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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2020

Leider nicht wirklich spannend

Obsession
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Inhalt:

Plötzlich sind Ben und Jacob alleine, Sarah fehlt und kommt nicht wieder. Zeit also, ein wenig Ordnung zu schaffen und die gemeinsame Wohnung aufzuräumen. Dabei fallen Ben ein paar Zeitungsartikel ...

Inhalt:

Plötzlich sind Ben und Jacob alleine, Sarah fehlt und kommt nicht wieder. Zeit also, ein wenig Ordnung zu schaffen und die gemeinsame Wohnung aufzuräumen. Dabei fallen Ben ein paar Zeitungsartikel in die Hand, welche eine eindeutige Sprache sprechen: es scheint, als hätte Sarah Jacob damals aus einer Entbindungsstation entführt. Ben macht sich auf die Suche nach den leiblichen Eltern des autistischen Jungen und bespricht sich zudem mit seinem besten Freund Keith, einem Anwalt. Doch was Ben herausfindet, ist gefährlicher als er je gedacht hätte. Und weil der Privatdetektiv, der ihm bei seinen Ermittlungen geholfen hat, zu plaudern beginnt, ist plötzlich niemand mehr sicher. Ben steht nämlich auf einmal Jacobs leiblichem Vater John Cole gegenüber. Ben Murray erkennt nicht nur die Gefahr, die von diesem kaltblütigen Menschen ausgeht, sondern es entwickelt sich auch eine gefährliche Obsession John Coles Frau gegenüber und der Gedanke, Jacob auf jeden Fall wieder zu sich zurückzuholen nimmt Besitz von ihm...


Meine Meinung:

Ich wusste nicht, auf was genau ich mich einlassen würde, weil ich schon einige Male gelesen und gehört hatte, dass die "rote Reihe" von Beckett nicht gerade seine beste Buchreihe wäre. Dem kann ich mich sicher jetzt schon anschliessen, obwohl ich bis jetzt nur "Obsession" gelesen habe. Die ersten ca. 150 Seiten passiert nicht wirklich etwas, das auch nur annähernd zu einem Thriller passen könnte. Vielmehr wirkt der Anfang dieses Buches (respektive das erste Drittel), wie ein "normales" Familiendrama, bei dem die Behörden nach Strich und Faden versagen und der Stiefvater eines autistischen Jungen den Bezug zum Kind zu verlieren droht. Ben sind die Hände gebunden, schliesslich hat er Jacob damals nicht adoptiert und somit keine Rechte an seinem Stiefsohn. Als der leibliche Vater John Cole plötzlich die Szenerie betritt, verändert sich die Grundstimmung. Das Buch ist nicht nur dramatisch, sondern es wird plötzlich bedrohlich. Von John Cole geht nämlich eine grosse Gefahr aus. Dies fand ich spannend dargestellt, aber auch wenn das Buch - bis zum fulminanten Ende - eher langsam und vor allem unblutig (und ohne eigentlichen Ermittler) auskommt, waren mir das ein paar Längen zu viel. Ausserdem hätten alle diese Ereignisse gar nicht eintreten können, wenn das Jugendamt, die Justiz und die Polizei nicht auf ganzer Linie versagt hätten und anstatt mich zu gruseln, habe ich mich vielmehr über diese unrealistische und somit eigentlich komplett haltlose Grundlage aufgeregt.


Schreibstil:

Auch von der Erzählsprache her kann ich mir zwar sehr gut erklären, weshalb Simon Beckett so beliebt ist. Seine Figuren haben Ecken und Kanten und vor allem die Gänsehautmomente, die zwar selten sind, die es aber durchaus gibt, lassen auf die Qualität dieses Autors schliessen. Wenn man "Obsession" als Schreibübung ansieht, als "erste Schritte", so hat das Buch sicher etwas, zumal die Grundidee in meinen Augen grandios ist. Gleichzeitig fehlt da aber auch noch sehr viel und leider sind Becketts Recherchen gar nicht gründlich betrieben worden. Wenn man nämlich schon mit dem Kinder- und Jugendschutz zusammenarbeitet und auch anderweitige Hintergrundrecherchen betreibt, wie dies Beckett seinen Dankesworten nach anscheinend getan haben will, sollte man sich wirklich genau überlegen, ob die geschilderten Situationen auch nur annähernd der Realität entsprechen könnten oder nicht.


