Tiefgreifende Story, locker dynamisch erzählt!
Dry my TearsSchreibstil:
Vom Schreibstil der Autorin war ich ganz anders beeindruckt, als von anderen Autor:innen diesen Genres. Er ist locker leicht, aber auch sehr dynamisch und kurzlebig. Anfangs wirkte er nahezu ...
Schreibstil:
Vom Schreibstil der Autorin war ich ganz anders beeindruckt, als von anderen Autor:innen diesen Genres. Er ist locker leicht, aber auch sehr dynamisch und kurzlebig. Anfangs wirkte er nahezu abgehakt auf mich, das verflog aber nach einer kurzen Eingewöhnungszeit. Die Autorin versteht sich darin, an den richtigen Stellen zu kürzen und flott vorwärts zu erzählen, ohne, dass man das Gefühl hat, etwas bliebe unerzählt. Stattdessen treibt es die Geschichte super voran und zieht die Leser:innen mit. Es war ein Strudel aus Worten und Sätzen, von dem ich mich bereitwillig habe mitziehen lassen. Sehr gelungen und absolut passend zur Geschichte, denn trotz dieser Dynamik, kamen die Emotionen sehr gut durch.
Zur Geschichte allgemein:
Ich bin immer skeptisch, wenn ich auf besonders dramatische Anfangssituationen stoße. Und ein Protagonist, der auf einer Ölplattform verletzt wurde und dann zu seiner „Erzfeindin“ ziehen muss, ist dramatisch. Tatsächlich aber gibt die Autorin einem genug Vorlaufzeit, um die Situation zu verstehen und die Figuren von Seite 1 an sympathisch zu finden.
Das eigentliche erste Aufeinandertreffen der Protagonisten findet nämlich schon in Band 1 der Reihe statt und wurde für mich nur durch Erwähnungen innerhalb dieser Geschichte greifbar. Fakt ist: Sie sind wie Feuer und Öl. Eine explosive Kombination, die hier miteinander auskommen muss.
Aber zum Anfang: Erzählt wird abwechselnd aus den Perspektiven beider Protagonisten. Während Jack anfangs schwerverletzt nur wenig Input geben kann, werden wir durch Tess Sicht in die Geschichte eingeführt. Es geht mit Nathan und Amy (Band 1) zu den Ambrose-Brüdern. Tess war mir dabei sogleich sympathisch, denn sie ist empathisch, unkompliziert, anpackend und verlangt keine Gegenleistung für ihre Dienste. Stattdessen hilft sie dort, wo Hilfe gebraucht wird, was sie letztlich auch in die WG mit Jack verschlägt. Das Besondere an den beiden: Sie zicken sich an, streiten auch, haben hitzige Diskussionen, aber irgendwie mögen sie einander auch, weil sie beide gleich spüren, dass der jeweils andere ein gutes Herz hat. Das spürt man auch als Leser:in. Obwohl sie so viele Reibungspunkte haben, sind sie einander doch sehr ähnlich und das macht das Zusammenleben irgendwie zu einem gemeinschaftlichen Projekt, das wenig Worte bedarf.
Das Problem: Beide haben natürlich ihr Päckchen zu tragen. Bei Jack ist das ganz offensichtlich. Tess weiß durch Nathan, ihren besten Freund, bereits um die Probleme der Brüder. Gleichzeitig ist da aber auch der Unfall, der Jack seiner Identität beraubt hat. Er muss sich damit auseinandersetzen, nicht mehr so stark zu sein wie früher, gegen Dämonen zu kämpfen, die nicht sichtbar sind und offen zu kommunizieren, was er sonst für sich behalten hat. Das ist dann auch der Moment, wo die Triggerwarnungen greifen. Es geht um PTBS. Nach solch einer Belastung kein Wunder, für Jack aber erst einmal kein Gedanke, den er zulässt. Auch Tess ist da eher zurückhaltend. Jeder macht sein Ding. Sie sind schließlich nur Mitbewohner, oder?
Ich fand es sehr gut gemacht, wie die beiden von Mitbewohnern zu Freunden und mehr werden. Man merkt deutlich, wie die Grenzen verschwimmen, wie sie einander annähern, wie jede hitzige Diskussion den jeweils anderen zum Nachdenken anregt und die beiden ganz schleichend zusammenschweißt. Es ist eher Slow Burn, denn die Beziehung steht hier nicht an erster Stelle. Dadurch, dass Jack massive Probleme mit seinem Körper und seiner Psyche hat, gilt es erstmal das zu klären. So bleibt die Geschichte trotz des hohen Erzähltempos langsam in ihrer Entwicklung. Es geht in einem Tempo voran, das authentisch ist und den beiden Zeit lässt, über Situationen und Gefühle nachzudenken. Dabei bleibt die Spannung trotzdem durchgehend hoch. Immer wieder kommt es zu starken Szenen, entweder ausgelöst durch einen der beiden selbst oder durch die Nebenfiguren, die einen hohen Stellenwert in der Geschichte haben. Ich fand es genial, wie Jacks Krankheit hier aufgegriffen, erklärt und besprochen wird. Man bekam ein gutes Gefühl für seine Gedanken und war nicht gelangweilt von einem Heilungsprozess, der eben Zeit benötigt.
