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caro_phie

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Veröffentlicht am 21.10.2024

Nicht der richtige Moment?

Das Pfauengemälde
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Maria reist nach Rumänien, um ein enteignetes Gemälde zurückzuerhalten. Es ist eine schmerzliche Reise - die erste, nachdem ihr Vater vor zwei Jahren in Rumänien tot in einer Waldhütte gefunden wurde. ...

Maria reist nach Rumänien, um ein enteignetes Gemälde zurückzuerhalten. Es ist eine schmerzliche Reise - die erste, nachdem ihr Vater vor zwei Jahren in Rumänien tot in einer Waldhütte gefunden wurde. Es war eine von vielen realen und gedanklichen Reisen ihres Vater in das Land, das ihn verstoße hat, das ihn aufgrund seiner oppositioneller Aktivitäten gezwungen hat seine Familie hinter sich zu lassen und sich ins Exil nach Deutschland zu begeben, und das ihn trotzdem nicht loslässt, seine ganze Identität auf dem Schicksal dieses Landes aufbauend.

Hätte Maria ihm mehr zuhören sollen? Hätte sie ihn nicht damals auf seine letzte Reise nach Rumänien begleiten sollen und dadurch seinen Tod verhindern können?

Marias Reise in das Heimatland ihres Vaters wirkt wie der Versuch die vielen Ungerechtigkeiten, die ihrem Vater widerfahren sind, wiedergutzumachen, und ist doch für Maria mit so vielen schmerzlichen Erinnerungen an ihn verknüpft, plötzlich auftauchende bildhafte Erinnerungen an die Zeit in ihrer Kindheit, die sie in Rumänien bei der Familie ihres Vaters verbracht hat. Vergangenheit und Gegenwart greifen hier ineinander, scheinen teilweise miteinander zu verschmelzen, was es bisweilen schwierig gemacht hat für mich die verschiedenen Zeitebenen voneinander zu unterscheiden.

Zudem wirkten manche Konversationen für mich seltsam hölzern manche Charaktere auf bestimmte Charaktereigenschaften hin überzeichnet, sodass ich mich teilweise nur schwer auf die Handlung einlassen konnte, wenig in die Charaktere hinein fühlen konnte.

Dann wieder Szenen, die mich mit ihrer besonderen Stimmung, mit Maria Bidians ganz eigener Sprache komplett einnahmen, lange in mir resonierten.

Und so halte ich das Buch unschlüssig in der Hand. “Vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt”, möchte ich sagen. “Vielleicht haben äußere Faktoren zu viel meiner Aufmerksamkeit eingefordert und ich konnte mich deshalb nicht richtig auf die Geschichte einlassen.” Und so stelle ich das Buch zurück ins Bücherregal und hoffe, dass irgendwann der Tag kommt, an dem ich mich nochmal und dann voll und ganz auf Maria Bidians Debütroman einlassen kann.

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Veröffentlicht am 26.09.2024

Warum er dort und ich hier?

Als wir Schwäne waren
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“Aber dann sagtest du irgendwann es sei fair, dass es Inseln gibt, denn schließlich gibt es ja auch Seen. Und ich, tausend Ängste älter, sagte: Ja, das ist fair.

Und ich, tausend Lügen klüger, sagte nicht, ...

“Aber dann sagtest du irgendwann es sei fair, dass es Inseln gibt, denn schließlich gibt es ja auch Seen. Und ich, tausend Ängste älter, sagte: Ja, das ist fair.

Und ich, tausend Lügen klüger, sagte nicht, dass fair ein so einfaches Wort ist, und Gerechtigkeit ein so schwieriges.

Und ich, tausend Wunden hoffnungsvoller, sagte dir nicht, dass wir alle an dem längeren Wort gescheitert sind.” (S. 7)

Es sind die ersten eineinhalb Seiten von “Als wir Schwäne waren”. Ein vorangestellter Brief von Behzad Karim Khani an seinen Sohn. Ein paar Sätze, die gleichzeitig leise und poetisch daherkommen und doch mit so wenigen Worten eine solche Kraft entfalten. So wie auch Khanis Buch selbst.

Auf knapp 200 Seiten tauchen wir ein in das Leben von Reza. Seine Kindheit in einer Plattenbausiedlung im Ruhrgebiet der 90er Jahre, wo er nach der Flucht aus dem Iran mit seinen Eltern ankommt. Die Mutter versucht in dem neuen Land Fuß zu fassen, der Vater scheitert schon bald daran und dazwischen Reza, dessen Kindheit - noch von kleinen, zum schmunzeln anregenden Glücksmomenten geprägt - schon bald einer Jugend Platz macht, die ihn in die harte Realität der Plattenbausiedlung wirft.

Eine Realität, die einem nichts schenkt, sondern in der man lernen muss zu schwimmen, den Kopf über Wasser zu halten, um nicht unterzugehen.

“Wir alle strampeln uns ab in dieser Kloake, halten den Kopf aber über Wasser. Nur Serdar schwamm nach unten und vielleicht gehört das zu den Dingen, die passieren, wenn Armut keinen Geruch hat. Sich keine Goldketten umhängt, keine großen Autos fahren will. Nicht die Trikots der Champions-League-Vereine trägt. Vielleicht ist das eines der Dinge, die passieren, wenn Armut Status und Sieg nicht wenigstens vortäuscht. Wenn Armut nicht lügt. Nicht wenigstens so tut, als hätte sie alles im Griff.” (S.103)

Und Reza lernt zu schwimmen. Er erkämpft sich den Respekt der Jungs von seinem Block, lässt sich auf Drogenkriminalität, Gewalt und Diebstahl ein. Er kämpft mit der gleichen Vehemenz, mit der er später kämpft um all das hinter sich zu lassen, ein anderes Leben jenseits der Plattenbausiedlung zu suchen.

Mit unglaublicher Intensität, sprachlich wie inhaltlich, zeichnet Behzad Karim Khani ein ungeschöntes Bild der Lebenslage vieler Migranten in Deutschland, was es heißt am Rande einer Großstadt in einer Plattenbausiedlung aufzuwachsen und wie viel Kraft es kostet diese hinter sich lassen zu können.

Und am Ende bleibt da nur die Frage: Warum? Warum er dort und ich hier? Warum sein Weg so viel steiniger als meiner?

Danke, für dieses wundervolle, aufrüttelnde Buch.

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Veröffentlicht am 20.08.2024

Vielversprechendes Setting - und doch enttäuscht

Mitternachtsschwimmer
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Es ist der Frühling 2020, in dem es Evan in den kleinen Ort Ballbrady an der irischen Küste verschlägt - eine Auszeit von dem geschäftigen Leben in Belfast, aber vor allen Dingen von der Ehe mit seiner ...

Es ist der Frühling 2020, in dem es Evan in den kleinen Ort Ballbrady an der irischen Küste verschlägt - eine Auszeit von dem geschäftigen Leben in Belfast, aber vor allen Dingen von der Ehe mit seiner Frau, die seit dem plötzlichen Tod seiner Tochter nur noch aus gegenseitigem Schweigen und stillen Vorwürfen zu bestehen scheint.

Es soll eine kurze Auszeit sein - nur wenige Wochen. Doch durch den plötzlichen Einbruch der Corona-Pandemie werden aus Wochen Monate, in denen sich zwischen Evan und den Bewohnern von Ballbrady ein zartes Band der Freundschaft entspinnt - insbesondere zu Grace, der verschrobenen Vermieterin des Cottages. Grace, die sonst die Nähe zu anderen Menschen meidet und ihre ganz eigenen Wunden mit sich herumträgt.

Es ist ein Buch, das für mich auf den ersten Blick eine vielversprechende Sommerlektüre zu sein schien - vor der malerischen Kulisse der irischen Küste, die Roisin Maguire so bildhaft einzufangen vermag.

Aber die anfängliche Vorfreude hielt leider nicht lange an, denn mit jeder Seite wirkten die Charaktere für mich klischeehafter, Beziehungen zwischen und die Entwicklungen der einzelnen Charaktere zu zwanghaft auf zu wenigen Seiten umgesetzt, sodass mir die Handlung und die Konversationen an vielen Stellen unrealistisch vorkamen.

Mit Mühe habe ich das Buch beendet, aber gefesselt hat es mich leider nicht. Und so lege ich es ratlos beiseite und weiß nicht wohin mit dem Gefühl der Enttäuschung über ein Buch, das eine besondere Sommerlektüre hätte werden sollen.

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Veröffentlicht am 19.08.2024

Leider aus dem Leben

Die schönste Version
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Es beginnt wie ein großer Liebesroman - Nachthimmel, Yannicks Hand in Jellas, gemeinsam am Strand liegend, geflüsterte Liebesworte. Und doch sind da Jahre später die selben Hände an Jellas Hals und die ...

Es beginnt wie ein großer Liebesroman - Nachthimmel, Yannicks Hand in Jellas, gemeinsam am Strand liegend, geflüsterte Liebesworte. Und doch sind da Jahre später die selben Hände an Jellas Hals und die Frage lässt sich nicht weiter verdrängen, wann er angefangen hat, der Verlust. Der Verlust von ehrlicher Verbundenheit. Der Verlust der Fassung. Der Verlust von sich selbst und der Selbstbestimmung über das eigene Leben.

In ungeschönten Worten zeichnet Ruth-Maria Thomas das Bild einer Beziehung. Einer Beziehung, die toxisch wird oder es schon immer war?! Es ist ein vielschichtiges Bild von Täter und Opfer, das sich nicht auf die plakative Darstellung eines Einzelfalls beschränkt, sondern die gesellschaftlichen Strukturen aufzeigt, die nach wie vor, dazu führen, dass sich insbesondere Mädchen und Frauen in Beziehungen zu häufig klein machen, veruschen zu gefallen, vergessen wie man Nein sagt und sich zu spät als Opfer begreifen. Denn war man nicht auch selbst ein wenig Schuld an dem, was einem widerfahren ist?

"Die schönste Version" ist ein unglaublich starkes Buch - eines meiner Favoriten diesen Jahres, wenn auch ein trauriger. Ein Buch, in dem ich mich so oft wieder gefunden habe und das ich, und sicherlich viele Frauen und Mädchen auch, am Ende zuklappen musste mit dem Gedanken, dass mir das gleiche auch passieren kann. Denn häusliche Gewalt ist kein Randphänomen, sondern allgegenwärtig.

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Veröffentlicht am 28.06.2024

Nicht (mehr) allein

Sorry not sorry
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Ich versuche die richtigen Worte zu finden, meine Empfindungen während des Lesens von Anika Landsteiners Essayband zum Thema weibliche Scham wiederzugeben, die Punkte zu finden, bei denen sie mich besonders ...

Ich versuche die richtigen Worte zu finden, meine Empfindungen während des Lesens von Anika Landsteiners Essayband zum Thema weibliche Scham wiederzugeben, die Punkte zu finden, bei denen sie mich besonders getroffen hat, bei denen ich das Buch zuklappen musste weil ich zum ersten mal merkte, es gibt noch jemanden, der - oder besser die - sich in solchen Situationen schämt. Es gibt höchst wahrscheinlich nicht nur eine sondern die Hälfte der Gesellschaft, der diese Scham antrainiert wurde. Ich bin nicht allein und war es nie mit diesen Gefühlen, aber ich dachte es, denn die Scham selbst ist schambehaftet. Es wird nicht darüber gesprochen. Oft gesteht man sich das Gefühl sogar selbst nicht ein.

Anika Landsteiner bricht dieses Tabu. Sie offenbart so viel über ihre eigene Scham, findet auf einer unglaublich persönlichen Ebene Zugang zu dem Thema ohne den gesellschaftlichen Diskurs dahinter zu vernachlässigen. Sie hinterfragt Strukturen, die gerade Frauen diese Scham aufzwingen - die Scham nackt zu sein, die Scham zu altern aber auch die unauffällig unters Sofa geschobene, leere Kekspackung.

So oft habe ich mich in Anika Landsteiners Essays wiedergefunden, in ihren Gefühls- und Gedankenkarussellen, von denen sie es schafft sich zu distanzieren. Ich, knapp 10 Jahre jünger, habe noch einen weiten Weg dorthin, aber er ist durch dieses unglaublich wichtige Buch merklich kürzer geworden.

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