Cover-Bild Von Norden rollt ein Donner
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23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 287
  • Ersterscheinung: 11.07.2024
  • ISBN: 9783406822476
Markus Thielemann

Von Norden rollt ein Donner

Roman
Über die Abgründe eines „urdeutschen“ Idylls

Täglich treiben der 19-jährige Jannes und seine Familie die Schafe über die Flächen der Lüneburger Heide. Doch es herrscht eine gärende Unruhe in der Gegend, der Wolf ist zurück. Es mehren sich Schafsrisse und mit ihnen Konflikte im Dorf, die schnell politisch werden.

Kann Heimatschutz Gewalt rechtfertigen? Während sich die Situation zuspitzt und in Selbstjustiz der Bevölkerung zu eskalieren droht, flüchtet Jannes zu seinen Schafen in die Heide. Bis er dort immer wieder auf eine merkwürdige Frau trifft. Er beginnt, ihr zu folgen, und kommt Schritt für Schritt hinter die Geheimnisse dieser vermeintlichen Sehnsuchtslandschaft, stößt auf Brutalität, völkische Ideologie – und auf ein tiefes Schweigen. Markus Thielemann begibt sich mit seinem fesselnden Anti-Heimatroman tief hinein in die Abgründe eines „urdeutschen“ Idylls.

  • „Ihm kommt ein absurder Gedanke: Vielleicht ist es das Land, das ihm etwas sagen will, das ihm etwas antun will, vielleicht ist es die Heide.“
  • Eine literarische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen und politischen Klima in der westdeutschen Provinz
  • Über Heimat und Gewalt, Verdrängung und Schweigen, Tradition und Verantwortung
  • Für die Leser:innen von Lukas Rietzschel, Gaea Schoeters „Trophäe“ und Alina Herbings „Niemand ist bei den Kälbern“

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2024

Atmosphärisch dicht und unbedingt lesenswert

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„Im Norden grollt ein Donner“ hat mich von Beginn an durch seine atmosphärische Dichte und seine düstere Stimmung in seinen Bann gezogen. Schon das Anfangszitat von Theodor Storm weist auf Abgründe in ...

„Im Norden grollt ein Donner“ hat mich von Beginn an durch seine atmosphärische Dichte und seine düstere Stimmung in seinen Bann gezogen. Schon das Anfangszitat von Theodor Storm weist auf Abgründe in der Idylle hin. Und dann kündigt sich bereits auf der ersten Seite mit Grollen ein Gewitter an: Das bedeutet für Jannes, den 19-jährigen Schäfer, der sich im Familienbetrieb um die Herde der Heidschnucken kümmert, nicht nur beschwerliche Ausflüge mit den Schafen, sondern auch, dass Jannes beginnt, verdrängte Vergangenheit und unterdrückte Gefühle in der vermeintlichen Heideidylle wahrzunehmen.

Eine spürbare Unruhe geht in Jannes‘ Umfeld um: Die Zukunft des Familienbetriebs ist ungeklärt und der erkrankte Vater Friedrich ist besessen von der Rückkehr der Wölfe in die Heide, was auch das Dorf in Aufruhr versetzt. Dies führt schnell zu politischen Konflikten um die Forderung, die Wölfe mit Gewalt zu bekämpfen, was mich durch die eindringlichen und präzisen Dialoge zwischen den Dorfbewohnern mehr als einmal an die gewaltsame Bekämpfung von allem, was gesellschaftlich neu und zunächst fremd erscheint, erinnert hat. All dies drängt Jannes in die Einsamkeit der Heide, wo er nach und nach hinter die Fassade der Heideidylle schaut, über die im Dorf und der Familie beharrlich geschwiegen wurde.

Die Themen des intergenerationalen Schweigens über die deutsche Vergangenheit und des Wiedererstarkens völkischer und rechtsextremer Ideologie unter dem Deckmantel des sog. „Heimatschutzes“ werden in diesem Roman literarisch so geschickt verarbeitet, dass der Inhalt niemals aufgesetzt wirkt, sondern die Verbindungen zwischen Jannes sowie der Vergangenheit und Gegenwart der Heide immer folgerichtig erscheinen. Auch dadurch wurde der Roman für mich zum spannenden Pageturner, auch wenn ich ihn aufgrund der intensiven, auch bildhaften Sprache sowie der stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen, die immer auch etwas über die Figuren und ihr Umfeld aussagen, eigentlich bewusst langsam gelesen habe. Die literarische Reise in die Abgründe eines idyllischen Scheins und der zugleich kritische Blick auf historische und aktuelle Strömungen in der deutschen Gesellschaft haben mir von der ersten bis zur letzten Seite wirklich sehr gut gefallen. Das ist ein Buch für Menschen, die Literatur lieben!

