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Veröffentlicht am 23.09.2023

Verliert an Spannung

Der Porzellaner
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Gleich zu Beginn des Buches begleiten wir 1719 den flüchtenden Samuel, was zugleich die Frage aufwirft, wie es dazu kommen konnte und somit direkt Spannung bringt. Denn danach folgen die Kapitel von 1706 ...

Gleich zu Beginn des Buches begleiten wir 1719 den flüchtenden Samuel, was zugleich die Frage aufwirft, wie es dazu kommen konnte und somit direkt Spannung bringt. Denn danach folgen die Kapitel von 1706 an chronologisch, während der Bergmann Samuel nach Meißen in die Albrechtsburg kommt, um dort mit Kollegen bei der Herstellung von Gold helfen soll. Böttger hat dies dem Kurfüsten von Sachsen demonstriert, der ihn seitdem gefangen hält und auf das ersehnte Gold wartet, dass er so dringend für seinen teuren Krieg benötigt. Doch was bisher nur ein Trick war, ist nicht leicht zu entwickeln, weswegen Böttger nun zusammen mit Tschirnhaus zunächst hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung kommt – das erste Mal außerhalb Asiens. Doch Tschirnhaus stirbt und Böttger leitet die Porzellanmanufaktur mit Nehmitz, der das Bindeglied zum Kurfürsten darstellt, die sich beide ständig uneins sind und streiten. Die erfolgreiche Produktion von vergleichbarem Porzellan aus China geht einen langen Weg.

"Und doch ist es zerbrechlich, das Porzellan, wie unser Glück, der Reichtum, unser Leben. Im Streit und ohne Frieden bleibt davon nicht mehr als ein paar Scherben.", S. 226

In diesen Roman wird auch die politische Lage von Sachsen und das Leben des Kurfürsten August aufgegriffen. Denn Augusts Gier auf das Gold und sein Umgang mit der Manufaktur sind genauso ausschlaggebend für das weiße Gold, wie die Erfindungen von Böttger und die Leitung von Nehmitz, sowie schlussendlich auch die Flucht und der Verrat von Samuel Stöltzel. Die politische Lage und Samuels Leben werden durch unterschiedliche Perspektiven dargestellt. Neben dem eigentlichen Protagonisten Samuel, kommt auch seine große Liebe Sophie in einigen Kapiteln zu Wort, genauso wie Constantia, die Mätresse des Kurfürsten Sachsens, und August selbst. Die unterschiedliche Sichtweise der Kapitel gefällt mir und gibt der Geschichte ein umfassendes Bild. Man erfährt die Motive und Wünsche der Charaktere, deren Beziehungen verwoben und anschaulich dargestellt sind, sodass alle Reibereien, Streit und Eifersucht nachvollziehbar werden. Constantia ist dabei eine der interessantesten Charaktere im Buch. Sie ist klug und wissenschaftlich interessiert, kein Wunder also, dass sie als die Mätresse Augusts sogar politisch auf ihn eingewirkt hat. Durch ihre Abhängigkeit und Augusts Eifersucht zeichnet die Autorin hier ein sehr gutes Bild über Constantias Leben.

Leider wird die Geschichte dann irgendwann ermüdend, denn die erfolgreiche Porzellanherstellung lässt auf sich warten. Viele Probleme, die dem im Weg standen, werden auch ausgeräumt, doch irgendwie kommt trotzdem nicht richtig Fahrt auf, irgendein Hindernis ist zur Stelle und verhindert eine funktionierende Manufaktur. Vielleicht empfand ich die Geschichte auch irgendwann als langwierig, weil das Potenzial der europäischen Porzellanherstellung zum Greifen nah war, aber doch nie genutzt wurde. Weil aus heutiger Sicht so ein Drama bei der Führung der Manufaktur und die große Gier nach Gold in Akkordherstellung einfach unvorstellbar sind. Auch politisches oder die einzelnen Charaktere nehmen immer mehr Raum ein, weshalb das Thema der Porzellanherstellung noch mehr in den Hintergrund rückt. Die Geschichte zieht sich also, bis am Ende doch wieder mehr Spannung aufkommt und man endlich erfährt, wie es zu Samuels Verlassen der Meißner Manufaktur kam. Andererseits hat mir das Ende nicht ganz gefallen und ich hätte mir zumindest einen Epilog zur Manufaktur gewünscht. Was ich mir auch sehr gewünscht hätte und eigentlich essentiell für einen Roman mit wahrem Hintergrund ist, ist ein Nachwort: Welche Charaktere sind real? Was ist genauso passiert, was wurde für die Spannung des Romans verändert? Nicht einmal die Dankesworte der Autorin lassen die Recherche erkennen, die sie doch gemacht haben muss. Nach dem Beenden des Buches habe ich direkt die Geschichte des Meißner Porzellans auf deren Website und in Wikipedia nachgelesen.


Fazit:
„Der Porzellaner“ ist die Geschichte über Samuel, der maßgeblich an der Erfindung und Entwicklung des europäischen Porzellans beteiligt war. Darüber hinaus wird auch die politische Seite zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch den Kurfürsten August und seiner Maträsse Constantia erläutert, die auch in eigenen Kapiteln zu Wort kommen und den Aufbau der Porzellanmanufaktur beeinflusst haben. In diesem Buch geht es aber vielmehr über die erste Entdeck des Porzellans außerhalb Asiens, als um die Erfolgsgeschichte der Meißner Manufaktur. Mit der Zeit wird die Geschichte langwieriger und gipfelt in einem unzufrieden stellenden Ende. Das fehlende Nachwort und damit Informationen über tatsächliche Begebenheiten und Personen ist leider auch ein Defizit.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 23.09.2023

Amüsant, spannend und herzlich

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Die Tatortfotografin Julia befindet sich gleich zu Beginn damit konfrontiert einen jungen Mann, der grausam entstellt und erstochen wurde, bildlich festzuhalten. Das wird leider kein Einzelfall bleiben ...

Die Tatortfotografin Julia befindet sich gleich zu Beginn damit konfrontiert einen jungen Mann, der grausam entstellt und erstochen wurde, bildlich festzuhalten. Das wird leider kein Einzelfall bleiben und zieht noch mehrere solcher Leichenfunde nach sich. Zu fast der gleichen Zeit ist Inspektor Leopold und Julias Freund bei einem eher kuriosen Leichenfund: Eine Mumie, nach ägyptischen Vorbild konserviert und im Sarkophag gelegt, doch diese ist nicht Jahrtausende alt, sondern handelt sich um den kürzlich verschwundenen Professor der Ägyptologie. Der Totengräber Augustin steht Leo mit Rat zur Seite und versichert, dass es sich um Mord handeln muss. Und als wäre das nicht genug, wird noch ein Wärter im Tiergarten von einem Löwen tödlich angegriffen, doch in diesem Fall vermutet Julia, dass mehr dahinter steckt…

Das Buch startet mit einem Auszug aus Augustin Rothmayers neuem Buch „Totenkulte der Völker“, das perfekt zu dem Mumienfund passt und, wie aus dem ersten Teil gewohnt, auch oft zu Beginn einiger Kapitel zitiert wird. Wieder ein toller Zusatz für die Geschichte, weil Augustins Recherche total interessant ist. Danach gibt es den spannenden und faszinierenden Prolog, der einige Jahre vor der eigentlichen Geschichte in Ägypten spielt, was die Thematik rund um die Ägyptologie, Mumien und Grabschätze perfekt einleitet.

Neben den spannenden Fällen, die nur langsam ein stimmiges Bild ergeben und ich bei dem einen Fall bis zum Schluss nichts erahnen konnte, begleiten wir die Protagonisten auch während ihres Privatlebens. Julias und Leos Beziehung wird auf die Probe gestellt, während Augustin äußerlich abschreckend wirken mag, aber doch das Herz am rechten Fleck hat und dem Waisenmädchen Anna helfen will. Den Totengräber Augustin mag ich richtig gerne und hab jedes Mal geschmunzelt, wenn Leo sich ein bisschen über ihn geärgert oder seine Erscheinung begutachtet hat. Und dies alles findet in großartiger Kulisse des vergangenen Wiens statt. Auf dem weitläufigen Wiener Zentralfriedhof, in den Pferdetramways, die auf den Straßen verkehren, Abendlokalen oder dem interessanten Kunsthistorischen Museum. Auch der Wiener Dialekt findet in den Worten einiger Wiener Charaktere Platz und rundet die Geschichte perfekt ab.


Fazit:
„Das Mädchen und der Totengräber“ beinhaltet faszinierende und zugleich abstoßende Fälle, die sehr spannend aufgebaut sind. Und den liebenswertesten Totengräber, den es gibt, und viele andere Charaktere, denen ich gern gefolgt bin. Der zweite Teil rund um den Totengräber und dem Inspektor hat mich berührt, sowie staunen und schmunzeln lassen.

Veröffentlicht am 18.09.2023

Bester Teil der Reihe!

Fräulein vom Amt – Spiel auf Leben und Tod
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Während sich ganz Baden-Baden durch das stattfindende Internationale Schach-Turnier im Schachfieber befindet, bittet eine Kollegin von Alma sie den Tod ihrer Cousine aufzuklären. Gertrude soll bewusst ...

Während sich ganz Baden-Baden durch das stattfindende Internationale Schach-Turnier im Schachfieber befindet, bittet eine Kollegin von Alma sie den Tod ihrer Cousine aufzuklären. Gertrude soll bewusst oder unabsichtlich durch eigene Hand in einer großen Waschtrommel gestorben sein, doch Almas Kollegin bezweifelt dies und Alma stimmt dem nach ersten Recherchen zu. Also begibt sie sich auf die Suche nach einem Motiv und funkt einer weiblichen Diebesbande dazwischen. Steht beides etwa in Zusammenhang?

Einiges was ich im zweiten Teil der Reihe bemängelt habe, ist hier aber gut gemacht, was mich wirklich gefreut hat. Der Fall zieht sich neben den privaten Begebenheiten von Alma und ihrer besten Freundin Emmi kontinuierlich durch die Geschichte. Obwohl Alma sich mehrmals in Gefahr begibt und sogar körperlich bedroht wird, zieht sie auch ihren Freund und Kriminalkommissar Ludwig mit ein. Alma ist gerissen und hat manches Mal wieder sprunghafte Ideen zur Lösung des Mordfalls, die ich jedoch immer nachvollziehen konnte.

Privat und im Setting der 1920er und Baden-Baden wird von dem Autorinnenpaar auch wieder einiges geschickt eingebaut. Durch Almas Vater wird unter anderem der technische Fortschritt eingebunden und auch die damaligen Film-Stars, Literatur und Musik findet in Gesprächen oder Tanzabenden Platz. Vor allem all die Kleinigkeiten der damaligen Zeit haben mir sehr gefallen, z. B. das Spiel Tipp-Kick (ähnlich wie Kicker), die Bildung einer Gartenstadt oder die Nutzung der Elektrizität. Auch politisch und gesellschaftlich wird der Zeitgeist aufgegriffen. Insbesondere Almas Zerrissenheit zwischen ihrer beruflichen Freiheit und den ernsten Gefühlen zu Ludwig ist sehr gut dargestellt und immer wieder Thema. Alma ist gefangen in den Zwängen und Erwartungen ihrer Zeit und auch Emmie findet in ihrem Liebesleben nicht mehr immer Erfüllung.


Fazit:
„Spiel auf Leben und Tod“ ist meiner Meinung nach der beste bisherige Teil der Reihe rund um das ermittelnde Fräulein vom Amt. Der Fall ist kontinuierlich und verständlich aufgebaut und auch der Lokalkolorit und die vielen großen und vor allem kleinen Dinge der damaligen Zeit werden immer wieder ins Geschehen eingebaut. Ein schöner und spannender historischer Krimi, der mir Spaß bereitet hat.

Veröffentlicht am 18.09.2023

Lesenswerte Biografie über drei beeindruckende Frauen

Marie Curie und ihre Töchter
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Über Marie Curie habe ich schon vor einigen Jahren eine Biografie gelesen und bin seitdem von ihr beeindruckt. Dass ihre Töchter ebenfalls eine große Wissenschaftlerin und Diplomatin waren, wusste ich ...

Über Marie Curie habe ich schon vor einigen Jahren eine Biografie gelesen und bin seitdem von ihr beeindruckt. Dass ihre Töchter ebenfalls eine große Wissenschaftlerin und Diplomatin waren, wusste ich allerdings nicht und war deshalb sehr gespannt darauf, mehr über Marie als Mutter und den Lebensweg ihrer Kinder zu erfahren. Wir begleiten die jugendliche Marie und ihre Töchter bis an deren Lebensende. Ihre Leben sind geprägt von Wissenschaft, Politik, Familie, Feminismus und Kampfgeist.

