Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2024

Justizkrimi mit aktuellem Plot

Der 1. Patient
0

Der nunmehr vierte Justizkrimi von Michael Tsokos (Rechtsmediziner) und Florian Schwiecker (Ex-Strafverteidiger) hat mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Medizin einen aktuellen Aufhänger. Der ...

Der nunmehr vierte Justizkrimi von Michael Tsokos (Rechtsmediziner) und Florian Schwiecker (Ex-Strafverteidiger) hat mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Medizin einen aktuellen Aufhänger. Der Berliner Rechtsanwalt Rocco Eberhardt vertritt in einem aufsehenserregenden Strafprozess eine Ärztin, deren Patient während einer Routineoperation an einem anaphylaktischen Schock starb. Die Staatsanwaltschaft wirft der Medizinerin fahrlässige Tötung vor, Tod aufgrund eines Behandlungsfehlers.

Das besondere an diesem Fall: Das Krankenhaus setzt bei der Erstellung von Operationsplänen auf ein KI-Programm, die Angeklagte selbst hat sich in Talkshows als Fürsprecherin für den KI-Einsatz in der Medizin hervorgetan. Hat letztlich die KI Schuld am Tod des Mannes und eine falsche Empfehlung abgegeben? Wieso ist die in der Anamnese bekanntgewordene Allergie des Patienten nicht berücksichtigt worden?

Der Fall erregt nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit, sondern weckt auch den Erfolgshunger einer jungen Boulevardjournalistin, die die Chance sieht, sich einen Namen zu erschreiben und dabei auch die Wut und Verbitterung des 18-Jährigen Sohnes des toten Patienten ausnutzt.

Mit Hilfe eines ehemaligen Hacker-Mandanten findet Rocco Eberhardt zudem heraus: Krankenhausakten wurden manipuliert. Ist er einer Verschwörung auf der Spur? Rechtsmediziner Jarmer ist in diesem Fall nur am Rande beteiligt, macht aber schließlich eine Entdeckung, die dem Fall eine ganz neue Perspektive gibt.

Die Twists und turns dieses Justizkrimis überraschen, gleichzeitig wird der Ablauf des Strafprozesses glaubwürdig geschildert und die Atmosphäre eines "Sensationsprozesses" samt der sich dazu entwickelten Medienaufgeregtheit gut dargestellt. Am Ende habe ich über die Lösung des Falls, die ich so nicht kommen sah, gestaunt. Da freue ich mich doch schon jetzt auf den hoffentlich kommenden nächsten Fall.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.06.2024

Wer hat Hass auf Seenotretter?

Tödlich rauscht die Brandung
0

Ben Kitto, der Protagonist von Kate Penroses Serie über einen Polizisten auf den Scilly-Inseln, ist eigentlich bereits gut ausgelastet - nicht nur durch den Polizistenjob. Seit ein paar Monaten sorgt Söhnchen ...

Ben Kitto, der Protagonist von Kate Penroses Serie über einen Polizisten auf den Scilly-Inseln, ist eigentlich bereits gut ausgelastet - nicht nur durch den Polizistenjob. Seit ein paar Monaten sorgt Söhnchen Noah für Trubel und kurze Nächte, die Hochzeitsvorbereitungen nähern sich dem Höhepunkt. Trotzdem findet Kitto noch Zeit, sich bei der Seenotrettung zu engagieren - vielleicht auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung, schließlich ist sein Vater auf seinem Trawler im Sturm gesunken, als Kitto noch ein Kind war.

Doch ausgerechnet die Seenotretter scheinen im Visier eines Unbekannten zu sein. Nicht nur bekommen mehrere Mitglieder der Gruppe seltsame Botschaften mit Galgenmännchen und Shakespeare-Zitaten. Ein Mitglied, das erst wenige Monate zuvor mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet wurde und Heldenstatus genießt, ist erst verschwunden und wird Tage später tot gefunden. Dann wird eine weitere Retterin vermisst. Irgend jemand, so scheint es, hat einen gewaltigen Hass auf die Seenotretter.

Ein wegen Drogenhandels vorbestrafter junger Mann scheint vielen der naheliegende Verdächtige, doch auch eine Ex-Freundin Kittos könnte ein Motiv haben. Unter den schweigsamen Insulanern ist die Aufklärung nicht einfach, während Kittos Vorgesetzter Druck macht - nicht nur wegen der Ermittlungen. Dass sein halbes Team sich freiwillig bei der Seenotrettung engagiert und so nicht jederzeit kurzfristig für Einsätze zur Verfügung stehen konnte, gefällt ihm gar nicht.