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Veröffentlicht am 24.07.2024

Das schwere Leben der Schäfer

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MEINE MEINUNG
Jannes ist 19 und er ist Schäfer, so wie alle aus seiner Familie. Seit einiger Zeit sind wohl Wölfe in der Lüneburger Heide und Jannes bringt die Schafe sehr aufmerksam wieder in den Stall, ...

MEINE MEINUNG
Jannes ist 19 und er ist Schäfer, so wie alle aus seiner Familie. Seit einiger Zeit sind wohl Wölfe in der Lüneburger Heide und Jannes bringt die Schafe sehr aufmerksam wieder in den Stall, als er ein paar Spuren entdeckt, die er nicht unbedingt den Hunden zuordnet.
Jannes ist sehr beunruhigt, weil seine Mutter mit seinem Vater beim Arzt war und Jannes fürchtet sich vor dem Ergebnis. Auch die Oma was an Demenz erkrankt und von ihr weiß er, wie schlimm das alles werden kann. Das möchte er mit seinem Vater nicht erleben. Sein Vater weißt schon die ersten Anzeichen auf und Jannes hat große Angst vor dem Ergebnis. Er will die Wahrheit nicht hören.

Auch als Schäfer macht er sich Sorgen, denn die Wölfe sind wieder da und das kann durchaus gefährlich werden. Der Großvater hat dazu eine deutliche Meinung und von der weicht er auch keinen Millimeter ab. Man muss einfach die Wölfe schießen dürfen, aber das ist bei der Regierung nicht gerne gesehen.

Das Buch ist hier sehr vielfältig und man liest von verschiedenen Themen geprägt. Das macht das ganze dann beim lesen sehr interessant, denn Jannes ist noch ein junger Bursche und dennoch hat er schon viele Sorgen.
Auch das Fernsehteam macht das ganze nicht gerade leichter, denn die Mutter versucht den Vater zu verbergen, denn keiner soll merken, das mit ihm etwas nicht stimmt.

Das Buch ist sehr interessant und es birgt auch eine gewisse Spannung in sich. Wenn man einmal angefangen hat zu lesen, dann kann man einfach nicht mehr aufhören, denn man möchte wissen, wie das hier alles für die Familie weitergeht.
Das ganze ist hier literarisch sehr hochwertig geschrieben und an manchen Stellen findet man auch ein klein wenig Poesie. Das macht das Buch dann auch so abwechslungsreich. Es liest sich dennoch sehr leicht und sehr flüssig auch wenn der Schreibstil sehr anspruchsvoll ist.
Also von mir gibt es hier die vollen 5 Sterne und auch eine klare Leseempfehlung.


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Veröffentlicht am 19.07.2024

Heideidylle der Unschuld beraubt

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Jannes führt die Familientradition weiter und ist Jungschäfer geworden. Seine Schnucken prägen und formen das Landschaftsbild der Lüneburger Heide. Aber die Idylle bekommt einen jähen Riss, als die Rückkehr ...

Jannes führt die Familientradition weiter und ist Jungschäfer geworden. Seine Schnucken prägen und formen das Landschaftsbild der Lüneburger Heide. Aber die Idylle bekommt einen jähen Riss, als die Rückkehr des Wolfes im Heideland vermeldet wird. Schnell schließen sich die Reihen zu einer Art Bürgerwehr gegen den natürlichen Feind der Schafe, doch es sind Wölfe im Schafspelz unter ihnen, die die Stimmung mit ihrem braunen Gedankengut vergiften...


Markus Thielemann erzählt in leisen, aber sehr eindringlichen Worten von Familientraditionen, Heimatverbundenheit und Heideidylle und die Leserinnen fühlen sich wie in einer Art Heimatfilm. Es ist nämlich in keinerlei Art und Weise erkennbar, was hinter dem vermeintlichen Idyll schwelt und wie weit zurück in die Vergangenheit Jannes blicken muss, um die Zusammenhänge von heute zu verstehen.

Heimatverbundenheit, Traditionen und Brauchtumspflege wecken auf der eine Seite positive Assoziationen und lassen die Heide wie in den Versen des Heidedichters Löns romantisch und angenehm erscheine. Doch wer genau hinsieht, entdeckt hinter dieser Leibe zur Region einen klugen Schachzug der Ewiggestrigen, die auf Beutezug gehen. Das Bild des Wolfes, der die Schafes reißt, steht hier sinnbildlich für die Machenschaften, die nicht immer auf den ersten Blick zu durchschauen sind - es sind eben Wölfe im Schafspelz, die sich unter die ahnungslosen Dorfbewohner:innen mischen.

