Markant und außergewöhnlich
Joe Country"Joe Country" ist der 6. Band von Mick Herrons Jackson-Lamb-Reihe um die sogenannten "Slow Horses" aus dem Slough House, der Abteilung für in Ungnade gefallene Agenten des MI5.
Ich hatte aus dieser Reihe ...
"Joe Country" ist der 6. Band von Mick Herrons Jackson-Lamb-Reihe um die sogenannten "Slow Horses" aus dem Slough House, der Abteilung für in Ungnade gefallene Agenten des MI5.
Ich hatte aus dieser Reihe bisher nichts gelesen, aber schon von den Slow Horses gehört und auch von der erfolgreichen Verfilmung auf Apple TV +. Auch wenn es immer wieder Anspielungen auf frühere Bände gibt, werden alle wichtigen Personen ausreichend eingeführt, so dass ich sehr gut in die Geschichte reingefunden habe. Dennoch ist es empfehlenswert, die Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen.
Mick Herron entwirft eine komplexe Geschichte mit vielen losen Enden, die er nach und nach miteinander verknüpft. Alte Seilschaften und Feindschaften in Geheimdienstkreisen, persönliche Rechnungen, politische Ränkespiele, Erpressung, zweifelhafte Wirtschaftsaktivitäten, der Kampf um Macht in verschiedenster Hinsicht - der Autor verquickt alles zu einem spannenden Thriller, wobei er insgesamt zwischen fünfzehn verschiedenen Perspektiven wechselt.
Die Jackson-Lamb-Thriller sind auf jeden Fall sehr ungewöhnlich und stechen aus der Vielzahl an Krimi- und Thrillerreihen heraus. Das liegt vor allem an den außergewöhnlichen Charakteren der Slow Horses. Jeder von ihnen hat auf irgendeine Art als Agentin versagt oder wurde aus anderen Gründen vom MI5 kaltgestellt. Alle sind ziemlich kaputt und exzentrisch, empathielos, oft zynisch und nicht gerade Sympathieträger, allen voran der Chef Jackson Lamb, ein feister, schmuddeliger, furzender Säufer und Zyniker ohne jedes Mitgefühl. Das macht es tatsächlich schwer, mit den Figuren mitzufiebern. Auch der Humor ist ziemlich speziell, sehr schwarz und sehr britisch, was ich eigentlich sehr mag. Allerdings wurden mir im Laufe des Buches das betont abgebrühte Sprücheklopfen und der Zynismus etwas zu viel. Es erinnerte mich an amerikanische Mafiafilme wie "Good Fellas", die eine große Fangemeinde haben, aber nicht mein Geschmack sind.
Als ich nach der Lektüre die Geschichte noch einmal genau durchdachte, fielen mir bei der Story um Lech Wicinski einzelne Ungereimtheiten auf. Störend fand ich auch die klischeehafte Darstellung der meisten weiblichen Agentinnen - sehr aufs Äußere bedacht, modebewusst, mit einem Faible für Schuhe (etwa: "Das Aufflackern der Erkenntnis in Flytes Augen war für Taverner mehr wert als ein neues Paar Schuhe"). Selbst in einer Gefahrensituation beklagen sie sich zuerst über eine farblich nicht dem persönlichen Stil entsprechende Jacke (Kapitel 13).
Fazit: Insgesamt ein toll geschriebener, abwechslungsreicher, spannender und sehr spezieller Thriller in der Welt der Geheimdienste, den ich sehr gerne gelesen habe. Dennoch sind der raue Stil und die Figuren nicht ganz mein Fall, so dass ich die Reihe wohl nicht weiter verfolgen werde.