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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2019

Ein Lichtblick in Österreichs Romanlandschaft

Leibnitz
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Andreas Kiendl, in Österreich eher als Schauspieler, denn als Autor bekannt, hat mit „Leibnitz“ einen Roman geschrieben, der sich so oder so ähnlich überall abspielen könnte:

Das Ehepaar Claudia und ...

Andreas Kiendl, in Österreich eher als Schauspieler, denn als Autor bekannt, hat mit „Leibnitz“ einen Roman geschrieben, der sich so oder so ähnlich überall abspielen könnte:

Das Ehepaar Claudia und Christian Grebien leben gemeinsam mit ihren beiden Kindern im Haus von Christians Eltern. Alt und jung unter einem Dach, ist nicht immer ein Vergnügen. Doch auch das Ehepaar hat außer dem gemeinsamen Singen im Kirchenchor und die Kinder wenig Berührungspunkte. Man lebt eher neben- als miteinander. Christian pendelt wie viele Männer dieser Gegend zum Arbeiten aus. Und genauso ertränkt er die Unzufriedenheit mit sich und dem Leben im Alkohol.
Als er betrunken einen schweren Autounfall verursacht, der ihn als Invaliden zurücklässt, gerät seine ohnehin instabile Welt weiter in Schieflage.

Meine Meinung:

Andreas Kiendl fängt in seinem Roman die Stimmung einer Kleinstadt ein, deren Bewohner durchaus zurückhaltend und manchmal depressiv ist.

Der übermäßige Alkoholgenuss, um seine Sorgen zu ertränken, zieht seine Spur durch den Roman, genauso wie die Sprachlosigkeit, die zwischen den Eheleuten herrscht. Manchmal habe ich mich gewundert, warum Claudia ihren Ehemann nicht rechtzeitig verlassen hat, denn ein harmonisches Zusammenleben sieht anders aus. Dass sie nach dem Autounfall bei ihm bleiben „muss“, um dem Gerede der Leute entgegenzutreten, ist eine schwierige Entscheidung. Wo sollte sie auch hin? Ohne wirkliche Ausbildung? Ohne Rückhalt? Ihre Mutter lebt ihren eigenen Traum in Amerika und die Schwiegereltern, nun ja.

Der Autor beschreibt diese stellenweise recht triste Situation mit einfühlsamen Worten. Der Spagat zwischen „Schein“ und „Sein“ wird von fast allen Mitwirkenden virtuos beherrscht. Sei es der Chorleiter, der seine Frau doch nicht wegen Claudia verlässt, oder die Freundin, die Claudia einen Job verschafft.

Viele der Charaktere sind wie aus dem Leben gegriffen. Der Spiegel, den uns der Autor vor die Nase hält, lässt manchen Leser vielleicht erschrecken. Jede Figur des Romans hat sympathische und (häufiger noch) unsympathische Züge. Dadurch wirkt der Roman lebensecht.

Fazit:

Der Roman besticht durch korrekte Grammatik und wohl gesetzte Worte. Ein Lichtblick in Österreichs Romanlandschaft, auch wenn der manchmal ein pessimistischer Unterton mitschwingt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 07.09.2019

Eine Hommage an eine bemerkenswerte Frau

Judith Kerr
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Dies ist die Biografie der Schriftstellerin Judith Kerr, die 1933 als zehnjähriges Kind mit ihren Eltern aus Nazi-Deutschland fliehen musste.

Das Buch wird aus Sicht der jungen Judith erzählt, für die ...

Dies ist die Biografie der Schriftstellerin Judith Kerr, die 1933 als zehnjähriges Kind mit ihren Eltern aus Nazi-Deutschland fliehen musste.

Das Buch wird aus Sicht der jungen Judith erzählt, für die die Flucht zunächst ein großes Abenteuer zu sein scheint. Die einzige Sorge des Mädchen galt damals dem rosa Kaninchen, das sie zugunsten eines anderen Stofftieres zurückgelassen hat.

Es werden die Stationen der Flucht in die Schweiz und nach Frankreich geschildert, bis es gelingt in England sesshaft zu werden.

Im Gegensatz zu den Eltern, gelingt es Judith und ihrem Bruder Michael recht bald, sich in der entsprechenden Heimat, auch wenn der Aufenthalt nur wenige Monate dauern sollte, sich zurecht zu finden. Vater Alfred Kerr, ein Schriftsteller und Theaterkritiker erhält kaum die Möglichkeit, seine Artikel zu schreiben und Julia, die Mutter, ist Pianistin und Komponistin. Für sie lässt sich ebenfalls kaum Arbeit zu finden.

