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Veröffentlicht am 27.10.2022

Willkommen in der Welt der Dating-Apps

Gespenster
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Nina ist gerade 33 Jahre alt geworden, Food-Bloggerin und Autorin. Sie steht fest mit beiden Füßen in ihrem eigenen Leben. Zu ihre Exfreund Joe hat sie ein freundschaftliches Verhältnis. Nun ist sie schon ...

Nina ist gerade 33 Jahre alt geworden, Food-Bloggerin und Autorin. Sie steht fest mit beiden Füßen in ihrem eigenen Leben. Zu ihre Exfreund Joe hat sie ein freundschaftliches Verhältnis. Nun ist sie schon einige Jahre Solo und wünscht sich wieder einen Partner. Ihre Freundin Lola ist schon länger auf einer Dating-App aktiv, nun möchte auch Nina dort ihr Glück suchen. Schnell kommt dort ein Match zustande. Max und sie verbringen etwa ein halbes Jahr sehr viel Zeit zusammen. Sie ist sehr glücklich und hofft, dass es ihm auch ernst ist mit der Beziehung. Und dann gesteht er ihr sogar seine Liebe, redet vom Heiraten. Alles könnte sooo schön sein. Doch nach seiner Offenbarung herrscht Funkstille, es ist als sei er plötzlich vom Erdboden verschwunden. Reagiert weder auf Anrufe von Nina oder meldet sich zurück. Wird sie ihn wieder sehen und Antworten auf ihre Fragen von ihm bekommen?

Dolly Alderton erzählt in ihren Roman "Gespenster" (übersetzt aus dem Englischen v. Eva Bonné) @atlantikverlag aus der Sicht einer Frau im besten Alter, was es heißen kann Solo zu sein, wenn gefühlt alle um dich Rum glückliche Beziehungen haben, heiraten und Kinder bekommen. Schnell fühlt sich ihre Protagonistin Nina einsam und ausgegrenzt.
Ich konnte mich sehr gut mit Nina identifizieren, denn auch ich habe vor über 7 Jahren eine Dating-App ausprobiert und würde auch geghostet. Des weiteren hat sich das Buch sehr kurzweilig lesen lassen und oft war es sehr unterhaltsam. Das einzige was ich zu kritisieren habe ist, dass es in der Geschichte so dargestellt wird, als würden nur Männer Ghosting betreiben. Aus meinem Freundeskreis weiß ich jedoch, dass auch immer wieder Frauen dieses Verhalten ihren Dates gegenüber zeigen.
Ich denke, der Roman wird vor allem für Menschen interessant sein, welche selbst Erfahrungen mit Dating-Apps gemacht haben. Die werden sich hier auf die eine oder andere Weise wiedererkennen.

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Veröffentlicht am 27.10.2022

Angenehm unaufgeregt...

Die Unschärfe der Welt
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..hat mich Autorin Iris Wolff gepackt und in den Banat/Siebenbürgen (heutiges Rumänien) entführt. Es ist die Zeit hinter dem sogenannten Eisernen Vorhang, als Simon geboren wird. Er wächst behütet von ...

..hat mich Autorin Iris Wolff gepackt und in den Banat/Siebenbürgen (heutiges Rumänien) entführt. Es ist die Zeit hinter dem sogenannten Eisernen Vorhang, als Simon geboren wird. Er wächst behütet von seiner geduldigen Mutter Florentine und seinem Vater Hannes, dem Dorfpfarrer auf. Der Junge spricht von klein auf eher wenig, ist jedoch nicht dumm, eher bedächtig, sanftmütig. Als Teenager entwickelt sich zwischen ihm und seiner Freundin Sana aus einer Freundschaft eine zarte Liebe. Als jedoch Simon's bester Freund Oz zunehmend unter dem totalitären Regime, welches seine Bürger*innen dazu nötigt sich gegenseitig zu bespitzeln, entschlißt sich Simon seinem Freund zu helfen und sie fliehen nach Westdeutschland.
Dort werden die beiden erwachsene Männer, ihre Freundschaft wird immer wieder auf neue Proben gestellt. Und Simon vermisst zunehmend seine Sana. Wird er seine Liebe und seine Eltern jemals wieder sehen?

"Die Unschärfe der Welt" von Iris Wolff ist ein Roman, der zwar packend, aber eher unaufgeregt daher kommt. Geschickt verwebt die Autorin eine Geschichte über Freundschaft, Familie und Liebe mit der damaligen Politik, dem herrschenden Kommunismus. Da die Autorin selbst in Siebenbürgen geboren ist, scheint auch immer wieder ein leicht autobiografischer Einschlag durch. Obwohl es hier keine starken Spannungsbögen gibt, hat mich die Lektüre stets mitgenommen in ein Land, welches ich so noch nie kennengelernt habe.
Daher gibt es an dieser Stelle eine eindeutige Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 27.10.2022

Sezierte Vorstadtidylle oder außen Hui innen Pfui

Wer hat Bambi getötet?
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!!! Achtung, Triggerwarnung!!!

Alles wirkt so idyllisch in Gråbbå's Villenviertel.
Nathan lebt bei seinen wohlsituierten Eltern mit seinem Kindheitsfreund Güsten, dessen alleinerziehende Mutter als Opernsängerin ...

!!! Achtung, Triggerwarnung!!!

Alles wirkt so idyllisch in Gråbbå's Villenviertel.
Nathan lebt bei seinen wohlsituierten Eltern mit seinem Kindheitsfreund Güsten, dessen alleinerziehende Mutter als Opernsängerin in der Welt herumgondelt.
Und dann ist Sascha da, ein ungewöhnliches junges Mädchen, lebt in einer betreuten Wohneinrichtung für auffällige Jugendliche.
Sie ist sehr hübsch und durchtrainiert, eine Sportschwimmerin. Nathan & Sascha sind für kurze Zeit ein Paar und sind in einander verliebt. Doch Sascha trennt sich und Nathan kann das nicht auf sich sitzen lassen. Im "Geisterschiff" wird sie von ihm und seinen Freunden grausam gequält.

Monika Fagerholm erzählt in ihrem Roman "Wer hat Bambi getötet?" (übersetzt a.d. Schwedischen v. Antje Rávik Strubel) aus dem @residenzverlag
von einer kleinen eingeschworen Vorstadtgemeinschaft. Auf sezierende und eher ungewöhnliche Art offenbart die Autorin wie sehr die Ereignisse im "Geisterschiff" noch Jahre später das Leben der beteiligten Personen überschatten. Obwohl alle nach außen hin ihr Leben leben als wäre alles normal, ist es die nicht.
Mit dem Erzählstil der Autorin hatte ich durchweg meine Probleme. Einige Handlungen und Gedankengegänge der Protagonist*innen werden wiederholt, fast wie eine Art Mantra. Teils war ich mit der Grammatik und fehlenden Satzzeichen überfortdert. Daher würde ich Fagerholms Roman sehr experimentell bezeichnen. Das zentrale Thema "Gruppenvergewaltigung" ist nichts für zarte Gemüter, auch wenn sie nicht zu sehr ins Detail geht.
Insgesamt kann ich hier leider keine eindeutige Leseempfehlung aussprechen ✌️

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Veröffentlicht am 27.10.2022

Eine Kindheit im postkolonialen Rhodesien

Aufbrechen
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Die Farm von Tambudzai und ihrer Familie ist relativ ärmlich. Einzig Tambu's älterer Bruder Nhamo kann zur Schule gehen, ermöglicht von Onkel Babamukuru. Dieser hatte als einziger in der Familie Zugang ...

Die Farm von Tambudzai und ihrer Familie ist relativ ärmlich. Einzig Tambu's älterer Bruder Nhamo kann zur Schule gehen, ermöglicht von Onkel Babamukuru. Dieser hatte als einziger in der Familie Zugang zu schulischer Bildung durch christliche Missionare. Er hat studiert und mit seiner Frau und den Kindern einige Jahre in England gelebt. Als Tambu's Bruder urplötzlich stirbt, kann sie zur Missionsschule gehen und lebt von nun an in der Familie ihres Onkels. Sie ist sehr dankbar, denn sie lernt gerne und fleißig. Im Gegensatz zu ihrer Cousine Nyasha, welche ihre ganz eigene Weltsicht hat und sehr rebellisch ist und dem Vater gegenüber immer wieder aufsässig.

Tsitsi Dangarembga's Roman "Aufbrechen" (übersetzt aus dem Englischen von Ilja Trojanow ist nicht nur die Geschichte über ein junges und wissbegieriges Mädchen. Sie erzählt auch von den patriarchalen Strukturen in Tambu's Familie, in der die männlichen Mitglieder immer als erstes begünstigt werden und Mädchen und Frauen hintenstehen. Und obwohl die Missionsschulen einheimischen Kindern Bildung ermöglichen, hat nicht jedes Zugang, denn viele Familien sind sehr arm. Dennoch geht Tambu ihren Weg. Zwischen der Verehrung und Dankbarkeit ihrem Onkel gegenüber, Verständnis und Sorge um ihre Cousine und den komplizierten Verhältnissen zu Hause. Auch Rassismus ist hier immer wieder Thema, vor allem Nyasha redet immer wieder kritisch über die weißen Missionare, auch Tambu's Mutter, welche Angst hat, noch ein Kind zu verlieren.
Ich habe aus dem Roman viel mit genommen, was den Zugang zu Bildung in Afrika betrifft und dass auch heute noch immer nicht jedes Mädchen uneingeschränkt diese Bekommt. Es hängt in vielen Teilen unseres Globus immer noch von dem Einkommen der Eltern ab. Ich hoffe sehr, dass sich dies in Zukunft ändert.
Und empfehle von Herzen dieses augenöffnende Buch.

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Veröffentlicht am 27.10.2022

Die Geheimnisse des Attilio Profeti

Alle, außer mir
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Damit hat Ilaria nicht gerechnet. Als sie Heim kommt Sitz vor ihrer Tür ein junger Äthiopier und behauptet ihr Neffe zu sein. Schon aufgrund seiner Hautfarbe scheint dies ein Scherz zu sein. Doch er spricht ...

Damit hat Ilaria nicht gerechnet. Als sie Heim kommt Sitz vor ihrer Tür ein junger Äthiopier und behauptet ihr Neffe zu sein. Schon aufgrund seiner Hautfarbe scheint dies ein Scherz zu sein. Doch er spricht ausgezeichnet Italienisch und erzählt eine absolut glaubhafte Geschichte. Als Ilaria ihre Mutter darauf anspricht, sagt diese: "Du musst nur suchen." Und sie Sucht in der Stadtbibliothek den Namen ihres Vaters Attilio Profeti. Der ist inzwischen weit über 90 und mehr oder weniger ein Pflegefall, das Gedächtnis ist auch schon recht lückenhaft. Ilaria's Suche jedoch bringt sie weit zurück in die Vergangenheit, in die 1930er Jahre. Damals hat das faschistische Italien versucht das heutige Äthiopien zu kolonisieren. Doch was hat ihr Vater mit all dem zu tun gehabt? Warum wusste sie davon nichts?

Was hier als zum Teil als absurdkomischer Familienroman beginnt entwickelt sich zunehmend zu eine belletristische Erzählung über Kolonialgeschichte. "Alle, außer mir" von Francesca Melandri (aus dem Italienischen übersetzt von Esther Hansen) ist sehr ausschweifend und dennoch fesselnd geschrieben. Jedoch dominieren recht schnell die alten Kriegsverbrechen Italiens in Afrika die Handlung, Ilaria und ihr Besuch rücken in den Hintergrund. Das Buch ist nichts für zartbeseitete Personen. Thematisiert werden hier neben Faschismus und Rassismus auch der Einsatz von Giftgas, Konzentrationslagern und noch viele weitere Gräueltaten der damaligen italienischen Besatzung in Afrika. Und obwohl es sich hier um einen Roman handelt, habe ich doch etwas an Geschichtswissen dazu gewonnen. Denn über die Kolonisierungsversuche Italiens in Afrika wusste ich bis heute gar nichts, u.a. würde es zu meiner Schulzeit gar nicht behandelt.
Schon aus diesem Grund halte ich Melandri's Roman für äußerst lesenswert.

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