Ein wichtiger Assistent ist auch in diesem Scilly-Roman Kittos ebenso eigenwilliger wie sympathischer Wolfshund Shadow. Wie bereits in den Vorgängerromanen werden die persönlichen Beziehungen und Probleme der Inselbewohner mit dem aktuellen Fall verwoben. Einmal mehr punktet das Buch mit der Beschreibung der rauen Schönheit der Inseln. Dass diesmal auch die wilde See noch mehr als in früheren Bänden eine Rolle spielt, versteht sich angesichts des Themas von selbst.

Auch mit dem mittlerweile 7. Band ist das Potential der Scilly-Serie nicht erschöpft. Wer vorangegangene Bände kennt, wird vertraute Inselbewohner aus Kittos Umfeld wiedertreffen. Es ist aber kein Problem, mit diesem Band einzusteigen. Einmal mehr solide Spannung mit glaubwürdigen, lebensnahen Figuren und schönen Naturschilderungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein Kanaren-Krimi, der enttäuscht

Dunkle Verwicklungen auf La Palma (Calderon und Rodriguez ermitteln 1)
0

Ich habe mich für "Dunkle Verwicklungen auf La Palma" interessiert, weil ich mir eine Sommerlektüre mit ein bißchen Spannungen und Kanarenflair erwartet hatte, bin nach Beendigung des Buches des Autorenduos ...

Ich habe mich für "Dunkle Verwicklungen auf La Palma" interessiert, weil ich mir eine Sommerlektüre mit ein bißchen Spannungen und Kanarenflair erwartet hatte, bin nach Beendigung des Buches des Autorenduos Flores & Santana aber nicht wirklich auf meine Kosten gegeben. Kulinarisches und Landschaftliches ist nett eingestreut, die Gerüche der Insel treten auch den Lesenden vor die Nase, insoferrn ist der sommerliche Urlaubsanspruch durchaus erfüllt, aber auch ein Cozy-Krimi sollte doch ein gewisses Grundmaß an Spannung bieten.

Der Mord an einem Bauunternehmer, die Aktivitäten einer Umweltgruppe - das würde doch dazu einladen, Spekulantentum, Overtourism, das Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie zu thematisieren. Ich konnte aber mit den überausführlichen Schwenkern zum Privatleben der ziemlich altbackenen Protagonisten nicht warm werden, die ohnehin mehr Zeit mit essen und trinken als mit ihrer eigentlichen Arbeit zu verbringen schienen. Die Ermittlungen sind dann vollends hanebüchen. Journalist Ben muss seinem alten Kumpel, dem leicht überforderten Polizisten, unter die Arme greifen und ist nicht nur bei dessen Nachforschungen dabei, sondern darf im Nebenraum dem Verhör eines Verdächtigen folgen.

Das ist dann so unendlich weit vorbei an jeglicher Lebenswirklichkeit, dass auch "Ist schließlich nur ein Cozy" keine Entschuldigung für Unglaubwürdigkeit ist. Wäre es wenigstens so überzogen gewesen wie in eher satirisch angelegten Humor-Krimis, wäre es ja noch angegangen, aber so musste ich mich zwingen, das Buch zu Ende zu lesen. Sprachlich hat mich das Buch auch nicht überzeugt. Kanaren-Fans verzeihen möglicherweise diesen totalen Realitätsverlust, aber für mich ist klar, dass ich den bereits angekündigten Folgeband nicht lesen werde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Familiengeheimnisse, Liebe und Versöhnung

Black Cake
0

Viele Geheimnisse werden aufgedeckt, doch "Black Cake" von Charmaine Wilkerson ist kein Krimi, sondern eine Familiengeschichte. Die Geschwister Benny und Byron haben sich jahrelang nicht gesehen, seit ...

Viele Geheimnisse werden aufgedeckt, doch "Black Cake" von Charmaine Wilkerson ist kein Krimi, sondern eine Familiengeschichte. Die Geschwister Benny und Byron haben sich jahrelang nicht gesehen, seit die sich unverstanden und unakzeptiert fühlende Benny den Kontakt zur Familie gekappt hat. Nun ist Eleanor Bennett, die Mutter gestorben. Bei der Beerdigung ist die Stimmung zwischen den Geschwistern, die sich einst so nahestanden, zunächst einmal frostig.

