!ein Lesehighlight 2023!
Klappentext:
„Ein Hochhaus am Waldrand ist das Zuhause von Nanush und ihrer Urgroßmutter Babulya. Einst hat die Urgroßmutter ihre Urenkelin von Sibirien nach Deutschland getragen, nun deckt Nanush die alte Frau abends mit einer Steppdecke zu. Voller Wärme und Poesie erzählt Birgit Mattausch von einem unzertrennlichen Familienband und einer ganz besonderen Hausgemeinschaft.
Wenn Babulya sagt, sie seien aus dem Frühling gekommen, weiß Nanush, dass ihre Urgroßmutter nicht nur sie beide damit meint, sondern alle Bewohner*innen des Hauses: Oma Elsa, die weder Hochdeutsch noch Russisch spricht, Felek, die aus Kurdistan geflüchtet ist, Vitali, der sich von seinem Hund beschützen lässt, oder Gregorij, der weiß, wie man Sonnenblumenkerne im Mund schält. Jahrelang war Babulyas Küche der Mittelpunkt all ihrer Geschichten, mit den Tomatenpflänzchen am Fenster und dem Salbei an der Decke. Doch nun ist Babulya so alt, dass sie kaum noch ihr Bett verlässt. Was bedeutet es für die Hausgemeinschaft und was bedeutet es für Nanush, wenn die Hüterin ihrer Erinnerungen eines Tages nicht mehr da ist? Ein Familienroman, der bildstark vom Wurzelnschlagen auf betoniertem Terrain erzählt.“
Ich kann bei dem Buch von Birgit Mattausch klar sagen: es ist ein echtes Sahnestück in der Literaturwelt welches sie hier geschaffen hat. Allein der Titel „Bis wir Wald werden“ ist schon so extrem tiefgründig und genau so empfand ich auch die komplette Erzählweise. Mattausch (be)schreibt nicht nur direkt, sondern eben auch sehr viele bildhafte Momente und auch viel Zweideutiges (herrlich zum analysieren) und eben auch enorm viele Metaphern. Wer damit generell Probleme hat, sollte dieses Buch erst gar nicht lesen…Die Geschichte rund um Protagonistin Babulya ist einerseits hier eine besondere aber schlussendlich finden sich solche Geschichten sehr häufig in der Realität wieder. Babulya ist eine Vertriebene, ein Flüchtling die aus Sibirien floh und sie war nicht allein. Für sie war es selbstverständlich mehreren Menschen ebenfalls dabei zu helfen. Nur an sich zu denken gab es für Babulya nicht. Egal wem sie helfen konnte, sie tat es und sie nahm sie bei sich auf. Daraus entstand bei allen Leidensgenossen eine tiefe Verbundenheit die manchmal gar keiner Worte bedarf. Ich empfand Babulya wie einen großen und alten Baum dem nunmehr die Kraft fehlt, alles Geäst und die Wurzeln weiter am Leben zu halten. Sie ist das Herz des Hauses in dem alle wohnen aber die Kraft neigt sich dem Ende. In Babulya sind alle Erinnerung aufbewahrt wie in einer Schatztruhe. Sie kennt sie alle und auch die Geschichten aller im Haus. Wie mag es also sein wenn dieses Schatztruhe nicht mehr zu öffnen ist? Mattausch hat feine Töne hier angeschlagen und erzählt äußerst bewegend und bildhaft. Das Thema Vertreibung sowie die Sehnsucht nach der alten Heimat und der Aufbau in der Neuen werden wahrlich gut getroffen. Wie lange ist man fremd? Wann lohnt es sich die neue „Heimatsprache“ zu lernen? Wie wird man in der neuen Heimat aufgenommen? Kann es überhaupt mehrere Heimat-Gedanken geben? Hier geht es ums sehr intensive und emotionale Fragen im Buch, die definitiv zum nachdenken anregen. Mattausch hat diese, für meine Begriffe zumindest, grandios in eine Geschichte verpackt, die ich absolut nur empfehlen kann! Ein grandioses Buch! 5 Sterne!