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Veröffentlicht am 15.07.2024

Beeindruckendes Zeugnis einer erschreckenden Zeit

Der Engel von Warschau
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Im Warschau der frühen 40er Jahre spielt dieser Roman von Lea Kampe und er erzählt die Geschichte von Irena Sendler, die es schaffte, während der Nazi Herrschaft tausenden jüdischen Kindern im Warschauer ...

Im Warschau der frühen 40er Jahre spielt dieser Roman von Lea Kampe und er erzählt die Geschichte von Irena Sendler, die es schaffte, während der Nazi Herrschaft tausenden jüdischen Kindern im Warschauer Ghetto das Leben zu retten. Mit dem Fortgang des Krieges wird das Leben der 400.000 Juden in der Stadt Warschau immer unerträglicher, in einem Ghetto leben sie zusammengepfercht auf engstem Raum und oft haben sie nicht einmal das Nötigste zum Leben. Als dann der Abtransport der Menschen immer näher kommt, als viele einfach sinnlos hingerichtet und auf offener Straße erschossen werden, weiß Irena Sendler, dass sie etwas tun muss und sie schafft es mit unendlichem Mut und unter der Gefahr auch selbst Opfer der Nazis zu werden, unzählige Kinder aus dem Ghetto zu schmuggeln und einen Grundstein für ihr Überleben zu schaffen.

Lea Kampe ist mit "Der Engel von Warschau" ein zugleich erschütterndes als auch berührendes Buch über eine Zeit gelungen, die sich niemand vorstellen kann, der sie nicht selbst erlebt hat. Sie schildert ausführlich und sehr detailgetreu, wie die Sozialarbeiterin Irena Sendler nicht wegschaut, sondern alle Hebel in Bewegung setzt, um die unzähligen jüdischen Kinder, deren Leben auf einem seidenen Faden hing und vom Terror dem zu diesem Zeitpunkt in Polen herrschenden Nazi-Deutschland abhängig war, zu retten. Es ist unglaublich mitreißend und bewundernswert, was die junge Frau auf sich nimmt, um die Kinder aus den Fängen der Nazis zu befreien und ihnen unter falschen Namen die Möglichkeit, den Krieg zumindest zu überleben, gibt.

Ich habe das Buch kurz vor meiner eigenen Reise nach Warschau gelesen und in der Stadt selbst dann eine Führung durch das jüdische Ghetto gemacht. Es war unglaublich bewegend, die im Buch geschilderten Orte dann wirklich zu besuchen und ich fand es sehr spannend, wie sehr sich die Erzählungen unseres Guides mit den Schilderungen in Lea Kampes Buch trafen. Super recherchiert und sehr detailgetreu geschrieben, ist "Der Engel von Warschau" ein Buch, das uns an eine unglaubliche Frau erinnern soll, deren Mut man sich zumindest im Kleinen als Vorbild nehmen soll.

Lea Kampes Erzählstil ist flüssig und packend, aufgrund der Tragik der Ereignisse und des Wissens, dass es sich zwar um einen Roman handelt, die Geschichte sich aber wirklich ereignet hat, musste ich zwischendurch immer wieder Lesepausen einlegen um Nachzudenken und zu verarbeiten.

"Der Engel von Warschau" hat tausende Kinder gerettet. Die Geschichte über Irene Sendler soll uns nicht vergessen lassen, was damals geschah. Vielen Dank für dieses erschütternde Zeugnis einer Rettungsaktion, die beeindruckend ist, die jedoch nie wieder notwendig sein soll.

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Veröffentlicht am 15.07.2024

Wiedersehen mit der Familie Hohenhausen

Zeit der Schwestern
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Bereits vom 1. Band der "Zeit der Schwestern" Trilogie, "Apfelblütentage", kennen wir die Familie Hohenhausen: die 3 Töchter Veronika, Carolin und Romy, allesamt mit Anhang, Vater Georg und Mutter Lotte ...

