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Veröffentlicht am 01.12.2024

Die Missionarin, die nie in Afrika war

Maria Theresia Ledóchowska
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Verlagstext:

„Maria Theresia Ledóchowska (1863-1922), eine junge Frau polnisch-adeliger Herkunft, kam 1885 als Hofdame von Großherzogin Alice von Toskana in die Stadt Salzburg. Hier fand sie ihre Lebensthemen: ...



Verlagstext:

„Maria Theresia Ledóchowska (1863-1922), eine junge Frau polnisch-adeliger Herkunft, kam 1885 als Hofdame von Großherzogin Alice von Toskana in die Stadt Salzburg. Hier fand sie ihre Lebensthemen: den Kampf gegen die Sklaverei und die Mission in Afrika. Beide waren zentrale Motive für die Gründung des nach wie vor aktiven Missionsordens vom heiligen Petrus Claver in Maria Sorg. Ihre Ideen verbreitete Ledóchowska mit eigenen Druckwerken, der Herausgabe von Zeitschriften und den modernen Medien des beginnenden 20. Jahrhunderts. In der Stadt Salzburg gründete sie ein Afrika-Museum, das „Claverianum“, und prägte damit das Afrika-Bild ihrer Zeit im Spannungsfeld von Mission und Kolonialismus.“

Da ich gerne Biografien über ungewöhnliche Frauen lese, hat mich dieses Buch interessiert. Über die Ordensgründerin Maria Theresia Ledóchowska ist außerhalb der einschlägigen Community wenig bis nichts bekannt. Nun soll mit diesem Buch, das eine wissenschaftliche und kritische Auseinandersetzung mit dieser Frau sein soll, Abhilfe geschaffen werden. Dazu tragen die Erkenntnisse von 12 Autorinnen und Autoren bei, die nun in dieser Biografie zusammengefasst sind.

Auch wenn ich einräume, das Leben der Maria Theresia Ledóchowska im Kontext der Zeit zu betrachten ist, bin ich von Kapitel zu Kapitel zorniger geworden. Von den europäischen Herrschern sowie der katholischen Kirche, ist man ja die Allmachtsfantasien vom „Gottesgnadentum“ etc. mit dem sie sich auf Kosten anderer bereichert haben, gewöhnt.

Leider bekennt sich Ledóchowska ebenfalls zu dieser eifernden Zwangsmission. Nicht immer ist alles gut, was gut gemeint ist. So kauft sie bzw. ihr Orden von Sklavenhändlern verschleppte Kinder frei. Allerdings nicht um sie ihren Familien zurückzugeben, sondern um „gute (katholische) Christen aus ihnen zu machen. Ein einträgliches Geschäft für die Sklavenhändler, die nun nur mehr die Hand aufzuhalten brauchen.

Besonders verstörend sind die Ansichten der Ordensgründerin wie auf Seite 146 ausgeführt:

„Ledóchowska plädiert zunächst für den friedlichen Weg, also die Ausbreitung des Christentums durch die katholischen Missionen. Die Missionare sind Kolonisten, welche die der Arbeit entwöhnten Neger beten und arbeiten lehren und so nach und nach durch freiwillige Arbeiter die Sklaverei ersetzlich machen. Zweitens fordert sie den Ausbau von Eisenbahnen und Telegraphen, damit der Transport nicht durch Sklav:innen sondern auf der Schiene erfolgen könne. Und drittens müsse das Schwert eingesetzt werden, denn in Afrika sei der Kampf zwischen Christentum und Islam entbrannt, zwischen Kreuz und Halbmond. Dieser dürfe nur begonnen werden, wenn eine Niederlage ausgeschlossen werden könne und das bedeute, dass zuerst an den Küsten die Herrschaft der Europäer etabliert werden müsse.“

Und so eine Person wird seitens der Kirche 1975 selig gesprochen?! Dabei kennt sie die Zu- und Umstände vor Ort gar nicht. Maria Theresia Ledóchowska hat mehr oder weniger gemütlich in Salzburg gelebt und hat Afrika Zeit ihres Lebens nicht besucht. sie kennt alles nur vom Hörensagen und von Fotos, die sie für ihre Vortragsreihen benützt. Diese rund 2.000 oft handkolorierten sind im Ordenshaus Maria Sorg in Salzburg gefunden worden.