Um die letzten Wünsche ihrer Mutter kennenzulernen, müssen sich die beiden allerdings erst einmal eine längere Audioaufnahme anhören, die die Eleanor vor ihrem Tod angefertigt hatte, um Ungesagtes nicht mit ins Grab zu nehmen. Es ist nicht nur eine Liebeserklärung an ihre Kinder, Eleanor deckt auch ihre Familiengeschichte auf, wie sie von einer karibischen Insel erst nach Großbritannien, dann in die USA kam.

Dass der Weg ihrer Eltern, geprägt von Aufstiegswillen und der Betonung von Bildung und Leistung auch eine Flucht vor der Vergangenheit war und ihre Eltern ein Leben lang ein Geheimnis bewahrt hatten, wird Benny und Byron erst jetzt klar. Und sie erfahren, dass sie eine ältere Schwester haben, von der auch ihr Vater nie etwas wusste.

Benny und Byron waren bisher nie in der Heimat ihrer Eltern gewesen. Ihre Verbindung zu ihrem kulturellen Erbe ist eine kulinarische: Der Black Cake, den die Mutter zu Weihnachten und besonderern Familienfesten buk. Im Tiefkühlfach wartet auch jetzt der letzte Black Cake der Mutter darauf, mit allen Geschwistern geteilt zu werden.

Wilkersen hat ihren Roman mit verschiedenen Erzählperspektiven und Zeitebenen geschrieben, den Lesern werden manche Geheimnisse früher enthüllt als den Geschwistern. Gleichzeitig zeigt die Autorin Rassismuserfahrungen auf, die buchstäblich kein Schwarz-Weiß-Schema bedeuten. "Black Cake" ist ein Buch über Liebe und Verlust, über Freundschaft und Vertrauen, Entfremdung und Zusammenkommen. Es wäre leicht, angesichts großer Gefühle in eine Kitschfalle zu tappen, aber Wilkersen vermeidet das souverän in diesem warmherzigen, aber auch vielschichtigem Familienroman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.05.2024

Liebe, Wahn und Tod

Vergebens
0

Im neuen Spreewaldkrimi von Christiane Diekerhoff um die Kommissarin Klaudia Wagner und ihre Kolleginnen und Kollegen des Polizeirevier Lübben geht es neben einem ziemlich blutigen Mordfall auch um allerlei ...

Im neuen Spreewaldkrimi von Christiane Diekerhoff um die Kommissarin Klaudia Wagner und ihre Kolleginnen und Kollegen des Polizeirevier Lübben geht es neben einem ziemlich blutigen Mordfall auch um allerlei große Dinge, von Transphobie über psychische Erkrankungen, Folgen tiefsitzender Traumata und daneben auch noch um viel Zwischenmenschliches im Arbeitsleben.

Denn abgesehen davon, dass der ausgesprochen brutale Mord an einem Gerichtsvollzieher aufzuklären ist und kurze Zeit später auch die Frau, die den Toten gefunden hat, tot ist, gärt ein Konkurrenzkampf im Lübbener Revier: Der langjährige Dienststellenleiter wird in den Ruhestand gegen, Klaudia hat sich für die Stelle beworben. Mit 46 Jahren wird es Zeit, Aufstiegswillen zu zeigen - doch eigentlich ist sie ja Vollblutermittlerin.

Will sie sich das wirklich antun, einen Job, der von Verwaltung und Dienstplänen geprägt ist. Zudem hat Klaudia Konkurrenz durch den smarten LKA-Ermittler Meinert, Mitte 30 und obendrein Polizeigewerkschafter, einer der vermutlich gut ankommt beim Personalrat. Für die Zusammenarbeit im kleinen Team jedenfalls ist die Jagd auf den Chefposten eher suboptimal, während sich Lager für die jeweiligen Kandidaten bilden und auf Fehler der Konkurrenz geachtet wird.

Diekerhoff schafft es, Spannung mit einer ruhigen Erzählweise zu verbinden und immer wieder auch die Wälder und Flusslandschaften zu schilder, die neugierig machen auf den Spreewald. Der beschaulichen Landschaft zum Trotz hat der neue Fall der Lübbener Ermittler viele Untiefen und erlebt eine dramatische Zuspitzung. Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit, aber auch voller Einsatz prägen dieses Team. Der Titel "Vergebens" passt für den Fall, in dem es auch um Liebe, Wahn und Tod geht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere