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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2023

Auf der Suche nach der eigenen Identität

Paradise Garden
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Bereits nach dem ersten Kapitel wusste ich, dass ich dieses Buch lieben würde. Elena Fischers Art zu schreiben berührte mich auf Anhieb, und Billie, die 14jährige Protagonistin, wurde sofort lebendig. ...

Bereits nach dem ersten Kapitel wusste ich, dass ich dieses Buch lieben würde. Elena Fischers Art zu schreiben berührte mich auf Anhieb, und Billie, die 14jährige Protagonistin, wurde sofort lebendig. Ihr Blick auf die Welt, ihr trockener Humor und ihre teils lakonischen Bemerkungen machten sie mir sehr sympathisch. Obwohl Billie und ihre Mutter Marika in einer trostlosen Hochhaussiedlung leben und trotz zweier Jobs der Mutter das Geld kaum ausreicht, um über die Runden zu kommen, gelingt es ihnen, sich immer wieder Augenblicke des Glücks zu schaffen und kleine Freuden zu genießen. Marika ist eine energiegeladene Frau, die im Moment lebt und eine sehr innige und liebevolle Beziehung zu ihrer Tochter hat. Auch wenn die beiden nicht viel haben, so haben sie sich, und sie sind sich dessen bewusst. Als plötzlich die ungarische Großmutter vor der Tür steht und Marikas und Billies Sommerpläne durchkreuzt, ist bald nichts mehr, wie es einmal war. Und Billie stellt sich mehr denn je die Frage nach ihrer Identität. Sie macht sich allein im Nissan der Mutter auf die Suche nach ihrem unbekannten Vater und entdeckt dadurch sich selbst und ihre Mutter neu.

Billie ist eine mutiges, intelligentes junges Mädchen, und ihr Geschichte, die trotz vieler trauriger Momente nie bitter wird, sondern durch feinsinnigen Humor und eine hoffnungsvolle Grundnote getragen wird, hat mich sehr bewegt. Ich möchte dieses warmherzige Buch unbedingt allen, insbesondere auch jüngeren Lesern ab ca. 14 Jahren, ans Herz legen!

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Rundum gelungener Naturführer

Mein großer Naturführer Tiere & Pflanzen
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"Mein großer Naturführer" von Jana Böskens ist ein wirklich tolles Buch für Kinder ab 8 Jahren, in dem auch ältere Kinder und Erwachsene noch viel Wissenswertes entdecken können.

Der Naturführer enthält ...

"Mein großer Naturführer" von Jana Böskens ist ein wirklich tolles Buch für Kinder ab 8 Jahren, in dem auch ältere Kinder und Erwachsene noch viel Wissenswertes entdecken können.

Der Naturführer enthält zunächst eine kurze allgemeine Einführung in die Welt der Tiere, Pflanzen und Pilze. Der Hauptteil des Buches ist in die Lebensräume Wald, Wiesen und Felder, Gewässer, Auen, Feuchtgebiete und Stadt und Dorf untergliedert.

Die einzelnen Kapitel vermitteln fundiertes Wissen, das gut verständlich aufbereitet ist, ohne zu stark zu vereinfachen. Die Texte werden durch zahlreiche detailreiche farbige Illustrationen, Fotografien, übersichtliche Schaubilder und Infoboxen perfekt ergänzt. Besonders lobenswert finde ich, dass giftige Tiere und Pflanzen durch farbige Totenkopfsymbole gekennzeichnet sind (giftige Tiere in lila, leicht giftige Pflanzen in orange, sehr giftige in rot).

Der handliche Naturführer passt für Wanderungen prima in jeden Rucksack, und die etwas dickeren Seiten sind schön robust. Das Buch eignet sich aber auch hervorragend als Nachschlagewerk oder einfach zum Schmökern auf dem Sofa.

Meine Familie und mich hat das Buch rundum begeistert, und es ist der beste Naturführer für Kinder, den in bisher in Händen hatte. Ich möchte ihn unbedingt weiterempfehlen und werde ihn sicher auch noch des öfteren verschenken.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Ein dunkles Kapitel der Gynäkologie

Meine langen Nächte
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In "Meine langen Nächte" von Ilva Fabiani erzählt die fiktive Anna Alrutz ihre Lebensgeschichte u.a. als sogenannte braune Schwester. Dabei handelte es sich um Mitglieder der NS-Schwesternschaft, die einen ...