Die Geschichte wird mittels der auktorialen Erzählweise geschildert, denn die Autorin berichtet oft im Stile von „was sie da noch nicht weiß“ und erzählt beispielsweise, was die Bekanntschaften der drei Curie-Frauen später bedeutendes erleben oder tun. Somit ergibt sich ein umfassendes Bild, mit welchen Persönlichkeiten Marie Curie Kontakt hatte und wie alles zusammenhängt. Trotzdem hätte ich mir mehr Lebendigkeit und hautnah miterlebte Momente in diesem Buch gewünscht. Claudine Monteil erzählt eher trocken und faktisch, von Maries, Irènes und Èves Leben, sodass ich dieses Buch weniger als Roman, sondern eher als Biografie bezeichnen würde. Später haben die Sätze auch oft einen seltsamen Aufbau und die Fülle an Informationen hat mich besonders während des 2. Weltkriegs einfach erschlagen.



Fazit:
„Marie Curie und ihre Töchter“ waren alle drei beeindruckende Persönlichkeiten, die viel in der Wissenschaft, Gesellschaft und Politik bewirkt haben. Dieses Buch ist überaus informativ und lesenswert, auch wenn es manchmal zu trocken und somit nicht immer leicht zu lesen ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 28.08.2023

Schöne & wahre Geschichte über eine unternehmungslustige Frau

Das Lachen der Pinguine
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Die Romanbiographie über Caroline Mikkelsen beginnt 1931 als sie ihren zukünftigen Mann Klarius begegnet und daraufhin heiratet. Die gebürtige Dänin zieht nach Sandefjord in Norwegen, wo sie aber oft gelangweilt ...

Die Romanbiographie über Caroline Mikkelsen beginnt 1931 als sie ihren zukünftigen Mann Klarius begegnet und daraufhin heiratet. Die gebürtige Dänin zieht nach Sandefjord in Norwegen, wo sie aber oft gelangweilt und einsam ist, weshalb sie ihren Mann überredet, ihn bei seiner Arbeit als Kapitän begleiten zu dürfen. Da die Reederei von Klarius‘ Schiff in der Antarktis Walfang betreibt und dort auch das Land erforscht, bietet sich Caroline die Möglichkeit die Antarktis zu ergründen. Somit betritt Caroline am 20. Februar 1935 als erste Frau antarktischen Boden, wo die Besatzung einen Steinhaufen errichtet und Caroline die norwegische Flagge hisst. Die Schifffahrt über den halben Erdball, das Betreten der Antarktis und das Bewundern der Pinguine wird ebenso beschrieben, wie Carolines späteres Leben. Nebenbei enthält die Geschichte auch den Zeitstrang 1995, als die fiktive Journalistin Jesse von Caroline erfährt, nachforscht und einen Artikel über die erste Frau in der Antarktis schreiben will.

Das Buch hat mir Spaß gemacht zu lesen, weil es so angenehm war durch die Geschichte zu gleiten. Die Autorin hat einen sehr flüssigen Schreibstil und die Begebenheiten in Carolines Leben sehr ansprechend beschrieben. In ihren Kapiteln wurde mir nie langweilig, die von Jesse fand ich weniger angenehm, weil sie das für solche Romane manchmal typische Problem-Leben führt, das eigentlich gar nicht hätte sein müssen. Carolines Erzählperspektive wurde noch aufgelockert, indem sie besonders anfangs auch viele Briefe an ihre engste Schwester Elin beinhaltet. Auch wenn man der Protagonistin durch die personelle Erzählperspektive sehr gut folgen kann, sind die Kapitelanfänge mit den Briefen aus Carolines Sicht ein auflockernder Zusatz. Die Fotos und Erläuterung der Autorin zu Beginn der Geschichte sind ebenfalls eine tolles Extra und machen die Erzählung plastischer und realitätsnaher. Eine Andeutung am Ende über Caroline hat mich verwirrt, sodass ich es im Internet nachgelesen habe - hätte meiner Meinung nach also besser erläutert oder einfach weggelassen werden sollen.



Fazit:
„Das Lachen der Pinguine“ erzählt die wahre Geschichte über die erste Frau, die antarktischen Boden betreten hat, und das weitere Leben der unternehmungsfreudigen Caroline. Der zweite Erzählstrang über die Journalistin 60 Jahre später ist nicht ganz so interessant. Durch den sehr flüssigen und kurzweiligen Schreibstil der Autorin macht das Lesen der Geschichte sehr viel Spaß.