Serienmörderin aus Versehen
MordscoachSophie arbeitet erfolgreich als Therapeutin bzw. Coachin. Bis vor Kurzem dachte sie, sie würde eine glückliche Ehe führen, doch sie hat herausgefunden, dass ihr Mann eine Affäre hat. Diese Erkenntnis macht ...
Sophie arbeitet erfolgreich als Therapeutin bzw. Coachin. Bis vor Kurzem dachte sie, sie würde eine glückliche Ehe führen, doch sie hat herausgefunden, dass ihr Mann eine Affäre hat. Diese Erkenntnis macht sie, obwohl sie vieeel Wert auf Achtsamkeit, Respekt und Empathie legt, zu einer leicht reizbaren Person voller Verachtung. Sie kann sich zwar analysieren, objektiv betrachten und Ursachen erforschen, dennoch steht sie ihrem Gefühlschaos sowie ihrer Unbeherrschtheit größtenteils machtlos gegenüber!
Theorie und Praxis sind eben zwei unterschiedliche Dinge – der Wert der Psychologie/Therapien wird herrlich schwarzhumorig durch den Kakao gezogen, denn nicht nur Sophies Lage scheint aussichtslos, auch ihre Patienten schaffen es nicht, zerstörerische Muster abzulegen ...
Nachdem sie die Geliebte ihres Mannes im Affekt getötet hat, gerät sie in einen Teufelskreis des Tötens. Sie ist entsetzt über ihr mörderisches Verhalten und die Untreue ihres Ehemannes macht sie Mal traurig, Mal wütend. Es wird zum Kraftakt zwischen Todschlag nach Todschlag inklusive Leichen entsorgen sowie Gefühle sortieren, die Fassade der Normalität zu wahren. Sie ist psychisch wie physisch am Ende, hasst alle und alles – inklusive sich selbst. Zigaretten und Wein werden zu ihren besten Freunden, auch weil sie erkennen muss, dass es nicht möglich ist, rational und offen mit der Affäre ihres Mannes umzugehen.
Der Schreibstil ist ausgesprochen lebendig, witzig spritzig und galgenhumorig geistreich – ich bin nur so durch die Seiten geflogen! Ich fand die unverblümte Ausdrucksweise, mit der Sophies Gefühle beschrieben werden wunderbar erfrischend!
Da aus Sophies Sicht erzählt wird, aus der Ich-Perspektive, ist man hautnah dabei, quasi direkt in ihrem Kopf, sodass es ich automatisch mit ihr gefühlt habe! Nein, sie ist nicht nett, manchmal auch ziemlich oberflächlich und ihre Kontrollverluste sind extrem, aber da die Gründe für ihren geistig umnachteten Zustand (ihre Frustrationstoleranz wird wirklich herausgefordert, zudem wird ein überwunden geglaubtes Trauma getriggert) insgesamt nachvollziehbar gestaltet sind, konnte ich meistens Empathie für sie aufbringen. Was in ihr vorgeht, ist psychologisch hoch interessant, denn es zeigt die Kluft zwischen (Selbst)Erkenntnis und Verhalten bzw. zwischen Verstand und Gefühl.
“Mordscoach” ist für mich ein skurriler, rasanter, ereignisreicher, nervenaufreibender Psychothriller, der von Anfang an Spannung bietet. Die Handlung ist nicht nur mordsunterhaltsam, sie hat auch Tiefgang, da es um verschiedene Arten von toxischen Beziehungen sowie ihre vielfältigen Auswirkungen geht. Die Wendung, als es in Sophie “Klick macht” und sie auf sehr unorthodoxe Art “die Kontrolle übernimmt”, fand ich überaus gelungen, ich hätte mir jedoch insgesamt ein bisschen mehr Realitätsnähe gewünscht.