Der Orden besteht nach wie vor, weshalb das Stadtarchiv Salzburg nun dieses durchaus kritische Buch zu Maria Theresia Ledóchowska herausgebracht hat. Dass die Ordensgründerin der Freiwilligen Feuerwehr Lengfelden (Bergheim) die damals modernste Feuerwehrspritze gespendet hat, kann meiner Ansicht nach nicht über das Leid hinwegtäuschen, das den Familien in Afrika durch die Christianisierung angetan worden ist.

Ja, es ist notwendig den Menschen in Afrika zu helfen, aber mit Rücksichtnahme auf örtliche Gepflogenheiten und ohne sie zu Bittstellern zu degradieren und als Gegenleistung für die Unterstützung, den christlichen Glauben annehmen zu müssen. Auf der Website des Ordens wird um Spenden für Bücher gebeten. Keines der taxativ aufgezählten Werke hilft den Lesern bei der Bewältigung des kargen Alltags, sondern „soll den Glauben stärken“.

Da zwölf Personen Beiträge verfasst haben, wird in jedem Bezug auf ihre adelige Herkunft genommen. Das ist ein bisschen ermüdend zu lesen. Da hätte das Lektorat eventuell steuernd eingreifen können.

Fazit:

Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Ordensgründerin ist längst überflüssig, zumal der Orden, wie in dem Buch zu lesen ist, weiter besteht und seine Arbeit im Sinne seiner Gründerin fortführt. 4 Sterne

Veröffentlicht am 30.11.2024

„Wer zu viel Wahrheit spricht, wird ganz gewiss gehängt.“

Mein Name ist Barbra
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„Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Nase bekam mehr Presse als ich selbst.“

Lange mussten Fans von Barbra Streisand auf eine Autobiografie warten. Nun ist sie erschienen ! Zunächst nur auf englisch, ...


„Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Nase bekam mehr Presse als ich selbst.“

Lange mussten Fans von Barbra Streisand auf eine Autobiografie warten. Nun ist sie erschienen ! Zunächst nur auf englisch, nun aber auch auf Deutsch. Das Kuriose daran - die Rechte dafür hat Jürgen Lagger, der Eigentümer des Ein-Mann-Verlages Luftschacht in Wien und nach eigener Definition, ein Streisand-Freak, bekommen. Nun liegt es schwer in der Hand, das Werk - 1.200 Seiten, in gediegener Aufmachung und sorgfältig gebunden.

Das Buch liest sich wunderbar. Es ist, als säße Barbra Streisand gegenüber und erzählte aus ihrem Leben. Sie gilt als schräg (Ansichtssache), perfektionistisch (klar, wenn man eine Mutter hat, die einem nichts zutraut) und als Kontrolletti (ja, muss auch sein, wenn sich Männer nicht an Absprachen halten und Szenen aus Filmen herausschneiden). Sie selbst stuft sich als schüchtern ein und kompensiert diese Schwäche (?) mit Ehrgeiz und Fleiß.

Sie spricht über ihre Filme, erklärt facettenreich die diversen technischen Details bei den Kameraeinstellungen, sowie ihr Faible für üppige Kostüme. Das mag, nachdem sie rund 20 Filme gedreht hat, für den einen oder anderen Leser mitunter ermüdend wirken. Mir hat dieser Detailreichtum rund um Filmset bzw. Theater sehr gut gefallen. Ebenso aufschlussreich und beeindruckend ist die Liste der Berühmtheiten aus Film und Theater, die Streisand im Laufe ihres Lebens kennenlernt. Mit einigen davon arbeitet sie auch dann.

Breiten Raum nimmt ihr Herzensprojekt „Yentl“ ein. Ein Film, den niemand so recht machen wollte. Daher übernimmt sie die das Schreiben des Drehbuchs, die Produktion, die Regie und die Hauptrolle gleich einmal selbst. So ist sie, die Streisand. Hindernisse sind dazu da, um überwunden zu werden.

Sie erzählt von ihren Anfängen, Fortschritten und Rückschlägen, sowohl im Beruflichen als auch im Privaten. Interessant ist, dass sie seit ihrer Kindheit einen Tinnitus hat. Noten lesen kann sie übrigens, nach eigener Aussage, auch nicht. Wenn sie eine neue Melodie im Kopf hat, summt sie die dem Pianisten oder Bandleader vor, damit er sie niederschreibt und arrangiert.

An einigen Stellen prangert sie das frauenfeindliche Klima in der Filmwelt an. Als hübsches Gesicht sind Frauen gefragt, da sie Geld in die Kassen spülen, als Produzentinnen oder Regisseurinnen werden sie von der Lobby der alten weißen Männer negiert. Sie spricht auch den eklatanten Unterschied bei den Gagen an.

