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Veröffentlicht am 22.07.2024

Schneeweisschen, Rosenrot und der Bär

Cascadia
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Julia Philipps hat ihrem zweiten Roman ein Zitat aus Grimms Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot" vorangestellt. Es ist nicht der letzte Bezug auf die Märchenwelt, der im folgenden Text zu finden ist.
Zwei ...

Julia Philipps hat ihrem zweiten Roman ein Zitat aus Grimms Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot" vorangestellt. Es ist nicht der letzte Bezug auf die Märchenwelt, der im folgenden Text zu finden ist.
Zwei Schwestern und ein Bär. Zwei Frauen, deren Leben durch das Eintreffen eines wilden Tieres auf ungeahnte Weise aus den Fugen gerät.
Sam und Elena leben gemeinsam mit ihrer pflegebedürftigen Mutter in der Isolation und Einsamkeit einer Inselgruppe im Nordwesten der USA. Die finanziellen Verhältnisse der Familie sind prekär. Das Geld, das Sam mit Gelegenheitsjobs verdient, wird von den medizinischen Rechnungen verschlungen. Sie träumt vom Weggehen. Davon irgendwo gemeinsam mit ihrer Schwester ein neues Leben anzufangen. Ihre eingefahrenen Routinen werden gestört, als ein Grizzlybär auftaucht und eine unmittelbare Bedrohung für die Familie darstellt.

Obwohl es sich um ein ganz und gar anderes Buch handelt, habe ich Julia Philipps Eigenart zu schreiben und die Motive, zu denen sie sich hingezogen fühlt, aus ihrem Vorgängerroman wiedererkannt.
Das Buch ist durchsetzt on einer ätherisch bis tristen Atmosphäre. Manchmal ist der Text beinahe unwirklich, bei genauerem Hinsehen verschwimmen die unmittelbaren Grenzen zur Realität. Ich mochte den Bezug zur Märchenwelt, der immer wieder in Ansätzen durchschimmert. In Kombination mit der grauen Welt der Armen und Sozialschwachen entsteht so ein interessantes Spannungsfeld. Der Bär selbst ist dabei klar als Symbol oder Metapher erkennbar, also ebenfalls ein Stilmittel, das stark an Märchen erinnert.
Inhaltlich konzentriert sich der Roman im Kern auf die Beziehung der Schwestern Sam und Elena. Genau diese hat sich mir jedoch nicht in all ihren Facetten erschlossen. Teilweise hat man beim Lesen das Gefühl, die beiden (inklusive der Handlung) drehen sich viel zu lange um sich selbst. Ich gehe davon aus, dies ist genauso beabsichtigt. Dieses "Feststecken" miteinander und in diesem ungewollten, eigentlich verabscheuten Lebensentwurf.
Das Ende, das die Autorin konzipiert hat, ist hingegen furios und dramatisch. Ähnlich wie der Bär die Schwestern reißt es die Leser aus dem Rhythmus des Romans. Ich bin am Schluss überrascht worden und das hat mir sehr gut gefallen.
Fazit:
Julia Philipps hat einen sehr eigensinnigen, einzigartigen, in Teilen zähen, aber doch sehr lesenswerten Roman geschrieben. Wer atmosphärisch dominiertes Erzählen gepaart mit komplizierten innerfamiliären Konflikten und Sozialkritik mag, wird hier fündig werden.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

The sad behind funny

Funny Story
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It's a sad sad story. Also nicht das Buch, sondern die Tatsache, dass ich meine erste Ausgabe versehentlich zerstört habe, bevor ich es zu Ende lesen konnte.
Very sad ist es auch, als Daphne von ihrem ...


It's a sad sad story. Also nicht das Buch, sondern die Tatsache, dass ich meine erste Ausgabe versehentlich zerstört habe, bevor ich es zu Ende lesen konnte.
Very sad ist es auch, als Daphne von ihrem Verlobten Peter für seine beste Freundin Petra verlassen wird, und in eine Zweck-WG mit Petras ebenso verlassenem Ex-Freund Miles ziehen muss. Was für Miles und Daphne als Notlösung beginnt, führt innerhalb eines Sommers bis von einer zarten Freundschaft bis hin zur vielleicht-großen Liebe.
"Funny Story" war einer meiner liebsten Emily Henry Roman - in den ersten zwei Dritteln ist es sogar mein liebster. Emily Henry ist nicht umsonst die wahrscheinlich erfolgreichste internationale Autorin von Contemporary Romance bzw. modernen RomComs. Ihre Bücher sind herrlich romantisch und dabei gleichzeitig überraschend authentisch. Die Figuren fühlen sich real an. Man hat das Gefühl, man könnte Miles und Daphne kennen. Emily Henry trifft den Zeitgeist. Sie braucht keine Milliardäre oder Bad Boys um Drama und große Emotionen auf die Seiten zu bringen (nichts gegen Milliardäre und Bad Boys, aber mir tut es manchmal auch gut Liebesgeschichten zu lesen, die actually possible sind). Man möchte mit ihren Charakteren befreundet sein.
"Funny Story" ist aber nicht nur eine funny story, sondern im weiteren Verlauf auch ziemlich deep und manchmal auch sad. Ich finde, die Autorin schafft es auch hier sehr gut die Waage zu halten, zwischen dieser Tiefe in ihren Charakteren, und unnötigem und unrealistischem Drama. Trotzdem habe ich im letzten Akt ein bisschen die Begeisterung verloren, welche ich ursprünglich für die Geschichte aufgebracht habe. Das liegt rückblickend zum einen daran, dass die Geschichte nicht ganz hält, was sie verspricht. Das Fake Dating Trope wird geht im Laufe der Handlung verloren und wird kaum bis gar nicht zu Ende erzählt. Und zum anderen daran, dass da der ein oder andere turn of events war, der mir nicht so richtig gefallen hat. Außerdem hat mich innerhalb der Geschichte die Betonung von Miles Marihuana Konsum doch immer wieder irritiert. Ich weiß nicht, ob ich die Beschreibung "Er riecht nach Holzrauch, Wein und Gras." so sexy finde, wie viele andere Aspekte der Geschichte.

Fazit:

"Funny story" ist eine romantische kleine funny sad story, ein zeitgeistiger Liebesroman, der genau ins Schwarze trifft. Wenn man von kleinen Abzügen in der B Note absieht, hat er mein Herz im Sturm erobert.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Ein Hauch von Sommer

Der Sommer, in dem alles begann
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Eigentlich bringt "Der Sommer, in dem alles begann" alles mit, was ein Buch haben sollte, um mich zu begeistern: Literarische Sprache, Coming off age, Liebe, skandalöse Verwicklungen. Drei Frauen und ein ...

Eigentlich bringt "Der Sommer, in dem alles begann" alles mit, was ein Buch haben sollte, um mich zu begeistern: Literarische Sprache, Coming off age, Liebe, skandalöse Verwicklungen. Drei Frauen und ein schicksalhafter Sommer. Das klingt gefährlich nach mir. Und als Bonus noch ein wunderschönes, atmosphärisches Cover.
Also warum hat mir das Buch nicht gefallen?
Ich glaube, es liegt vordergründlich am Stil des Textes, mit dem ich nicht warm geworden bin. Die Autorin schreibt für meinen Geschmack zu kühl und distanziert. Es fällt mir schwer zu den Protagonistinnen eine echte Verbindung aufzubauen. Noch dazu fokussiert sie inhaltlich sehr auf die bretonische Kultur. Oder besser gesagt: Den bretonischen Kulturkampf. Bis zu einem gewissen Punkt ist mir dieses Thema neu. Allerdings langweilt es mich, in der Art und Weise, wie es im Buch aufgegriffen wurde, mehr. Die Geschichte selbst finde ich über große Strecken ziemlich vorhersehbar. Es ist sehr früh absehbar, was passieren wird. Gepaart mit der Erzählart, hat es mich dann doch froh gemacht, dass das Buch in seinem Umfang recht knapp gehalten ist.
Gewünscht hätte ich mir mehr Atmosphäre, Spannung und Gefühl. Mehr von dem Knistern eines unvergesslichen, lebensverändernden Sommers.
Ich weiß, dass der Roman in Frankreich ein großer Bestseller gewesen ist. Möglicherweise bin ich als das französische Klischee liebende, aber mit der französischen Kultur im Detail doch eher weniger vertraute Vielleserin nicht das richtige Publikum für "Der Sommer, in dem alles begann."
So war es nur ein Hauch von Sommer für mich.

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Veröffentlicht am 06.04.2024

Mutterland

Issa
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Ich bin vor wenigen Tagen durch eine Bahnhofsbuchhandlung gelaufen und habe einen Stapel von Mirrianne Mahns Debüt Roman "Issa" dort liegen sehen. Das hat mich so froh gemacht, nicht nur, weil ich das ...

Ich bin vor wenigen Tagen durch eine Bahnhofsbuchhandlung gelaufen und habe einen Stapel von Mirrianne Mahns Debüt Roman "Issa" dort liegen sehen. Das hat mich so froh gemacht, nicht nur, weil ich das Cover und die Gestaltung wunderschön finde, sondern auch, weil ich den Text bereits gelesen habe, und er so gelungen ist.

Im Buch geht es um Issa, die in Deutschland zuhause ist, und, als sie mit ihrem ersten Kind schwanger ist, von ihrer eigenen Mutter in deren Heimatland Kamerun geschickt wird. Die Autorin erzählt nicht nur Issas Geschichte, sondern auch die Geschichten der Frauen, die vor ihr kamen. Eine Perlenkette aus Müttern, sozusagen. Eine Abfolge aus Liebe und Schmerz. Aus Heimat und Fremde. Da sind Issas Mutter Ayudele, ihre Großmutter Namondo, ihre Urgroßmutter Marijoh und ihre Ururgroßmutter Enanga. Ihnen allen wird mehr oder weniger viel Raum in diesem Buch gewidmet.

Ich habe in den letzten Jahren viele Bücher über Mutterschaft gelesen. Es ist eines der Themen, das mir am häufigsten unterkommt, und zur Zeit aus zahlreichen Perspektiven in verschiedensten Romanen bearbeitet wird.
Ich gebe zu, ich habe einen gewissen Überhang, was dieses Thema betrifft, und bin recht wäherlerisch geworden. Auch die Herangehensweise von Mirrianne Mahn ist nicht ganz neu, aber ich halte "Issa" dennoch vor ausgesprochen lesenswert, weil sie das Thema des Mutterseins und Mutterwerdens, mit so vielem anderen verknüpft, ohne dass das Buch überladen wirkt. Es geht um Heimat und Kultur, um Weiblichkeit in patriarchalen Gesellschaften, um Gewalt und Rassismus. Was heißt es, in Deutschland Schwarz zu sein? Was bedeutetet es, wenn die eigenen Wurzeln in der Fremde liegen? Und was sind diese Wurzeln überhaupt wert? Die Nuancierung all dieser Themen ist der Autorin wirklich gut gelungen. Die Sprache selbst liest sich angenehm und authentisch. Auch auf emotionaler Ebene haben mich das Leben dieser Frauen und die Geschichte ihrer Familie erreicht.

Die Gestaltung des Buchs ist außerdem wundervoll. Es ist für mich eines der schönsten dieses literarischen Frühjahrs, ich habe beim Lesen so gerne mit den Fingern über die großen rauen Buchstaben auf dem Titel gestrichen.

Fazit: Issas Reise in das Land ihrer Mutter und all der Mütter davor ist ein großartiges Buch. Ein feministischer Familienroman, der berührend von einer Vergangenheit erzählt, die bis in die Gegenwart reicht.

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Veröffentlicht am 31.03.2024

Moderne Mystik

Elyssa, Königin von Karthago
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Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft ...

Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft beginnt, wird schon bald zu einer tiefen leidenschaftlichen Liebe. Als Anführer ihrer beiden Völker sind Elyssa und Aeneas jedoch nicht nur sich selbst verpflichtet, sodass die Verbindung der beiden unter keinem guten Stern zu stehen scheint.

Es ist einige Jahre her, dass ich von Vergills Mythos um die Königin Karthagos, zum ersten Mal in einem Lateinbuch gelesen habe. Was damals noch eher Mittel zum Zweck gewesen ist, habe ich dank Irene Vallejos Roman nun wieder entdecken dürfen. Verschiedenste Protagonisten, u.a. der Dichter Vergill selbst, oder der berühmte Liebesgott Eros, werfen in den einzelnen Kapiteln aus ihrer Perspektive einen Blick auf das schicksalhafte Kennenlernen von Aeneas und Elyssa. Die Neurerzählung des Mythos beschränkt sich jedoch nicht nur auf Romantik, sondern stellt auch das politische Gefüge, in dem sich Elyssa als Königin immer wieder neu gegen machthungrige Männer behaupten muss, in den Vordergrund. Mir gefällt die Ausarbeitung ihres Charakters, diese sanfte Balance zwischen starker Regentin und träumerischer Liebhaberin. Noch mehr gefällt es mir, dass in diesem Text nicht etwa Aeneas, der Held, im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern Elyssa als Frau und Königin.

Der Trend der letzten Jahre, antike Geschichten in modernen Romanen, neues Leben einzuhauchen, wurde von Irene Vallejo mit "Elyssa. Königin von Karthago." mutig fortgesetzt. Für mich ist diese Art von Büchern immer noch nicht alt geworden, wird es vielleicht nicht. Die Gestaltung der deutschsprachigen Ausgabe aus dem Diogenesverlag ist außerdem ausgesprochen schön.

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