Interessant ist, dass auch in der Fremde der Unterschied zwischen Sohn und Tochter gemacht wird, wenn es um Ausbildung geht. Als das Geld nur für den Schulbesuch eines Kindes reicht, wird der Sohn vorgezogen. Wenig später erhält Michael mehrere Stipendien und wird später gegen Nazi-Deutschland in den Krieg ziehen.

Judith Kerr hat als Erwachsene mehrere Kinderbücher geschrieben. Darunter jenes mit dem Titel „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, das 1974 den „Deutschen Jugendbuchpreis“ erhalten hat. Mit dieser Trilogie, die starke autobiografische Züge trägt, hat sich Judith Kerr ihre Kindheits- und Jugenderlebnisse von der Seele geschrieben. Für die jungen Leser ist diese Reihe oft der erste Kontakt mit dem Nationalsozialismus.

Meine Meinung:

Autorin Astrid van Nahl ist eine berührende Biografie gelungen. Aus den vorhandenen Tagebüchern und anderen Primärquellen wie Briefen und Interviews hat sie ein wunderschönes Porträt von Judith Kerr gezeichnet. Neben dem privaten Leben und künstlerischen Schaffen hat die politische Weltgeschichte eine großen Platz in diesem Buch.

Herausragend ist der Optimismus, den Judith Kerr an den Tag legt. Diesen kann man auch auf dem Coverfoto erahnen, der die Schriftstellerin zeigt. Schade, dass Judith Kerr die Veröffentlichung ihrer Biografie nicht mehr erleben durfte. Sie stirbt am 22. Mai 2019.

Aufgewertet wird diese Biografie durch zahlreiche Fotos und Ausschnitte aus Judith Kerrs Büchern.

Ein tabellarischer Lebenslauf, „Lebensstationen“ genannt sowie eine ausführliche Bibliografie und ein Personenverzeichnis ergänzen dieses Buch, das durch eine hochwertige Verarbeitung besticht.

Fazit:

Eine einfühlsame Biografie einer Frau, die sich auch durch widrige Umstände ihren Optimismus nicht rauben lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 02.01.2020

ein brisanter Krimi aus Österreich

Öxit
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Bevor die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko das Ergebnis ihrer brisanten Recherchen veröffentlichen kann, wird sie ermordet. Wie zu erwarten, landet der Fall auf dem Schreibtisch von Oberst Radek Kubica, ...

Bevor die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko das Ergebnis ihrer brisanten Recherchen veröffentlichen kann, wird sie ermordet. Wie zu erwarten, landet der Fall auf dem Schreibtisch von Oberst Radek Kubica, der mit Kollegen Franz Dvorak die Ermittlungen aufnimmt. Zu dieser Zeit wissen sie noch nicht, in welches Hornissennest der politischen Intrigen sie mit ihrer Arbeit stechen.

Da gibt es Moritz Petrell, einen Politiker, der ohne Rücksicht auf Verluste und um jeden Preis seinen Parteifreund und Bundeskanzler stürzen möchte, um selbst an die Macht zu kommen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht: Österreichs Austritt aus der EU, Bestechung, Erpressung. Petrell scheut dabei auch nicht davon zurück, auch den Polizeiapparat für seine Zwecke einzuspannen. Er nützt dabei sein Charisma, das ihn bei Frauen besonders gut ankommen lässt, gnadenlos aus.
Der einzige wahre Aufrechte in diesem Sumpf aus Korruption ist Oberst Radek Kubica. Er lässt sich nicht verbiegen und muss seine schlimmsten persönlichen Schicksalsschläge hinnehmen.

Meine Meinung:

Im Lichte der aktuellen Ereignisse in Österreichs Innenpolitik, bekommt dieser Krimi einen besonderen Touch. Sind die Politiker wirklich so korrupt wie beschrieben oder geht es in Wirklichkeit noch ein bisschen ärger zu? Nun, von Morden an Journalisten ist bislang nichts zu lesen, aber wer weiß, was sich da hinter den Kulissen abspielt.

Hans-Peter Vertacnik hat mit seinem Oberst Radek Kubica einen sturen Charakter geschaffen, der auch ohne Rücksicht auf seine eigene Person, die Fälle lösen will. Wir haben das ja schon in den Vorgängern („Donauwölfe“ und „Totenvogel“) gelesen. Auch diesmal ist der Vorgesetzte Stankovic alles andere als hilfreich, sondern wirft Kubica und Dvorak jede Menge Prügel zwischen die Beine. Ein Seitenhieb auf mangelnde Führungskompetenz so mancher Vorgesetzter darf natürlich auch nicht fehlen, war doch der Autor früher Kriminalbeamter und weiß, wovon er spricht.
„...Weil man bei uns grundsätzlich nur Leute auf Seminare schickt, die ihr Metier beherrschen, während jene daheim sitzen, für die solche Trainings gedacht sind...“

Geschickt führt uns der Autor an der Nase herum, in dem er ein junges Paar à la „Bonnie & Clyde“ Überfälle begehen lässt und damit Kubica und Dvorak auf Trab hält.

Daneben nimmt der Konflikt mit Radeks Ex-Frau Anne, die mit dem gemeinsamen Sohn Oscar in London lebt, ordentlich Fahrt auf und endet in einer wahren Tragödie.
Gut gefällt mir, dass Pfarrer Wozzek, der nach wie vor die besten Beziehungen zu seinen ehemaligen (Ostblock)Geheimdienstkollegen hat, ein paar Erkundigungen einziehen darf.

Der Schreibstil ist fesselnd. Es ist kaum möglich, das Buch aus der Hand zu legen. Ein besonderes Schmankerl sind die vielen kleinen, aber feinen Hinweise auf mehr oder weniger bekannte Sehenswürdigkeiten der Stadt, die völlig unaufgeregt und unterschwellig eingebaut werden. Wien ist der passende Schauplatz, denn „ein bisserl was geht immer“ und gut vernetzt zu sein, hilft auch den Kriminalbeamten.

Auch die Namensgebung für die Protagonisten liest sich wie das altösterreichische Telefonbuch: Kubica, Dvorak, Sorko, Stankovic – Wien ist ein Konglomerat aus den verschiedensten Teilen der ehemaligen Habsburgermonarchie.

Wie tief die fiktive heimische Politprominenz in den Sumpf rund um Macht und Geld verstrickt ist, sieht man auch daran, dass Stankovic geheime Dossiers über seine Mitarbeiter angelegt hat. Selbst Marie Haller, die toughe Gerichtsmedizinerin, ist nur eine Marionette in diesem Intrigantenstadl.


Meine Meinung:

Ein politisch höchst brisanter Krimi über Korruption und Erpressung in höchsten Kreisen! Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Allerdings rate ich, die beiden Vorgänger zu lesen.

Veröffentlicht am 31.08.2019

Zerstört an Körper und Geist -Kriegsheimkehrer

Der Weg zurück
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Diese Buch ist die Fortsetzung zu dem viel bekannteren Buch „Im Westen nichts Neues“.

Hier erzählt Erich Maria Remarque wie es der Handvoll Soldaten ergeht, die als Schüler auf die Schlachtfelder des ...

Diese Buch ist die Fortsetzung zu dem viel bekannteren Buch „Im Westen nichts Neues“.

Hier erzählt Erich Maria Remarque wie es der Handvoll Soldaten ergeht, die als Schüler auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs eingerückt und danach an Körper und Geist verletzt wieder in ihr privates Umfeld zurückkehren.

Nichts ist mehr wie vorher. Den jungen Männern, die desillusioniert und orientierungslos sind, schlägt statt der einstigen Kriegsbegeisterung nur noch Verachtung entgegen. Niemand hat ein offenes Ohr für ihre berechtigten Anliegen. So schweigen auch diejenigen, die ein wenig über die erlebten Kriegsgräuel reden wollten auch noch.

Dieser Roman wird aus Sicht von Ernst Birkholz geschrieben (Paul Bäumer ist ja in den letzten Kriegstagen gefallen). Auch Ernst hat große Probleme an das Leben vor dem Krieg anzuknüpfen. Seine Schulkollegen und er können/sollen das Abitur nachmachen. Doch angesichts der Traumata ist es kaum möglich, sich mit Latein, Altgriechisch oder mathematischen Formeln zu beschäftigen.

Als einer der der Heimkehrer wegen Mordes vor Gericht steht, wirft der Autor die (berechtigte) Frage auf, warum das Töten im Zivilleben anders bewertet werden soll, als das vielfache Töten als Soldat. Darauf weiß natürlich keiner eine Antwort.

Fazit:

Ein weiteres beeindruckendes Buch aus der Feder von Erich Maria Remarque, das zu Unrecht im Schatten von „Im Westen nichts Neues“ steht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 31.08.2019

Ein Krimi, den es zu lesen lohnt

Totenland
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MIchael Jensen entführt uns in den April 1945. Das Ende des Nazi-Regime steht kurz bevor. Nur die meisten Nazis glauben (noch) nicht daran. Die Alliierten rücken von allen Seiten auf die Hauptstadt Berlin. ...

