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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein unerhörtes Leben mit so mancher Länge und ohne den finalen Kick

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat
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Ein eher merkwürdiger bzw. eigentümlicher Junge, dem zunächst etwas Absurdes widerfährt, der dann über sich hinauswächst und Ungewöhnliches leistet - alles schon gehabt? Ja, richtig! Und so ganz neu war ...

Ein eher merkwürdiger bzw. eigentümlicher Junge, dem zunächst etwas Absurdes widerfährt, der dann über sich hinauswächst und Ungewöhnliches leistet - alles schon gehabt? Ja, richtig! Und so ganz neu war auch vieles andere hier nicht - trotzdem: ich habe das Buch gern gelesen, es ist in einem charmanten Stil geschrieben und trotz arg vieler Längen mangelt es ihm nicht an Charme und Witz. Woran es dem Werk aber vor allen Dingen NICHT mangelt, ist ein intelligenter Autor, der sich auf Anspielungen und Ableitungen versteht und damit einiges wieder wettmacht. Zudem macht er Lust auf mehr: der vergleichsweise junge Gavin Extence hat mit "Das unerhörte Leben des Alex Woods" mit Sicherheit noch kein Meisterwerk abgeliefert, mit der Betonung auf NOCH nicht. Ein offener und optimistischer Rezipient vermag hier nämlich durchaus Potential zu erkennen - es bleibt also zu hoffen, dass Extence in den kommenden Jahren für eine literarische Bombe verantwortlich zeichnen wird.


Ich denke an das Buch als an ein quasi zweiteiliges Leseerlebnis zurück: den ersten Teil muss man überwinden, um zum interessanteren, aber nicht unbedingt originelleren 2. Teil zu kommen, in dem die Geschichte ordentlich Fahrt aufnimmt und durchaus tiefsinnige moralische Fragestellungen aufwirft - trotz oder gerade deswegen hätte der Autor mit seinen Botschaften, die durchaus vorhanden sind, einiges mehr bewirken können.


Fazit: erinnert doch sehr an "Ein ganzes halbes Jahr" in anderem Gewand (wobei mich dieses eher noch weniger überzeugte), wobei es mit Sicherheit nicht als ein Abklatsch zu verstehen ist, dazu differiert das Umfeld doch zu stark, was sich mit Sicherheit auf die mögliche Zielgruppe auswirkt. Aber aus meiner Sicht befindet sich Gavin Extence hier mit der Autorin Jojo Moyes dahingehend in einem Boot, als dass sie - zudem in mehr als ähnlichen thematischen Schwerpunkten - lediglich einen Rohentwurf bieten, der seine ganze Kraft und Wirkung noch nicht voll entfalten kann. Wer im Gegensatz zu mir von "Ein ganzes halbes Jahr" völlig hin und weg ist, dem empfehle ich das Buch allerdings wärmstens, genauso wie es die etwas jüngere Leserschaft, gern auch als "Junge Erwachsene" bezeichnet, ansprechen dürfte.


Ich selbst habe das Leseerlebnis überhaupt nicht bereut, konnte aber mit den gelegentlich etwas leblos scheinenden Protagonisten weder lachen noch weinen - hier fehlte mir irgendwie der finale Kick.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Grauer Büromäuserich trifft auf Knalltüte

Das Glücksbüro
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Albert Glück ist ein richtiger grauer Mäuserich - ein in allen Belangen unauffälliger Mann, der seit mehr als 30 Jahren im Amt für Verwaltungsangelegenheiten arbeitet. Klar, so einer macht einen guten ...

Albert Glück ist ein richtiger grauer Mäuserich - ein in allen Belangen unauffälliger Mann, der seit mehr als 30 Jahren im Amt für Verwaltungsangelegenheiten arbeitet. Klar, so einer macht einen guten Job - durchschnittlich gut eben. Er bearbeitet zuverlässig die eingehenden Anträge, hat einen bis aufs I-Tüpfelchen festgelegten Tagesablauf und fällt trotz seines spektakulären Familiennamens überhaupt kein bisschen auf. Niemand von seinen Kollegen hat engeren Kontakt zu ihm, und deshalb haben sie nie gemerkt, dass Albert IMMER im Amt ist. Er wohnt nämlich dort - seit über 30 Jahren. Das ist seine feste Burg, sein sicherer Hort, er braucht die Akten, die Vorschriften und das ganze Drumherum - die "richtige" Welt draußen mit ihrem Krach, der Aktivität und den vielen Menschen - das schreckt ihn ungemein: nein, das ist nichts für Albert.

Denkt er. Denn eines Tages liegt der Antrag E 45 auf seinem Tisch. Und der ist eigentlich gar nicht existent, das bestätigt auch Alberts Chef. Albert lehnt eine Bearbeitung dieses Antrags kategorisch ab, denn es bleibt ein Rätsel, was denn eigentlich Gegenstand dieses Antrags ist. Aber er hat nicht mit seinem Vorgesetzten gerechnet. Der schickt ihn nämlich raus, in die weite Welt, um Kontakt mit der Beantragenden, mit der Künstlerin Anna Sugus aufzunehmen. Und damit kommt Schwung in Albert Glücks Leben - der Graumäuserich trifft auf die Knalltüte und nichts ist mehr, wie es war.

Sehr, sehr niedlich und herzlich das alles! Wobei, niedlich ist vielleicht das falsche Wort (mir passt es aber trotzdem, jedenfalls, wenn man es mit süsslich und kitschig gleichsetzt. Bezaubernd auf jeden Fall, dass passt! Aus Albert Glücks Büro wird nun peu à peu ein Glückbüro und das ist derart entzückend geschildert, dass man das jedem Kollegen, den man gerne hat, schenken sollte, um ihm wenigstens literarisch einen tollen Arbeitsplatz zu verschaffen. Aber Achtung... auch vor dem Glücksbüro macht das wahre Leben nicht Halt, es ist also auch hier nicht alles eitel Sonnenschein - ganz und gar nicht!

Entzückend geschrieben offenbart das Buch eine weitere Facette in der Begabung des Autors Andreas Izquierdo, der nicht nur durch überaus originelle Romane, sondern auch durch Regionalkrimis bekannt geworden ist. Ein Multitalent, das hoffentlich noch viele unterhaltsame und anrührende Werke verfassen wird!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Nachdem die Warzen auftauchten und die Bowlingtrophäen verschwanden....

Willard und seine Bowlingtrophäen
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war nichts mehr so wie vorher - weder bei Bob (Warzen an delikater Stelle) noch bei den drei Logan-Brüdern, deren Bowlingtrophäen gestohlen wurden. Bob wird vergesslich und beginnt, schlechten Sado-Maso-Sex ...

war nichts mehr so wie vorher - weder bei Bob (Warzen an delikater Stelle) noch bei den drei Logan-Brüdern, deren Bowlingtrophäen gestohlen wurden. Bob wird vergesslich und beginnt, schlechten Sado-Maso-Sex zu mögen, wodrunter die Schriftstellerin Constance, seine Liebste, zu leiden hat. Die Logan-Brüder begeben sich auf eine drei Jahre währende Odyssee durch die Staaten - auf der Suche nach den verschwundenen Trophäen. Dabei werden sie zu Dieben...

Derweil befinden sich die Trophäen bei Willard, einem Pappmachéevogel, der wiederum bei John und Patricia, Bobs Nachbarn, ansässig ist, zwei Cineasten, die es mit Greta Garbo haben.

Wie das alles zusammenhängt und was es mit dem amerikanischen Traum zu tun hat? Nun, greifen Sie zu diesem überaus unkonventionellen, gut geschriebenen und mindestens ebenso gut übersetzten Kriminalroman der Groteske und Sie werden es erfahren. Richard Brautigan schrieb wie keiner sonst und obwohl er bereits seit 30 Jahren nicht mehr lebt, ist sein Werk gegenwärtig wie nur wenige andere. Merkwürdiges trifft hier auf Amerikanisches - oder ist Amerikanisches etwa insgesamt merkwürdig?

Ein heiterer, dabei tiefsinniger Erguss über Sinn und Unsinn des Lebens - unbedingt lesenswert!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine starke Frau

Die Frau, die nie fror
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Pirio Kasparow ist eine starke Frau: sie hat nach dem Tod ihrer Mutter einen schwierigen, zeitweise gar despotischen Vater und eine Stiefmutter, die sich nicht gerade für sie eingesetzt hat, überlebt. ...

Pirio Kasparow ist eine starke Frau: sie hat nach dem Tod ihrer Mutter einen schwierigen, zeitweise gar despotischen Vater und eine Stiefmutter, die sich nicht gerade für sie eingesetzt hat, überlebt. Als Erwachsene wuppt sie die von ihrer Mutter gegründete Parfümfirma - Pirios Nase kann mit der von Jean‑Baptiste Grenouille, dem Duftcreateur aus Süßkinds weltberühmten Roman "Das Parfüm" durchaus konkurrieren - kümmert sich um Noah den Sohn ihrer Freundin Thomasina, die Alkoholikerin ist und: sie kann in eiskaltem Wasser überleben. Das hat sie gerade kürzlich bei einem Unfall bewiesen, bei dem sie mit Dan, Noahs Vater, unterwegs war, der dabei ertrank. Wirklich Unfall oder Mord? Das will Pirio aufklären und begibt sich in Gefahr.

Ein schwieriger Weg - einer zurück zu ihren Wurzeln und leider mit sehr vielen Längen geschildert. Die originelle Story mit der absolut einzigartigen, nie dagewesenen Protagonistin hat leider nicht das gehalten, was sie versprach, wozu leider auch die Übersetzung beitrug, in der manche Bezeichnungen nicht akkurat ins Deutsche übertragen waren und daher irritierten. Hätte mir das Buch insgesamt besser gefallen, würde ich sicher noch zum Original greifen, um gewisse Sequenzen genauer erfassen zu können. Ein eigenartiges Buch also, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ich alle Ereignisse, alle sprachlichen Windungen im Buch genau beurteilen kann.

Fazit: ein interessantes Thema, aus dem leider nicht das Optimum rausgeholt wurde. Ein großes Plus ist die originelle, spröde Protagonistin Pirio. Die Story nimmt zu Beginn und dann wieder zum Ende hin durchaus Fahrt auf - den langgezogenen mittleren Teil muss man aber erstmal durchstehen! Ein bisschen geht das Buch in die Richtung der tollen Krimis von Melanie McGrath um die Fährtenleserin Edie Kiglatuk auf Ellesmere Island, die aber wesentlich extremer und faszinierender ist. Nicht schlecht also, aber auch kein Must-read.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Da lachen ja die Hühner

Hendlmord
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...bzw. würden sie es tun, wenn sie noch leben würden. Tun sie aber nicht! Tot, allesamt, inklusive dem stolzen Hahn - die gesamte Augsburger Zucht von Muck Halbritter, dem Pöldinger Dorf- und Familienfaktotum! ...

...bzw. würden sie es tun, wenn sie noch leben würden. Tun sie aber nicht! Tot, allesamt, inklusive dem stolzen Hahn - die gesamte Augsburger Zucht von Muck Halbritter, dem Pöldinger Dorf- und Familienfaktotum! Und es ist auch Muck, der die Leiche des Hendlwickerls mitten in dessen Verkaufswagen - auf Hochdeutsch ist das ein Grillhähnchenverkauf - entdeckt: Hendlmord also an allen Ecken und Enden. Den gilt es aufzuklären, womit Mucks Frau Sophie, frischgebackenes Mitglied der Starnberger Mordkommission, beauftragt ist - und Muck hilft ihr natürlich, wo er kann. Wenn ihm denn nicht diverse Hürden in den Weg gelegt werden: das hellsichtige und dem ganzen Dorf voraussagende Töchterchen Emma hat Mumps, die Pensionärsvereinigung "Gemeinsam Dabeiseier" ist in Bedrängnis und benötigt Mucks Hilfe nicht nur einmal und vor wird sein Schwiegervater Fidl mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus verfrachtet. Weitere Alltagssorgen wie ein nachhaltiges Stromproblem im Hause sowie ein mehr als pubertierender Sohn erschweren Mucks Dasein. Eine in ihren Hauptzügen - zumindest für mich - absolut unvorhersehbare, in einem fulminanten Finale gipfelnde Auflösung rundet den Fall bzw. die Fälle - Menschen- und Hühnermord - ab.


Ein lustiger, liebevoll gestalteter Krimi der Autorin Ida Ding, die unter anderem Namen auch schon großartige Thriller veröffentlicht hat. Hier stellt sie sich in die Tradition von Ebersdorfer und Kluftinger, wobei bei ihr eine ganze Familie - die Halbritters eben - im Mittelpunkt steht und das Geschehen sich um ein ganzes Dorf rankt. Das ist zuweilen etwas unüberschaubar, trotz des Personenverzeichnisses am Ende des Buches, aber das Dorf - Pöcking am Starnberger See - ist groß und nicht alle auftretenden Akteure finden in besagtem Verzeichnis Platz. Ich jedenfalls hatte immer wieder mal das Problem, die ein oder andere Figur richtig einzuordnen, was das Lesevergnügen aber nur am Rande beinträchtigt hat, wurde ich doch von den zahlreichen entzückenden, von der Autorin selbst angefertigten Zeichnungen, die das Buch durchgehend zieren wie auch durch ein Glossar bayerischer Ausdrücke ausreichend versöhnt.


Unterhaltsam, mitreißend und durchaus originell, da mit allerlei Alleinstellungsmerkmalen versehen, hat das Buch allemal das Zeug, zur Serie ausgebaut zu werden, die mit Ebershofer sowie den München-Krimis um die eigenwillige Elfie Ruhland auf Augenhöhe steht und den aus meiner Sicht auf dem absteigenden Ast befindlichen Kluftinger um Längen schlägt. Ich bin also gespannt, ob und wie es weitergeht und empfehle die Lektüre allen Fans lustiger Krimis - ein Leseerlebnis ganz eigener Art! Wer wissen will, was ein Verwahrkistchen ist, das man in seinem Inneren hat oder wer etwas über Türharfen, die vermeintlich ostindische Schnaderhüpferl aufspielen, erfahren will, der ist hier an der richtigen Adresse!