Tess‘ Päckchen ist schwerer zu fassen. Anfangs fand ich es noch sehr vage und habe überhaupt nicht verstanden, worin überhaupt ihr Problem liegt. Klar ist nur: Sie hat aus irgendeinem Grund mit ihrer Familie gebrochen und man weiß nicht so recht, wieso. Tatsächlich hat es mir dann einen kleinen Moment zu lange gedauert, bis man dazu die Hintergründe erfuhr, denn sie lässt sehr lange gar nichts durchblicken. Stattdessen lässt sie ihr Studium schleifen und verschanzt sich, spricht von einer Tess vorher und einer nachher und braucht ihre Zeit, um aufzutauchen. Andererseits fand ich das aber auch wieder spannend, weil sie sich einfach viel um andere kümmert, dann ja auch vornehmlich um Jack, und sich selbst dabei fein ignorieren bzw. nach hinten schieben kann. Eine Prokrastinierungs-Technik, die man erstmal draufhaben muss. Letztlich holt es sie aber doch ein und schließt am Ende einen sehr schönen Bogen zu allen anderen Themen im Buch. Sie arbeitet es nicht nur auf, trifft Menschen aus der Vergangenheit und spricht mit Jack darüber, sondern sie kümmert sich auch konkret darum, wieder glücklicher zu werden.
Das haben die beiden letztlich gemein: Sie kommen am Ende an den Punkt, an dem ihr Glück von ihnen selbst abhängig ist und stehen vor der Entscheidung den schwierigen oder den einfachen Weg zu gehen. Und beide entscheiden sich für den gleichen Weg, der dann auch den jeweils anderen mit einschließt. Das fand ich sehr schön gemacht, weil die beiden sich in dieser Zeit sehr nahe kommen und man merkte, wie sie lernten, einander zu vertrauen und vor allem auszusprechen, was vorher ewig ungesagt blieb. Gerade Jack platzt mit seinen Gefühlen geradezu heraus – ein kleiner Schmunzelmoment für mich und ein wichtiger Moment für die Geschichte.
Und dann ist das Buch auf einmal vorbei und ich war einfach nur happy. Beide Protagonisten haben sich entwickelt, konnten mit ihrem Leben aufräumen, haben sich einander zugewandt, ohne die Realität außer Acht zu lassen und sind trotzdem sie selbst geblieben. Der grummelige Jack ist immer noch da, aber er hat jetzt seine Tess und weiß mit seinem Trauma umzugehen und die verschlossene Tess hat ihren Jack, dem sie bedingungslos vertraut und der ihr beiseite steht, was auch immer sie sich vorgenommen hat.
Ein nettes on top auf die Geschichte ist die Thematik Umweltbewusstsein und – schutz. Tess hat darin ihre Leidenschaft gefunden und trifft mit Jack und seiner Arbeitsstelle auf die Gegenposition. So gibt es immer mal wieder während der Geschichten kleine Szenen, die sich darauf beziehen oder auch konkret an den Umweltschutz appellieren. Das fand ich ganz cool, weil Tess dabei keineswegs schrullig rüberkam, sondern cool und engagiert und Jack es auch annahm, sodass diese Thematik gut und schön untergebracht wurde.
Und was die Nebenfiguren angeht: Ich liebe sie alle und konnte es gar nicht erwarten, auch den nächsten Band zu lesen, denn dieser endet in Bezug auf die nächsten Figuren geradezu mit einem Cliffhänger. Sie sind so schön greifbar geworden, mit allen habe ich sofort sympathisiert und auch die aus Band 1 schienen mir so bekannt, als hätte ich ihre Geschichte sowieso schon gelesen. Es ist einfach schwer, den Ambrose-Brüdern nicht zu verfallen. Gerade, weil sie neben den einzelnen Liebesgeschichten in den Büchern auch noch ihre Familienprobleme haben, die es zu klären gibt und der Geschichte noch mehr Tiefe und Spannung verleihen.
Fazit:
Ungeahnt der Spannung habe ich angefangen, dieses Buch zu lesen und konnte bis zur letzten Seite nicht mit dem Lesen aufhören. Es ist total dynamisch geschrieben, hat Figuren, die einem sofort sympathisch sind und mit viel Tiefe daherkommen, schreckt nicht vor schwierigen Themen zurück und lässt sich im Erzähltempo dennoch die Zeit, um alles authentisch aufzuarbeiten. Die Liebesgeschichte hat es mir angetan, wirkte ausgesprochen echt und war kein dramatisches Auf und Ab, sondern ein gemeinschaftlicher Kampf für das Glück. Ich habe es geliebt und kann es allen Romance-Leser:innen nur empfehlen. Aber Vorsicht, ihr werdet den nächsten Band auch lesen wollen!
5 von 5 Sterne von mir.