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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Eine etwas andere Goethe-Biografie

Goethe - Die ganze Wahrheit
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Eine etwas andere Goethe-Biografie hat der Illustrator Christian Moser mit diesem Büchlein vorgelegt. Auf sehr leichte und vor allem humorvolle Weise bringt er den Lesern den deutschen Dichterfürsten näher. ...

Eine etwas andere Goethe-Biografie hat der Illustrator Christian Moser mit diesem Büchlein vorgelegt. Auf sehr leichte und vor allem humorvolle Weise bringt er den Lesern den deutschen Dichterfürsten näher. Obwohl vieles natürlich sehr überspitzt dargestellt ist, bleibt Moser aber nah an der Wahrheit und man merkt, dass er einfach sehr gut recherchiert hat. Die Biografie Goethes wird diesmal von einem Teufel namens Mephisto erzählt. Mephisto wird schon auf Goethe aufmerksam, als dieser gerade mal fünf Jahre alt ist. Später verführt ihr ihn zum Teufelspakt, fördert ihn und begleitet ihn dann sein ganzes Leben lang. Alle wichtigen Stationen in Goethes Leben werden angeschnitten: etwa seine Freundschaft zu Schiller, seine platonische Beziehung zu Charlotte von Stein, seine Ehe mit Christiane Vulpius, seine Italienreise oder die Entstehung seines Romans „Die Leiden des jungen Werther“. Mephistos Tonfall ist dabei oft recht frech. Natürlich ist das Büchlein auch ein kleines bisschen eine Hommage an Goethes größtes Werk „Faust“. Die bunten, humorvollen Zeichnungen unterstreichen den Text ganz gut. Ein wirklich unterhaltsames Büchlein für alle Goethefans oder Interessierten, die keine Lust haben, eine dicke, trockene Goethe-Biografie zu lesen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Herumlungern in Mombasa

Heinz Strunk in Afrika
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Den größten Erholungswert haben Reisen, auf denen nichts passiert. Diese Meinung vertritt Heinz Strunk in seinem vierten Buch „Heinz Strunk in Afrika“, das er bewusst keinen Roman nennt. Wie jedes Jahr ...

Den größten Erholungswert haben Reisen, auf denen nichts passiert. Diese Meinung vertritt Heinz Strunk in seinem vierten Buch „Heinz Strunk in Afrika“, das er bewusst keinen Roman nennt. Wie jedes Jahr reist er mit einem Freund in die Fremde. Diesmal soll es über Weihnachten nach Mombasa gehen, in eine gepflegte Anlage mit Meerblick, in der es genügend Alkohol und Spielcasinos gibt. Mehr wollen die beiden gar nicht. Doch schon die Anreise wird zur Herausforderung und am zweiten Weihnachtsfeiertag sind in Kenia Wahlen angesetzt. Es wird gemunkelt, dass das in einem Bürgerkrieg enden könnte.

Was dieses Geschichte so lesenswert macht ist Strunks ganz spezielle Art von Humor: Niemand verbindet tiefe Depression und Witz so gekonnt miteinander wie er. Im Prinzip haben Strunks Bücher immer etwas Tragikomisches. Die Figur Strunk ist einerseits ein Pechvogel, mit dem man manchmal fast Mitleid haben könnte, weil sein Leben so trost- und sinnlos erscheint. Er ist aber auch ein Stück weit ein griesgrämiger Menschenhasser. Schonungslos, voll bitterer Ironie und trocken zieht er über seine Miturlauber und die Hotelangestellen her und deckt ihre Schwächen auf. Das ist zwar zum Teil unglaublich böse, aber auch aus dem Leben gegriffen und gerade deswegen so urkomisch – zum Beispiel wenn er über die Anbaggerprobleme mittelalter Männer nachdenkt oder das Animationsprogramm abends im Club beschreibt. Zwar ist „Heinz Strunk in Afrika“ nicht ganz so gut wie „Fleisch ist mein Gemüse“, trotzdem kann ich das Buch nur empfehlen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Die Melancholie eines Sommertags

Mein Sommer am See
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Müsste man die Stimmung dieses Buches beschreiben, dann könnte man sie mit einem bedrückend heißen Sommertag vergleichen. Der Herbst naht schon und alles was bald bleiben wird, sind sehnsüchtige Erinnerungen ...

Müsste man die Stimmung dieses Buches beschreiben, dann könnte man sie mit einem bedrückend heißen Sommertag vergleichen. Der Herbst naht schon und alles was bald bleiben wird, sind sehnsüchtige Erinnerungen an magische Sommermärchen. Emylia Halls Debüt-Roman hat mich extrem beeindruckt und mich emotional total gefangen genommen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Beth. Sie ist Ende 20 und lebt in London. Eines Tage bekommt sie überraschend ein Päckchen aus Ungarn, darin ein Fotoalbum. Es sind Bilder von jenen Sommerferien, die Beth als Kind und Jugendliche bei ihrer Mutter Marika in Ungarn verbracht hat. Bis zu jenem Jahr, in dem der Kontakt zwischen Mutter und Tochter abrupt endete. Seitdem hat Beth versucht alle Gedanken an diese Zeit zu verdrängen. Doch das Album bringt nun alle Erinnerungen wieder zurück: an schwüle Sommertage am kühlen Waldsee, duftende Himbeerkuchen und das erste Verliebt sein. Aber auch an den Tag, an dem alles endete. „Mein Sommer am See“ ist eher ein ruhiger Roman, der vor allem durch seine Sprache und die Stimmung, die er aufbaut, besticht. Hall schreibt sehr eindringlich und bildhaft. Es fühlt sich an, als würde man selbst den Sommerurlaub in Ungarn, in der Villa Serena, verbringen, durch die Wälder streifen, sich die Sonne auf die Haut brennen lassen und sich den Bauch mit gutem Essen vollschlagen. Man fühlt aber auch die Traurigkeit und Melancholie, die sich unter dieses Gefühl von Unbeschwertheit mischt. „Mein Sommer am See“ lässt sich leicht lesen, ist aber nicht unbedingt leichte Kost. Es ist eine Geschichte über Liebe, Verlust und eine unbändige Sehnsucht. Eine bewegende Familiengeschichte, traurig, schmerzlich und bittersüß.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Ein Mythos neu erzählt

Die Söhne der Wölfin
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Die Sage von den Zwillingen Romulus und Remus, die von einer Wölfin großgezogen wurden, kennen wohl die meisten. In ihrem Roman „Die Söhne der Wölfin“ greift Tanja Kinkel den Gründungsmythos der Stadt ...

Die Sage von den Zwillingen Romulus und Remus, die von einer Wölfin großgezogen wurden, kennen wohl die meisten. In ihrem Roman „Die Söhne der Wölfin“ greift Tanja Kinkel den Gründungsmythos der Stadt Rom auf – und erzählt die Geschichte so, wie sie wirklich hätte sein können. Die Handlung beginnt in Etrurien, im 7. Jahrhundert vor Christus: Ilian, Tochter eines verstoßenen Königs und Priesterin einer Göttin, ist schwanger. Ein Skandal. Doch sie behauptet, der Vater ihres Kindes sei ein Gott. Weil ihr aber keiner glaubt, wird sie in Schimpf und Schande aus der Stadt verbannt und mit einem ehemaligen Sklaven, einem Latiner, zwangsverheiratet. Auf seinem Bauernhof bringt sie Zwillinge zur Welt: Romulus und Remus. Ilian will sich jedoch nicht mit ihrem Schicksal abfinden, vor allem ihre Söhne sollen einmal das bekommen, was ihr verwehrt blieb: sie sollen herrschen. Und so schmiedet sie einen Plan und macht sich auf zum Orakel von Delphi.

Wie von Tanja Kinkel gewohnt, bekommt man auch mit „Die Söhne der Wölfin“ einen wirklich exzellent recherchierten historischen Roman geboten. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sie ihr immenses Wissen an historischen Fakten in eine fiktive Geschichte einbindet. Der Leser lernt so nicht nur einiges über die Lebenswelt des antiken Italiens kennen, sondern reist auch nach Griechenland und Ägypten. Sehr viel erfährt man dabei über den Götterkult der verschiedenen Völker. Weil Kinkel zeitlich ein wenig von der Sage abweicht, kommt auch der Pharao Psammetich in der Geschichte vor. Die Charaktere sind durchaus interessant gestaltet. Ilian, die eigentliche Hauptfigur der Geschichte, ist keine typische Heldin. Sie ist machgetrieben, vom Ehrgeiz zerfressen und rachsüchtig. Alles, was sie antreibt, ist das Ziel, das irgendwann einer ihrer Söhne König wird. Dennoch hat Kinkel bei diesem Roman ein wenig Potenzial verschenkt. Gerade im ersten Teil der Geschichte verzettelt sie sich in langatmigen Beschreibungen. Etwas zu stark im Vordergrund stand mir dabei generell der Götterglaube – auch wenn der in der damaligen Zeit natürlich eine große Rolle gespielt hat und auch die Politik sehr stark beeinflusst hat. Aber die vielen Götternamen, Götterbeziehungen und beschriebenen Riten machen das Buch nicht unbedingt zu einer leichten Kost. Manchmal war mir die Geschichte dadurch fast ein wenig zu spirituell. Auch der rasante Wechsel zwischen Latinern, Griechen, Ägyptern und Etruskern ist anstrengend. Ein weiterer Knackpunkt war, dass man sehr oft das Gefühl hatte, dass die Figuren irgendwie mehr wissen als der Leser oder das bestimmte Erlebnisse der Figuren dem Leser verschwiegen werden. So war es manchmal einfach schwer nachzuvollziehen, warum die Figur nun so handelt oder warum sich die Geschichte jetzt wendet.

Fazit: Ein interessanter, gut recherchierter historischer Roman, der einen in die Antike entführt. Zum Teil aber etwas langatmig und mit ein paar Schwächen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Traue keinem

Der Beobachter
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In London werden zwei ältere Frauen auf grausame Weise ermordet. Beide waren alleinstehend und lebten eher zurückgezogen. Die Polizei sucht fieberhaft nach dem Täter und einem Motiv. Bald gerät der Langzeit-Arbeitslose ...

In London werden zwei ältere Frauen auf grausame Weise ermordet. Beide waren alleinstehend und lebten eher zurückgezogen. Die Polizei sucht fieberhaft nach dem Täter und einem Motiv. Bald gerät der Langzeit-Arbeitslose Samson Segal ins Visier der Ermittler. Samson ist ein verschrobener Kerl, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt und ein sehr spezielles Hobby hat: Er beobachtet Frauen. Ganz besonders hat es ihm Gillian Ward angetan, die mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in seiner Nachbarschaft ein scheinbar perfektes Leben führt. Mit „Der Beobachter“ hat Charlotte Link einen sehr komplexen, aber auch wieder raffiniert konstruierten und fesselnden Spannungsroman vorgelegt. Was Link wirklich ausgezeichnet beherrscht ist die Charakterzeichnung ihrer Protagonisten. Sie sind alle sehr authentisch und glaubwürdig. Auch besticht der Roman durch seine psychologische Dichte. Die Handlung war so gut ausgeklügelt, dass man bis zum Showdown keine Ahnung hat, wer der Täter ist. Link schreibt sehr angenehm und mitreißend, zeitweise ist es ihr gelungen eine Atmosphäre zu schaffen, die einem wirklich Gänsehaut verursacht. An manchen Stellen hätte sich Link vielleicht ein bisschen kürzer fassen können. So hat der Roman gerade zum Ende hin doch ein paar Längen. Summa Summarum ein spannender, gut geschriebener und solider Roman, der einfach gut unterhält.