Profilbild von kalligraphin

kalligraphin

Lesejury Profi
offline

kalligraphin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kalligraphin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.07.2024

Kriegsliteratur?

Zauberhafte Aussichten
0


„Sie schrieb mit dem Finger ein Wort in die Luft und machte unter dem Wort einen Schnörkel. So blumig war der Schnörkel, dass er sie herumwirbelte, einmal um ihre Achse auf den Zehenspitzen, bis sie ihre ...


„Sie schrieb mit dem Finger ein Wort in die Luft und machte unter dem Wort einen Schnörkel. So blumig war der Schnörkel, dass er sie herumwirbelte, einmal um ihre Achse auf den Zehenspitzen, bis sie ihre Zuschauer wieder ansah.“

Bei einer steif und geregelt ablaufenden Komiteesitzung taucht plötzlich eine eigenartige Fremde auf. Sie bringt mit ihrem zappeligen Auftritt die anwesenden Damen sehr durcheinander. Sarah, ebenfalls Komiteemitglied, entdeckt auf dem Besen, den die Fremde mitgebracht hat, eine Adresse. Tags darauf besucht sie sie zu Hause und bekommt erklärt, dass es sich bei der Fremden um eine Hexe handelt.

„‚Ich bin eine Hexe‘, sagte die Hexe.“

Gibt es die falschen Leserinnen für ein Buch? Ja, die gibt es. Und ich bin leider nicht die richtige Leserin für dieses Buch.
Es fällt mir schwer, hier einer Handlung zu folgen. Das Lesen dieser Geschichte macht mich nervös. Vielleicht ist es, weil ich die magischen Teile der Geschichte nicht verstehe. Vielleicht ist es auch, weil ich mit dem Humor nichts anfangen kann, der mir arrogant und unlogisch erscheint.

Ich kann Stella Bensons Geschichte deshalb auch nicht als feministische lesen. Genau so wenig als Kriegsliteratur.

Erstaunlich finde ich, dass ‚Zauberhafte Aussichten‘ schon 1919 erschienen ist. Es liest sich sehr aktuell, sehr anders. Ein Buch, das bestimmt die Wiederentdeckung lohnt und aus einem anderen Blickwinkel den Ersten Weltkrieg beleuchtet. Ich wünsche der Geschichte viele Leserinnen, die offener und geneigter sind. Für mich passte es einfach nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.03.2024

Einer von vielen historischen Romanen

Solange es eine Heimat gibt. Erika Mann
0

»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt ...

»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?«, herrscht Erika den Portier an. Der sieht sofort zu, dass er tätig wird, diese Dame könnte unangenehm werden, wenn man ihren Wünschen nicht entspricht, er händigt Erika den Schlüssel zur noblen Suite im zweiten Stock aus. »Na bitte, warum nicht gleich!«

Unda Hörners Bücher 1919, 1929 und 1939 habe ich verschlungen. Sie sind großartige Porträts der Zeit und legen den Fokus auf die kunst- und literaturschaffenden Frauen. Sie befinden sich zwischen spannendem Sachbuch und völlig kitschfreier Unterhaltungsliteratur.

Entsprechend habe ich mich auf Hörners Roman über Erika Mann sehr gefreut. Doch leider konnte der meine Erwartung nicht erfüllen. Hier handelt es sich dann plötzlich nur noch um kitschig fiktionalisierte Geschichte. Erika Mann (nein, eigentlich alle Manns und alle Figuren des Romans) kommt furchtbar unsympathisch daher, bleibt aber auch recht oberflächlich in der Beschreibung. Außerdem liegt der Fokus zu weiten Teilen auf den berühmten Männern der Familie. Und die bekommen doch eh immer die Bühne für sich.

Für mich nicht das richtige Buch und auch nicht das, was ich unter diesem Titel und von dieser Autorin erwartet hätte. Allerdings glaube ich, dass auch dieser Roman durchaus seine geneigten Leser*innen findet unter denjenigen, die leichte, historische Schmöker suchen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.02.2023

Spannende Grundlage, langweilige Umsetzung

Mary & Claire
0

„Ich schreibe stets, wie mir das Herz durchs Zünglein hüpft, sonst sind die Worte nichts als Kritzelkratzel.“ (15%)

Die Stiefschwestern Mary Shelley und Claire Clairmont verlieben sich beide in denselben ...

„Ich schreibe stets, wie mir das Herz durchs Zünglein hüpft, sonst sind die Worte nichts als Kritzelkratzel.“ (15%)

Die Stiefschwestern Mary Shelley und Claire Clairmont verlieben sich beide in denselben Mann, in Percy Bysshe Shelley. Jeder steht auf jeden, man unterhält sich kultiviert.

Die Namen der Protagonisten sind bekannt und es soll im Roman von Markus Orths die wahre Geschichte der Geschwister und Liebenden erzählt werden.

Ich bin sehr interessiert an „Mary & Claire“ herangegangen, war aber sofort irritiert von der Sprache: Eher modern, manchmal fast, als würde man die erste Skizzierung des Romans lesen. Manchmal dann gezwungen poetisch. Das hat mich immer wieder aus dem Lesefluss gebracht.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Geschichte nicht richtig an Fahrt gewinnt. Im Stile des Romans ausgedrückt: Sie ist lang & sie ist langweilig.

