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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2019

So toll!

Kirschroter Sommer
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Ich habe mich recht schwer damit getan, in das Buch hineinzufinden. Emely fand ich am Anfang so furchtbar. Ihre Sprüche sind teilweise doch weit über das Ziel hinausgeschossen bzw. gingen mir zu sehr unter ...

Ich habe mich recht schwer damit getan, in das Buch hineinzufinden. Emely fand ich am Anfang so furchtbar. Ihre Sprüche sind teilweise doch weit über das Ziel hinausgeschossen bzw. gingen mir zu sehr unter die Gürtellinie. Auch kam es mir so vor, als hätte sich die Autorin vor dem Schreiben des Buches vorgenommen, in jedem 10. Satz einen dummen Spruch fallen zu lassen. Irgendwie kam mir alles so gezwungen und konstruiert vor. Und mir hat das besondere Etwas gefehlt, das mich zum Weiterlesen zwingt. Irgendwie plätscherte die Handlung doch zu sehr vor sich hin, als dass wirklich etwas Interessantes oder sogar Romantisches passiert wäre.

Aber dann kam irgendwann die große Wende. Ich kann das gar nicht an einer bestimmten Szene oder Seitenzahl festmachen. Aber plötzlich war ich in der Geschichte drin. Ich hatte mich an die Charaktere und ihre Eigenheiten gewöhnt und konnte auf einmal zusammen mit ihnen über die Witze und Sprüche lachen, auch wenn ich sie immer noch manchmal etwas dämlich fand. Aber irgendwie mochte ich Emelys Humor dann doch. Sie ist so herrlich sarkastisch und ironisch, schlagfertig und eben einfach nicht so leicht zu haben. Ich finde es toll, wie sie Elyas Kontra gibt, sodass selbst er manchmal sprachlos zurückbleibt. Das gibt dem Buch Würze, macht es besonders.

Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Emely und Elyas finde ich großartig. Die beiden können nicht miteinander, können aber auch nicht ohneeinander. Sie wissen beide ganz genau, dass sie sich wollen, können aber einfach nicht über ihren Schatten springen. Klar, einige Szenen und Dialoge wiederholen sich. Aber es macht solchen Spaß, die beiden bei ihren Schlagabtäuschen zu beobachten und sich selbst seinen Teil dabei zu denken. Denn dass sie sich am Ende kriegen, sollte doch wohl feststehen. Emely macht es Elyas wirklich nicht leicht. Manche von euch haben geschrieben, dass sie es unrealistisch finden, dass Elyas trotzdem an ihr dran bleibt, anstatt genervt aufzugeben. Aber macht das nicht gerade das Besondere an Elyas aus? Ist es nicht einfach soooo süß, wie er um Emely kämpft, ohne dabei zu offensichtlich darum bemüht zu sein, ihr Herz zu erobern. Ich finde es toll, wie er immer wieder die richtigen Wörter findet, um zweideutig zu bleiben und nicht zu offensichtlich zuzugeben, dass er total in sie verknallt ist. Das macht doch einfach den Reiz an dieser Geschichte aus.

Überhaupt: Elyas. Was für ein Kerl. Ein kleines bisschen habe ich mich auch in ihn verliebt. Und mich dann dabei erwischt, wie ich in seinen türkisgrünen Augen auf dem Cover versunken bin. Emely wehrt sich wirklich extrem gegen ihre Gefühle. Ich glaube, ich wäre schon viel schneller schwach geworden. Aber auch hier bin ich froh, dass Emely sich so verzweifelt wehrt. Denn wenn sich die beiden nach 300 Seiten doch endlich gekriegt hätten, hätte das Buch nicht halb so viel Spaß gemacht.

Klar, eine wirklich interessante Handlung hat das Buch nicht. Der Schwerpunkt liegt schon auf den Dialogen und zwischenmenschlichen Szenen. Aber mir reicht das vollkommen aus.

Ich kann ja eigentlich nicht viel mit Frauenromanen anfangen, bin aber doch manchmal auf der Suche nach Liebesromanen, die nicht kitschig, sondern einfach schööön sind. Und wenn ich es mir recht überlege, bin ich mit "Kirschroter Sommer" an der richtigen Stelle fündig geworden. Genau so stelle ich mir einen solchen Liebesroman vor, der mich einfach alles um mich herum vergessen lässt, der mich mitfiebern lässt, der mir selbst beim Lesen ein Kribbeln im Bauch verursacht. Am Ende gibt es von mir 4,5 Sterne, einen halben muss ich einfach für den holprigen Anfang abziehen, auch wenn der schwierige Einstieg in das Buch bei dem Rest, der mich einfach begeistert hat, schon fast wieder ganz in Vergessenheit geraten ist.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Hat mich sehr überrascht

Über ein Mädchen
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Zunächst einmal muss ich sagen, wie bezaubernd ich den Schutzumschlag finde. Das Cover ist so schlicht und passt doch so wunderbar zum Inhalt des Buches. Es ist auch überhaupt nicht kitschig, finde ich, ...

Zunächst einmal muss ich sagen, wie bezaubernd ich den Schutzumschlag finde. Das Cover ist so schlicht und passt doch so wunderbar zum Inhalt des Buches. Es ist auch überhaupt nicht kitschig, finde ich, sondern einfach nur schön. Und als besonderes Highlight erwartet den Leser auf dem Einband des Buches selbst der Abdruck, den die auf dem Cover abgebildete Teekanne hinterlassen hat: zwei Ringe braunen Tees auf der Vorderseite und ein Fleck auf der Rückseite. Da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht und ich finde diese Idee einfach nur klasse.

Als nächstes muss ich sagen, dass mich der Klappentext total in die Irre geleitet hat. Ich bin mir nicht sicher, ob ich euch verraten soll, warum. Oder ob ich euch das selbst herausfinden lasse, denn euch wird es bestimmt auch so gehen. Auf der anderen Seite aber lässt sich schwer über das Buch erzählen, ohne euch den Grund dafür zu nennen...

Also gut: Der Klappentext hat mich deshalb total verwirrt, weil Flynn ein Mädchen ist. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Der Name Flynn klang für mich zwar außergewöhnlich, aber eben auch außergewöhnlich männlich. Schon nach ein paar Seiten kam daher die große Überraschung für mich und ich musste erst mal ein paar Minuten eine Pause einlegen. Nicht, dass ich ein Problem damit hätte, über die Liebe zweier Mädchen zu lesen. Ich war einfach nur so überrascht.

Der erste Teil des Buches erzählt davon, wie Anna und Flynn sich kennenlernen, wie sie sich sofort sympathisch sind und sich schnell eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Obwohl für Anna von Anfang an mehr dahintersteckt, denn sie hat sich auf den ersten Blick in Flynn verliebt. Und das so richtig. Aber sie weiß nicht, ob Flynn auch auf Mädchen steht. Sie weiß nicht, ob sie sie darauf ansprechen soll. Sie weiß nicht, ob sie mit Flynn glücklich werden könnte. Und dann gibt es noch etwas, das in Annas Vergangenheit passiert ist und ihr immer noch schwer zu schaffen macht. Sie hat Angst, dass diese Sache zwischen ihr und Flynn stehen könnte.

In diesem ersten Teil geht alles sehr schnell. Klar, es gibt diese Momente, in denen man einen Menschen kennenlernt und sofort merkt, dass man mit ihm auf einer Wellenlänge liegt. Und so ist das eben auch bei Anna und Flynn. Und doch hätte ich mir hier mehr Zeit gewünscht, um die beiden Charaktere kennenzulernen. Und ich hätte auch den beiden Charakteren mehr Zeit gewünscht, sich gegenseitig kennenzulernen. So wirkt dagegen alles ein wenig überstürzt.