„Wer zu viel Wahrheit spricht, wird ganz gewiss gehängt.“

Ergänzt wird dieses opulente Werk durch zahlreiche Fotos, Zitate sowie Liedtexte und Auszügen aus Dialogen von Streisands Filmen und Theaterstücken.

Fazit:

Mir hat diese Autobiografie und die Geschichte, wie es zur deutschen Veröffentlichung gekommen ist, ausgezeichnet gefallen. Gerne bewerte ich dieses Buch mit 5 Sternen.

Veröffentlicht am 30.11.2024

Süße Verführung!

Wiener Zuckerbäckerei
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Dieses, in gediegener Aufmachung als Hardcover mit Lesebändchen und Goldprägung erschienene Backbuch ist eine Hommage an die Wiener Zuckerbäckerei des 19. Jahrhunderts.

Autorin Bernadette Wörndl hat ...

Dieses, in gediegener Aufmachung als Hardcover mit Lesebändchen und Goldprägung erschienene Backbuch ist eine Hommage an die Wiener Zuckerbäckerei des 19. Jahrhunderts.

Autorin Bernadette Wörndl hat die Rezepte der Zuckerbäckerin Theres Scholz (geboren 1884) in die Moderne übersetzt. Dazu musste sie die Kurrentschrift lernen und die damals üblichen Maßeinheiten wie Loth in das aktuelle System der SI-Einheiten transferieren. Das Wagnis ist ebenso gelungen, wie die wunderbaren Fotos von Melina Kutelas.

Welche Rezepte verrät uns die Autorin?

Kuchen & Tartes
Torten
Schnitten & Rouladen
Teegebäck
Mehlspeisen
Weihnachtsgebäck
Puddings, Cremes & Eingemachtes

Die einzelnen Rezepte sind übersichtlich gestaltet und die Arbeitsanleitung praktikabel verfasst. Als Wienerin finde ist es besonders ansprechend, dass die Zutaten in österreichischem Deutsch angegeben sind. Keine Angst, ein Glossar erklärt die Begriffe.

Während ich diese Rezension schreibe, weht ein himmlischer Duft aus meiner Küche. Mann & Sohn versuchen sich soeben an Schaumrollen (S.100). Für die sonntägliche Jause ist die Mohntorte (S. 67) geplant.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Hommage an die Wiener Zuckerbäckerei, die nicht nur den Gaumen sondern auch das Auge erfreut, und einen Ehrenplatz im Kochbuchregal bekommen wird, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 29.11.2024

Aus dem Leben eines Kriegschirurgen

Dissonanzen
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Humanitäre Hilfe ist ein Mittel gegen den Krieg

Autor und Arzt Flavio del Ponto feiert 2024 seinen 80. Geburtstag, Grund genug, sein abenteuerliches Leben Revue passieren zu lassen. Doch der eigentliche ...

Humanitäre Hilfe ist ein Mittel gegen den Krieg

Autor und Arzt Flavio del Ponto feiert 2024 seinen 80. Geburtstag, Grund genug, sein abenteuerliches Leben Revue passieren zu lassen. Doch der eigentliche Anlass dieses Buch zu schreiben, ist der 24. Februar 2022, als Putins Truppen in der Ukraine einmarschiert sind und er ein Déjà-vu von toten Soldaten und Zivilisten hat.

Der Schweizer Flavio del Ponte war meistens als Arzt im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes 40 Jahre lang als an den unterschiedlichsten Kriegsschauplätzen der Welt. Seine Einsätze führten ihn unter anderem nach Kambodscha, Afghanistan und Ruanda, wo er - wie er erzählt - die am Straßenrand gestapelten Leichensäcke zählt. Ein schwieriger Einsatz war auch jener in Rumänien, als nach dem Sturz des Diktatorenehepaares Elena und Nicolae Ceaușescu, auf Hunderte völlig verwahrloste Waisenkinder trifft, die in ebenso verwahrlosten, ungeheizten Häuser dahinvegetieren.

Flavio del Ponte berichtet über seine langjährige Tätigkeit als Kriegschirurg, der nicht zwischen den Kriegsparteien unterscheidet. Ob Freund oder Feind - er behandelt beide. Zunächst ist natürlich die Erstversorgung vorrangig. Doch del Ponte macht sich auch Gedanken darüber, welches Leben die Opfer der Kriege, denen oft Arme oder/und Beine amputiert werden mussten, führen werden. Am Ende des Buches sind ein paar Fotos von Kindern, denen Minen Gliedmaßen zerfetzt haben zu sehen.

"Man darf die Menschen nicht im Stich lassen, das Leiden ist groß"

Manche Absätze lesen sich ein wenig distanziert, doch vermute ich hier eine Art Selbstschutz, um nicht angesichts des Leids, dass sich die Menschen untereinander zufügen, den Verstand zu verlieren, gleichzeitig spricht er hin und wieder von großen Abenteuern. Da kommt mir gleich der 1970 entstandene Film MAS*H mit Elliott Gould, Donald Sutherland und Tom Skeritt in den Sinn, der im Korea-Krieg spielt. So waren seine Einsätze sicher nicht.

Wenn man den Status der aktuellen Weltlage betrachtet, wird den Ärzten an den diversen Kriegsschauplätzen die Arbeit weiterhin leider nicht ausgehen.

Fazit:

Wenn Flavio del Ponte sagt, "Humanitäre Hilfe ist ein Mittel gegen den Krieg" wird er wohl wissen, worüber er spricht. 4 Sterne

Veröffentlicht am 29.11.2024

Interessant!

Fritten mit Napoleon
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Dieses Buch von Autor Achim Konejung ist nicht ganz leicht einzuordnen. Ein Sachbuch über touristisch aufbereitete Exkursionen zu den Schlachtfeldern von Waterloo über Verdun zum Westwall, Soldatenfriedhöfe ...

Dieses Buch von Autor Achim Konejung ist nicht ganz leicht einzuordnen. Ein Sachbuch über touristisch aufbereitete Exkursionen zu den Schlachtfeldern von Waterloo über Verdun zum Westwall, Soldatenfriedhöfe inklusive? Kindheitserinnerungen an Ruinen und keine Antworten auf Fragen nach dem Krieg? Wortfetzen aus Erzählungen des Vaters, Onkels und Großvaters immer mit dem Vermerk, für eine Antwort „noch zu klein zu sein“? Wann ist man alt genug, etwas über den Krieg zu erfahren? Hilft es, andere Erwachsen zu fragen und ihren Worten zu glauben? Oder ist der Gang in die örtliche Bibliothek der richtige Weg? Oder muss man, wie der Autor als Battlefield-Guide Touristen über die Schlachtfelder führen, um das Grauen des Krieges wirklich verstehen zu können?

Nun, ich persönlich habe das Buch einerseits als Erinnerungen an die Kindheit und Jugend eingestuft, zumal der Autor von den zahlreichen berufsbedingten Umzügen der Familie berichtet, und andererseits in die Geschichte einer Spurensuche nach historischen Gedenkstätten.

An manchen Stellen, wie dem Schlachtfeld rund um Waterloo und Belle Alliance, habe ich mich dem Autor sehr nahe gefühlt. Meine Freundin hat über zwanzig Jahre in Brüssel gelebt und bei einem meiner Besuche (2014) habe ich das Wellington-Museum sowie den Butte de Lion und das Museum in Waterloo besichtigt. Leider war das Areal gerade eine Baustelle, um für die Gedenkveranstaltungen für das 200-Jahr-Jubiläum 1815/2015 gerüstet zu sein. An dem Tag hat es geregnet und der Matsch war knöcheltief. So habe ich persönlich einen ungefähren Eindruck von den Bedingungen, die bei der Schlacht geherrscht haben müssen, bekommen.

Achim Konejung verknüpft in seinen Reisen zu Schauplätzen, die Europas Geschichte nachhaltig beeinflusst haben, Geschichte und Gegenwart mit seiner persönlichen Analyse. Über allem schwebt die Frage, ob man aus der Geschichte lernen kann oder ob das lediglich ein frommer Wunsch ist.

Die ständige Beschäftigung mit den Toten und Verstümmelten der Kriege lässt Konejung nicht kalt. Er muss sein Egagement als Battlefield-Guide letztlich aufgeben, denn zwischen dem ehrlichen Gedenken zahlreicher Besucher an Verwandte mischt sich die makabre Sensationsgier mancher Schaulustiger.

Fazit:

Ein interessantes Buch, das unter anderem die Frage aufwirft, ob Kriege noch zeitgemäß sind. Die Antwort kann man leider in den täglichen Nachrichten lesen. 4 Sterne.