Bereits vom 1. Band der "Zeit der Schwestern" Trilogie, "Apfelblütentage", kennen wir die Familie Hohenhausen: die 3 Töchter Veronika, Carolin und Romy, allesamt mit Anhang, Vater Georg und Mutter Lotte mit ihrem Freund Arthur. In "Kirschsommer" steht nun Romy im Mittelpunkt des Geschehens. Als alleinerziehende Mutter von Vince und Luna ist das Leben für sie manchmal recht stressig, sie versucht aber geschickt die Ballance zwischen Familienalltag, dem Aufbau ihres Catering-Unternehmens und nicht zu letzt ihrem eigenen Liebesleben zu finden. Was turbulent beginnt, entwickelt sich Dank der Unterstützung der Familie, die Romy stets mit Rat und Tat zur Seite steht, ganz nach Romys Geschmack und so kann sie schließlich doch einen spannenden Sommer am wunderschönen Bodensee genießen.

Auch in "Kirschsommer" ist Tanja Huthmacher wieder ein sehr schönes Portrait der Familie Hohenhausen gelungen. All die Protagonisten, die wir bereits im 1. Band kennengelernt haben, haben sich weiter entwickelt und wurden mit ihrer Einzigartigkeit und ihren kleinen Macken so geschildert, dass man sie einfach ins Herz schließen musste. Die Szenerie am Bodensee tut ihr übriges dazu, das Buch zu einem gelungenen Sommerroman werden zu lassen. Es war schön, alte Bekannte wieder zu treffen und sie auch in diesem Band ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten. Bereits in "Apfelblütentage" haben sich einige besondere Sympathien entwickelt, die sich auch jetzt fortgesetzt haben.

"Kirschsommer" ist die Fortsetzung einer Familiengeschichte voll Herz und Humor. Es passieren jetzt keine großartigen Ereignisse, aber es macht Freude, dem Alltag der Familie zu folgen, in diesem Band Romy und ihre Kinder etwas besser kennen zu lernen und mit ihr mitzufiebern, wie sich ihr eigenes Liebesglück in diesem Sommer entwickelt, sehnt sie sich doch trotz ihres hektischen Lebens doch auch nach einem Mann an ihrer Seite und nach einer stabilen Partnerschaft. Ich mag Huthmachers lockeren Schreibstil, die genauen Beschreibungen lassen einen tief in die Geschichte einzutauchen und am Geschehen der Familie Hohenhausen teilzuhaben. Schön finde ich auch, dass das Ende des Buches bereits auf den Beginn des nächsten Bandes verweist. Manche Episoden sind etwas offensichtlich und wirkliche Überraschungen erleben wir beim Lesen des Buches nicht, aber ich denke, das ist so gewollt, die Familiengeschichte mit ihren Aufs und Abs ist Grund genug, diese Trilogie zu lesen.

In diesem Sinne, liebe Familie Hohenhausen, liebe Tanja Huthmacher - ich freue mich auf ein "Weiterlesen" im Herbst. Es war ein großes Vergnügen, beim "Kirschsommer" dabei sein zu dürfen.

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Veröffentlicht am 02.07.2024

Wo ist sie nun, die geheimnisvolle Freundin?

Die geheimnisvolle Freundin
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Das Buch soll von 2 Freundinnen handeln, die sich in einem Kinderheim in den Abruzzen der 1950er Jahre kennenlernen und die ein Missverständnis trennt und ein Geheimnis schließlich wieder auf irgendeine ...

Das Buch soll von 2 Freundinnen handeln, die sich in einem Kinderheim in den Abruzzen der 1950er Jahre kennenlernen und die ein Missverständnis trennt und ein Geheimnis schließlich wieder auf irgendeine Art und Weise verbindet. Soweit der Klappentext - und genau das, würde man auch von dem Buch erwarten. Schon vom Titel her hat man Hoffnung auf die Geschichte einer Freundschaft, die irgendwie besonders und geheimnisvoll ist und auch das Coverbild suggeriert 2 Mädchen, die einander nahe stehen.

Nun, für meinen Geschmack ist das ordentlich daneben gegangen. "Die geheimnisvolle Freundin" sucht man in dem Buch nämlich vergebens, vielmehr handelt die Geschichte von 2 Mädchen, die sich eigentlich gar nicht recht ausstehen können und vieles tun, um der anderen eins auszuwischen, die Freundschaft der beiden war mir bis zum Schluss leider völlig verborgen.

