gebrochen wird. Genau so ...

Meine Meinung:

Die erste grosse Liebe vergisst man nie, wird oft gesagt. Vor allem wohl, wenn einem von der vermeintlich geliebten Person das Herz nach allen Regeln der Kunst gebrochen wird. Genau so ergeht es dem jungen Ezio, der sich Hals über Kopf in die wilde Giovanna mit dem neckisch hervorblitzenden Bauchnabel und dem umwerfenden Lachen verliebt. Mehrere Heiratsanträge lehnt sie ab und ihre Wege trennen sich. Doch was geschieht im Leben, wenn man dem "was wäre, wenn" eine Chance gibt? Wenn man sich nicht nur an eine drückende Sommerhitze, Zweisamkeiten in verlassenen Buchten und atemlose Sprints zum fünf Viertelstunden entfernten Meer erinnern, sondern sein Leben auf ein Neues in die eigenen Hände nehmen will?

Giovanna schreibt Ezio sechzig Jahre nach ihrer Sommerromanze und der darauffolgenden Funkstille einen Brief, der Ezio zum Schwelgen und Trauern bringt und der dafür sorgt, dass er uns atemlos mitfiebernden Leser*innen seine und Giovannas Geschichte vom süssen Anfang bis hin zum bitteren Ende erzählt. Ein Brief aber auch, der wohl nie pünktlich angekommen wäre, wenn die Frau des Briefträgers ein wenig früher im Kreissaal gelandet wäre. Und genau so, wie manche scheinbar zufälligen Ereignisse ein ganzes Leben beeinflussen können, muss auch Ezio sich fragen, ob es sich lohnt, seine Lebensweichen noch einmal neu zu stellen.



Meine Empfehlung:

"Fünf Viertelstunden bis zum Meer" ist ein packender Sommerroman, der voller Herzschmerz an die erste grosse Liebe erinnert, an einen heissen Sommer und unerfüllte Träume und Wünsche. Von mir gibt es für dieses kleine Büchlein, das sich natürlich hervorragend entweder direkt am Meer (oder auch einfach vom Meer träumend) lesen lässt, eine sehr herzliche Empfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2020

Ein Meisterwerk

Die Bücherdiebin
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Inhalt:

Liesel Meminger findet nach dem Tod ihres Bruders ein Buch im Schnee und obwohl sie nicht lesen kann, wird dieses Buch zu ihrem wertvollsten Besitz. Als sie von ihrer Mutter zum Ehepaar Hubermann ...

Inhalt:

Liesel Meminger findet nach dem Tod ihres Bruders ein Buch im Schnee und obwohl sie nicht lesen kann, wird dieses Buch zu ihrem wertvollsten Besitz. Als sie von ihrer Mutter zum Ehepaar Hubermann gebracht wird und fortan dort lebt, sitzt sie nächtelang mit ihrem Pflegevater zusammen, um lesen zu lernen, er ist es, der ihr eine ganz neue Welt erschliesst, ihr aber auch die Abgründe der politischen Realität zeigt. Die Nazis kommen an die Macht und unter Einsatz ihres Lebens nehmen die Hubermanns einen Juden bei sich auf. Schon bald lernt Liesel, was Mut, Stolz und Stärke ist und wie nahe die Liebe und der Schmerz zusammenliegen können.


Meine Meinung:

Ich bin froh, endlich zu diesem Buch gegriffen zu haben. Es ist ein ganz besonderer Schatz, der in die Welt der Worte entführt, der aufzeigt, wie Mut und Liebe über rassistische Gewalt siegen können und wie ein kleines, kluges Mädchen die Welt von so vielen Menschen mit ihrer klaren Stimme ein wenig besser machen kann. Die starke und mutige Liesel habe ich vom ersten Moment an ins Herz geschlossen. Daniela vom Blog readeatlive hat in ihrer Rezension wundervolle Worte gefunden, um Liesel zu beschreiben:

"Im Verlauf der Geschichte stiehlt sie nicht nur weitere Bücher, sondern auch Äpfel, Kartoffeln und die Herzen der Menschen um sie rum. Selbst jenes des Todes."

Aber auch Rudi, Liesels Nachbar und bester Freund und Rosa, Liesels Pflegemutter, die trotz rauhen Umgangsformen ein grosses Herz hat, haben zur besonderen Atmosphäre dieses Buches beigetragen und mit ihrer Freundschaft und Liebe dafür gesorgt, dass Liesel wachsen und lernen und dabei das Leben ganz vieler weiterer Menschen erhellen konnte.

Ein besonderes Lob möchte ich ausserdem für den ganzen Aufbau dieser Geschichte aussprechen. Die Kapitel sind in einzelne Unterkapitel erinnert, die an Filmszenen oder auch Regieanweisungen bei Theaterstücken erinnern. Immer wieder werden einzelne Bemerkungen oder ganze Szenen und Rückblicke eingeschoben und trotzdem bleibt alles sehr übersichtlich, was sehr zum Lesefluss beiträgt.


Sprache:

Besonders gut gefallen hat mir die aussergewöhnliche Erzählperspektive. Das Buch wird nämlich vom Tod höchstpersönlich erzählt, was ihn zum allwissenden ich-Erzähler macht. Dies eröffnet der Geschichte zusätzliche Möglichkeiten, welche von Markus Zusak hervorragend genutzt werden. Immer wieder hatte ich Gänsehaut, weil die Schilderungen einfach mitten ins Herz gehen und das Sterben zwar unendlich tragisch, manchmal brutal und grausam ist, der Tod letztendlich aber sehr liebevoll, fast schon zärtlich, und sehr versöhnlich mit den Seelen, die er einsammelt, umgeht. Die Schrecken des Krieges werden oft nur angedeutet und dabei schwingt viel Gesellschaftskritik mit. Dies ist es aber nicht, was am meisten aufrüttelt und bewegt. Markus Zusaks Stärke liegt nämlich vielmehr im Beschreiben der besonderen Beziehung zwischen Liesel und ihrem Pflegevater Hans. Hans ist die Liebe, Güte und Menschlichkeit in Person. Er lebt vor, ohne den mahnenden Zeigefinger zu erheben und hilft allen Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Dabei lässt er sich nicht einmal von den Nazis einschüchtern. So wird eine schreckliche Geschichte aufgearbeitet und trotzdem aufgezeigt, dass Zusammenhalt, Freundschaft, Vertrauen und Menschlichkeit am Ende siegen und genau so existieren können, wenn rundherum Menschen in Gaskammern verschwinden und von Bomben getroffen werden.


Meine Empfehlung:

Ich wünsche mir, dass dieses Buch in den Schulen gelesen und diskutiert wird und Kinder und Jugendliche zum Lesen und Nachdenken bringt. "Die Bücherdiebin" ist ein bewegendes Meisterwerk das in jedes Bücherregal gehört und sicher noch manches Herz im Sturm erobern wird.

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