Profilbild von Zauberberggast

Zauberberggast

Lesejury Star
offline

Zauberberggast ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Zauberberggast über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.09.2019

Auswanderersage aus dem Biedermeier

Das goldene Ufer
0

Ein Auswandererroman aus dem Deutschland des 19. Jahrhunderts! Da hat man sofort Vorurteile und denkt an junge Frauen, die mit ihrem viel älteren und „zwangsverheiratet“ ungeliebten Gemahl zu fernen Kontinenten ...

Ein Auswandererroman aus dem Deutschland des 19. Jahrhunderts! Da hat man sofort Vorurteile und denkt an junge Frauen, die mit ihrem viel älteren und „zwangsverheiratet“ ungeliebten Gemahl zu fernen Kontinenten aufbrechen und sich dort selbst finden – und die echte Liebe in Form eines attraktiven und unabhängigen Einheimischen noch dazu.

So weit und im Falle von „Das goldene Ufer“ so unangebracht. Hier handelt es sich nämlich um den Beginn einer „Auswanderer-Saga“, bei der ein sich liebendes Paar gemeinsam auswandert und von der der erste Teil weitgehend in der Heimat spielt. Diese Heimat ist das in Preußen vs. Klein- und Kleinststaaten sowie Grafschaften und Fürstentümer zerstückelte Deutschland um 1815. Der sehr junge Walther Fichtner, selbst Waise, kämpft als Soldat an der Seite des Grafen von Renitz, bei dem sein Vater als Förster gearbeitet hatte, gegen Napoleon für Preußen. Als er diesem das Leben rettet beschließt der adelige Kommandeur den minderjährigen Walther bei sich aufzunehmen und ihm eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Ebenso nimmt er sich der jungen Gisela Fürnagel an, deren Eltern im Krieg umkamen. Der Sohn und Erbe des Grafen, Diebold von Renitz, findet dieses Arrangement von Anfang an nicht gut und macht Walther sowohl beim Privatunterricht auf Schloss Renitz als auch später im Studium in Göttingen das Leben schwer. An der Universität kommt Walter schnell in Berührung mit dem freiheitsstrebenden liberalen Gedankengut der Studenten, das die Kleinstaaterei und die Diktatur der Adeligen verachtet und gerne eine Republik ausrufen würde. Den Plan im freiheitsliebenden Amerika ein neues Leben ohne Repressionen und Fürstenwillkür zu beginnen fasst Walther, angeregt von seinen Studienfreunden, in Göttingen. Um ihn auszuführen fehlt ihm allerdings das Geld und er wird – laut Plan – noch mehrere Jahre im Dienst des Grafen Renitz verbringen müssen, um sich die Auswanderung leisten zu können. Auch Gisela, die im Haushalt des Grafen tätig ist, träumt von einem besseren Leben. Eine Heirat im protestantischen Preußen ist ihr, die ihrer sterbenden Mutter versprochen hat ihren katholischen Glauben auch in der Diaspora zu behalten allerdings verbaut. Als Walther vom Studium zurückkehrt fällt es ihr allerdings immer schwerer sich Gedanken an eine Zukunft an seiner Seite zu verbieten…

„Das goldene Ufer“ ist der erste Iny Lorentz-Roman den ich gelesen habe und wird bestimmt nicht der letzte sein. Ich finde der Roman ist top recherchiert und spannend – wenn auch gelegentlich ein wenig reißerisch – erzählt. Man lernt viel über das Leben im nachnapoleonischen Deutschland und die großen Standesunterschiede, die das Leben des Einzelnen determinierten. Auch die Konfessionsproblematik wird anhand von Walther und Gisela thematisiert. Dagegen scheint Amerika mit seiner Freiheits- und Egalitätspropaganda tatsächlich das gelobte Land zu sein. Da die Geschichte als Vierteiler angelegt ist bin ich wirklich gespannt darauf zu erfahren wie es mit Walther und Gisela sowie deren Nachkommen weitergeht.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Funny Fantasy

Too Bad To Be God
0

Dieses Buch ist außergewöhnlich und doch reiht es sich ein in die Tradition der verrückten, lustigen, satirischen und metatextuellen „funny Fantasy“ von Terry Pratchett und Jasper Fforde (vielleicht merkt ...

