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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2025

Bewegende Lebensgeschichte

Schwebende Lasten
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Ein Buch, das mir wirklich zu Herzen ging. Annett Gröschner erzählt die Lebensgeschichte von Hanna Krause. Sie verliert schon früh ihre Mutter, der Vater ist auch nur durch den Nachnamen existent. Sie ...

Ein Buch, das mir wirklich zu Herzen ging. Annett Gröschner erzählt die Lebensgeschichte von Hanna Krause. Sie verliert schon früh ihre Mutter, der Vater ist auch nur durch den Nachnamen existent. Sie erlebt 2 Weltkriege, bekommt sechs Kinder und erlebt eine Welt, die immer wieder am Rande des Abgrunds taumelt.
Hannas Leben ist von Beginn an alles andere als leicht Die Beziehung zu ihren (Halb-)Geschwistern ist wenig herzlich, sie wird überall als Last empfunden. Sie heiratet früh, wird schnell schwanger und wird ihr Leben damit zubringen, die Familie durchzubringen ohne darüber zu klagen. Sentimentalitäten oder große Gefühle, dafür bleibt in ihrem Leben kein Platz.

Ich empfand die Geschichte als sehr berührend und gleichzeitig auch oft ungerecht gegenüber Hannah. Hätte die Autorin ihrer Hauptfigur nicht wenigstens gelegentlich einen Moment des Glücks gönnen können? Aber dann ist mir bewusst geworden, dass Hannas Geschichte auch stellvertretend für all die Frauen dieser Zeit steht. Die Kinder und Familien verloren haben, ohne diese begraben zu können. Bei denen die täglichen Sorgen über Lebensmittelt, Heizmaterial und Kleidung das Leben bestimmten. Die ausgebombt wurden und trotzdem die Familie am Laufen halten mussten. Die schlicht und einfach mit dem Überleben beschäftigt waren.

Die Autorin schreibt in einer einfachen und schnörkellosen Sprache. Dadurch war ich emotional sehr schnell mit Hannah verbunden. Die ganze Tragik, die Tristesse, die Ängste, Hoffnungen und auch die vielen kleinen Momenten, werden dadurch sehr gut herausgearbeitet. Gleichzeitig ist das aber auch leicht erzählt, mit hin und wieder einer Lakonie, die sich in überraschenden Momenten zeigt. Ich konnte gar nicht anders, als Hanna für ihre Zähigkeit, ihr Durchhaltevermögen und ihren starken Willen zu bewundern. Und es tat mir im Herzen weh zu lesen, dass all diese Umstände es ihr nicht ermöglichten, eine gesunde und schöne Beziehung zu ihren Kindern zu entwickeln. Hannas Liebe zu den Blumen steht dem eigentlich gegenüber, aber hier wird sie beinahe zärtlich. Bei den Blumen fühlt sie sich verstanden und angenommen.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Es erzählt nicht nur die Lebensgeschichte einer stillen und unbekannten Heldin, sondern auch die Geschichte eines Landes. Es hat mich sehr bewegt, nötigt mir jede Menge Respekt ab und ist keines der Bücher, die man nach einem halben Jahr wieder vergisst.

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Veröffentlicht am 23.03.2025

Emotional und auch humorvoll

Der Bright-Side-Running-Club
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Don't judge a Book by it's Cover - das gilt auf jeden Fall für dieses Buch. Das Cover ist zartrosa und mit nett aussehenden Läuferinnen bestückt. Dabei wäre es wirklich schade, im Buchladen daran einfach ...

Don't judge a Book by it's Cover - das gilt auf jeden Fall für dieses Buch. Das Cover ist zartrosa und mit nett aussehenden Läuferinnen bestückt. Dabei wäre es wirklich schade, im Buchladen daran einfach vorbeizugehen. Denn die Geschichte hat wirklich mehr zu bieten als nur nett zu sein.
Denn das Grundthema ist ernst. Brustkrebs. Bei Keira wird Brustkrebs diagnostiziert. Damit steht ihr Leben und natürlich auch das ihrer Familie erstmal auf dem Kopf. Währen die Autorin uns auf Keiras Reise durch die Behandlung mitnimmt und wir ihre Zuversicht, aber auch ihre Angst und ihre Zweifel miterleben, zeigt sie zugleich, wie diese Diagnose sich auf Partner, Familie, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen auswirkt. Wie sich Keira in den Augen anderer Menschen "angemessen korrekt" als Krebspatientin zu verhalten hat. Joggen gehört schon mal ganz offensichtlich nicht dazu. Da sind die gut gemeinten Ernährungstipps am wenigsten nervig. Am schlimmsten fand ich, dass jeder Ungefragt die Todesgeschichte einer Person Keira aufs Auge drückt. Fürchterlich! Dabei ist Keira gerade am Anfang noch vollauf damit beschäftigt, die Diagnose zu verdauen, die Organisation ihrer Familie unter einen Hut zu kriegen und sich nicht aus dem eigenen Geschäft drängen zu lassen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man gewohnt ist, ein aktiver und zupackender Mensch zu sein.

Die Frauen aus dem Lauf-Club sind mir schnell sehr ans Herz gewachsen. Jede Frau hat ihre Stärken und Schwächen, über die sie in dieser Runde frei und offen sprechen. Sie sind unheimlich stark und sehr verletzlich zugleich. Sie unterstützen einander, motivieren sich, teilen gute und schlechte Nachrichten miteinander, verarbeiten Tiefschläge und verlieren dabei nicht die Hoffnung und ihren Sinn für Humor.

Josie Lloyd erzählt hier ein schweres Thema auf eine sehr leichte und doch sensible Art. Da die Autorin selbst an Brustkrebs erkrankte, stecken in dem Buch eine Menge eigener Erfahrungen. Dabei wird sie nie kitschig und stellt nicht die Krankheit in den Vordergrund, sondern die Menschen und ihren jeweils persönlichen Umgang damit. Eine gute Portion (schwarzem) britischen Humor darf dabei natürlich auch nicht fehlen.
Ich wünsche diesem herzerwärmenden Buch, das zwar sehr emotional, aber gleichzeitig auch humorvoll ist, ganz ganz viele Leser. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen.

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Veröffentlicht am 15.03.2025

Guter Anfang, danach von allem zu viel

Achtzehnter Stock
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Ich wollte das Buch wirklich mögen, weil ich die Grundidee wirklich gut finde. Mir gefällt die Darstellung, von Wandas sozialem Umfeld, der Tristesse, der Ausweglosigkeit, dem Wohnviertel. Den Menschen, ...

Ich wollte das Buch wirklich mögen, weil ich die Grundidee wirklich gut finde. Mir gefällt die Darstellung, von Wandas sozialem Umfeld, der Tristesse, der Ausweglosigkeit, dem Wohnviertel. Den Menschen, die sich ihr Leben irgendwie eingerichtet haben. Diese Schicksalsgemeinschaft der Nachbarinnen hat gleichzeitig auch etwas sehr rühriges. Es führt mir auch vor Augen, wie privilegiert ich im Grunde lebe.
Und dann ist da Wanda, die ich auf den ersten Seiten noch halbwegs sympathisch finde, was sich mit der Zeit immer mehr verliert. Dieses permanente Herausstellen, dass sie etwas Besseres ist, nicht zum unteren Ende der Gesellschaft gehört - basierend auf einer vor Jahren gedrehten Waschmittelwerbung. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich auch im realen Leben mit solchen Menschen nur schwer zurecht komme.
Vielleicht ist das auch der Grund, dass ich Wanda nicht mochte. Ich konnte ihre Handlungen oft nicht nachvollziehen und mein Mitleid mit ihr hielt sich wirklich sehr in Grenzen. Durch das hohe Erzähltempo passiert auf wenigen Seiten doch ziemlich viel, aber es ist immer direkt das große Drama. Wanda erfährt nur Ungerechtigkeiten, niemand ist für sie. Dabei wandelt sie so unüberlegt und planlos durch die Welt, dass man sich zwischendurch schon fragt, wie sie es schafft ein Kind zu versorgen. Das war mir einfach zu viel. Zu viel Klischee, zu überzogen. Als Wanda dann für ihren Traum auch noch ihr Kind massiv vernachlässigt, musste ich das Buch wirklich erstmal beiseite legen.
Gute Idee, wirklich guter Anfang, danach wurde es für mich einfach unsympathisch und wirr.

