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Venatrix

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Veröffentlicht am 25.05.2019

Fesselnd bis zur letzten Seite

Tod im Hamam
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Andreas Pittler hat mit seinem spannenden Krimi, den er in der Hauptstadt Mazedoniens Skopje ansiedelt ist, den Nagel auf den Kopf getroffen.
Boris Woronski, ein Bautycoon, mit einer Vorliebe für ganz ...

Andreas Pittler hat mit seinem spannenden Krimi, den er in der Hauptstadt Mazedoniens Skopje ansiedelt ist, den Nagel auf den Kopf getroffen.
Boris Woronski, ein Bautycoon, mit einer Vorliebe für ganz junge Gemahlinnen, wird ermordet aufgefunden. Doch er ist nicht nur tot, sondern gekreuzigt.
Kommissar Tito Tukovic entdeckt bei seinen Ermittlungen, dass eine Vielzahl von Personen ein Motiv hatte, den umtriebigen Baumeister ins Jenseits zu befördern.

Den alten Leitspruch der Lateiner „Cui bono?“ (Wem nützt es?), kann er hier getrost vergessen – sehr viele Leute ziehen einen Nutzen aus Woronskis Tod, doch blöderweise haben alle ein Alibi. Brenzlig wird die Causa, als er weitere Hinweise erhält.

Sowohl die Schilderung des Alltags als auch die der möglichen und tatsächlichen Täter sind völlig authentisch.
Die Charaktere sind liebevoll und teilweise schrullig gezeichnet, allen voran Prvoslav Tukovic, der Vater des Ermittlers, einstmals selbst Polizist, der dem Tito-Jugoslawien nachtrauert.

Als Österreicherin sind mir balkaneske Zustände nicht ganz unbekannt. Nicht umsonst gibt ein altes Sprichwort, das sagt „der Balkan fängt am Wiener Südbahnhof an“.
Sehr interessant sind die Seitenblicke auf die Vergangenheit des Staates, der immer wieder Spielball der umliegenden (König)Reiche und von 1944 bis 1991 eine Teilrepublik von Jugoslawien. Nach dem Zerfall von Jugoslawien kämpft der kleine Binnenstaat mit Korruption und der Abwanderung vor allem der jungen Bevölkerung.

Einziger Kritikpunkt - viel zu kurz. Ich hätte noch 200 Seiten lang in Skopje bleiben können.

Fazit:

Ein sehr empfehlenswerter Krimi, der mit subtilen Humor bis zur letzten Seite fesselt. Ich gebe gerne fünf Sterne und wünsche mir mehr von Tito Tukovic. .

Veröffentlicht am 25.05.2019

Ein fesselnder hist. Roman am Vorabend des 30-jährigen Krieges

Der göttliche Plan
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Der Historiker und Autor vieler historischer Wien-Krimis Andreas Pittler entführt uns die Zeit der Gegenreformation. Eine Zeit, die von kriegerischen Auseinandersetzungen katholischer gegen protestantische ...

Der Historiker und Autor vieler historischer Wien-Krimis Andreas Pittler entführt uns die Zeit der Gegenreformation. Eine Zeit, die von kriegerischen Auseinandersetzungen katholischer gegen protestantische Herrscher geprägt ist. Unter dem Deckmantel des Glaubens werden Herrschaftsansprüche in Frage gestellt.

Wir haben es hier mit mehreren Handlungssträngen, der jeder für sich ein eigenes Buch füllen könnte: Zum einem, der Aufstand der Iren (und Schotten) gegen das protestantische England, der mit brutaler Gewalt von den Engländern niedergeschlagen wird.
Zum anderen die Böhmischen Landstände, die auf die Erfüllung des Majestätsbriefes von Kaiser Maximilian II. pochen, mit dem er 1609 den böhmischen Untertanen die protestantische Religionsausübung gestattet. Maximilians Nachfolger Matthias, versucht, unter dem Einfluss der mächtigen Katholischen Kirche, die Erlaubnis zurückzuziehen.
Ein weiterer Handlungsstrang ist in Rom rund um den Papst angesiedelt, der durch seine Edikte und die „propaganda fidei“ Jagd auf Andersgläubige macht.

Durch das feine, aber dicht gewobene, Netz der Ereignisse verbunden, treffen einige Betroffene dieser Konflikte in Wien aufeinander.

Andrew O’Connor, der irische Adelige, der beim Aufstand alles verliert was ihm lieb ist und teuer ist und ihn zum Jesuiten werden lässt, sowie der protestantische Laienprediger Černy aus Böhmen, der von O’Connor verhört werden soll.
Intrigen spinnend und seine eigenen Ziele vor Augen, mischt auch der Wiener Bischof und Kanzler von Kaiser Matthias, Melchior Khlesl mit. Je nachdem, welcher Schachzug seinem Ehrgeiz gerade dienlich ist, beeinflusst er den Kaiser.

Geschickt verpackt der Autor die religiösen Differenzen in die Verhöre, die O’Connor mit Černy führt. Der Protestant bringt O’Connors Glauben gehörig ins Wanken. Die Dispute sind tiefschürfend und lassen auch die Leser nicht kalt. Pittlers Schreibstil ist nichts für zwischendurch. Wohlgesetzte Worte,
die beinahe philosophisch anmuten, entwickeln eine Eigendynamik, die den Leser in den Bann schlägt. Die Sogwirkung der Sprache ist unglaublich.
Die Schauplätze in Sligo, Prag, Rom und Wien sind meisterhaft in Szene gesetzt. Als Wienerin konnte ich Khlesl und O’Connor mühelos durch die Hauptstadt des Reiches folgen. Die Entbehrungen der Menschen, die kalten Winter – auf Grund der plastischen Schilderungen ist alles hautnah erlebbar.

Die Leser sind gefordert. Manchmal muss die eine oder andere historische Gegebenheit und/oder Persönlichkeit nachrecherchiert werden. Das ist auch mein einziger (kleiner) Kritikpunkt: ich hätte mir, für alle jene, die sich in Geschichte nicht ganz so firm fühlen, ein Personenregister mit Erläuterungen gewünscht.

Fazit:

Ein großartiger historischer Roman, bei dem der Autor seine Leser zwischendurch mit seinen philosophischen und historischen Betrachtungen fordert. Dies tut dem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch. Eine absolute Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 25.05.2019

Österreich ist frei!

Goodbye
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In seinem nunmehr letzten Band müssen wir Leser Abschied von David Bronstein als Ermittler nehmen.

Man schreibt das Jahr 1955, Österreich ist durch die vier Besatzungsmächte in vier Zonen geteilt. In ...

In seinem nunmehr letzten Band müssen wir Leser Abschied von David Bronstein als Ermittler nehmen.

Man schreibt das Jahr 1955, Österreich ist durch die vier Besatzungsmächte in vier Zonen geteilt. In der Hauptstadt Wien teilen sich die alliierten die einzelnen Bezirke untereinander auf. Das wichtigste Requisit dieser Tage ist der viersprachige Ausweis. Die Gerüchte, dass die Besatzungsmächte die Republik wieder verlassen wollen, machen die Runde und rufen allerlei lichtscheues Gesindel auf den Plan.

Zu allem Überfluss wird in der Schwarzenbergallee die Leiche des Polizeioffiziers und ehemals hochrangigen Kommunisten Vinzenz Seisers gefunden: Ein glatter Herzschuss, offenbar aus nächster Nähe abgefeuert. Obwohl Alois Zedlnitzky, der zuständige Polizist, an der Selbstmord-Theorie zweifelt, wird das Opfer ohne Obduktion Leichnam sofort begraben. Recht bald wird klar, dass der Tote aus Favoriten eine besondere Rolle im Verhältnis der alliierten Besatzungsmächte spielte. Dass der Tote in der amerikanischen Zone gefunden wird, macht den Fall heikel und brisant.

Alois Zedlnitzky wird vom Fall abgezogen, von den eigenen Kollegen beschattet und, weil er auf eigene Faust weiter recherchiert, vorerst nach Kärnten und dann in das Wiener Verkehrsamt strafversetzt. Dort trifft er auf "die Pokorny", die Nichte des legendären Pokorny, der David Bronstein in seinen Anfängen bei der Polizei, begleitet hat. Frau Pokorny bringt Alois Zedlnitzky und Bronstein, der sich, nun siebzigjährig, einsam und unnötig vorkommt zusammen.

David Bronstein läuft wieder zur Hochform auf. Ein schwarzer Gräf & Stift bringt den alten Oberst auf die richtige Spur.

Meine Meinung:

Andreas Pittler ist wieder ein unglaublich realistisches Bild der Zeit gelungen. Das „Who is Who“ der damaligen österreichischen Innenpolitik gibt sich ein kürzeres oder längeres Stell-dich-ein, Adolf Schärf, Karl Renner, Leopold Figl und Bruno Kreisky. Manchmal sind die Beziehungen zwischen den alten und neuen Parteifreunden oder Parteifeinden fließend. Der Leser könnte mitunter den Eindruck haben, es werde gemauschelt, was das Zeug hält. Aber, wir sind ja in Österreich und hier herrscht der Spruch „a bisserl was, geht immer“.


Gekonnt flicht er den Kriminalfall in die historischen Ereignisse rund um den Staatsvertrag ein. Die ehrwürdige Balkonszene im Wiener Belvedere, in der die berühmten Worte "Österreich ist frei" fallen ist, ist Kulisse für den Auftritt von Cerny und Bronstein wie in alten Zeiten.

Herrlich der Kurzauftritt von Edmund Sackbauer, jenes legendären Elektrikers, der in der TV-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ Kultstatus erreichte.

Allerdings bin ich ein wenig wehmütig, dass ich mich nun von David Bronstein verabschieden muss. Doch gerne gönne ich einige ruhige Jahre mit seiner Jelka, die nun ebenfalls pensioniert und nach Wien zurückgekehrt ist.

Gut gelungen ist die Darstellung des alternden Bronstein. Außer dem Kanarienvogel „Burli“ und der Schnapsflasche ist ihm wenig geblieben. Egon Erwin Kisch, der rasende Reporterfreund, ist lange schon verstorben. Ein Lichtblick ist die Rückkehr des jungen Herrn Duft, des einzigen Überlebenden der jüdischen Familie Duft, der wieder ein Textilgeschäft in der Walfischgasse eröffnet.