MIchael Jensen entführt uns in den April 1945. Das Ende des Nazi-Regime steht kurz bevor. Nur die meisten Nazis glauben (noch) nicht daran. Die Alliierten rücken von allen Seiten auf die Hauptstadt Berlin. In diesem historischen Umfeld ist dieser Krimi eingebettet.

Jens Druwe, ein Kriegsversehrter und ehemaliger Kriminalkommissar, ist als Polizist von Berlin in das kleine Dorf Glücksburg (Schleswig-Holstein) abkommandiert worden. Obwohl nunmehr nur einfacher OrPo erwacht sein kriminalistischer Instinkt wieder, als er zur Leiche eines hochrangigen NSDAP-Funktionärs gerufen wird. Gerhard Lessling, so der Name des Toten, ist alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse. Davon kann sein Bruder Paul, der in der Nähe des Tatorts eine Landwirtschaft betreibt, ein Lied singen.

Bei seinen ersten Erkundigungen stößt Druwe unter den Fremdarbeitern auf Lesslings Hof auf Ludwig Steinfeld, einen Sozialisten, der bei der Evakuierung des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel, abgehauen ist. Doch nicht nur Steinfeld hat sich dort versteckt sondern mehrere Juden. Druwe sieht darüber hinweg und holt sich nur Steinfeld zur Befragung.

Inzwischen sind die zuständigen Ermittler aus Flensburg eingetroffen. Ausgerechnet Hans Oberbauer, Druwes früherer Mitarbeiter, leitet die Morduntersuchung. Ihm zur Seite steht Peter Jünger, ein junger, ehrgeiziger Mann, der ein eingefleischter Nazi ist. Der „Rote Ludwig“ istfür die beiden der ideale Mörder.

Druwe glaubt nicht so recht an Steinfelds Schuld und recherchiert auf eigene Faust weiter. Er stellt sich damit gegen das Regime. Jens Druwe will nur eines: Den wahren Täter finden und der Gerechtigkeit zum Erfolg helfen.

Meine Meinung:

Dem Autor ist hier ein beklemmender Krimi gelungen, der den Fanatismus, den die Nazis an den Tag legen, aufzeigt. Obwohl Deutschland in Trümmern liegt, die Alliierten von allen Seiten auf Berlin marschieren, glauben viele der verblendeten Menschen noch immer an den „Endsieg“. Das wird eindrücklich durch Sidesteps nach Berlin in den Regierungsbunnker dargestellt.

Jens Druwe selbst ist mit seinen fünfzig Jahren ein gezeichneter Mann. Er hat den Kaiser, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, Stalingrad und den Zweiten Weltkrieg überlebt. Obwohl es ihm beruflich geschadet hat, ist er niemals der NSDAP beigetreten. Allerdings hat er, wie er später den Steinfelds erzählen wird, Schuld auf sich geladen, weil sich dem Regime (wie viele andere) nicht entgegen gestellt hat.

Peter Jünger ist ein indoktrinierter junger Mann, der nichts anderes als die Propaganda der Nazis kennt. Anders hingegen Hans Oberbauer, der sein Mäntelchen immer in die richtige Richtung zu hängen weiß. Hauptsache, seine Karriere schreitet zügig voran.

Der Autor zeigt, dass nicht alles schwarz oder weiß ist. Es gibt allerlei Graustufen dazwischen. Das erkennt auch Ludwig Steinfeld, den der Autor folgendes zu Druwe sagen lässt: “... Druwe, durch dich habe ich gelernt, dass die Welt nicht nur Schwarz, oder Weiß ist. Durch dich habe ich ein großes Grau kennenlernen dürfen...“

Sehr gut hat mir gefallen, dass nicht nur die Aufklärung des Mordfalls im Mittelpunkt steht, sondern die Darstellung des sich in Auflösung befindenden 1.000 jährigen Reiches, das glücklicherweise nur 12 (wenn auch dramatische) Jahre angedauert hat.

Dem Autor ist ein Buch gelungen, dass spannend und verstörend zu gleich ist. Es regt zum Nach-und Umdenken an. Michael Jensen hat penibel recherchiert und erklärt im Anhang, was Fakt bzw. Fiktion ist.

Fazit:

Ein Kriminalfall mit Tiefgang, den es zu lesen lohnt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.