Fazit:

Ja, ich denke, dass Beckett sicher wieder einziehen darf in meine Regale, aber ich werde mich der Hunter-Reihe widmen, die mir schon einige Male empfohlen worden ist. "Obsession" war in Ordnung, aber keine Leseempfehlung wert. Wer weiss, vielleicht würde dem Buch eine zeitgemässe und gründlicher recherchierte Überarbeitung gut tun, die Grundidee macht nämlich einiges her. Mehr aber leider auch nicht wirklich. Also ab damit in den offenen Bücherschrank.

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Veröffentlicht am 26.01.2020

Spannend und unterhaltsam

Balthasars Hände
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Inhalt:
Balthasar ist gross und bewegt sich sehr ungelenk, was ihn manchmal ein wenig eingeschränkt oder gar beschränkt erscheinen lässt. Sein Gesichtszüge sind markant und wer ihm begegnen würde, würde ...

Inhalt:
Balthasar ist gross und bewegt sich sehr ungelenk, was ihn manchmal ein wenig eingeschränkt oder gar beschränkt erscheinen lässt. Sein Gesichtszüge sind markant und wer ihm begegnen würde, würde ihn wohl als nicht gerade sehr attraktiv bezeichnen. Aber Balthasar ist intelligent und in seiner Brust schlägt ein grosses und mitfühlendes Herz. Dies bewahrt ihn davor, mit Hass auf Hänseleien und mit Verbitterung auf Einsamkeit zu reagieren. Vielmehr versucht er, das Beste aus jeder Situation zu machen und allen Menschen eine zweite Chance zu geben. Ausserdem sind seine Hände sehr auffällig. Sie sind - im Gegensatz zum Rest seines Körpers - ausgesprochen feingliedrig und wirken sanft. Ausserdem hat er die Fähigkeit, mit ihnen Schmerzen zu lindern und wird so für seine von Schmerzen geplagte Mutter zur unverzichtbaren Hilfe. Auch bei epileptischen Anfällen und bei schreienden Kindern wirken seine Hände äusserst beruhigend. Eine Verkettung unglücklicher Fügungen bringt ihn schliesslich mittellos und total vereinsamt vor Gericht. Diese ganze Geschichte erfährt der Leser jedoch erst im Verlaufe der Geschichte.
Daniel Lagarde wird aber schon, ohne Baba - wie Balthasar seit frühester Kindheit genannt wird - zu kennen, auf ihn aufmerksam. Er spürt, dass dieser Mann ihm helfen kann. Die beiden Männer sind sich auf Anhieb sympathisch und Baba gelingt es tatsächlich, Daniels chronische Schmerzen zu lindern und ihm so zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Nach und nach erzählt Baba dem reichen aber sehr menschlichen und liebevollen Mann seine ganze tragische Lebensgeschichte und findet neben einem aufmerksamen Zuhörer auch einen verständnisvollen Freund.
Doch die Idylle seines Daseins hält nicht lange vor und weitere Schicksalsschläge erschüttern seine Welt.

Meine Meinung:
Nach "Winterbirnen" ist "Balthasars Hände" mein zweites Buch von Rolf Ersfeld, welches ich fast in einem Atemzug verschlungen habe. Auch bei diesem Buch fiel mir sofort die fast unendliche Anzahl an Handlungssträngen, Charakteren und Ereignissen auf. Vielleicht würden alle diese Begebenheiten und die ganze Handlung in einer Zusammenfassung als erschlagend oder gar überbordend empfunden werden. Der Autor schafft es aber auch im hier vorliegenden Roman, die verschiedenen Fäden des Erzählnetzes geschickt und unauffällig zu verweben und die einzelnen Geschichten in einen spannenden, stimmigen und ergreifenden Kontext zu bringen. Das liegt vor allem daran, dass jeder Satz klar ausgearbeitet und jede Figur mit viel Fleiss und Liebe gestaltet ist. Dies zeugt ganz klar von beherrschtem Handwerk und viel Fantasie und Einfühlvermögen. Wirkte "Winterbirnen" für mich manchmal noch ein wenig aufgesetzt, so ist "Balthasars Hände" ganz klar ein Roman, welchen ich ohne wenn und aber sofort weiter empfehlen würde.
Was mich als Musikerin und Genussmensch natürlich sehr freut, sind die verschiedenen Aspekte der Kunst und des Genusses, welche auch in diesem Buch zur Handlung und den Figuren dazu gehören. Die musikalischen Kenntnisse des Autors, sowie seine offensichtliche Freude an Essen und Wein und seine Erfahrung auf diesen Gebieten, machen dieses Buch zugleich zu einer Empfehlung für ein stimmiges Gericht oder einen Konzertabend.