Dieses Buch ist außergewöhnlich und doch reiht es sich ein in die Tradition der verrückten, lustigen, satirischen und metatextuellen „funny Fantasy“ von Terry Pratchett und Jasper Fforde (vielleicht merkt man auch ein bisschen den Einfluss von Walter Moers). Beim Lesen des Buches spürt man, dass es mit viel Schreibfreude entstanden ist. Die Autorin liebt Wortspielereien, Abschweifungen und Assoziationsketten, sie spielt mit Wissen und kulturellen Referenzen, das sieht man schon an ihrer Vorliebe für Fußnoten, vor denen in diesem Buch am Anfang gewarnt wird.

Worum geht es? Die Antwort ist so einfach wie schwierig: es geht eigentlich um alles, das Universum, die Götter, die Menschen und den ganzen Rest. Mehr ist hier mehr. Die meisten Religionen, Mythologien und Glaubensrichtungen (insofern ich das beurteilen kann) kommen durch Vertreter zu Wort und jeder hat natürlich die Wahrheit gepachtet. Das führt zu philosophischen Disputen und humorvollen Situationen unter den „Schülern“ der GHS. So gibt es auch keine „Handlung“ im konservativen Sinne sondern viele Episoden, die unter der Schirmherrschaft von 10 Unterthemen (Lektionen) zusammengefasst wurden. Da müssen sich dann zum Beispiel Göttinnen mit der Emanzipation und gängigen Frauenbildern auseinandersetzen oder als göttliche Regisseure dem Leben mehr Dramatik nach Vorbild des Theaters verschaffen. Natürlich haben die Götter auch mal „Wandertag“ und machen Ausflüge, die unter dem Etikett Studienreise stehen und allerlei skurrile Situationen hervorrufen. Auch tierische Vertreter aus Mythos und Religionsgeschichte kommen als „Tiergötter“ zu ihrer Lektion und „Herr Pille“, der als Mistkäfer hofft ein Dasein als heiliger Skarabäus zu erreichen, führt als roter Faden durch die Handlung.

Ich muss sagen ich bin schon ein wenig durcheinandergekommen: wer spricht jetzt hier, von welcher mythologischen Figur, von welcher Religion ist jetzt die Rede? Gut dass ich mein „Lexikon antiker Mythen und Gestalten“ beim Lesen griffbereit hatte, auch ein Religionskompendium hätte sicher nicht geschadet. Aber auch wenn man nicht alles versteht: es wird ja fast alles erklärt und in einen (höheren) Zusammenhang gebracht, schließlich geht es ja hier darum das bunte Treiben ähm also ich meine den Unterricht an einer Gotteshochschule zu illustrieren: alles pädagogisch wertvoll – für Götter und Leser gleichermaßen.

Die Autorin stellt schon ganz am Anfang klar dass hier nicht moralisiert oder die eine Religion gegen die andere ausgespielt werden soll. Auch über Gläubige wird sich nicht lustig gemacht – im Gegenteil! Die allgemeine Botschaft, wenn denn eine solche unter all der Kakophonie der sakrosankt-allmächtigen Stimmen überhaupt herauszuhören ist: ein bisschen mehr Toleranz bitte und: Menschlichkeit – im Guten Sinne des Wortes (dass Menschen nicht immer menschlich sind kommt durchaus im Buch zum Tragen). Zu guter Letzt: Humor, der einschließt sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen. Ein bisschen mehr von diesen drei Tugenden täte uns allen gut, ob wir jetzt Gott oder Mensch sind.

Fazit: Derjenige der intertextuelle und metakulturelle Querverweise liebt wird dieses Buch lieben. Es ist ein Sammelsurium an mythologisch-religiösen Referenzen mit dem Zweck beim Leser die Lachmuskeln und das Gehirn in Einklang zu bringen. Und über allem steht natürlich die Frage: „Und was glauben Sie, meine Damen und Herren?“ (S. 292)

Veröffentlicht am 13.09.2019

Gut gemeinte Chicklit

Naschmarkt
0

Da der Roman sehr gehyped wurde habe ich natürlich auch viel erwartet - aber wie so oft wird man bei Bestsellern enttäuscht weil Realität bzw. eigenes Empfinden und hohe Erwartung selten Hand in Hand ...