Geheimnisse der Großelterngeneration, das damit verbundene Schweigen, die Zusammenhänge kriegsbedingter Ereignisse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Kriegsenkel werden vom Autor in eine fast schon poetisch-mystische Geschichte verpackt. Daraus entsteht ein Roman, den man nur sehr schwer wieder zur Seite legen kann. Die Figuren sind allesamt überzeugend und nehmen die Lesenden an die Hand, um ihnen ein Begleiten auf Augenhöhe zu ermöglichen. Einfühlsame Szenen wechseln sich mit schwerwiegenden Ereignissen ab und bedienen so die ganze Klaviatur der Gefühle.

Ein sehr tiefsinniges und gedankenreiches Buch, das an Aktualität nichts verloren hat.

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Veröffentlicht am 12.07.2024

Gelungenes Zeitzeugnis

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Der junge Jannes folgt der Familientradition und hütet in der kargen Weite der Lüneburger Heide Heidschnucken und Ziegen. Ganz in der Nähe des elterlichen Hofs rollt von Norden ein Donner her. Denn Rheinmetall ...

Der junge Jannes folgt der Familientradition und hütet in der kargen Weite der Lüneburger Heide Heidschnucken und Ziegen. Ganz in der Nähe des elterlichen Hofs rollt von Norden ein Donner her. Denn Rheinmetall testet auf dem Fabrikgelände ganz in der Nähe Panzermunition und dann wird die Luft vom Grollen und Knallen durchzogen.

Draußen an den Pferchen entdeckt Jannes Spuren, ganz ähnlich seiner zwei Collies, nur tiefer und älter und ist verunsichert. An diesem Tag zieht sich der Himmel zu, verdichtet sich. Einige Schafe brechen aus. Die Hunde formieren sich, hängen sich leicht hinter sie und treiben sie Richtung Traube.

Vor drei Wochen erst wurde bei den Steinbecks der Riss eines Kalbes entdeckt. Jannes sieht die schlecht fotografierten Tatbilder vor sich und fröstelt.

Der Vater war beim Arzt, nun soll er zum Neurologen, weil ihm manchmal die Worte fehlen. Genauso war es bei Jannes Großmutter, erinnert sich der Großvater. Jannes leiblicher Vater existiert nur noch in den Fotoalben, tief vergraben im Schrank. Manni ist in Bosnien gefallen. Das nimmt Jannes ihm übel, weil er diesen Weg gewählt hat, statt bei der Familie zu sein. Seine Schwester Janine hat Mannis Namen Naumann nie abgelegt, auch nicht als sie geheiratet hat. Mit Jannes Stiefvater Friedrich hat sie immer gestritten. Sie ist nach Frankfurt zum Studieren und hat es sich mit der familiären Unterstützung gut gehen lassen.

Seine beiden Schulkollegen Fynn und Phillip sieht er nur selten. Meistens antwortet er nicht auf ihre Einladungen bei WhatsApp. Jannes bevorzugt die Stille draußen, mit der Herde, das gibt ihm Sicherheit, zumindest bis vor Kurzem, bis diese Erscheinung auftauchte, die Alte mit den zerfetzten Kleidern, sprachlos und still streckt sie ihren Arm aus und zeigt auf ihn, vorwurfsvoll. Ihm graut vor den Begegnungen mit ihr. Friedrich mit seiner Vergesslichkeit setzt ihm ebenfalls zu, da bleibt einfach vieles an ihm hängen, er übernimmt, gleicht aus, versucht Schaden zu begrenzen. Und der Großvater, der alte sture Bock hat immer die Flinte im Anschlag.

Fazit: Die Erzählung wirkt autofiktional und hat es thematisch in sich. Es ist ein Stück Zeitgeschichte in Prosa, die Vergangenes aufzuarbeiten versucht. Der Autor lässt den Waffenfabrikanten, der schon fürs Dritte Reich gearbeitet hat, neben Bergen-Belsen einfließen. Die alten patriotischen Feindlichkeiten gegen alles Fremde von damals, werden heuer gegen ein Wolfsrudel geführt, von dem niemand wirklich sicher ist, dass es existiert. Der Sprachrhythmus ist fließend, die Wortwahl sinnlich. Markus Thielemann hat es geschafft, mich mit seinem Protagonisten in die Heide zu führen, mir Gerüche, Bilder und Geräusche in den Kopf gezaubert. Mit Jannes hat er einen feinsinnigen Charakter gezeichnet, der so unsicher ist, dass er sozialen Kontakten die Einsamkeit vorzieht. Der zunehmende Druck, der auf ihm lastet, lässt ihn maulfaul und griesgrämig erscheinen. Jannes Leben spielt sich in seinen zahlreichen Gedanken und Sorgen ab. Zuerst hat mich der mystische Einschlag befremdet, später fand ich es als Stilmittel zum Aufzeigen einer Epigenetik (Die Schuld unserer Großeltern ist in unsere DNA eingeschrieben) fast kunstvoll. Mir hat diese gelungene Aufarbeitung gut gefallen.

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