Anstelle dessen erfahren wir viel über das Leben in einem Kinderheim im Italien der 50er Jahre, über die geheimen Machenschaften der Ordensschwestern, über die grausamen Verhältnisse, unter denen die Kinder damals, fein säuberlich getrennt in Findel- und Waisenkinder, aufwachsen mussten. Wir verfolgen im 2. Teil des Buches auch den weiteren Werdegang von Nina und sehen, wie sie ihr Leben selbst in die Hand nimmt, nachdem sie dem Kinderheim entwachsen ist. All das ist als Geschichte nicht schlecht, im Gegenteil, ich hab den 1. Teil des Buches sogar sehr gerne gelesen und fand es interessant zu erfahren, wie die Kinder damals leben mussten und welch Gräueltaten unter dem Deckmantel der katholischen Kirche in diesem Kinderheim so geschahen. Der 2. Teil war mir zu Politik-lastig, all die Demonstrationen, die ausführlich geschildert werden, fand ich in diesem Ausmaß entbehrlich.

Schade, denn eigentlich klang die Geschichte verheißungsvoll und die Freundschaft, die entstehen kann, wenn man unter unliebsamen Verhältnissen aufwächst, stelle ich mir sehr besonders vor. Wahrscheinlich waren meine Erwartungen einfach in diese Richtung gelenkt, sodass mich das Buch leider nicht überzeugen konnte.

Auch wenn "Die geheimnisvolle Freundin" durchaus lesenswert war, so ist sie eine glatte Themenverfehlung. Der Inhalt hat weder mit dem Titel noch mit der Zusammenfassung kaum etwas zu tun und 3 Sterne sind das Maximum, das ich diesem Buch zukommen lassen kann.

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Veröffentlicht am 19.06.2024

Lange Story ohne Ende

Long Island
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Es kriselt in der Ehe von Eilis und Tony, da dieser sein uneheliches Kind im gemeinsamen Haushalt aufziehen will - unter der strengen Herrschaft seiner eigenen Mutter. Eilis flüchtet daher in ihre alte ...

Es kriselt in der Ehe von Eilis und Tony, da dieser sein uneheliches Kind im gemeinsamen Haushalt aufziehen will - unter der strengen Herrschaft seiner eigenen Mutter. Eilis flüchtet daher in ihre alte Heimat Irland, wo sie auf ihre Jugendliebe Jim trifft, ihn hat sie vor 20 Jahren zurück gelassen, um mit Tony in den USA zu leben. Alte Gefühle kochen hoch, Eilis und Jim stehen neuerlich vor einer folgenschweren Entscheidung.

"Long Island" ist die Fortsetzung von Colm Tóbíns Roman "Brooklyn", kann aber durchaus gelesen werden, ohne das erste Buch zu kennen. Die Protagonisten werden ausführlich geschildert, auch auf die Vorgeschichte wird immer wieder Bezug genommen, sodass man der Handlung ohne Probleme folgen kann. Auch die Situation, wie Eilis viele Jahre zuvor von Irland in die USA kam und was sich während eines Heimatbesuches dort zugetragen hat, wird erzählt, sodass man sowohl die Situation in Irland als auch in den USA gut nachvollziehen kann.

