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Veröffentlicht am 31.03.2025

Cinderella zwischen Pisse und Platte

Achtzehnter Stock
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Titel und Cover von "Achtzehnter Stock" erinnern auf den zweiten Blick an Caroline Wahls "22 Bahnen". Wenn ein Buch ein riesiger Bestseller gewesen ist, dann dauert es meistens nicht lange, bis ähnliche ...

Titel und Cover von "Achtzehnter Stock" erinnern auf den zweiten Blick an Caroline Wahls "22 Bahnen". Wenn ein Buch ein riesiger Bestseller gewesen ist, dann dauert es meistens nicht lange, bis ähnliche Werke erscheinen. Gewisse Parallelen lassen sich nicht von der Hand weisen. "Achtzehnter Stock" hat jedoch seine ganz eigene Identität.

Bei beiden Büchern handelt es sich um Familiengeschichten vor der Kulisse des "hässlichen Deutschlands".
Dieses "hässliche Deutschland" stellt Sara Gmuer in ihrem Roman in den Mittelpunkt der Geschichte. Es wird beinahe zu einer eigenen Person, die mit allen Mitteln versucht der Heldin das Leben schwer zu machen.
Wie der Titel schon suggeriert, lebt Protagonistin Wanda mit ihrer kleinen Tochter Karlie im 18. Stock eines Plattenbaus. Das Leben dort wird mit drastisch derber Sprache beschrieben, wenn sich auch dazwischen immer wieder ein bisschen Rührseligkeit und Armutsromantik einschleicht. Diese Stilistik hat mir sehr gut gefallen.
Wanda träumt vom sozialen Aufstieg, von der Welt der Reichen und Schönen und einer erfolgreichen Karriere als Schauspielerin. Als sich ihr plötzlich die Chance bietet, diesem Traum ein Stück näher zu kommen, wird deutlich, wie wenig Wandas Realität als alleinerziehende Mutter mit ihrer Sehnsucht nach Glamour vereinbar zu sein scheint.

Zusammenfassend gesagt, ist "Achtzehnter Stock" ein sehr lesenswerter, etwas dreckiger Sommerroman, der viele Stärken, aber auch ein paar kleine Schwächen hat. Die größte Schwäche selbst, ist Protagonistin Wanda, die nicht leicht zu mögen ist. Und auch, wenn gerne unlikable characters lese, schreit diese Geschichte in ihrer Tristesse, doch irgendwie nach einer Heldin, der man die Daumen drückt, mit der man fiebern und leiden kann. Das passiert hier für mich nicht wirklich, dazu wird sie zu egozentrisch dargestellt.

Der Roman verhandelt wichtige Themen und stellt eindrücklich die gesellschaftliche Schere in unserem Land dar. Als alleinerziehende sozialschwache Frau wird es zu einem beinahe nicht zu bewältigender Kraftakt sich aus Armut und Abgehängtsein zu befreien. Ich habe das Buch gerne gelesen. Die Autorin schafft es trotz allem, eine Geschichte zu erzählen, die in letzter Konsequenz liebenswert ist.

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Veröffentlicht am 30.03.2025

Literarische Spannung

Der Gott des Waldes
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Warum irgendwer auf die Idee gekommen ist, dieses Buch "Der Gott des Waldes" zu nennen, erschließt sich mir nach der kompletten Lektüre aller 590 Seiten nicht.
Beinahe hätte ich das Buch nicht gekauft, ...

Warum irgendwer auf die Idee gekommen ist, dieses Buch "Der Gott des Waldes" zu nennen, erschließt sich mir nach der kompletten Lektüre aller 590 Seiten nicht.
Beinahe hätte ich das Buch nicht gekauft, weil ich an einen Thriller mit paranormalen Elementen geglaubt habe. Die finden sich in diesem Spannungsroman, der noch viel mehr ein Gesellschaftsroman ist, jedoch nicht. Es geht um das Verschwinden der zwei Kinder der wohlhabenden Familie Van Laar - mit 15 Jahren Abstand, und um die Menschen, die mit dieser Familie in Verbindung stehen. Aus zahlreichen Perspektiven erzählt die Autorin von einem großen dunklen Haus in einem Naturschutzgebiet, von einem Feriencamp, vom Wald in den Adirondiacks, davon, wie die starren Strukturen sozialer Schichten ein Leben prägen und auch zerstören können. Dabei werden über Jahrzehnte hinweg unterschiedliche Zeitebenen umspannt.
Ich habe selten ein Buch gelesen, das so komplex ist, ohne verwirrend zu sein. Das so gut darin ist, über viele Seiten hinweg, die Spannung aufrechtzuerhalten, ohne dabei laut oder blutrünstig zu sein. "Der Gott des Waldes" hat einen merkwürdigen Titel, ist aber ansonsten ein selten gut geplottetes und cleveres Buch. Ein wirklich gelungenes Mix Up aus Familien-, Spannungs- und Gesellschaftsroman. In seinem Kern klassisch amerikanische Literatur, und doch in den inhaltlichen Details und der handwerklichen Ausführung einzigartig.
Bisher eines der besten Bücher des Jahres für mich!