Fazit:

Wieder ein kolossaler historischer Krimi, der sich 5 Sterne und eine Leseempfehlung verdient

Veröffentlicht am 25.05.2019

David Bronstein kehrt aus dem Exil zurück

Charascho
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April 1945, die Alliierten marschieren von allen Seiten auf Deutschland und Österreich zu. Unterwegs befreien sie Gefangene aus den verschiedenen Lagern. Auch David Bronstein, der im Jahr 1938 nur knapp ...

April 1945, die Alliierten marschieren von allen Seiten auf Deutschland und Österreich zu. Unterwegs befreien sie Gefangene aus den verschiedenen Lagern. Auch David Bronstein, der im Jahr 1938 nur knapp den Nazi-Schergen entkommen ist, weil er durch Jelka und Cerny tschechische Papiere erhalten hatte, ist auch dabei.

Als er endlich in Wien ankommt, ist nichts mehr wie es einmal war. Die Hauptstadt Österreichs gleicht einem Trümmerfeld. Doch wie überall haben sich Wendehälse gehalten. Unter anderen auch die Hausmeisterin seines zerstörten Wohnhauses in der Walfischgasse. Den Hass auf die jüdische Bevölkerung hat sie, wie viele andere, nicht abgelegt

Obwohl schon mehr als sechzig Jahre alt, tritt er wieder seinen Dienst bei der Polizei an. Innenminister und Polizeichef sind Kommunisten, die von den Russen eingesetzt worden sind. Auf Bronstein wartet bereits einige Arbeit, ist er doch auf Grund seiner jüdischen Herkunft als Nazi-Jäger gefragt. Bronstein ermittelt wieder und kann wegen seiner oft unorthodoxen Methoden die ersten Erfolge verbuchen.

Doch sein Vertrauen in die Rechtssprechung gerät gehörig ins Wanken, als er einen der Nazi-Massenmörder aufspürt und verhaftet, aber später keine Anklage erhoben wird.

Da kommt ihm doch die Einladung Jelkas, sie in der wieder erstandenen Tschechoslowakei zu besuchen, gerade recht.

Meine Meinung:

Man merkt, dass die letzten sieben Jahre David Bronstein körperlich und seelisch zugesetzt haben. Der Optimismus ist ihm schon ein wenig abhandengekommen, das kriminalistische Gespür allerdings nicht. Der Wiener Schmäh ist auf Grund der tristen Lage ein bisschen verhaltener. Tiefgründig und böser als je zuvor führt uns Autor und Historiker Pittler durch die zerstörte Stadt. Wie überall, war nun plötzlich keiner bei den Nazis dabei, und wenn, dann nur ein klitzekleines Rädchen. Die Schuldeinsicht ist nicht vorhanden.

Fazit:

Ein betroffen machender Krimi, den uns Andreas Pittler hier vorsetzt.

Veröffentlicht am 25.05.2019

Beste Krimiunterhaltung

Die Spur der Ikonen
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Klappentext:

Zwischen den Wiener Bezirken Margareten und Wieden verläuft die Wiener Mauer, ein von der Staatspartei der ÖDR errichteter "Antifaschistischer Schutzwall" nach Vorbild der Berliner Mauer. ...

Klappentext:

Zwischen den Wiener Bezirken Margareten und Wieden verläuft die Wiener Mauer, ein von der Staatspartei der ÖDR errichteter "Antifaschistischer Schutzwall" nach Vorbild der Berliner Mauer. An ihm werden zwei Schmuggler vom Grenzschutz gestellt. Hauptwachtmeister Peter Landsrait beginnt mit der Aufklärung des Falls. Die politische Großwetterlage erweist sich dabei als ebenso hinderlich wie die Interventionen der allmächtigen Staatspartei.

Meine Meinung:

Historiker und Autor geschichtsträchtiger Bücher Andreas Pittler zeigt wieder einmal sein Können. Doch diesmal, darf es ein Krimi mit viel schwarzem Humor sein. Die Krimihandlung ist nicht das Kernstück dieses Buches.

Nein, vielmehr ist es eine Art Dystopie, die allerdings entgegen der Definition (negativer Ausgang, Zukunft) eine Rückschau und einen guten Ausgang anbietet. Oder ist es vielleicht ein Albtraum, aus dem wir erwacht sind?

Nein, ist es auch nicht. Dazu ist der Krimi mit viel zu viel Ironie und Wortwitz gespickt. Ich habe mich amüsiert und musste dennoch die eine oder andere Passage ernsthaft nachdenken. Ich bin für den Begriff „Persiflage“, der – aus der sicheren Entfernung der Jahre – die ehemalige DDR und ihre Schranzen aufs Korn nimmt. Einiges wird ins Wienerische übertragen und ist lange nicht so gefährlich wie damals in der Wirklichkeit. Wir in Wien leben ja nach dem Motto „ein bisserl was geht immer“.

Aber, bitte lest selbst!