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Veröffentlicht am 15.02.2023

Marigold. Gegen den Wind

Marigold
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„Die Welt war so viel größer als all das. Einen winzigen Augenblick lang hatte sie ihre Flügel ausstrecken dürfen, um sie zu erkunden, bevor ihr Vater sie erneut in einen goldenen Käfig gesperrt hatte. ...

„Die Welt war so viel größer als all das. Einen winzigen Augenblick lang hatte sie ihre Flügel ausstrecken dürfen, um sie zu erkunden, bevor ihr Vater sie erneut in einen goldenen Käfig gesperrt hatte. Würde sie je wieder Gelegenheit bekommen, daraus auszubrechen?“

Ihre Schönheit und ihr Temperament haben Marigold Clayton, Tochter aus wohlhabenden Hause, kein Glück beschert. Ein unbedachter Kuss, zu dem sie vom Verlobten ihrer Schwester verführt wird, verwickelt sie unverschuldet in einem Skandal und bringt ihr den Ruf als undamenhafter Tollkopf ein. Ein Unding in der Londoner Gesellschaft des Jahres 1769. Marigolds Vater zieht die Konsequenzen, zumal sie nicht nur ihrem Ansehen geschadet, sondern zugleich auch die Heiratsabsichten ihrer jüngeren Schwester Frances zunichte gemacht hat. Obwohl Marigold nicht viel auf das Geschwätz der Leute gibt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

An der Seite ihres Onkels Absalom, Handelsbeauftragter der Hudson’s Bay Company in der Provinz Québec reist sie nach Kanada. In Montreal soll sie nicht nur auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden, sondern auch einen passenden Ehemann finden.

Marigold öffnet sich eine völlig andere Welt und ihre Ansichten und ihr Gewissen werden auf eine harte Probe gestellt. Sie erhält leidvolle Einblicke hinter die Fassaden der sogenannten besseren Kolonialgesellschaft, in das Leben der Siedler und Ureinwohner. Letztlich gerät sie in dramatische Konflikte der sich gegenüberstehenden unterschiedlichen Parteien und sodann Gefahr, als sie entdeckt, dass ihr Onkel ein dunkles Geheimnis hütet. Sie muss folgenschwere Entscheidungen treffen und weiß nicht, wem sie vertrauen kann. Ist beispielsweise Kieran, ein Angestellten ihres Onkels, jemand, der es ehrlich mit ihr meint?



„Marigold. Gegen den Wind“ ist ein historischer Roman, der sich neben der Geschichte einer jungen Frau im gesellschaftlichen Kontext einem interessanten Thema widmet: dem Pelzhandel in den britischen Kolonien des 18. Jahrhunderts und der damit einhergehenden begehrlichen Rücksichtlosigkeit gegenüber der ursprünglichen Einwohner – Menschen wie Tieren. Dabei gelingt Camilla Warno die Einbindung dieses eher unbekannten historischen Hintergrundes auf beachtenswerte Art und Weise, weil dies in Form teilweise bedrückender und vielfältiger kämpferischer Momente und mittels überraschender Ereignisse und unerwarteter Wendungen vorgenommen wird. Ab und an wirken diese Wechsel indes zu viel und haben einen unruhigen Verlauf.

Davon einmal abgesehen erzählt die Autorin mit Enthusiasmus und entwickelt eine glaubhafte Schilderung mit einer anschaulichen und lebhaften Beschreibung des Geschehens, in der auch heitere Augenblicke ihren Platz finden. Hierdurch visualisiert sich für uns ein reales Bild vergangener Zeit, das mit einer ans Herz rührende Liebesgeschichte ergänzt wird.

Camilla Warno bindet uns gut in das emotionale Auf und Ab ihrer Protagonisten ein. Sie hat eine recht ausgewogene Charakterzeichnung zwischen „Gut“ und „Böse“ geschaffen, in der Sympathien und Antipathien zwar überwiegend eindeutig verteilt werden, gleichwohl Nuancen in der Gestaltung vorhanden sind.

Marigold nimmt als titelgebende Figur die herausragende Stellung ein. Sie ist eine junge Frau mit kühnem Selbstvertrauen, die ihre Umwelt mit Offenheit und Neugier betrachtet, diese hinterfragt und sich mit ihr auseinandersetzt, großes Interesse an Büchern und der Anhäufung von mehr Wissen hat und liebend gern eigene Träume verwirklichen möchte. Marigold agiert mit Feingefühl, manchmal auch – will man es ihr verdenken – unerfahren, spontan und naiv. Und sie ist nicht frei von Vorurteilen, Skepsis und Misstrauen, wiederum sehr menschliche Eigenarten. Bemerkenswert ist ihr couragiertes Auftreten für andere, das sich im Verlauf der Handlung verstärkt. Und ihr Wille, sich einen Platz in der Welt zu erkämpfen ...

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Veröffentlicht am 28.11.2022

Kinder des Aufbruchs

Kinder des Aufbruchs
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1967 und damit sechs Jahre nach dem Mauerbau ist der Traum von einer deutschen Einheit geplatzt. Die Fronten des Kalten Krieges zwischen Ost und West sind verhärtet und von Misstrauen und Ängsten vor dem ...

1967 und damit sechs Jahre nach dem Mauerbau ist der Traum von einer deutschen Einheit geplatzt. Die Fronten des Kalten Krieges zwischen Ost und West sind verhärtet und von Misstrauen und Ängsten vor dem „Klassenfeind“ geprägt.

Doch auch innerhalb der Gesellschaft gärt es. Besonders die Studenten sind unzufrieden mit den alten Strukturen an den Hochschulen. Ihre Forderungen gelten zeitgemäßen Lerninhalten, einer sozialen Chancengleichheit im Bildungswesen, besseren Lernbedingungen und vor allem auch der Entlassung von Lehrkräften mit Nazi-Vergangenheit. Außerdem erheben sie ihre Stimme für das Ende des Vietnamkrieges und den Stopp der atomaren Aufrüstung. Zusätzlichen Zündstoff bieten die von der Großen Koalition erlassenen Notstandsgesetze, weil sie damit einhergehende gravierende Einschränkungen der demokratischen Grundrechte befürchten.

Im Juni 1967 eskalieren die Ereignisse, als die Studenten in Berlin gegen den offiziellen Besuch des persischen Schahs Reza Pahlevi demonstrierten und dabei Benno Ohnesorg getötet wird. Dadurch tritt eine Radikalisierung der Aktionen ein. Mit dem Attentat auf Rudi Dutschke, der Galionsfigur der deutschen Studentenbewegung, entwickelt sich die bis dahin friedlich Protestbewegung zur Studentenrevolte, die fast alle Universitätsstädte erfasst ...

Inmitten dieses Geschehens finden sich die Zwillinge Emma Laakmann und Alice Weiß wieder, die im geteilten Berlin ihre einstige dramatische Trennung überwunden und ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut haben.

Während Emma als Dolmetscherin arbeitet und eine glückliche Ehe mit Julius führt, die allerdings nach einer Fehlgeburt von dem unerfüllten Kinderwunsch überschattet wird, schreibt die Journalistin Alice unter anderem über die sich entwickelnde Studentenbewegung und engagiert sich für verschiedene Fluchtorganisationen. Mit ihrem Mann Max, dem Vater ihrer Tochter Lisa, hat sie ein Arrangement getroffen, das ihnen beiden jede Freiheit einräumt.

Als die aus dem Ostteil der Stadt geflüchtete Sängerin Irma Assmann, die Alice aus ihrer Vergangenheit in einem DDR-Kinderheim keine Unbekannte ist, ermordet wird, geraten die beiden Paare in einen gefährlichen Strudel unterschiedlicher Ereignisse zwischen den Studentenunruhen und Geheimdienstaktivitäten.

Es stellt sich nicht allein die Frage, ob Irma im Westen als Informantin für den KGB gearbeitet hat. Gerät Alice selbst in den Fokus, weil sie wegen einer vermeintlichen Schuld ihre Unterstützung für eine Gruppe, die Flüchtlinge über ein Tunnelsystem in den Westen schleust, intensiviert? Oder sind Julius und Max wegen ihrer vielfältigen Verbindungen zur DDR Zielscheiben der Staatssicherheit und des Bundesnachrichtendienst?


Mit „Kinder des Aufbruchs“ setzt Claire Winter die in „Kinder ihrer Zeit“ begonnene Geschichte der Zwillinge Emma und Alice fort.

Wie ihre Schwester hat nun auch Alice nach ihrer Flucht in den Westen in Berlin ein neues Zuhause gefunden. Beide arbeiten und haben sich mit ihren Ehemännern Julius und Max sowie Tochter Lisa ein Leben aufgebaut. Doch nicht nur der unerfüllte Kinderwunsch von Emma macht ihr zu schaffen. Es sind auch Geheimnisse aller Beteiligten, mit der die Autorin die Leser zu fesseln vermag. Hinzu kommt ein Mord, bei dem fast schon kriminalistischer Spürsinn gefragt ist.

Insgesamt präsentiert Claire Winter eine wendungsreiche Handlung, mit der es ihr in bemerkenswert authentischer Weise gelingt, die politische Situation und die Lebenssituation der Menschen darzustellen.

Glaubwürdig erzählt sie unter Verwendung von wechselnden Perspektiven im Spannungsfeld des nach dem Mauerbaus schwelenden Ost-West-Konflikts auch von der Aufbruchstimmung in der Bundesrepublik, wo entgegen der im Grundgesetz formulierten Grundrechte eine andere Realität offensichtlich ist: nach wie vor bestehen nicht nur eine Bevormundung im Geschlechterverhältnis, sondern außerdem soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten.

Insbesondere die Studenten wollen sich nicht mehr mit dem Althergebrachten zufrieden geben und gehen für einen grundlegenden Wandel der Gesellschaft auf die Straße. Außerdem thematisiert die Autorin die gefährliche Arbeit der Fluchthilfe-Organisationen, den Gefangenenaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten. Nicht zuletzt haben Angehörige der Geheimdienste durchaus fragwürdige Auftritte.

Die lobenswert intensive Recherche der Autorin zahlt sich aus. Ihre umfangreiche Schilderung der damaligen Umstände und tatsächlichen Ereignisse sowie die Einbindung historischer Personen bietet ein anschauliches Kaleidoskop und wirkt gerade dann sehr realistisch, wenn es mit Gegebenheiten im Dasein ihrer fiktiven Figuren verknüpft wird. In diesem Zusammenhang ist die einfühlsame Charakterzeichnung der Protagonisten mit Stärken und Schwächen hervorzuheben.

Tatsächlich erreicht manches Geschehen den Leser so hautnah, dass es Beklemmung hervorruft. Ebenso lassen sich bei der Lektüre indes neben Empörung, Unverständnis und Ablehnung auch Hoffnung und Freude empfinden, so dass auch mittels dieser Emotionalität „Kinder des Aufbruchs“ zu einer nachhaltigen Lektüre wird.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Drachenbanner

Drachenbanner
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Nach dem Tod seines Vaters verändert sich das Leben des vierzehnjährigen Bedric und seiner Familie für immer. Es wird nie mehr das eines gewöhnlichen Leibeigenen sein.

Bedric hebt sich ab von den anderen, ...

Nach dem Tod seines Vaters verändert sich das Leben des vierzehnjährigen Bedric und seiner Familie für immer. Es wird nie mehr das eines gewöhnlichen Leibeigenen sein.

Bedric hebt sich ab von den anderen, schon deshalb, weil er seinem vorgezeichneten Weg eine Wendung geben will. Ihn verbinden freundschaftliche Bande mit Adela, Tochter von Lord Waringham. Beide sind in derselben Februarnacht geboren und von Bedrics Mutter genährt worden. Nachdem sie die ersten sieben Lebensjahren im Grunde immer zusammen waren, hat sich zwischen ihnen ein festes Band der Verbundenheit entwickelt, das trotz aller Standesunterschiede von besonderer Festigkeit ist.

Während Adela als Hofdame zu Prinzessin Eleanor, der Schwester von König Henry III., geschickt und mit Joshua of Meriden verheiratet wird, arbeitet Bedric unermüdlich auf den Feldern und macht sich als Bogenbauer einen Namen. Sein Ziel ist es, sich aus der Leibeigenschaft freizukaufen. Als der alte Lord Waringham stirbt und sein Sohn Raymond an seine Stelle tritt, verhindert dieser, dass Bedric das Joch der Leibeigenschaft abstreifen kann. Der junge Mann flieht nach London.


Rebecca Gablé schildert in ihrem neuen Roman „Drachenbanner“ die Ereignisse während der Herrschaft von Henry III. in den Jahren 1238 bis 1265, insbesondere den Konflikt um die Reformbemühungen von Simon de Montfort, Ehemann der Schwester des Königs, und seiner Anhänger.

Es gelingt der Autorin auf beachtliche Weise, mit der ihr eigenen Handschrift die historischen Hintergründe darzulegen, dabei die Dramatik zu erhöhen. Im Land gärt es, die politischen Verhältnisse stehen auf dem Prüfstand und den Lesern wird es ermöglicht, das Gerangel um die Macht zu verfolgen und zu betrachten. Dabei werden Entscheidungen und das Agieren einst realer Persönlichkeiten mit den fiktiven Protagonisten in Einklang gebracht sowie deren Entwicklung ausführlich beschrieben.

Mit Bedric Archer steht ein Höriger im Mittelpunkt, so dass sich die Gelegenheit bietet, mehr als nur am Rande über das Dasein von Leibeigenen zu erfahren. Die Autorin schildert in anschaulichen und oft bedrückenden Bildern, wie es ist, als Leibeigener ein Mensch ohne Rechte zu sein und damit nichts weiter als Besitz eines Herrn. Die Darstellung des Alltags, die Sorgen und Nöte der Menschen machen es möglich, ihnen nahe zu kommen und ihre Handlungen und Empfindungen nachzuvollziehen.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Willkommen im Aller-Leine-Tal

Aller-Wolf
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Flora Kamphausen ist zu Besuch auf dem idyllisch am Waldrand gelegenen Gutshof ihrer Eltern, die dort ein Restaurant betreiben. Sie gönnt sich in ihrer Heimat eine Auszeit von ihrer Hannoveraner Studenten-WG.

Die ...

Flora Kamphausen ist zu Besuch auf dem idyllisch am Waldrand gelegenen Gutshof ihrer Eltern, die dort ein Restaurant betreiben. Sie gönnt sich in ihrer Heimat eine Auszeit von ihrer Hannoveraner Studenten-WG.

Die junge Frau führt neben ihrem Studium und ihrer Arbeit als freie Mitarbeiterin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Newsblog. Aber die Sache mit der Selbständigkeit im Onlinejournalismus ist komplizierter als sie es vorstellt hat, denn ihr Blog www.aller-lei-online.de, mit dem sie über und für das ländliche Aller-Leine-Tal berichtet, bekommt nicht genügend Zugriffe, was wahrscheinlich daran liegt, dass in der weitläufigen Landschaft zwischen Schwarmstedt, Nienburg, Walsrode und den südlichen Ausläufern der Lüneburger Heide nichts Spektakuläres passiert.

Doch das ändert sich, als jemand telefonisch nach Floras Tante Helene Blume fragt. Diese soll nach ihrer Scheidung im Jahr 2015 ins Ausland verzogen sein, und seitdem existiert es von ihr kein wirkliches Lebenszeichen. Die Anruferin, Katrin Harms, sucht nach ihrer verschwundenen Mutter, Vivian, die 2013 vom Joggen nicht zurückkehrte. Das Interessante: Helene und Vivian waren zu Schulzeiten Freundinnen. Und es stellt sich heraus, dass auch die Dritte im Bunde – Corinna Stadler – seit 2014 vermisst wird.

Ist den Frauen, die einst als Beauty, Smarty uns Sporty ein unzertrennliches Trio bildeten, etwas zugestoßen?

Flora begibt sich auf die Suche und beginnt mit Hilfe ihres Großvaters Carsten, eines ehemaligen Kriminalhauptkommissars, der als Pensionär inzwischen seine Kraft in die Ahnenforschung steckt, und ihrer Mutter Anna den Verbleib der Frauen zu ergründen. Was nicht ohne Ergebnis bleibt.

Allerdings verfolgt nicht nur die Ermittlerfamilie die Spuren. Auch der „Aller-Wolf“ hat Witterung aufgenommen und legt sich auf die Lauer ...


Es gibt wirklich schöne Landstriche in Deutschland, die eine Entdeckung und Erkundung wert sind. Auch wenn dort gemordet wird.

„Aller-Wolf“ ist ein Beispiel dafür, ein gelungenes noch dazu. Bettina Reimann präsentiert uns in ihrem Regionalkrimi mit anschaulichen und detailgenauen Beschreibungen ihre niedersächsische Heimat und das zum Teil auf besondere Weise, nämlich beim sogenannten Geochaching. Nicht nur die Beschäftigung mit dem Suchspiel, bei dem mittels Smartphone oder GPS-Gerät in einem unbekannten Gelände ein Cache, quasi ein „Schatz“ gefunden werden muss, erweist sich als hilfreich bei der Recherche zum Verbleib von drei verschwundenen Frauen.

Für die Ermittlungsarbeit hat sich die Autorin mit den Kamphausens eine Familie ausgesucht, bei der es ihr ausgezeichnet gelingt, für die drei Protagonisten aus drei Generationen von Anfang Sympathie zu wecken. Enkelin und Bloggerin Flora, ihre Mutter und Restaurantchefin Anna und Großvater Carsten, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, agieren Hand in Hand, und jeder trägt auf seine Art dazu bei, das Rätsel um den Aller-Wolf zu lösen.

Das Krimidebüt von Bettina Reimann ist im Wesentlichen ruhig erzählt und wohltuend unblutig und kommt ohne große Grausamkeit aus, obwohl es natürlich tödliche Ereignisse beinhaltet. Die Autorin offenbart menschliche Abgründe, die durch das Versagen Einzelner über Jahre hinweg andauern, nicht überwunden werden und zu Verletzungen führen, die sich dann „entladen“.

In diesem Zusammenhang punktet sie mit einem Wechselspiel aus Gegenwart und Vergangenheit, die Einblicke in die Handlungen und in die Seele des Täters und mithin seine Motivation gestatten. Zugleich legt sie wiederholt neue Spuren, erhöht hierdurch den Spannungsbogen und weckt den Wunsch, das Geschehen und die Ursachen zu ergründen. Bis zum folgerichtigen Ende ...

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Träume über dem Meer

Villa Amalfi
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Idas Geburt im Januar 1934 im kleinen Bergdorf Tramonti ist für Raphaele, den Vater, keine Freude, hatte er doch auf einen Sohn gehofft. Frauen sind für ihn nichts wert und nur Mittel zum Zweck, und Ida ...

Idas Geburt im Januar 1934 im kleinen Bergdorf Tramonti ist für Raphaele, den Vater, keine Freude, hatte er doch auf einen Sohn gehofft. Frauen sind für ihn nichts wert und nur Mittel zum Zweck, und Ida lernt im Laufe der Jahre, sich der Aggressivität und Gewalttätigkeit des trinkenden Vaters zu entziehen. Einzig ihre Mutter liebt sie voller zärtlicher Zuneigung. Sie ist es auch, die Ida fortschickt, als Raphaele die Sechzehnjährige mit einem alten Mann verheiraten will. Vielmehr soll Ida ihren Traum von einem selbstbestimmten freien Leben verwirklichen.

Mit Hilfe von Onkel und Tante gelangt das Mädchen an die Küste von Amalfi, wo sie im Hotel Villa Amalfi in der Küche ihren Dienst als Küchenhilfe bei der Herstellung von Pasta antritt. Es dauert nicht lange, und Ida erobert die Herzen der Menschen im Sturm. Ihre fröhliche Zugewandtheit, mit der sie allen begegnet, wird begleitet von einer Begeisterung für das Hotel und seine Gäste.

Im Laufe der Jahre arbeitet Ida nicht nur an ihrer Unabhängigkeit, denn auf ihren Schultern sitzt ein schlauer Kopf. Sondern sie entwickelt sich von einem schüchternen Mädchen zu einer selbstsicheren jungen Frau, bei der gleichwohl ab und an eine Verletzlichkeit durchscheint.

Ida lernt die Liebe kennen, findet Freunde und begegnet Menschen wie die Hoteleigner Annalisa und Vittorio sowie Köchin Sandra, die ihr Wohlwollen entgegenbringen. Indes stößt sie auch auf Ablehnung, muss Gemeinheiten und Bösartigkeiten aushalten.

Werden sich ihre Träume erfüllen?


Guilia Romanelli nimmt uns in „Villa Amalfi. Träume über dem Meer“ mit an die Amalfiküste und vermittelt einen atmosphärischen Eindruck im Italien ab 1950. Die Autorin schildert Ereignisse in gefälliger leichter Weise und beschreibt den Ort des Geschehens ansprechend, wodurch viel Raum geboten wird, sich lebhafte Bilder vorzustellen.

Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Verlauf der Handlung oft erahnen lässt und leider nicht mehr überrascht. Es fehlt an einer Höhepunkte setzenden Dramatik. Gerade im letzten Drittel ist das Konfliktpotential verschenkt worden Hier fügt sich wie selbstverständlich eines zum anderen und wird schnell einer Lösung zugeführt. In meinem Augen geht so die Möglichkeit, Probleme tiefgreifender darzustellen und der Geschichte insgesamt mehr Aufregung zu verleihen, verloren.

Wenngleich mit einem emotionalen Schreibstil die Empfindungen der Protagonisten sichtbar gemacht werden, sind die Fronten klar verteilt. Es gibt die Gutmenschen-Seite, bei denen sich nur minimale Schwächen zeigen – insbesondere Ida scheint (fast) unfehlbar –, und diejenigen, bei denen negative Charakterzüge überwiegen und den Stempel als unangenehme, gemeine und bösartige Zeitgenossen aufgedrückt bekommen. Vor allem die gleichaltrige Guendalina, Tochter der Hotelbesitzer, ist das typische verzogene Einzelkind, das immer seinen Kopf durchsetzen konnte und es nicht gelernt hat, Verantwortung zu übernehmen. Das ist meiner Meinung nach etwas nah am Klischee.

Schlussendlich bleiben trotzdem einige Fragen offen, die möglicherweise in einer Fortsetzung geklärt werden.

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