Fazit:
Wer so viele Elemente der Erzählkunst mit täglichen Genüssen vereint, verdient es, gelesen zu werden. Auch dieser Roman von Rolf Ersfeld macht Lust auf mehr.

Veröffentlicht am 22.01.2020

Ein beklemmendes, fesselndes Debüt

Augustas Garten
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Inhalt:

Augusta will nach Hause, sie will zu ihrem Vater zurück, in ihr Kinderzimmer, in ihr altes Leben. Aber ihre Eltern haben sich getrennt. Barbara, Augustas Mutter, ist mit Augusta zu Eduard gezogen. ...

Inhalt:

Augusta will nach Hause, sie will zu ihrem Vater zurück, in ihr Kinderzimmer, in ihr altes Leben. Aber ihre Eltern haben sich getrennt. Barbara, Augustas Mutter, ist mit Augusta zu Eduard gezogen. In sein Haus mit seinem Garten. Kurz vor ihrem sechsten Geburtstag wird Augusta damit konfrontiert, dass dies nun definitiv ihr neues Zuhause ist, dass sie nicht nur zu Besuch sind bei Eduard, sondern nun wirklich dort wohnen. Nn ihrem sechsten Geburtstag läuft sie weg, lässt ihre Mutter alleine zurück und Barbara wird durch dieses Warten, Hoffen und Bangen mit ihrer eigenen Lebensgeschichte, ihrer Kindheit, ihren Eltern und ihrer Beziehung zu Augustas Vater konfrontiert.



Meine Meinung:

In kurzen Kapiteln und Abschnitten, mit vielen Rückblenden und inneren Monologen wird die Geschichte von Augustas Verschwinden, die eigentlich vor allem auch Barbaras Geschichte ist, erzählt. Barbara nämlich muss sich intensiv mi ihrem eigenen Leben auseinandersetzen und dabei erkennen, welche Fehler dazu geführt haben könnten, dass Augusta nun nicht mehr da ist. Die beklemmende Grundstimmung aber auch die süsse Melancholie, mit der Barbara an vergangene Ereignisse, Reisen, ihre jugendliche Unbeschwertheit und die Anfänge ihrer Beziehung mit Augustas Vater Andreas denkt, lassen diesen Erstling zu einem nachdenklich stimmenden Buch werden, das süchtig macht. Besonders gut gefallen hat mir, wie auch Augustas Gedankengänge, die Unbeschwertheit und auch das Unverständnis ihrer Lebenssituation und ihre wundervollen Träume und Wünsche eingebunden werden. Augusta ist ein Kind, das - vor lauter Liebe - irgendwie untergegangen ist, an das niemand mehr gedacht hat im ganzen Strudel der Ereignisse voller Schmerz über eine Trennung und voller Hoffnung auf einen Neubeginn. Und dies rächt sich grausam, was sehr berührend und überzeugend geschildet wird.



Schreibstil:

Manchmal wechselt die Perspektive von Absatz zu Absatz, manchmal erst nach einigen Abschnitten. Aber immer sehen wir in Augustas Gedankengänge hinein, erkennen, wie minutiös die Sechsjährige ihre "Flucht" plant und welche Sorgen, Wünsche und Ängste ihren Alltag ausmachen. Dies wird kindlich-naiv und äusserst feinfühlig geschildert und besticht mit einer insgesamt sehr poetischen, ruhig dahinfliessenden Sprache. Genau wie bei Augusta können wir auch an Barbaras Gefühlswelt teilhaben, nur landen wir mit ihr oft in der Vergangenheit. Der Autorin Andrea Heuser gelingt es, die spätsommerliche Schwüle dieser Jahreszeit, die Hitze und den Geruch der Heckenrosen wie ein düsteres Versprechen wirken zu lassen. Eine Wehmut und zugleich Sanftheit durchzieht die Sprache, ein kleiner Hoffnungsschimmer leuchtet auf und verströmt eine starke Sogwirkung.



Meine Empfehlung:

Es wundert mich sehr, dass dieses Buch nicht viel bekannter ist, weil die darin behandelten Themen - wie Verlust, Trennung, Neubeginn, Hoffnung, scheidende Liebe und vor allem auch die Liebe zum eigenen Kind - zeitlos sind. Berührend, fesselnd und wunderschön erzählt ist "Augustas Garten" eine lohnenswerte Entdeckung, die bitte mehr LeserInnen verdient.

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Veröffentlicht am 22.01.2020

Sprachgewaltig und sehr unterhaltsam, klug und poetisch

Verfasser unser
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Inhalt:

In diesem schmalen Bändchen versammeln sich Kurzgeschichten und Gedichte, die mit ihrer ganz eigenen Erzählsprache unterhalten und beim Lesen für anschauliche Bilder sorgen. Die Buchmenschen, ...

Inhalt:

In diesem schmalen Bändchen versammeln sich Kurzgeschichten und Gedichte, die mit ihrer ganz eigenen Erzählsprache unterhalten und beim Lesen für anschauliche Bilder sorgen. Die Buchmenschen, die Giwi Margwelaschwili ganz besonders am Herzen liegen, werden immer wieder zum Zentrum der Geschichte gemacht und Wortpoesie, neue Wortschöpfungen, Systemkritik, feinsinniger Humor und vor allem eine Liebe zum Beschreiben und Erzählen, zu Gedankenspielen und ungewöhnlichen Auslegungen, versammeln sich hier auf engstem Raum.


Meine Meinung:

Ich bin froh, Giwi Margwelaschwili endlich für mich entdeckt zu haben und "Verfasser unser" ist mit seinen meistens sehr kurzen Gedichten und Texten ein hervorragender Einstieg in ein Werk, das kritisch und voller Widerstand gegen bestehende Grenzen und Regeln anschreibt, das aber innerhalb dieser Grenzen alles macht, was mit Worten auch nur annähernd machbar und vorstellbar ist. Ein so kreativer, intelligenter und vor allem bewusster Umgang mit Sprache ist mir noch nie begegnet und dennoch muss man keine Angst vor Margwelaschwili haben. Ja, der grosse Philisoph und Autor macht rege Querverweise zu grossen Klassikern der Weltliteratur, bedient sich sogar ihrer Figuren und greift in Handlungen ein, seine Beschreibungen und Formulierungen und sogar seine Wortschöpfungen erklären sich aber für Menschen mit einer gewissen natürlichen Intuition für Sprache ganz von selbst. Aber nicht nur das: es macht auch einfach riesigen Spass, sich in diesen Buchwelten zu bewegen und es berührt, wie Margwelaschwili seine turbulente Lebensgeschichte und seine Erfahrungen mit strengen politischen Systemen immer wieder verarbeitet und vor allem auch zum Anlass nimmt, sich nicht mundtot machen zu lassen, sondern stets gegen Grenzen, Systeme, Tyrannen und Engstirnigkeiten anschreibt und dabei seinen Buchpersonen auch immer zu ein wenig mehr Glück im Leben verhelfen will.


Meine Empfehlung:

Ich empfehle euch diesen kleinen literarischen Schatz und die vielen weiteren Werke dieses leider eher unbekannten deutsch-georgischen Wortkünstlers von Herzen weiter und hoffe darauf, dass seine Bücher noch ganz viele Leser*innen in fremde und bekannte Buchwelten entführen, zum Nachdenken anregen, zum Lachen und Weinen bringen und vor allem zum Staunen und Geniessen einladen werden.

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Veröffentlicht am 20.01.2020

Packend und kritisch

Die Jury
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Inhalt:
Die Vergewaltigung seiner Tochter verändert Carl Lee Haileys Leben von einem Tag auf den anderen. Zum Glück hat er Lester in der Familie, der sich damit auskennt, Menschen zu töten und anschliessend ...