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Veröffentlicht am 30.03.2025

Modernes Märchen

Für Polina
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"Für Polina" ist mein erster Roman für Takis Würger. Ich habe ihn gekauft, weil die ersten Rezensionen so durchschlagend begeistert waren und werde ihn im kommenden Dezember wahrscheinlich noch mehrmals ...


"Für Polina" ist mein erster Roman für Takis Würger. Ich habe ihn gekauft, weil die ersten Rezensionen so durchschlagend begeistert waren und werde ihn im kommenden Dezember wahrscheinlich noch mehrmals kaufen, weil ich die Geschichte um das Musikgenie Hannes Prager für eines dieser Bücher halte, die sich nahezu universell verschenken lassen. Vor allem in der Weihnachtszeit, da man sich inhaltlich an der ein oder anderen Stelle doch nah an der Kitschgrenze bewegt.
Hannes wächst mit seiner alleinerziehenden Mutter Fritzi und deren kauzigen Heinrich Hildebrand unbeschwert in einer alten Hannoveraner Moorvilla auf. Ein fester Bestandteil seiner Kindheit ist das Mädchen Polina, die Tochter der besten Freundin seiner Mutter. Mit dem Älterwerden wird aus dem geschwisterähnlichen Verhältnis der beiden Kinder mehr. Doch als Erwachsener verliert Hannes Polina aus den Augen. Und irgendwann ist es nur sein außergewöhnliches Talent für Musik, das sie zu ihm zurückbringen kann.

In Ansätzen erinnert mich dieser Roman an die Bücher von Mariana Leky. Er ist geprägt ausgesprochen originellen Charakteren und ausgesprochen originellen Charakteren, die teilweise so überzeichnet werden, dass sie mehr fantastisch als realistisch merken. Die Bilder, die der Autor zeichnet, haben beinahe etwas Märchenhaftes an sich. Diese Originalität, das "Seltsame" an der Geschichte, ist es aber auch, die die ansonsten doch etwas schnulzig-romantische Handlung ausgleicht und damit erst richtig lesbar macht.
Nach dem Motto: Wenn schon unglaublich, warum dann nicht absurd?
Das hat etwas so Charmantes, Tragischkomisches und Liebenswürdiges, dass man dieses Buch nur mögen kann. Eine Sekunde dachte ich, dass das Ende die Geschichte aus den Fugen reißt, aber dann die letzte, kluge Wendung, hat den Roman wirklich rund werden lassen.

Fazit: Ich würde mir zu Weihnachten eine deutsche Verfilmung dieser Geschichte ansehen. Ein verschneites Hamburg, Til Schweiger als Heinrich Hildebrand, das wäre doch mal was.

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Veröffentlicht am 16.03.2025

Weiblicher von Schirach

Dunkle Momente
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Ich habe mich gefragt, ob es fair ist, die Überschrift "Weiblicher von Schirach" für meine Rezension zu wählen. Aber man kommt nicht daran vorbei, diesen Vergleich anzustellen. Nicht nur, weil die schwarzweiße ...

Ich habe mich gefragt, ob es fair ist, die Überschrift "Weiblicher von Schirach" für meine Rezension zu wählen. Aber man kommt nicht daran vorbei, diesen Vergleich anzustellen. Nicht nur, weil die schwarzweiße Covergestaltung von "Dunkle Momente" an die einschlägigen Bücher von Schirachs erinnert, sondern auch weil es die einzigen mir bekannten deutschsprachigen Werke sind, in der ein juristisch ausgebildeter Schriftsteller, eine Sammlung von Kriminalfällen literarisch aufarbeitet.