Aber vielleicht war das auch so gewollt, denn am Ende dieses ersten Teils gibt es einen Bruch, der Anna tieftraurig zurücklässt. Zusammen mit ihr begibt sich der Leser anschließend im zweiten Teil des Buches auf eine Reise in die Vergangenheit. Hier bekommt man nun die Möglichkeit, Anna besser kennenzulernen. Man erfährt viel über ihre Kindheit, über ihr Familienleben, über ihre Freundschaft zu einem ganz besonderen Jungen. Und man erfährt, warum Anna so vorsichtig geworden ist, warum sie sich manchmal lieber verkriecht und allein ist. Warum sie manchmal mit sich und ihrem Schicksal hadert. Nachdem ich den ersten Teil des Buches nicht so ansprechend fand, hat mich das Buch mit diesem zweiten Teil völlig gepackt. Ich habe Anna richtig in mein Herz geschlossen.

Und schließlich kommt der dritte Teil des Buches, über den ich an dieser Stelle aber gar nicht so viel verraten möchte. Ich sage nur, dass sich der Kreis, der mit dem ersten Satz des Buches begonnen hat, nun wieder schließt. Und dass der zweite und dritte Teil den etwas holprigen ersten Teil fast vergessen lassen.

Flynn war mir durchweg nie so sympathisch wie Anna. Das mag an der Erzählperspektive liegen oder auch daran, dass die beiden Mädchen trotz ihrer Gemeinsamkeiten doch sehr unterschiedlich sind. Und Anna hat mich einfach mehr an sich heran gelassen. Flynn blieb für mich immer etwas distanziert, unnahbar und fremd.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr emotional, sehr intensiv, fast schon poetisch. Er hinterlässt Eindruck, denn Joanne Horniman schafft es, viel zu sagen, ohne viel Worte zu verwenden. Ganz zart und liebevoll lässt sie ihre Ich-Erzählerin den Leser an die Hand nehmen und ihn durch das Buch führen. Annas Emotionen übertragen sich auf den Leser und zusammen mit ihr erlebt man eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

Nach Beenden des Buches würde ich sagen, dass es nicht die Liebesgeschichte ist, die im Vordergrund des Buches steht, sondern Annas Geschichte. Annas Geschichte, Annas Gefühle, Annas Gedanken. Klar, das Buch ist ja auch aus ihrer Sicht geschrieben. Aber Anna ist zugleich ein sehr interessanter und angenehmer Charakter, über den es viel zu erzählen gibt und dem man gerne zuhört.

Mein Fazit:

Ein Buch, das mich nicht nur aufgrund des irreführenden Klappentextes, sondern auch aufgrund der tiefgründigen Ich-Erzählerin mit ihrem emotionalen Erzählstil sehr überrascht hat.

Veröffentlicht am 31.10.2019

So wundervoll!

Ich würde dich so gerne küssen
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Also dieses Buch hat mir echt ein besonderes Leseerlebnis bereitet, weil es mich in ein Wechselbad der Gefühle geworfen hat. Ich fand die ersten Seiten sooo blöd. Irgendwie war der Schreibstil so komisch, ...

Also dieses Buch hat mir echt ein besonderes Leseerlebnis bereitet, weil es mich in ein Wechselbad der Gefühle geworfen hat. Ich fand die ersten Seiten sooo blöd. Irgendwie war der Schreibstil so komisch, so umgangssprachlich und irgendwie nicht richtig passend. Und ich dachte schon, dass mir dieses Buch bestimmt gar nicht gefallen würde. Doch irgendwann hatte ich mich eingelesen und mich wahrscheinlich auch einfach an den Erzählstil der Autorin gewöhnt.