Eingangs fand ich diese Schilderungen sehr interessant, auch Eilis war mir durchaus sympathisch. Im Laufe des Buches wurde dieses jedoch immer langatmiger und Eilis stellte sich als recht naive Frau dar. Dass ihre Welt auf den Kopf gestellt wurde, als ihr Mann ein Kind mit einer anderen gezeugt hat, war gut nachvollziehbar und auch ihre Reaktion darauf, zurück nach Irland zu gehen, war verständlich. Doch damit hätte man es belassen können, in Irland geschah nämlich, abgesehen von einem bisschen hin und her und dem verzweifelten Versuch, ihrer ehemals besten Freundin ihren nunmehrigen Verlobten auszuspannen, gar nichts, was die Geschichte irgendwie weiter gebracht hätte. Das Buch strotzte nur so von Heimlichkeiten, man hat durchgehend das Gefühl, die Protagonisten mal auffordern zu wollen, endlich miteinander zu sprechen. Ein Konflikt belastet Eilis und ihre Mutter, auch die Situation mit ihren eigenen Kindern ist alles andere als problemlos. Neue Schwierigkeiten tun sich auf, weil Jim, obwohl offenbar immer noch in Eilis verliebt, bereits mit einer anderen verlobt ist. Es ist ein ewiges Hin und Her ohne klaren Faden und auf mich wirkte das Buch wie eine Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten, die am großen Ganzen vorbei zielen. Ob Eilis und Jim schließlich doch ein Paar wurden, was in der Zwischenzeit in den USA geschah, wie sich die Familiendynamik weiterentwickelt hat - all das blieb offen und ließ mich mit dem Gefühl zurück, das Buch umsonst gelesen zu haben und am Ende genauso viel zu wissen, wie ganz zu Beginn. Schade, denn die Hintergründe wären eigentlich spannend und man hätte viel daraus machen können.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Die Macht der Liebe in schweren Zeiten

Das Lied der Biene
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Ein verhängnisvoller Bienenstich bringt das Leben des erfolgreichen Geschäftsmannes Paul von einem Augenblick auf den anderen völlig durcheinander, plötzlich ist nichts mehr so, wie es einst war. Welch ...

Ein verhängnisvoller Bienenstich bringt das Leben des erfolgreichen Geschäftsmannes Paul von einem Augenblick auf den anderen völlig durcheinander, plötzlich ist nichts mehr so, wie es einst war. Welch ein Trost, als er plötzlich in seiner Einsamkeit gefühlvolle e-Mails von einer unbekannten Absenderin erhält, die sich letzten Endes als seine Haushälterin Marga herausstellt. Da ist ein Gefühlschaos vorprogrammiert und nicht alles läuft so glatt, wie man meinen möchte.

Gabriela Gross ist mit "Das Lied der Biene" ein gefühlvoller Roman gelungen, der ernste Themen so aufbereitet, dass man sich trotzdem gerne damit beschäftigt. Trauer und Verlust werden zu keinem Tabu-Thema sondern offen angesprochen, auch die Macht der Liebe zwischen gar unterschiedlichen Personen findet in diesem Buch Platz. Probleme zwischen Eltern und Kindern werden ebenso thematisiert wie der Druck, unter dem Scheidungskinder manchmal stehen. Das war eine ganze Ladung an Themen, die hier angeschnitten und teilweise sehr gut behandelt wurden. Die Protagonisten sind sympathisch und werden gut dargestellt, sodass man gut mit ihnen mitleidet und sich genauso für sie freuen kann. Die unterschiedlichen Schauplätze in Deutschland und Portugal geben dem Buch einen zusätzlichen Reiz und vor allem die detailgetreuen Schilderungen Lissabons haben mehrmals Fernweh in mir geweckt.

Es ist ein leichtes, sich in die Geschichte hineinzuversetzen und Gabriela Gross gibt uns Lesern die "Hausaufgabe", über manche Themen auch selbst ein bisschen nachzudenken. Das Buch aus der Hand zu legen und mich gleich auf etwas anderes zu konzentrieren ist mir nicht leicht gefallen, zu sehr hat mich so manches beschäftigt. Ich fand es auch schön, mitzuverfolgen, wie sich die Protagonisten in der Geschichte weiterentwickelt haben, wie aus dem Duckmäuschen Marga eine selbstbewusste Frau wurde, die ihr Leben in die Hand nahm, wie aus dem unnahbaren Paul ein gefühlvoller, liebender Mann wurde und wie sich das Verhältnis zu ihren beiden Familien, das manchmal ganz schön holprig war, wieder stabilisiert hat. Das ist der Autorin sehr gut gelungen und es machte Freude, die Personen auf ihrem Weg zu begleiten.

Leider weist die Handlung manchmal Sprünge auf, die mir persönlich etwas zu schnell gehen, über manche Situationen hätte ich einfach gerne mehr gewusst. Insgesamt hat mir "Das Lied der Biene" aber sehr gut gefallen und mein Lesejahr auf jeden Fall bereichert. Ich freue mich, dass ich es im Rahmen einer Leserunde kennenlernen durfte!

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