In "Meine langen Nächte" von Ilva Fabiani erzählt die fiktive Anna Alrutz ihre Lebensgeschichte u.a. als sogenannte braune Schwester. Dabei handelte es sich um Mitglieder der NS-Schwesternschaft, die einen Eid auf Adolf Hitler ablegten und an Zwangssterilisationen, Zwangsabtreibungen und systematischen Ermordungen im Rahmen der nationalsozialistischen Rassenhygiene beteiligt waren.

Das Besondere an diesem Roman war für mich die spezielle Erzählperspektive. Der Geist von Anne Alrutz, der als Sühne für Ihre Sünden in dieser Welt gefangen bleibt und nicht zur Ruhe kommen darf, wird immer wieder vom Wind an verschiedene Orte und Zeitpunkte aus Annes Leben getragen. Annes Geist erzählt aus der Ich-Perspektive ihre Erinnerungen, reflektiert und kommentiert diese. Nach und nach entsteht aus diesen einzelnen Episoden ein zusammenhängendes Bild. Zudem ermöglicht ihr der Wind gelegentlich, auch vergangene Ereignisse zu beobachten, die sie damals nicht selbst miterlebt hat, oder im Heute bestimmte Menschen zu besuchen.  Diese Erzählweise ist äußerst reizvoll und sehr gelungen.


Das Buch beginnt 1907 mit Annas Geburt. Sehr ausführlich wird Annas Leben in Braunschweig in einer aufgeklärten und weltoffenen Arztfamilie geschildert, ihre Jugend und ihre erste Jugendliebe, die für Anne wegweisend war. In den 20er Jahren wandte Anne sich immer mehr dem erstarkenden Nationalsozialismus zu und wurde eine glühende Anhängerin Adolf Hitlers, was letztlich auch in Ihrer Tätigkeit als braune Schwester gipfelte. Am Klinikum Göttingen war sie als Operationsschwester 1934 und 1935 maßgeblich an Zwangssterilisationen beteiligt. Erst ein einschneidendes Erlebnis Mitte 1935 öffnete ihr die Augen und veränderte ihr Denken und Handeln. Das Buch endet zeitlich im Dezember 1935 mit Annas Tod (kein Spoiler, da dies bereits die ersten Buchseiten vorwegnehmen).

Durch den relativ frühen Tod 1935 wird im Buch auch die weitere Entwicklung der NS-Schwesternschaft bis zum Ende des Dritten Reiches und ihre grauenhafte Rolle im Euthanasieprogramm nicht weiter thematisiert. Das fand ich bedauerswert. Der Großteil des Buches widmet sich sich Annes Kindheit und Jugend und möglichen Gründen für Ihre Hinwendung zur NS-Ideologie. Hierbei war ich beim Lesen etwas hin- und hergerissen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass mir die Begründungen etwas zu einfach und unschuldig waren. Andererseits mag es durchaus möglich gewesen sein, dass man, insbesondere als Jugendliche auf der Suche nach dem Platz im Leben, tatsächlich sehr empfänglich für Ideologien ist.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, von dem ich mir jedoch gewünscht hätte, dass der Focus stärker auf die Tätigkeiten als braune Schwester gelegt worden wäre und der Roman einen größeren Zeitrahmen im Dritten Reich abgedeckt hätte, um die Verbrechen an den Kliniken noch deutlicher werden zu lassen.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Hoffnungsvoll

Aufrappeln
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Der autobiographisch geprägte Roman "Aufrappeln" von Judith Poznan ist eines der ganz wenigen Bücher, die ich schon aufgrund des Covers lesen wollte, da der Titel in Verbindung mit den hängenden Tulpen ...

Der autobiographisch geprägte Roman "Aufrappeln" von Judith Poznan ist eines der ganz wenigen Bücher, die ich schon aufgrund des Covers lesen wollte, da der Titel in Verbindung mit den hängenden Tulpen eine Art von Humor ausstrahlt, die mir auf Anhieb gefiel.