Hat mich leider überhaupt nicht überzeugen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.10.2022

Befeuert die alten Debatten

Freiheitsgeld
1

„Ach, man merkt, Sie sind noch jung. Die Jugend will immer die Welt aus den Angeln heben. Aber die Zeiten, in denen man die Welt verändern konnte, die sind schon lange vorbei. Heute ist die ganze Welt ...

„Ach, man merkt, Sie sind noch jung. Die Jugend will immer die Welt aus den Angeln heben. Aber die Zeiten, in denen man die Welt verändern konnte, die sind schon lange vorbei. Heute ist die ganze Welt eine Maschine, die sich selber am Laufen hält, und wir sind alle nur kleine Rädchen darin, die von Glück sagen können, wenn sie eine einigermaßen sinnvolle Funktion haben und sich nicht nur zur Zierde drehen.“ (28%)

Deutschland im Jahr 2063: Es gibt seit einigen Jahrzehnten das sogenannte Freiheitsgeld, das jeder Bürger ab Beginn seiner Volljährigkeit bezieht. Bedingungslos. Dadurch hat sich die gesamte Gesellschaftsordnung geändert. Das Bildungssystem ist grundlegend anders; denn das Streben eines jeden ist nicht mehr, einen gut bezahlten Job zu finden. Die Frauen scheinen gleichberechtigter. Und auch die Klimakatastrophe wurde abgewendet, durch Maßnahmen wie eine großflächige Bepflanzung mit Bäumen und eine vegetarische Ernährungsweise.

Und doch ist vieles immer noch so, wie es „immer“ schon war.

Eschbach lässt ist in seiner Geschichte vor allem Probleme auftauchen, die den klassischen Argumenten gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen entsprechen: Die Menschen werden faul. Die Kriminalität steigt. Die Reichen setzen sich ab und machen krumme, elitäre Dinger. Und sowieso: Den Menschen mit mehr Geld geht es natürlich besser. Die Schere zwischen Reich und Arm scheint noch größer zu werden.

Ganz logisch ist das alles nicht. Es werden viele (durchaus wichtige!) Themen angerissen, aber nicht zu Ende geführt. Und dann ist alles vermeintlich neue Denken in diesem Buch dann doch wieder durchwirkt vom Denken einen weißen alten Mannes.

Ich mag die Bücher von Andreas Eschbach. Sie sind eigentlich immer gute, spannende Unterhaltung. Sein neuster Roman deckt dann auch noch ein so wichtiges Thema ab, für das ich mich sehr interessiere. Aber gerade dieses große Thema ist dem Autoren entglitten. Da scheint er zu viel auf einmal gewollt zu haben.
So verspielt er die Chance, einen wichtige Beitrag zu den Problemen unserer Zeit zu leisten. Im Gegenteil befeuert er noch die alten Debatten und rutscht ins Konservative ab.

Das ist so schade und es tut mir richtig Leid, dass ich ausgerechnet diesem Buch keine gute Bewertung geben kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Thema
  • Cover
Veröffentlicht am 18.07.2022

Enttäuschend

Susanna
0

„Da war dieses Mädchen. Ich wünschte, ich hätte sie gekannt.“

Dieses Mädchen heißt Susanna und das Leben führt sie schon als kleines Kind aus Basel heraus nach Amerika. Dort wird sie zur mittelmäßig begabten ...

„Da war dieses Mädchen. Ich wünschte, ich hätte sie gekannt.“

Dieses Mädchen heißt Susanna und das Leben führt sie schon als kleines Kind aus Basel heraus nach Amerika. Dort wird sie zur mittelmäßig begabten und mit der aufkommenden Fotografie konkurrierenden Porträtmalerin. Eines ihrer bekanntesten Bilder malt sie von Sitting Bull.

Susanna ist vielleicht besser bekannt unter dem Namen Caroline Weldon. Denn Alex Capus‘ neuster Roman beruht auf einer wahren Geschichte.

Und Caroline Weldons Geschichte ist tatsächlich recht interessant.1 Allerdings erzählt Capus sie sehr gemächlich und es entsteht der Eindruck, dass Susanna ein routiniertes und unaufgeregtes Leben führte. Die maßgeblichen Wendepunkte darin werden durch nahestehende Personen herbeigeführt. Und sie selbst zeigt keinerlei Regungen.

Hinzu kommt die etwas seltsame Erzählperspektive, denn der Erzähler tritt aus der Geschichte heraus, kommentiert und fasst große Abschnitte der realen Geschichte mal eben - aus heutiger Sicht - zusammen. Der affektierte Erzähler, der sich einer kitschigen Sprache bedient, und die passive Protagonistin ergeben ein Bild von Caroline Weldon, das sehr uncharmant ist. Eine arrogante, gefühllose Frau in einem eher langweiligen Leben.

Wie, um die Geschichte aufzupeppen, werden ab und zu grausame und blutige Passagen eingestreut. Diese unnötigen und ekeligen Szenen habe ich überblättert.

Ich habe schon sehr gute Bücher von Alex Capus gelesen. Und ich hatte Lust, die Lebensgeschichte von Caroline Weldon kennen zu lernen.

Aber es drängt sich beim Lesen des Romans schon die Frage auf, warum Capus uns die Geschichte dieser Frau erzählen wollte? Er zeichnet kein freundliches Bild von ihr. Und erzählt hat er auch schon deutlich besser.

Schade.

1Nachzulesen zum Beispiel bei Wikipedia.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere