Cover-Bild Der Schatten einer offenen Tür
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21,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 25.09.2024
  • ISBN: 9783257615241
Sasha Filipenko

Der Schatten einer offenen Tür

Ruth Altenhofer (Übersetzer)

Die gottverlassene Provinzstadt Ostrog wird von einer Suizidserie von Jugendlichen im Waisenhaus erschüttert. Kommissar Alexander Koslow aus Moskau soll die Ermittlungen in die Hand nehmen, doch die örtliche Polizei hat ihre eigenen Theorien. Als Petja, ein Sonderling mit einem Herz für die Natur, verhaftet wird, glaubt Koslow nicht an dessen Schuld. Aber warum geriet Petja damals derart außer sich, als der Bürgermeister von Ostrog den Heimkindern einen Griechenland-Urlaub spendieren wollte?

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.10.2024

Bedrückende Spannung von Anfang bis Ende

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In der düsteren, von Grau dominierten Provinzstadt Ostrog entspinnt sich ein makabres Rätsel. Irgendetwas scheint die jungen Bewohner des örtlichen Waisenhauses zu einem jähen Ende zu treiben – einer nach ...

In der düsteren, von Grau dominierten Provinzstadt Ostrog entspinnt sich ein makabres Rätsel. Irgendetwas scheint die jungen Bewohner des örtlichen Waisenhauses zu einem jähen Ende zu treiben – einer nach dem anderen nehmen sich die Kinder das Leben, und die Stimmung in der Stadt kippt ins Panische. Als die Ermittlungen ins Stocken geraten, wird der erfahrene, wenn auch etwas abgeklärte Kommissar Alexander Koslow hinzugezogen.

Alexander Koslow hat derweil selbst mit einigen privaten Problemen, wie seiner gescheiterten Ehe zu kämpfen. Die Grausamkeit des Falles geht ihm sehr nahe. Während er sich in die Abgründe der Ermittlungen stürzt, taucht immer wieder die Figur des sonderbaren Petja auf. Ein Außenseiter, ein Schattenmann, der von der lokalen Polizei als Hauptverdächtiger ins Visier genommen wird. Doch je tiefer Koslow gräbt, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Schuld und Unschuld.

Sasha Filipenko entführt uns in eine Welt, die von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Die Waisenhauskinder sind schutzlos und verloren – sie werden zu Symbolen einer Gesellschaft, die ihre Schwächsten im Stich lässt. Koslows Ermittlungen führen ihn in die dunklen Winkel der russischen Bürokratie, wo Korruption und Gleichgültigkeit herrschen. Er deckt ein System auf, das von oben bis unten verrottet ist und in dem die Stimme der Kinder völlig untergeht.

Besonders gefallen hat mir die Art und Weise, wie der Autor die Gesellschaft kritisch unter die Lupe nimmt. Er scheut nicht davor zurück, die Schattenseiten seines Landes aufzudecken. Ob es um die Zustände in den Waisenhäusern, um die Mängel des Rechtssystems oder um die politische Landschaft geht – der Autor lässt kein Auge verschließen.

Für mich persönlich war die Geschichte mehr als nur ein Krimi. Sie ist ein beklemmender Roman, der uns die Frage stellt, wie weit eine Gesellschaft gehen muss, bevor sie aufwacht und handelt. Der Ermittler, der anfangs noch distanziert wirkt, entwickelt im Laufe der Ermittlungen ein tiefes Mitgefühl für die Opfer. Er wird zum Sprachrohr derjenigen, die keine Stimme haben.

Insgesamt war „Der Schatten einer offenen Tür“ ein beklemmendes Leseerlebnis. Die Länge von 272 Seiten habe ich als sehr angenehm empfunden und konnte den Roman in einem Rutsch beenden. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für alle, die gerne düstere Krimis lesen.

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Veröffentlicht am 18.10.2024

Selbstmordserie im Waisenhaus

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„Dann geh, und sieh es dir an, dann erfährst auch du auch gleich, wie dein Volk abseits der Hauptstadt lebt.“

Schon in seinen Romanen „Rote Kreuze“ und „Der ehemalige Sohn“ prangert Filipenko russische ...

„Dann geh, und sieh es dir an, dann erfährst auch du auch gleich, wie dein Volk abseits der Hauptstadt lebt.“

Schon in seinen Romanen „Rote Kreuze“ und „Der ehemalige Sohn“ prangert Filipenko russische Zustände an. So auch in diesem Buch, in dem er Ermittler nach einem Schuldigen für eine Selbstmordserie Jugendlicher suchen lässt.

Der scheint schnell in dem Außenseiter Petja gefunden zu sein. Aufgewachsen im Waisenhaus, von diversen Pflegefamilien wieder zurückgegeben, verhält er sich anders als andere. Einst hat er sich gegen eine Reise der Waisenhauskinder nach Griechenland ausgesprochen, die mehreren Selbstmorden vorausgegangen ist. Nun begleiten wir die Ermittler bei ihrer Recherche, warum die Kinder nicht mehr leben wollten.


Dieses Buch ist geschrieben wie ein emotionsloser Bericht und hat mich – vielleicht gerade deswegen - aufgewühlt. Denn was hier alles beleuchtet wird, ist kaum vorstellbar. Der Autor zeigt seine Figuren mit all ihren Eigenschaften und die Reaktion der Umwelt darauf. Wer nicht so ist wie gewünscht, wird schief angeschaut und verurteilt. Der Aufbau des Romans hat mich besonders angesprochen: Hier werden keine Erklärungen gegeben, sondern anhand von Momentaufnahmen nur Geschehenes berichtet, untermalt mit diversen Aufsätzen und Zeitungsberichten.


Sasha Filipenko, 1984 in Minsk geboren, ist laut PEN Berlin einer der herausragenden belarussischen Autoren und einer der profiliertesten Kritiker des Lukaschenko-Regimes. Er studierte an der Europäischen Humanistischen Universität in Minsk und nach deren Schließung 2004 an der Universität Sankt Petersburg Literatur. Nach dem Master arbeitete er für die unabhängigen Sender Dozhd und RTVi. Er beteiligte sich an den Protesten 2020 und lebt seitdem mit seiner Familie im Schweizer Exil. Hier engagiert er sich für Meinungsfreiheit, was dazu führte, dass sein Vater mit den Worten »Danke deinem Sohn« von belarussischen Polizisten im November 2023 festgenommen wurde.


Fazit: diese zeitgenössische Literatur über russische Zustände ist ausgesprochen lesenswert!

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Veröffentlicht am 02.11.2024

Nicht der beste Roman von ihm

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Petja arbeitet in einer Hygienewarenfabrik und rollt Wattestäbchen. Das Werk gehört einem ehemaligen Strafgefangenen und der möchte noch mehr Fabriken bauen. Zu dem Zweck muss er viele Bäume fällen und ...

Petja arbeitet in einer Hygienewarenfabrik und rollt Wattestäbchen. Das Werk gehört einem ehemaligen Strafgefangenen und der möchte noch mehr Fabriken bauen. Zu dem Zweck muss er viele Bäume fällen und das gefällt Petja überhaupt nicht. Er ist sehr naturverbunden und beobachtet nicht nur Vögel besonders gerne. Er will für den Erhalt „seiner“ Bäume kämpfen. Und dann gibt es in dem Ort noch das Waisenhaus. Das kommt in die Schlagzeilen, weil sich drei Kinder nacheinander das Leben nahmen. Keiner weiß warum.

"Der Schatten einer offenen Tür" ist ein weiteres Buch von Sasha Filipenko. Seine eindringliche Art, die Gedanken der Akteure aufs Papier zu bringen, zeichnet ihn aus. Er hat einen Schreibstil, der nicht alltäglich ist. Klar zu erkennen ist seine Kritik an Russland. Hier wird sie anhand des Umgangs mit Waisenkindern verdeutlicht. Nein, sie kommt nicht mit direkten Vorwürfen, sondern recht subtil daher. Obwohl mir seine letzten Romane besser gefielen, gebe ich auch für dieses Buch eine Empfehlung.

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Veröffentlicht am 24.10.2024

Der traurige Kommissar und die toten Waisenkinder

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Einerseits ist "Der Schatten einer offenen Tür" des belarussischen Exil-Autoren Sasha Filipenko ein Stück Kriminalliteratur, geht es doch um die Ermittlungen eines Moskauer Kriminalkommissars in der nordrussischen ...

Einerseits ist "Der Schatten einer offenen Tür" des belarussischen Exil-Autoren Sasha Filipenko ein Stück Kriminalliteratur, geht es doch um die Ermittlungen eines Moskauer Kriminalkommissars in der nordrussischen Provinz. In einer Kleinstadt, in der ein Kinderheim, ein Gefängnis und ein psychiatrische Klinik die größten Jobchancen für die Einwohner zu bilden sein, soll er eine Selbstmordserie aufklären. Vier jugendliche Bewohner des Kinderheims sind tot. Waren es am Ende gar keine Selbstmorde?

Zugleich ist der Roman ein Porträt einer perspektiv- und hoffnungslosen Gesellschaft, in der im Zweifelfall Brutalität und Intrigen den Sieg davontragen. Alexander Koslow, der aus Moskau geschickt wurde, um die Selbstmordserie aufzuklären, ist nach dem Scheitern seiner Ehe selbst tieftraurig und steht in der Provinz auf verlorenem Posten - der örtliche Polizeichef ist wegen eines vorangegangenen Falls schlecht auf ihn zu sprechen - und hat selbst bereits seinen Verdächtigen, den naiven und gutmütigen Petja, selbst einst Zögling des Kinderheims, von dem sich die örtliche Polizei genervt fühlt. Petja ist zwar unschuldig, soviel sei bereits verraten, aber die Polizisten haben Mittel und Wege, ein Geständnis zu bekommen.

Filipenko schreibt teils mit bitterem Humor, teils pointiert und legt den Finger in so manche Wunde. Das Kinderheim wie auch das lokale Polizeirevier werden zur Parabel einer Gesellschaft, die von Zwang und Anpassungsdruck bestimmt ist und Individualität unterdrückt. Verletzungen wie Selbstverletzungen sind hier Alltag. Der traurige Kommissar löst am Ende zwar seinen Fall, doch er kann weder sich noch Petja helfen. Angesichts der Realitäten kann er im Ringen um die Wahrheit nur scheitern.

Mit repressiven Systemen kennt sich Filipenko aus. In seinen früheren Romanen schilderte er das Leben unter dem Stalinismus ebenso wie Korruption und Gier in seiner Heimat in der Gegenwart. Sein neues Buch, im Stil der griechischen Tragödie in Gesänge gegliedert, beeindruckt mit seiner Kompromisslosigkeit und Düsternis.

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