Den frischen und klaren Schreibstil mochte ich vom ersten Moment an, und ich konnte mich sehr gut in die Figur der Judith, ihre Situation und ihre Gedanken einfühlen. Als Bruno Judith verlässt, muss sie sich mit Mitte dreißig unvermutet noch einmal neu erfinden. Ihre Ansprüche an das Leben und die Liebe treffen auf die Wirklichkeit, und da ist die Erkenntnis, an den eigenen Träumen und Maßstäben vom kleinen Glück gescheitert zu sein. Und dann stehen Bruno und sie auch noch vor der Aufgabe, nach ihrer Trennung als Paar weiterhin gemeinsam Eltern eines Kleinkindes zu bleiben. Die Art und Weise, wie sie dies angehen, fand ich bewundernswert und ermutigend. Wie sich Judith Schritt für Schritt "aufrappelt", sich zaghaft neu orientiert, Freiheiten entdeckt, ihre Vorstellungen reflektiert, sich an ihre erste Jugendliebe erinnert, auch schmerzhafte Momente erlebt, ist ganz behutsam und mit einem Blick für die kleinen Details erzählt, und mit einem wunderbar feinen, klugen Humor hinterlegt, der die Geschichte trägt und ihr eine gewisse Leichtigkeit verleiht.

Ein leiser, ehrlicher, nachdenklicher Roman, der Mut macht und in dem ich mich oft selbst erkannt habe. Einige Passagen habe ich mir sogar markiert, weil ich sie so treffend fand.

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Veröffentlicht am 16.07.2023

Eifelleben im ausgehenden 19. Jahrhundert

Perlenbach
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Mit "Perlenbach" ist nach "Ginsterhöhe" der zweite Band der Eifeltrilogie von Anna-Maria Caspari erschienen, wobei dieser zeitlich vor "Ginsterhöhe" angesiedelt ist. Somit kann der 2. Band auch völlig ...

Mit "Perlenbach" ist nach "Ginsterhöhe" der zweite Band der Eifeltrilogie von Anna-Maria Caspari erschienen, wobei dieser zeitlich vor "Ginsterhöhe" angesiedelt ist. Somit kann der 2. Band auch völlig problemlos vor dem 1. gelesen werden.

Schauplätze sind das Bauerndorf Wollseifen und das Städtchen Montjoie, das heutige Monschau. Der Roman begleitet den Bauernsohn Wilhelm aus Wollseifen, Jacob, den Sohn des Tuchfabrikanten Becker, und die Arzttochter Luise zwischen 1865 und 1905. Die Kinder Jacob und Luise sind Nachbarn in Montjoie, und Wilhelm darf für einige Jahre die Wintermonate bei Beckers verbringen als Gesellschaft für den schwächlichen Jacob. Die Kinder werden enge Freunde. Als die Drei älter werden, geht jeder seinen eigenen Weg, und insbesondere der Kontakt zu Wilhelm wird loser. Als sich alle drei auf einem Fest wiedersehen, geschieht etwas, das ihre Freundschaft für immer verändert.

Da ich bisher wenig über die Geschichte der Eifel wusste, aber selbst aus einer Stadt komme, in der die Tuchherstellung eine lange Tradition hat, hat mich die Grundidee des Buches sofort angesprochen. Man erfährt ganz nebenbei einiges über den Bau der Erfttalsperre und den Niedergang der Tuchfabrikantion in der Eifel um die Jahrhundertwende. Durch die Figur der Luise, die unbedingt Ärztin werden möchte in einer Zeit, in der Frauen noch nicht als Studentinnen an deutschen Universitäten zugelassen sind, und ihre Gouvernante Friederike, die sich aktiv für Frauenrechte einsetzt, werden auch die Rolle der Frau, die beginnende Organisation von Frauen in Vereinen (und deren Verbot durch die Sozialistengesetze) und der Kampf um gleiche Rechte ausführlich thematisiert.

Der Roman hat mir insbesondere im ersten Teil sehr gut gefallen, der Schreibstil ist angenehm zu lesen, die Geschichte abwechslungsreich und unterhaltsam. Im späteren Verlauf konnte mich das Buch weniger begeistern. Wilhelms Verhalten war in meinen Augen überzogen und Jacob wurde doch sehr klischeehaft dargestellt (Da ich nicht spoilern möchte, kann ich hier nicht konkreter werden.). Seine weinerliche, selbstmitleidige und passive Art ging mir ziemlich auf die Nerven, und mir war unverständlich, dass Luise sich in so hohem Maße für ihn eingesetzt hat. Insgesamt war der 2. Teil für mich zu dick aufgetragen. Die Tagebucheinträge von Friederike waren zudem ein sehr durchsichtiges und etwas plumpes Mittel, um die politische und gesellschaftliche Entwicklung in den Roman einzubinden.

Insgesamt ein interessanter Roman über das ausgehende 19. Jahrhundert in der Eifel, der mich gut unterhalten hat, mir aber nicht nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

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