Inhalt:
Die Vergewaltigung seiner Tochter verändert Carl Lee Haileys Leben von einem Tag auf den anderen. Zum Glück hat er Lester in der Familie, der sich damit auskennt, Menschen zu töten und anschliessend freigesprochen zu werden. Bei Lester holt er sich den notwendigen Rat und eine Waffe besorgt er sich bei einem zwielichtigen Freund. Nach einer der Verhandlungen versteckt er sich im Gerichtsgebäude und gerade als die Gefangenen an ihm vorbei geführt werden, verlässt er sein Versteckt und schiesst diese auf blutige Art und Weise nieder. Dabei verwundet er aber auch einen Desputy schwer und lädt somit eine zusätzliche Schuld auf sich. Er lässt sich festnehmen und engagiert den selben Anwalt, der Lester damals aus dem Gefängnis geholt hat. So will er für sich auch einen Freispruch erzielen. Er hat aber nicht damit gerechnet, dass er den Hass einer ganzen County auf sich geladen und sich so sein Leben unglaublich erschwert hat. Doch Jake Brigance, sein Anwalt setzt sich für ihn ein, hätte er doch seine Tochter genau so gerächt. Und gerade weil es so sehr ein mit Emotionen verbundenes Verbrechen ist, gerät die ganze Situation ausser Kontrolle. Morddrohungen am Telefon und Demonstrationen verschiedenster Organisationen sind da nur ein kleiner Teil der Mittel, mit denen ein Freispruch verhindert oder gewaltvoll erzielt werden will.

Meine Meinung:
Wer hier fleissig mitliest, weiss, dass ich John Grisham sehr gerne lese. Er schafft es wie kein anderer, Hintergründe des Gerichtsalltages mit psychologisch vertrakten Fällen zu verstricken und dabei nie langweilig zu werden. Was mir aber auch in diesem Buch von ihm zu schaffen machte, war die fast unüberblickbare Anzahl von Namen und dazugehörige Geschichten. Das Schwierige dabei ist, dass die Personen teilweise beim vollen Namen, manchmal aber auch nur beim Vor- oder Nachnamen genannt werden. Dies hat mich verwirrt, was aber nicht am Autor des Buches, sondern an meinem katastrophalen Namensgedächtnis liegt.
Die Personen sind sehr fein ausgearbeitet und ich habe mich sofort mit der Familie Hailey und vor allem mit Carl Lee Hailey angefreundet. Auch wenn das amerikanische Justizsystem sich sehr stark vom System hier in der Schweiz oder generell in Europa unterscheidet, so habe ich doch sämtliche Abläufe im Geschworenengericht verstanden. Dies liegt sicher auch daran, dass der Anwalt Jake Brigance seinem Mandanten einige Abläufe erklären muss und diese natürlich sogleich dem Leser versändlich macht. Zudem habe ich vor einiger Zeit bereits den Roman "Das Urteil" von Grisham gelesen. Dort wird der Fokus vor allem auf die Vorgänge in den von der Aussenwelt getrennten Geschworenenräume gerichtet. Ich denke aber, dass ich auch ohne diese vorgängige Lektüre verstanden hätte, wie genau ein Geschworenenprozess aufgebaut ist.
Auch wenn ich persönlich Selbstjustiz nicht unbedingt für angebracht halte, verstehe ich jeden Vater (und jede Mutter, ich würde wohl genau so handeln), welcher die Vergewaltigung seiner Tochter rächt, so wie Hailey dies getan hat. Dass Grisham für die Rolle des mordenden Vaters ausgerechnet einen von der Gesellschaft sowieso benachteiligten Schwarzen wählt (das Buch wurde 1989 geschrieben), verleiht der Handlung eine zusätzliche und leider nach wie vor aktuelle politische Dimension. Dass auch die Kirche in der ganzen Geschichte nicht nur gut weg kommt, spricht wohl für sich.

Fazit:
Einmal mehr ein Buch voller psychologischer Spannung in einem brisanten Kontext von Moral, Religion und Rassismus.
Ganz klar ist auch dieser Roman von John Grisham unbedingt lesenswert und vor allem für Krimi- und Thrillerfans geeignet, welche es eher unblutig mögen.