Da der Roman sehr gehyped wurde habe ich natürlich auch viel erwartet - aber wie so oft wird man bei Bestsellern enttäuscht weil Realität bzw. eigenes Empfinden und hohe Erwartung selten Hand in Hand gehen.
Aber zum Inhalt: Dotty (Dorothy) Wilceck (gerade 30 geworden) ist eine Wiener Literaturredakteurin, die beim "Österreichboten" Rezensionen aktueller Bücher schreibt - ein "larger than life"-Traumjob für alle die gerne und viel lesen und ihre Meinung zum Gelesenen kundtun. Ihre englische Mutter führt einen Laden names "Pies & Pages" in dem sie Literaturkränzchen mit Tea & Scones organisiert. Ja, das wäre für jede Jane-Austen-vergötternde Literaturstudentin das Himmelssetting auf Erden, wenn da nicht - zunächst - die Abwesenheit eines "Mr. Darcy" zu kristieren wäre: Dotti ist nämlich Single und zwar aus absoluter Überzeugung! Warum sollte man sich in zu enge Klamotten quetschen um blöde Männer, die noch nie ein Buch gelesen haben zu beeindrucken wenn man doch in bequemen Klamotten mit dem Kater auf der Couch kuscheln kann und - genau - lesen. Dotti ist also jemand, der ganz und gar keinen Mann sucht und keine Beziehungslücke in ihrem Leben finden kann: sie hat einen Haufen Freundinnen, einen Traumjob, eine tolle Wohnung, eine liebe Katze und gaaanz viele Bücher. Nur blöd wenn man von seinem Chef plötzlich aufgebrummt bekommt einen Blog zu führen zum Thema Dating & Co - aus der Sicht eines selbsternannten Mauerblümchens...
So schreibt sie nun ihre Blogtexte, die auch der Leser des Buches präsentiert bekommt und zwischendurch lernt sie reale - oder zumindest digital existierende Männer wie "djfleming" kennen, die auf ihren Blog und die Frau dahinter unterschiedlich reagieren.
Die Autorin spielt mit dem Potential neuer Medien und ihrem Einfluss auf die Partenersuche- und -findung, vor allem Twitter hat es ihr angetan. Das mag ja recht nett sein von der Erzähltechnik und inhaltichen Auseinandersetzung, aber ein guter Frauenroman steht und fällt mit seiner Protagonistin, die mir leider bis zum Schluss alles andere als sympathisch ist. Ihre leichte Neigung zu Besserwisserei gepaart mit Sturheit wird auch durch die wenigen sympathischen Unzulänglichkeitsmomente nicht gerettet und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Aber wahrscheinlich bin ich auch einfach nur komisch bzw. habe es nicht verstanden, welchen Charme und Esprit die liebe Dotti, mit der sich so viele identifizieren können, versprüht.
Auch die Geschichte an sich ist gut gemeint, ganz gut geschrieben (also vom Sprachlichen her) und mit der Idee einer literarischen Schnitzeljagd eigentlich mit einem interessanten Plot-Katalysator gesegnet - leider hat sie mich nicht mitreißen können. Ich hatte beim Lesen das Gefühl dass sich die Autorin nicht entscheiden konnte ob sie nun eine sozialkritische Abhandlung über das Singledasein schreiben möchte mit einer Protagonistin, die Sprachrohr dieser Haltung ist, die alle "Weibchen" verarchtet, die sich nach einer Beziehung sehnen oder einen Schlaraffenland-Wohlfühlroman für "Bücherfrauen" bei dem die Literaturredakteurin dann doch ins obligatorische Happy End mit dem ihr die Welt zu Füßen legenden Mr. Right erlebt.
Eigentlich schade, schade, schade dass ich hier nicht vollständig mitgehen konnte - schließlich ist doch eigentlich alles ganz nach meinem Geschmack. Auch ich bin nur eine Bücherfrau, die den ganzen Tag im "Pies&Pages" hocken, Scones futtern und über - und mit - Oscar Wilde philosophieren möchte, aber leider leider fühle ich dabei den Drang "Naschmarkt" ohne Wehmut zurück ins Regal zu stellen...

Veröffentlicht am 13.09.2019

Protokoll eines historischen Todes

Im Schatten der Königin
0

Über Elizabeth I. sind viele Bücher geschrieben worden. Unter ihr erlebte England sein goldenes Zeitalter, einige der bedeutendsten Dramen der Weltgeschichte sind unter ihrer Herrschaft geschrieben worden ...

Über Elizabeth I. sind viele Bücher geschrieben worden. Unter ihr erlebte England sein goldenes Zeitalter, einige der bedeutendsten Dramen der Weltgeschichte sind unter ihrer Herrschaft geschrieben worden und außerdem hat sich England während ihrer Regentschaft zu einer der wichtigsten Weltmächte, zum britischen Empire entwickelt.

Wahrscheinlich war einer der Gründe für ihren Erfolg auch ihre Ehelosigkeit. Die „Virgin Queen“ der Tudors hat nie geheiratet, obwohl zahlreiche Prinzen und Thronfolger der anderen europäischen Großmächte um ihre Hand anhielten. Wahrscheinlich hätte sie ihre Position als regierende Königin nicht halten können, wenn sie einen katholischen Gemahl vom europäischen Festland geheiratet hätte – aber was wäre mit einem ihr an Rang geringeren Engländer gewesen?