Die Handlung geht auf den ersten Seiten recht schnell voran, das Buch ist ja auch nicht besonders dick. Jeffer taucht auf, Frieda selbst und ihre beste Freundin lernt man sowieso schon auf der ersten Seite kennen. Das Wesentliche ist schnell erzählt. Und irgendwie kam ich mit den Charakteren nicht klar. Friede fand ich ganz ok, aber ihre Freundin Maja hat mich genervt. Die ist echt anstrengend. Und mit Jeffer konnte ich gar nichts anfangen, der ist so undurchschaubar. Und dann gab es da auch noch diese Kiki. Die war echt die schlimmste von allen. Obernervig.

Was mich aber trotzdem am Lesen gehalten hat, war diese besondere Stimmung, die von dem Buch ausgeht. Jeroena, du hast das in deiner Rezi echt gut beschrieben und ich kann es auch gar nicht anders sagen: Es ist diese Besonderheit des Teenagerlebens, die den Reiz an diesem Buch ausmacht. Man fühlt sich in seine eigene Jugend versetzt, vergleicht Friedas Gedanken mit seinen eigenen und genießt dabei das Lebensgefühl, das die Charaktere ausstrahlen. Die Unbeschwertheit und Sorglosigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch die Angst vor der Zukunft, die Unsicherheit. Die Stimmung des Buches lässt sich wirklich nur schwer in Worte fassen, aber es ist so eine Stimmung, nach der ich mich manchmal zurücksehne. Die mich wünschen lässt, selbst noch einmal süße 16 zu sein. Und die mich irgendwie auch wünschen lässt, als Teenager in Berlin gelebt und ein Leben wie Frieda und Jeffer geführt zu haben.

Und plötzlich haben mich die nervigen Eigenschaften der Charaktere nicht mehr gestört. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich nur noch auf Frieda und Jeffer konzentriert habe, weil sich auch die Handlung des Buches mehr und mehr auf diese beiden konzentriert. Gut, dass ewige Hin und Her hat mich gestört. Die beiden sind sich einfach nicht im Klaren darüber, was sie füreinander sind. Es steht immer etwas zwischen ihnen und das steht auch zwischen ihnen und dem Leser. Teilweise ist die Beziehung der beiden zu schwammig, zu unkonkret, was irgendwie anstrengend ist. Ganz anders zum Beispiel als bei "Kirschroter Sommer", wo die Charaktere und der Leser genau wissen, dass die beiden sich lieben. Hier weiß man das gar nicht so genau.

Ich war dann davon überzeugt, dem Buch :nur drei Sterne zu geben. Man macht sich ja während des Lesens doch schon ab und zu Gedanken darüber, wie man das Buch bewerten wird. Aber dann kamen Szenen, die außerhalb von Berlin spielen. Mehr sag ich jetzt dazu nicht, das solltet ihr dann schon selbst lesen. Wer das Buch schon kennt, weiß aber natürlich, was ich meine. Und diese Szenen haben angefangen, das Ruder rumzureißen. Ich konnte immer noch nichts mit der Beziehung zwischen Friede und Jeffer anfangen, sie war immer noch zu schwammig. Aber diese Szenen waren sehr emotional, für mich zumindest. Und auch hier habe ich mir gewünscht, selbst mal so wie Frieda und Jeffer gewesen zu sein. So unbeschwert. So frei.

Und dann wechselte die Handlung zurück nach Berlin und es kam ein Satz von Kiki, die mich bislang einfach nur genervt hat. Und die mit diesem kleinen Satz Tränen in meine Augen getrieben hat, was ich von diesem Buch nie erwartet hätte. Ich bin gerade selbst überrascht davon, wie emotional ich beim Schreiben dieser Rezi werde und wie emotional auch die Rezi selbst ist. Das schaffen nicht viele Bücher, so etwas bei mir auszulösen. Und es überrascht mich noch mehr, weil ich es von diesem Buch wirklich nie erwartet hätte.

Tja, und dann kam der Schluss, der die Tränen hat fließen lassen. Und der meine Bewertung letztlich auf vier Sterne erhöht. Der Schluss hätte nicht besser und passender sein können. Ich hätte mir keinen anderen Schluss gewünscht. Und er hat mir echt schwer zugesetzt und dafür gesorgt, dass dann tatsächlich noch die ein oder andere Träne geflossen ist.

Ich kann den holprigen Einstieg und die nervigen Nebencharaktere nicht unbeachtet lassen, ansonsten hätte ich diesem Buch volle fünf Sterne gegeben. Diese Beziehung zwischen Frieda und Jeffer ist ganz, ganz besonders. So zart, aber gleichzeitig auch kompliziert. Irgendwie macht mich das gerade sehr melancholisch und ich könnte jetzt auch kein neues Buch anfangen, weil ich noch in der Geschichte der beiden Teenager gefangen bin.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Spannend!

Die Schwestern von Sherwood
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„Die Schwestern von Sherwood“ ist nicht nur aufgrund seines Umfangs, sondern auch aufgrund seines Inhalts ein richtig schöner Schmöker. Wer spannende und mysteriöse Familiengeschichten liebt, denen nach ...

„Die Schwestern von Sherwood“ ist nicht nur aufgrund seines Umfangs, sondern auch aufgrund seines Inhalts ein richtig schöner Schmöker. Wer spannende und mysteriöse Familiengeschichten liebt, denen nach und nach auf den Grund gegangen wird, der wird hier ganz bestimmt fündig.

In den Jahren 1948 und folgende begleitet der Leser Melinda, eine aufstrebende Journalistin, die in dem zerstörten Nachkriegsberlin lebt. Sie erhält eines Tages ein Paket, in dem sie Briefe, eine Schachfigur sowie Bilder einer Moorlandschaft entdeckt. In dem Paket findet sich keine Erklärung dazu, noch ist ein Absender erkennbar. Nicht nur Melindas Reporterherz schlägt aufgrund dieses rätselhaften Päckchens höher, sondern sie vermutet zudem, dass die Vergangenheit ihrer Familie mit dieser Sendung zusammenhängen könnte. Und so begibt sie sich auf die Spurensuche, reist dabei zusätzlich in die Vergangenheit und stößt auf die Sage der Sherwood-Schwestern, die beide auf rätselhafte Art und Weise innerhalb von kurzen Abständen im Moor von Dartmoor ums Leben gekommen sein sollen. Nicht jeder ist darüber erfreut, dass Melinda Nachforschungen anstellt und so sieht sie sich bald einer Bedrohung ausgesetzt, die sie in Gefahr bringt.

In dem zweiten Erzählstrang reist der Leser nicht nur in die Vergangenheit - in die Jahre 1881 und folgende - sondern auch nach England, wo er die Familie Sherwood kennenlernt, die mühsam und mit vielen Rückschlägen zu Reichtum gelangt ist, aber von der hohen Gesellschaft nicht anerkannt wird. Die beiden Schwestern Amalia und Cathleen sind ein Herz und eine Seele, und die schwere Krankheit, die dafür sorgt, dass Amalia ihren Hörsinn verliert, schweißt die beiden nur noch enger zusammen.

Der Autorin ist es hervorragend gelungen, anschaulich darzustellen, wie Amalia lernt, mit ihrer Beeinträchtigung klarzukommen, wie sie und ihre Schwester eine Zeichensprache entwickeln, wie Amalia sich dennoch ständig benachteiligt und einsam fühlt. Den Leser erwarten hier sehr emotionale und bewegende Szenen und es fällt leicht, das Gefühlsleben der Charaktere nachzuvollziehen. Weniger verständlich wirken dagegen die Reaktionen der Eltern, die Amalia total aus dem öffentlichen Leben ausschließen, aus Angst davor, dass ihre Tochter den Ruf ihrer Familie noch mehr zerstört.

Doch Amalia lässt sich nicht unterkriegen und schöpft neuen Lebensmut, als sie im Moor, in das sie sich zum Malen immer mehr zurückzieht, einen Unbekannten trifft, mit dem sie mehr und mehr Zeit verbringt und in den sie sich schließlich verliebt. Zu ihrer großen Freude bleibt diese Liebe nicht unerwidert und Amalia erfährt endlich, was es heißt, aus tiefstem Herzen geliebt und begehrt zu werden. Doch das Glück der beiden steht unter keinem guten Stern und sorgt für jede Menge Schicksalsschläge.

Als Leser hat man das Gefühl, Melindas Nachforschungen immer ein wenig voraus zu sein, da man durch den Erzählstrang aus den Jahren 1881 und folgende schon mehr erfährt, als Melinda durch ihre Recherchen herausfindet. Die beiden Erzählstränge laufen praktisch aufeinander zu und erst am Ende werden alle Rätsel aufgedeckt. Als Leser glaubt man, die Lösung schon zu sehen, aber sie ist immer noch etwas im Nebel und lässt sich nicht ganz greifen. So rätselt man während des Lesens mit und die Auflösung ist gleichzeitig nicht zu offensichtlich, auch wenn man teilweise schon Kleinigkeiten erahnen kann. Aber die Handlung ist insgesamt so rund und toll konstruiert, dass die Spannung bis zum Schluss aufrecht erhalten bleibt.

Zwei kleine Kritikpunkte bleiben am Ende:

Es gibt einen klitzekleinen Teil der Handlung, den ich doch etwas zu konstruiert und irgendwie auch überflüssig fand. Dazu kann ich jetzt nicht mehr verraten, aber das Buch werden bestimmt einige von euch auch bald mal lesen und dann können wir darüber ja noch mal diskutieren.

Und außerdem fand ich den Schluss etwas übereilt. Klar, man muss als Autor bzw. Autorin einfach irgendwann mal zum Schluss kommen, aber nachdem sich die Handlung auf über 500 Seiten so schön ausgebreitet hatte und dabei doch keine Szene unnötig war (bis auf meine kleine Kritik von gerade eben), ging es mir auf den letzten 50 Seiten dann doch etwas zu schnell.

Was ich abschließend unbedingt noch lobend erwähnen möchte, ist der mitreißende und bildhafte Schreibstil der Autorin. Schon von der ersten Seite an schafft Claire Winter es damit, ihre Leser an das Buch zu fesseln und bildhafte Eindrücke von der Handlungsumgebung, der Handlung selbst und den Charakteren zu vermitteln. Besonders das zerstörte Nachkriegsberlin und die mystische Landschaft des Dartmoors werden von der Autorin überaus anschaulich beschrieben und vermitteln eine tolle Atmosphäre.

Trotz der Tatsache, dass sich dieser Roman schön leicht weglesen lässt, verlangt er doch einige Konzentration. Das liegt zum Einen an den vielen Zeitsprüngen, zum Anderen aber auch an der Vielzahl der Personen, deren Beziehung zueinander nicht aus den Augen verloren werden darf. Als anspruchsvoll würde ich das Buch dennoch nicht bezeichnen. Aber man sollte dran bleiben und nicht zu lange Pausen zwischen den Leseabschnitten einlegen, um an der Handlung dranzubleiben und die Zusammenhänge nicht zu vergessen.

Mein Fazit:

Ein vielseitiger und von der ersten bis zur letzten Seite spannender Roman, der durch den mitreißenden Erzählstil der Autorin und die toll konstruierte Handlung begeistert.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Ein Geständnis, dass das eigene Leben komplett über den Haufen wirft

Geliebter Mörder
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Als Kristin Ganzwohl aus dem Mund ihres Partners Claus den Satz „Wir müssen reden.“ hört, befürchtet sie Schlimmes: eine Geliebte, Kinder mit einer anderen Frau, Trennung. Aber mit dem, was sie dann zu ...

Als Kristin Ganzwohl aus dem Mund ihres Partners Claus den Satz „Wir müssen reden.“ hört, befürchtet sie Schlimmes: eine Geliebte, Kinder mit einer anderen Frau, Trennung. Aber mit dem, was sie dann zu hören bekommt, hätte sie nicht in ihrem schlimmsten Albtraum gerechnet: Ihr Partner ist ein verurteilter Mörder, er hat seine damalige Lebensgefährtin ermordet, war deswegen jahrelang im Gefängnis.

Wie geht man damit um? Wie verarbeitet man so eine Offenbarung? Wie verändert sich der Blick auf den Menschen, den man liebt? Kann man mit ihm weiter eine Beziehung führen? Wie sagt man es den Freunden?

All diese Fragen stellt sich Kristin Ganzwohl ganz automatisch und in ihrem Buch beschreibt sie, wie sie versucht hat, Antworten auf ihre Fragen zu finden.

Plötzlich sieht sie ihren Partner in einem völlig anderen Licht. Kleine Macken, über die sie sich vor Kurzem noch gewundert oder amüsiert hat, bekommen auf einmal einen Grund. Zwischen Kristin und ihrem Partner ändert sich viel. Sie weiß nicht, ob sie Angst vor Claus haben muss. Die bislang so harmonische Beziehung droht zu kippen. Es herrscht ständig eine angespannte Stimmung zwischen den beiden. Und Claus verschließt sich. Er redet nur sporadisch über das Geschehen vor elf Jahren, gibt widerwillig Antwort. Dabei ist es Kristin so wichtig, die Hintergründe zu erfahren. Um ihren Partner zu verstehen, um seine Beichte zu verarbeiten.

Das Buch beleuchtet nicht nur die aktuelle Beziehung zwischen Claus und Kristin, sondern blickt auch immer wieder zurück auf Kristins vorherige Beziehungen und natürlich auf die Beziehung zwischen Claus und seinem Opfer. Die Autorin beleuchtet, wie es zu dem Mord kam, wie Claus' Verhandlung ablief und wie er die Jahre im Gefängnis überstand.

Auch die Reaktionen von Kristins Freunden auf das Geständnis, die durchaus recht unterschiedlich ausfallen, werden beschrieben.

„Geliebter Mörder“ ist ein sehr persönliches Buch, ist aber dennoch nicht zu emotional geschrieben. Klar, Gefühle bleiben bei so einer Offenbarung nicht aus. Aber die Autorin drückt nicht auf die Tränendrüse, will kein Mitgefühl von den Lesern. Sie beschreibt ziemlich sachlich, wie so ein Geständnis das Leben komplett über den Haufen werfen kann. Und wie man es dabei dennoch schaffen kann, nicht die Nerven zu verlieren.

Nicht ganz klar ist mir, wie ich die Vorbemerkung der Autorin einordnen soll, in der sie schreibt, dass dieses Buch zwar zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhe und typisierte Personen behandele, die es so oder so ähnlich gegeben haben könne. Diese Urbilder seien jedoch durch künstlerische Gestaltung des Stoffs und dessen Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus dieses Kunstwerks gegenüber den im Text beschriebenen Abbildern so stark verselbständigt, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren objektiviert sei. Für alle Leser erkennbar erschöpfe sich der Text nicht in einer reportagehaften Schilderung von realen Personen und Ereignissen, sondern besitze eine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene. Es finde ein Spiel der Autorin mit der Verschränkung von Wahrheit und Fiktion statt. Sie lasse bewusst Grenzen verschwimmen.

Aufgrund dieser Vorbemerkung wollte ich das Buch eigentlich unter der Rubrik „Romane und Erzählungen“ vorstellen. Da der Verlag selbst es allerdings unter der Rubrik „Sachbuch“ führt, habe ich meine Rezension nun ebenfalls in diesem Bereich erstellt.

Mein Fazit:

Ein Geständnis, dass das eigene Leben komplett über den Haufen wirft - „Geliebter Mörder“ erzählt eine wahre Geschichte.