Elisa Hoven macht es dann doch etwas anders als ihr berühmter Kollege
Sie hat sich dazu entschieden, die Kriminalfälle in eine Romanhandlung einzubetten. In "Dunkle Momente" dienen sie als Mosaiksteine, und erzählen zusammengenommen die berufliche Biographie der Rechtsanwältin Eva Herbergen. Jeder einzelne Fall für sich ist sehr unterschiedlich. Gemein haben sie, dass sie alle mit einem unerwarteten Twist daherkommen. Meistens handelt es sich um eine Art Kniff, oft auch eine juristische Eigenartigkeit, die der Erzählung eine neue Wendung gibt, und dafür sorgt, dass die Geschichte anders endet, als man zwischenzeitlich vermutet hat. Das macht das Lesen sehr spannend und kurzweilig. Ich habe jede einzelne Erzählung sehr gerne gelesen, die letzte, eigentlich das große Finale, finde ich jedoch tatsächlich am schwächsten.
Die Art und Weise, wie die großen Fälle im Leben der Eva Herbergen ineinander greifen und miteinander verstrickt sind, hat mir sehr gut gefallen. Das ist für mich eine der großen Stärken des Buchs. Leider bleibt die Protagonistin als Mensch hinter ihren Fällen dann doch recht eindimensional. Anfangs erschien sie mir vor allem selbstgerecht, im Verlauf wurde mir klar, dass das wahrscheinlich ihr innerster Konflikt ist, dieser wurde für meinen Geschmack zu wenig ausgearbeitet.

Fazit:
"Dunkle Momente" ist ein Pageturner. Es muss sich keinesfalls vor von Schirachs Fallsammlungen verstecken! Das Buch will keine Geschichtensammlung, sondern ein Roman sein. Diese selbsterlegte Aufgabe meistert es, auch wenn die Protagonistin eher blass bleibt, technisch ziemlich bravourös.

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Veröffentlicht am 25.01.2025

Nicht intermittierend

Intermezzo
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Sally Rooneys neuster Roman ist zur Abwechslung keine Geschichte über Freunde - sondern Geschwister. Der charismatische Anwalt Peter ist mehr als ein Jahrzehnt älter als Ivan, der wiederum ein junges Schachgenie ...

Sally Rooneys neuster Roman ist zur Abwechslung keine Geschichte über Freunde - sondern Geschwister. Der charismatische Anwalt Peter ist mehr als ein Jahrzehnt älter als Ivan, der wiederum ein junges Schachgenie ist. Peter erscheint von außen betrachtet glatt, ein erfolgreicher Anwalt, der auf andere herabschaut. Ivan im Gegensatz dazu ist sozial unbeholfen, und eckt damit oft an, aber auch nachdenklich und weise.

Intemezzo als Geschichte handelt auch von Trauer, und den unterschiedlichen, teils polarisierenden Arten, auf die beide Brüder mit dieser Empfindung umgehen. Ivan verliert die Freude am Schachspiel, ihm fehlt plötzlich der Antrieb, und Peter ertränkt seinen Kummer, und divergiert zwischen Frauen aus der Vergangenheit und Gegenwart hin und her.

Die beiden Männer sind komplex gezeichnet, geschaffen von einer Autorin, die unwahrscheinlich gut darin ist, uns als Lesenden den Weg in eine innere Tiefe zu zeigen, die gleichzeitig sensibel und abgründig ist.

Auch weibliche Charaktere sind für die Erzählung entscheidend. Sie sehen sich Gefühlen wie Liebe und Verwirrung dargestellt, und all diese Emotionen wirken ehrlich und wahrhaftig. Die Frauen in "Intermezzo" haben mir oft noch besser gefallen, als die im Zentrum der Erzählung stehenden Brüder.

Dass Sally Rooney tiefe, lange und intensive innere Monologe verfassen kann, hat sie schon in ihren Vorgänger-Romanen bewiesen. Ihre Darstellung von Liebe, Trauer und Verzweiflung ist greifbar und echt. Das Buch zwingt sein Publikum sich mit sich selbst und den ganz großen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen.

Das Ende war spannend und wenig vorhersehbar. Definitiv ein Showstopper.

Intermezzo ist schwer mit „Normale Menschen“ zu vergleichen. Die Bücher sind zu unterschiedlich, sie sind wahrscheinlich auch nicht dazu gedacht, nebeneinander gestellt. Was aber für beide zutrifft, ist dass sie mich in ihren Bann gezogen haben. "Schöne Welt, wo bist du?" bleibt allerdings weiter mein Lieblings Rooney.

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