Dass Elizabeth I. mit Robert Dudley eine Affäre gehabt haben soll – diese Meinung ist weithin verbreitet. Aber wollte sie ihn auch heiraten?

Dudley stammt aus einer der zeitweise einflussreichsten und zugleich verpöntesten Familien der Tudor-Zeit, sein Vater John Dudley reagierte für den minderjährigen Edward VI und half danach seiner Schwiegertochter, der 9-Tages-Königin Lady Jane Grey auf den Thron. Dies führte zu seiner Hinrichtung. Während der Herrschaft Elizabeths wurde sein Sohn Robert Dudley zu einem der engsten Vertrauten der Königin, er war ein Höfling ersten Grades und wahrscheinlich ihr langjähriger Geliebter. Aber: Elizabeth konnte Dudley nicht heiraten, denn dieser war bereits verheiratet – mit Amy Dudley, geborene Robsart. Weil Robert fast immer am englischen Hof ist vereinsamt Amy zusehends und wird eines Tages in einem abgelegenen Landhaus, in dem sie einquartiert ist, am Fuße einer Treppe tot aufgefunden. War sie wirklich krank, wie schon länger kolportiert wurde oder war es Selbstmord – aus Frust, Einsamkeit etc.?

Die hauptsächliche Geschichte die in „Im Schatten der Königin“ erzählt wird setzt kurz nach Amys Tod im September 1560 ein und wird von Dudleys Vetter Tom Blount berichtet, der die „Ermittlungen“ aufnimmt und die Geschehnisse rund um Amy Dudleys Tod reflektiert.

Wie die Autorin im Nachwort so schön sagt wurde Amy erst durch ihren Tod berühmt, ja sogar wichtig, weil er Königin Elizabeth erst die Möglichkeit gegeben hat sich für oder gegen eine Ehe mit Dudley zu entscheiden. Umso konsequenter ist es natürlich dass Amy selbst nur als Tote präsent ist und lediglich in der Erinnerung Tom Blounts lebendig wird.

Was an der Erzählweise fasziniert sind die interessanten Perspektivenwechsel zwischen Tom Blount und der Gouvernante Elizabeths, Kat Ashley, die in den kursiv gesetzten „Zwischenspielen“ die Geschehnisse rund um die Königin beleuchtet. Sie ermöglichen es dem Leser die Story von mehreren Seiten kennenzulernen und eine Schwarzweiß-Denkweise nicht erst aufkommen lassen. Sowohl Tom Blount als auch Kat Ashley sind als Vertraute der beiden rivalisierenden Frauen Elizabeth I. und Amy Dudley Personen, die mit dem Geschehen zu tun haben, aber nicht so unmittelbar dass sie über alles Bescheid wissen was vor sich geht. Sie sind neugierig und wollen wie der Leser wissen was wirklich passiert ist. Dies gibt einem beim Lesen das Gefühl ihnen über die Schulter zu schauen.

Ich muss sagen die Geschichte hat mich fasziniert und interessiert und die Lösung, die Tanja Kinkel präsentiert hat mich überzeugt. Trotz dem Halten an Fakten ist dies aber ein Roman und die Wahrheit über den Tod Amy Dudleys wird man wohl nie wirklich erfahren.

Dennoch: ich kann das Buch wirklich nur Lesern ans Herz legen die Dialoglastige Bücher mögen – die Handlung ist zwar interessant, aber es ist ein Ermittlungsroman in dem nach dem am Anfang stehenden Tod nicht mehr viel passiert. Es geht eben darum zu erfahren was in der Vergangenheit passiert ist und weniger um eine sich entwickelnde spannende Handlung. Ich mochte das Buch gern, aber es hatte seine Längen und manchmal hat man das Gefühl ein Gerichtsprotokoll zu lesen.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Traurige Liebesgeschichte

Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
0

Julie Kiblers Roman „Zu zweit tut das Herz nur halb so weh“ hat einen langen und weitaus sentimentaler anmutenden Titel als das amerikanische Original „Calling me home“, das laut deutschem Verlag erst ...

