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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Großartig

Der große Mandel
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Sehnsüchtig habe ich den dritten Mandel-Roman erwartet und wurde nicht enttäuscht. In „Der große Mandel“ schickt Mayer die beiden ehemaligen Musikjournalisten Sigi Singer und Max Mandel, die sich mittlerweile ...

Sehnsüchtig habe ich den dritten Mandel-Roman erwartet und wurde nicht enttäuscht. In „Der große Mandel“ schickt Mayer die beiden ehemaligen Musikjournalisten Sigi Singer und Max Mandel, die sich mittlerweile in Berlin mit einem Detektivbüro selbstständig gemacht haben, in ihre alte Heimat nach Regensburg. Beide wollen dort an einem Wrestling-Seminar teilnehmen, das Sigi Max zum Geburtstag geschenkt hat. Doch schon bald müssen sie wieder als Ermittler ran. Um herauszufinden, wer hinter der Erpressung eines Catchers steckt, touren Mandel und Singer mit einer kleinen Wrestling-Liga quer durch Deutschland. Den Roman zu lesen hat einfach nur riesigen Spaß gemacht. Ich mag Mayers sarkastischen, pointierten Erzählstil und liebe seine unverwechselbaren, extrem coolen und etwas skurrilen Charaktere. Obwohl die Mandel-Romane als Krimis deklariert werden, ist es allerdings nicht die Krimihandlung, die die Romane ausmachen. In „Der große Mandel“ setzt diese sogar erst recht spät ein. Es sind die vielen popkulturellen Anspielungen und das fast schon nerdige Hintergrundwissen zu Themen wie Musik oder – in diesem Fall – Wrestling, die die Romane zu etwas besonderem machen. Insgesamt geht es in der Trilogie auch um die Entwicklung einer Freundschaft. Was passiert mit zwei ehemaligen besten Freunden, die sich auseinanderleben? Von denen sich einer ständig dem anderen unterlegen fühlt? Auf seinen letzten Seiten kommt „Der große Mandel“ sogar etwas philosophisch daher und stimmt einen nachdenklich. Wirklich schade, dass das der letzte Mandel-Roman war. Übrigens: Auch wenn die drei Mandel-Romane „Mandels Büro“, „Black Mandel“ und „Der große Mandel“ in sich abgeschlossen sind, sollte man die Mandel-Trilogie unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen, um die Entwicklung der Protagonisten zu verstehen.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Hoffnung, Leid und Freundschaft

Stadt der Diebe
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Leningrad im Winter 1942: die Stadt wird von den deutschen Truppen belagert, es herrschen Kälte, Hunger und Not. Mittendrin in der umzingelten, ausgebombten Stadt befinden sich der 17 Jahre alte Lew und ...

Leningrad im Winter 1942: die Stadt wird von den deutschen Truppen belagert, es herrschen Kälte, Hunger und Not. Mittendrin in der umzingelten, ausgebombten Stadt befinden sich der 17 Jahre alte Lew und der 20 Jahre alte Kolja. Die zwei unterschiedlichen jungen Männer treffen im Gefängnis aufeinander, beide stehen kurz vor ihrer Hinrichtung, denn Kolja ist ein Deserteur und Lew wurde beim Plündern erwischt. Doch dann bekommen beide eine Chance auf Begnadigung, wenn sie eine schier unlösbare Aufgabe bewältigen: Im belagerten, ausgehungerten Leningrad sollen sie ein Dutzend Eier für die Hochzeitsfeier der Tochter des befehlshabenden Oberst auftreiben. „Die Stadt der Diebe“ ist ein sehr außergewöhnlicher Roman, der mir aus mehrerlei Gründen sehr gut gefallen hat. Da ist zum einen der Schreibstil: Benioffs Ton ist leicht und voller Humor, obwohl er eine tragische, brutale und sehr aufwühlende Geschichte erzählt. Wie er dieses Gräuel mit Humor und leise, ernste Momente mit unbeschwerten vermischt, ist einfach großartig. Die Charaktere sind extrem gut gezeichnet und selbst die Nebenfiguren hat Benioff so ausgearbeitet, dass sie einem sehr nah sind. Gelungen sind auch Stimmung und Szenario: man bekommt richtig Gänsehaut, wenn Kolja und Lew durch das zerbombte, klirrend kalte Leningrad streifen und kann das ganze Leid gar nicht richtig fassen. Nebenbei erfährt man einiges über den russischen Kriegswinter 1942 – aus Sicht der Russen. Klar, wer natürlich einen detailliert ausgearbeiteten historischen Roman über die Belagerung Leningrads lesen will, ist mit diesem Buch vielleicht falsch beraten. „Die Stadt der Diebe“ ist nur eine kleine Momentaufnahme aus jener Zeit und sagt aber dennoch so viel. Ein toller, empfehlenswerter Roman: Benioff erzählt über Freundschaft und Liebe und über unfassbare Grausamkeiten, ohne dabei anklagend zu werden. Und am Ende ist so viel Hoffnung.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Ein Stück Zeitgeschichte

In Zeiten des abnehmenden Lichts
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Aufmerksam auf das Buch bin ja tatsächlich durch den Titel geworden, den ich einfach toll finde. Und er gibt wirklich gut die Stimmung des Buches wider. Aber auch der Roman hat es mir letztendlich angetan ...

Aufmerksam auf das Buch bin ja tatsächlich durch den Titel geworden, den ich einfach toll finde. Und er gibt wirklich gut die Stimmung des Buches wider. Aber auch der Roman hat es mir letztendlich angetan und mich sehr begeistert. Es ist ein Familienroman und auch ein Stück Zeitgeschichte. Über fast vier Generationen hinweg schildert Ruge den schleichenden Untergang der DDR-Diktatur und das Schicksal einer Familie in der DDR. Von den Großeltern, die noch für den Kommunismus brannten und nach der Machtergreifung Hitlers ins Exil nach Mexiko gehen mussten über den Sohn, der ins russische Arbeitslager geriet und nach Jahren mit einer russischen Frau heimkehrt bis hin zum Enkel, der noch vor dem Mauerfall in den Westen flieht – zurück lässt er einen Sohn im Teenager-Alter, der bereits zu einer ganz anderen Generation gehört. Erzählt wird der Roman nicht chronologisch, sondern vielmehr in Montagetechnik. Zentrum der Geschichte ist der 90. Geburtstag des Großvaters im Jahr 1989. Faszinierend fand ich es, wie Ruge es schafft diese komplexe Geschichte, die ja immerhin um die 50 Jahre umfasst und in drei Ländern spielt, auf eigentlich recht wenigen Seiten zu erzählen. Man vermisst inhaltlich nichts und kann der Geschichte trotz der vielen Zeitsprünge sehr gut folgen. Den Schreibstil fand ich anfangs ein wenig eigenwillig, viele Stellen lesen sich wie eine Art innerer Monolog. Aber genau das macht den Roman aus. Die Stimmung des Romans ist sehr melancholisch, fast schon morbide und ein wenig negativ – ganz leicht meint man aber hier und da auch ein wenig Ironie zu spüren. Das passt natürlich wieder gut zum Inhalt. Ein ganz toller, interessanter Roman über ein Stück neuere Geschichte, der nichts verherrlicht, nichts beschönigt, aber auch keine Schuldigen sucht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Grandiose Familiensaga

Das Haus am Alsterufer
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Was für eine mitreißende, tief gehende, rundum gelungene Familiensaga. Micaela Jary hat ihren Roman „Das Haus am Alsterufer“ in der Zeit vor und während des ersten Weltkriegs angesiedelt – eine Zeit voller ...

Was für eine mitreißende, tief gehende, rundum gelungene Familiensaga. Micaela Jary hat ihren Roman „Das Haus am Alsterufer“ in der Zeit vor und während des ersten Weltkriegs angesiedelt – eine Zeit voller Umbrüche. Im Mittelpunkt des Romans stehen die drei Töchter des Hamburger Reeders Victor Dornhain. Schon gleich zu Beginn des Romans bahnt sich ein Drama an. Denn die beiden jüngeren Schwestern Nele und Lavinia verlieben sich in den gleichen Mann. Nele verzichtet schließlich zugunsten ihrer Schwester auf die Liebe ihres Lebens. Doch der Ausbruch des ersten Weltkriegs verändert alles. Parallel dazu wird die Geschichte des Dienstmädchens Klara erzählt, die im Haus am Alsterufer eine Anstellung findet und deren Schicksal eng mit der Familie Dornhain verbunden scheint. „Das Haus am Alsterufer“ ist aber nicht nur eine Liebegeschichte, sondern im Grunde ein hervorragend gut recherchiertes Zeitdokument. So werden eben auch die sozialen Gegebenheiten und Probleme zu jener Zeit angesprochen sowie ein Blick auf die Frauenrechtsbewegung geworfen oder Bezug auf die Künstlerkolonie am Monte Veritá in der Schweiz genommen. Der Schreibstil ist gefühlvoll, vereinnahmend und packend. Ich wurde gleich von der ersten Seite an in die Geschichte hineingezogen und konnte das Buch kaum mehr zur Seite legen. Auch die Charaktere waren alle greifbar und sind mir sehr ans Herz gewachsen. Das Ende war relativ offen, was ich aber in diesem Fall gar nicht so schlimm fand. So lässt einen der Roman auch etwas in sich gekehrt zurück. Vielleicht besteht aber auch Hoffnung auf eine Fortsetzung. Summa summarum ein grandioser historischer Roman, der alles hat, was ein guter Roman braucht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Blutige Schnitzeljagd

Fünf
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Eine tote Frau mit eintätowierten Koordinaten, Leichenteile in Plastikbehältern, seltsame Rätselaufgaben: Es ist eine grauenvolle Schnitzeljagd, eine blutige Version des Geocaching, auf die sich das Salzburger ...

Eine tote Frau mit eintätowierten Koordinaten, Leichenteile in Plastikbehältern, seltsame Rätselaufgaben: Es ist eine grauenvolle Schnitzeljagd, eine blutige Version des Geocaching, auf die sich das Salzburger Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenniger einlassen muss. Mit „Fünf“ hat Poznanski einen spannungsgeladenen, durchdachten und gelungenen Thriller vorgelegt, der sich auf jeden Fall von der Masse abhebt. Zunächst einmal finde ich Poznanskis Schreibstil einfach toll. Sie erzählt sehr fesselnd und stilsicher. Ich war sofort in der Geschichte gefangen und konnte das Buch überhaupt nicht mehr zur Seite legen. Obwohl ich Thriller aus Ermittler-Sicht eigentlich gar nicht mag, weil mir das oft zu eintönig ist, hat mich das in diesem Fall überhaupt nicht gestört. Denn die Charaktere waren einfach sehr vielschichtig und interessant, aber auch greifbar und real. Gerade zu Beatrice konnte man eine starke Bindung aufbauen. Der Plot war nicht nur originell, sondern auch logisch aufgebaut. Lange weiß man nicht, wer der Mörder ist. Fast gleichzeitig mit Beatrice – aus deren Sicht die Geschichte hauptsächlich erzählt wird – kommt man ihm auf die Schliche. Die Auflösung fand ich einfallsreich und – im Vergleich zu anderen Thrillern – mal etwas anderes. Überraschend ist auch das Motiv des Mörders. Ein intelligent gemachter, innovativer Psychothriller, spannend bis zur letzten Seite.