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Veröffentlicht am 09.03.2025

Erzählt viel von der Künstlerin, wenig von der Frau

Der ewige Tanz
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Das Buch beschreibt in Rückblicken das wahrlich wilde Leben der Künstlerin Anita Berber. In Rückblicken deshalb, weil Anita zu Beginn des Buches bereits schwer an Tuberkulose erkrankt ist und ihre Geschichte ...

Das Buch beschreibt in Rückblicken das wahrlich wilde Leben der Künstlerin Anita Berber. In Rückblicken deshalb, weil Anita zu Beginn des Buches bereits schwer an Tuberkulose erkrankt ist und ihre Geschichte aus dem Krankenbett erinnert.
Und so erzählt sie aus ihrem Leben, von ihrer Kunst, von ihren Lieben und ihren Erlebnissen. Sie hat ohne Zweifel die Konventionen der damaligen Zeit gesprengt. Liebte Männer und Frauen gleichermaßen, war mehrfach verheiratet, erschuft Skandale, war kompromisslos in ihrer Kunst und maßlos bei Alkohol und Drogen. Und auch oftmals unverstanden ihrer Kunst. Während Anita sich auf der Bühne regelrecht die Seele aus dem Leib tanzt, dem Publikum ihr Innerstes darbietet, wird sie doch oft nur als "die Nackttänzerin" wahrgenommen. Für Anita Berber, die zeitlebens um die Anerkennung der eigenen Mutter kämpfen musste und von ihrem Vater abgelehnt wurde, ist diese einseitige Wahrnehmung eine Kränkung.
Gleichzeitig traut sie ihrem Publikum auch oft nicht zu, ihre Tänze überhaupt zu verstehen und betitelt sie sehr von oben herab als Idioten.
Steffen Schroeder hat ihre Karriere sehr eindrucksvoll erzählt. Während ihrer Glanzzeit hat sie mit vielen bekannten Persönlichkeiten aus Theater, Tanz, Malerei und Film zusammengearbeitet. Das Geld mit vollen Händen ausgegeben, so wie es mit ihren Engagements hereinkam. Ihre Drogensucht macht sie aber maßlos und auch ein Stück weit größenwahnsinnig. Als sich in der Branche ihre Unzuverlässigkeit herumspricht und dadurch Angebote ausbleiben, bezieht sie dies als persönliche Angriffe auf sich und geht mit ehemals ihr sehr zugetane Menschen äußerst hart ins Gericht. Erst als die Hotels, in denen sie absteigt, immer weniger luxuriös werden und die Engagements immer kleiner und unbed0eutender werden, erkennt auch Anita, dass ihr Stern im Begriff ist zu sinken.

Anita ist ein rastloser Charakter. Sie lebt ihr Leben in einem rasanten Tempo, lässt keine Erfahrung aus. Immer vorwärts, immer mehr, immer schneller. Es erscheint, als ob Ruhe ihr Angst macht und für sie Stillstand bedeutet. Nicht immer kommt sie sympathisch bei mir an.
Was mir allerdings zu kurz gekommen ist, sind die Beziehungen zu ihrer Familie. Mutter, Tante und Großmutter wurden am Anfang noch häufiger einbezogen, irgendwann nur noch in einzelnen Sätzen abgehandelt. Dabei hatte Anita aber ganz offenbar eine enge Beziehung zu ihrer Großmutter. Darüber hätte ich gerne mehr gelesen. Oder auch die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter. Anitas Gefühlswelt bleibt außerhalb ihrer Kunst für mich leider auf der Strecke. In ihrer Ehe mit Sebastian Droste bekommt man eine Ahnung davon, wie es in ihr aussieht. Aber die Frau hinter der exzentrischen Künstlerin wird für den Leser leider nur an wenigen Stellen sichtbar.

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Veröffentlicht am 01.03.2025

Unter jedem Dach ein Ach

Hier draußen
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Zuerst hat mich die Handlung ein wenig an Juli Zeh erinnert. Junge Familie aus der Stadt kauft sich ein Haus auf dem Land, der Anschluss an das Dorf fällt schwer, die erhoffte Zufriedenheit will sich nicht ...

Zuerst hat mich die Handlung ein wenig an Juli Zeh erinnert. Junge Familie aus der Stadt kauft sich ein Haus auf dem Land, der Anschluss an das Dorf fällt schwer, die erhoffte Zufriedenheit will sich nicht so richtig einstellen. Nach einigen Seiten hat sich für mich herausgestellt, dass ich es um Längen besser finde als Juli Zeh.
Martina Behm schreibt sehr warmherzig und menschlich über "ihr" Dorf. Ihre Figuren sind sehr bildhaft und detailreich beschrieben. Aber nicht so extrem kleinteilig, sondern mit wenigen Worten sehr lebendig. Ich hatte direkt Bilder vor Augen, vom Dorf, den Menschen, den Veranstaltungen. Und dabei geht sie sehr respektvoll mit ihren Figuren und deren Eigenheiten um. Es wird niemand vorgeführt, der Ton ist nicht ätzend, sondern einfach nur neutral geschildert. Der Leser kann und soll sich selbst ein Bild von jeder Person machen.

Das Dorfleben ist anschaulich erzählt. Dabei werden zwar viele Familien erwähnt, sie konzentriert sich aber lediglich auf nur wenige Personen. Was angenehm ist, man läuft nicht Gefahr von zu vielen Namen erschlagen zu werden. Man könnte es umschreiben mit "Unter jedem Dach ein Ach". Denn längst ist nicht alles so idyllisch, wie es nach außen scheint.
Da wären Lara und Ingo, die neu in den Ort gezogen sind. Sie müssen nun nicht nur feststellen, dass so ein Resthof jede Menge (auch ungeliebte) Arbeit ist und die Landromantik oft auch auf der Strecke bleibt, es stellen sich auch viele grundsätzliche Fragen ein. Die Vorstellungen von Augenhöhe in der Partnerschaft und Kindererziehung gehen auseinander. Wessen Arbeit ist jetzt wichtiger? Wer steckt für die kranken Kinder zurück? Und wer geht jetzt mit dem Hund raus?
Und Tove und Enno. Sie sind seit vielen Jahren verheiratet, steuern auf die goldene Hochzeit zu. Und Tove ist so unglücklich in ihrer Ehe. Was kein Wunder ist, denn Enno ist ein Arsch vor dem Herrn mit der Empathie eines Holzschuhs. Man möchte bei Tove schon fast von Schicksal sprechen. Ihre Geschichte hat mich so berührt und unheimlich traurig gemacht. Ihre Gedanken waren für mich zwar nachvollziehbar, aber in so einem Leben sollte keine Frau gezwungen sein zu verharren.

Und so hat jede im Buch beschriebene Familie ihr Päckchen zu tragen, während nach außen die Fenster immer geputzt sind, die Auffahrt sauber gefegt ist und der Vorgarten in Schuss gehalten ist.
Martina Behm hat in ihrer Geschichte viele aktuelle Themen verarbeitet und den Umgang unterschiedlicher Generationen damit. Ein bisschen spielen mit Klischees gehört da für mich dazu, aber es ist gut dosiert.
Und natürlich die weiße Hirschkuh, die hier eine ganz besondere Rolle einnimmt und wie ein Verbindungsfaden zu allen Figuren wirkt.

Ich kann mir vorstellen, dass man sich in dem Buch wiederfindet, wenn man auf dem Dorf oder sogar in einem landwirtschaftlich geprägten aufgewachsen ist. Die Rituale, die Veranstaltungen, die Menschen, die Dynamik der Gemeinschaft - Behm hat das in so vielen Details fast schon liebevoll einfangen. Wer die Dynamik des Dorflebens nicht kennt, für den dürfte das tatsächlich von Zeit zu Zeit ein wenig rückständig und aus der Zeit gefallen wirken.

Mir hat diese Mischung aus guter Beobachtung, Fingerspitzengefühl, Menschlichkeit und feinem Humor unglaublich gut gefallen und Martina Behm ist eine Autorin, die ich auf jeden Fall weiter im Blick behalten werde.

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