Julie Kiblers Roman „Zu zweit tut das Herz nur halb so weh“ hat einen langen und weitaus sentimentaler anmutenden Titel als das amerikanische Original „Calling me home“, das laut deutschem Verlag erst im nächsten Jahr erscheinen soll. Gut dass ich mich nicht habe abschrecken lassen von dem Titel, denn obwohl die Handlung streckenweise sehr traurig ist kann man kaum von Sentimentalität sprechen, eher von einer stoischen Haltung gegenüber dem Schicksals das einem in diesem Leben auferlegt ist und von Akzeptanz, zu der Isabelle, die Hauptfigur, im Laufe ihres Lebens gelangt ist. Sie kämpft nicht mehr, sie lässt sich nur noch treiben vom Leben und löst Kreuzworträtsel – und das in dem Auto, das ihre Freundin Dorrie für sie steuert.
Dorrie ist eine 36jährige Friseurin im Bundesstaat Texas, dunkelhäutig und Mutter von zwei Kindern, vom Exmann getrennt und hoffend dem neuen Mann in ihrem Leben, Teague, vertrauen zu können. Die neunzigjährige Miss Isabelle ist eine treue Stammkundin von Dorrie, die sie bei ihr zu Hause jeden Montag frisiert. Miss Isabelle bittet Dorrie eines Tages sie zu einer Beerdingung nach Cincinnati zu fahren – Dorrie kommt diesem Wunsch nach.
Die Erzählhandlung läuft auf zwei Ebenen ab. Zum einen schildert Dorrie in der Ich-Perspektive die gegenwärtige Handlung, die aus der Reise mit Isabelle nach Cincinnati besteht. Auf dieser Ebene erfahren wir viel über Dorries Leben und Einstellungen und auch, wie die alte Isabelle heute ist: eine alte Dame die kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihre Vergangenheit wird von ihr selbst erzählt: ihre Kindheit in Kentucky, aus einer Ärztefamilie stammend, die seit Generationen die von Sklaven abstammende Familie Prewitt als Bedienstete angestellt hat. Als Isabelle 17 ist verliebt sie sich in den ein Jahr älteren Sohn der Prewitts, Robert. Der wird von ihrem Vater in seinem Wunsch Arzt zu werden gefördert. Als auch er sich in Isabelle verliebt wird dem Leser schnell klar wie sehr Rassismus und Vorurteile im Amerika der 1940er Jahre an der Tagesordnung sind.
Das Buch ist ein Plädoyer für Toleranz indem es zeigt wie zerstörerisch Intoleranz sein kann. Es ist erschreckend wie das Südstaatenamerika in seinem rassistischen Denken bis weit ins 20. Jahrhundert verhaftet war. Die Geschichte von Isabelle und Robert geht ans Herz, auch wenn wir den jungen Mann nur durch den Filter von Isabelle geschildert bekommen. Gelegentlich hätte es mich interessiert noch mehr von seinen Gedanken und Gefühlen angesichts der verfahrenen Situation zu erfahren. Die Gegenwartsgeschichte mit den zwei Frauen, die starke Thematisierung von weiblichen Rollenbildern und die Tatsache, dass die Männer nur durch den weiblichen Blick gespiegelt werden machen diesen Roman zu einem „Frauenbuch“, wenn man das so pauschal denn sagen kann. Isabelle ist eine Frau mit emanzipativen und fortschrittlichen Gedanken in einer Zeit, die von patriarchaler Unterdrückung und der unüberwindbaren Mauer zwischen Menschen von heller und dunkler Hautfarbe geprägt ist. Indem sie gegen diese Barriere aufbegehrt benimmt sie sich also in zweifacher Hinsicht besonders. Traurig ist, dass die Zeit damals noch nicht reif war für diese Liebe, die den gesellschaftlichen Konventionen weitgehend widersprach. Demnach ist dies ein trauriges Buch, das rückblickend auch etwas sehr konstruiert wirkt. Ich habe es dennoch sehr gerne und sehr schnell gelesen. Die Erzählweise ist erstaunlich leichtfüßig – anders als ich es bei diesem doch eher schweren Thema erwartet hätte. Die Kraft und schonungslose Ehrlichkeit der neunzigjährigen Isabelle wirkt von Anfang an entwaffnend, so dass man zuweilen vergisst wie viel Schmerzen ihr in ihrem Leben zugefügt wurden.
Ein traurigschönes Buch, das sicher einige „unglaubwürdige“ Wendungen hat. Dennoch auf jeden Fall lesenswert vor allem für jene Leser und Leserinnen, die traurige Liebesgeschichten mögen. Manchmal war es für meinen Geschmack allerdings schon fast zu traurig und nihilistisch. Wenigsten ein kleines happy ending hätte ich mir gewünscht, aber wahrscheinlich hätte es nicht gepasst.