Der traurige Kommissar und die toten Waisenkinder
Der Schatten einer offenen TürEinerseits ist "Der Schatten einer offenen Tür" des belarussischen Exil-Autoren Sasha Filipenko ein Stück Kriminalliteratur, geht es doch um die Ermittlungen eines Moskauer Kriminalkommissars in der nordrussischen ...
Einerseits ist "Der Schatten einer offenen Tür" des belarussischen Exil-Autoren Sasha Filipenko ein Stück Kriminalliteratur, geht es doch um die Ermittlungen eines Moskauer Kriminalkommissars in der nordrussischen Provinz. In einer Kleinstadt, in der ein Kinderheim, ein Gefängnis und ein psychiatrische Klinik die größten Jobchancen für die Einwohner zu bilden sein, soll er eine Selbstmordserie aufklären. Vier jugendliche Bewohner des Kinderheims sind tot. Waren es am Ende gar keine Selbstmorde?
Zugleich ist der Roman ein Porträt einer perspektiv- und hoffnungslosen Gesellschaft, in der im Zweifelfall Brutalität und Intrigen den Sieg davontragen. Alexander Koslow, der aus Moskau geschickt wurde, um die Selbstmordserie aufzuklären, ist nach dem Scheitern seiner Ehe selbst tieftraurig und steht in der Provinz auf verlorenem Posten - der örtliche Polizeichef ist wegen eines vorangegangenen Falls schlecht auf ihn zu sprechen - und hat selbst bereits seinen Verdächtigen, den naiven und gutmütigen Petja, selbst einst Zögling des Kinderheims, von dem sich die örtliche Polizei genervt fühlt. Petja ist zwar unschuldig, soviel sei bereits verraten, aber die Polizisten haben Mittel und Wege, ein Geständnis zu bekommen.
Filipenko schreibt teils mit bitterem Humor, teils pointiert und legt den Finger in so manche Wunde. Das Kinderheim wie auch das lokale Polizeirevier werden zur Parabel einer Gesellschaft, die von Zwang und Anpassungsdruck bestimmt ist und Individualität unterdrückt. Verletzungen wie Selbstverletzungen sind hier Alltag. Der traurige Kommissar löst am Ende zwar seinen Fall, doch er kann weder sich noch Petja helfen. Angesichts der Realitäten kann er im Ringen um die Wahrheit nur scheitern.
Mit repressiven Systemen kennt sich Filipenko aus. In seinen früheren Romanen schilderte er das Leben unter dem Stalinismus ebenso wie Korruption und Gier in seiner Heimat in der Gegenwart. Sein neues Buch, im Stil der griechischen Tragödie in Gesänge gegliedert, beeindruckt mit seiner Kompromisslosigkeit und Düsternis.