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Veröffentlicht am 19.11.2024

Die Grenzen eines Königs

Der König
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Kann jeder zum Mörder werden? Oder haben einige – ja, die meisten von uns – eine Art mentale oder moralische Sperre, die sie daran hindert, zu töten? Ich rede nicht davon, jemanden in Notwehr oder im Affekt ...

Kann jeder zum Mörder werden? Oder haben einige – ja, die meisten von uns – eine Art mentale oder moralische Sperre, die sie daran hindert, zu töten? Ich rede nicht davon, jemanden in Notwehr oder im Affekt zu töten, sondern davon, ganz normale, anständige Menschen, wie zum Beispiel Bent Halden, dazu zu bringen, einen Mitmenschen kaltblütig und ohne ein anderes Motiv, als das eigene Leben etwas besser oder leichter zu machen, zu töten.

Mit diesen Worten beginnt Jo Nesbo seinen neuen Kriminalroman, der anders als seine Vorgänger, nicht mehr hinter einem schwarzen Cover mit roter Schrift versteckt ist, sondern als hellgraues Buch mit Bronze schimmernden Worten beim ullstein Verlag erschien.

Wie bereits in seinem Buch „Ihr Königreich“ findet sich die Leserin bzw. der Leser in dem fiktiven kleinen Dorf Os wieder, das irgendwo in Norwegen liegt. Die beiden Brüder Carl und Roy „regieren“ über dieses verschlafene Nest, das auf den ersten Blick an ein idyllisches Dorfleben erinnert, unter dessen Oberfläche mehr Geheimnisse und Verbrechen schlummern, als es zunächst den Anschein hat.

Der König ist das Nachfolgewerk von „Ihr Königreich“. Zahlreiche Konflikte vom ersten Buch kommen auch hier wieder zu Sprache. Es ist hilfreich, den ersten Teil zu kennen, da die Charaktere dadurch viel greifbarer werden, es ist jedoch nicht zwingend notwendig. Jo Nesbo erläutert die wichtigsten Verwicklungen und Ereignisse, sodass auch ein Neuling dieser Geschichte ohne weiteres die komplexen Zusammenhänge nachvollziehen kann.

Der Autor liebt es, moralisch komplexe Figuren zu erschaffen und gipfelt dieses Streben mit dem Brüderpaar Roy und Carl, die für die Familie alles tun und vor nichts und niemandem zurückschrecken. Selbst vor Mord nicht. Wie auch schon beim ersten Teil folgen wir dem Älteren der beiden, Roy, auf seinen dubiosen Geschäftswegen und blicken über seine Schulter, während er hemmungslos die Schwäche seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger ausnutzt, um das zu bekommen, was er möchte. Die beiden Brüder agieren als funktionierende Einheit, sie kennen sich in- und auswendig und vertrauen blind auf die Stärken des jeweils anderen. Doch ihre dunkle Vergangenheit droht sie einzuholen und das Band zwischen ihnen wird auf eine harte Probe gestellt.

Ich starrte in die Dunkelheit und wartete auf einen weiteren Blick. Um ihn zu sehen. Um mich zu sehen. Den König des Mülls. Den armen Tropf, der seine Würde auf dem Altar des Überlebens opferte, wie wir alle. Wir verschieben lediglich die Grenzen des Erträglichen und ändern die Spielregeln, damit wir uns selbst ertragen können. Sogar Menschen, die alle und jeden umbringen, die ihnen im Weg stehen […], glauben noch daran, ihre Ehre zu verteidigen. Sie tun das verzweifelter als die meisten anderen, weil ihre Grenzen nicht mehr weiter verschoben werden können, ohne dass sie auch noch den letzten Rest an Selbstachtung verlieren.


Mit den Bewohnerinnen und Bewohnern von Os beleuchtet Jo Nesbo unverhüllt die Seelen der Menschen. Jede und jeder hat ihre/seine eigene Agenda, versucht die eigenen Dämonen zu bekämpfen. Mord, Eifersucht, Inzest, Vergewaltigung – alles schlummert unter der scheinbar friedlichen Schale des Dorfes. Jede und jeder hat eigene Leichen im Keller – manche symbolisch, andere tatsächlich. Die ungeschminkte Realität und nüchterne Betrachtungsweise auf das Leben, die uns der Blick aus Roys Augen gewährt, machen es schwer, die Figur trotz seiner moralischen Abgründe, nicht zumindest zu respektieren wenn nicht sogar für seine Weitsicht und Unverfrorenheit zu bewundern.

Alle Katastrophen sollten ein Präludium haben. Ein Vorspiel, einen warnenden Hinweis auf das, was kommen sollte.

Die Geschichte fließt dahin, wie ein kleiner Gebirgsbach schlängelt sich die Handlung zwischen den unterschiedlichen Figuren hin und her, berührt die einen und umrundet die anderen. Bis es unvermutet zu Stromschnellen kommt. Gerade wenn sich ein Gefühl des Verstehens einfindet, wenn die Leserin bzw. der Leser glaubt, die nächsten Schritte erahnen zu können, ändert der Fluss seine Richtung. Die Karten werden neu gemischt, das Pokern beginnt von vorne.

Fazit

Der König erzählt die Geschichte eines Mannes, für den Mord kein Fremdwort ist und der die notwendige Kaltblütigkeit und Berechnung besitzt, für seine Zwecke erneut Leben zu beenden. Wir folgen dem Erzähler auf seinem Weg, lernen seine Motive und Gedanken kennen, seine Einstellung zum Leben und die Hintergründe für seine Taten. Jeder Schritt in Roys Stiefeln macht uns gleichzeitig zu Mitwissern und, ohne es so recht zu merken, beginnen wir ihn zu verstehen, ihn zu respektieren und manche sogar ihn zu mögen. Die ersten Sätze des Buches bleiben wie eine Art Mahnmal im Gedächtnis verankert, eine Frage, die immer wieder aufs Neue eine Antwort verlangt.

Kann jeder zum Mörder werden? Oder haben einige – ja, die meisten von uns – eine Art mentale oder moralische Sperre, die sie daran hindert, zu töten?


*diese Stellen wurden direkt aus dem Buch (1. Auflage 2024, ullstein) zitiert

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Veröffentlicht am 12.11.2024

Geister der Vergangenheit

Das Haus der Bücher und Schatten
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Ich muss sorgfältig nachdenken, um tief in mir den Anfang zu finden. Der Schluss geht einem nicht aus dem Kopf, erst recht nicht, wenn man älter wird. Doch den Anfang, den vergisst man, fast wie die Geburt.

Das ...

Ich muss sorgfältig nachdenken, um tief in mir den Anfang zu finden. Der Schluss geht einem nicht aus dem Kopf, erst recht nicht, wenn man älter wird. Doch den Anfang, den vergisst man, fast wie die Geburt.

Das Haus der Bücher und Schatten. Bereits der Titel von Kai Meyers neuem Werk lässt die Gedanken spielen. Der dritte Teil seiner Buchreihe, die sich um Geheimnisse des Graphischen Viertels in Leipzig ranken, wird seinen Vorgängern mehr als gerecht. Die Bücher hängen nicht zusammen, das verbindende Element ist allein der Ort, an dem diese Geschichten ihre Bühne bekommen, sowie die Art ihrer Erzählung. Ein Geheimnis der Vergangenheit findet zurück ans Licht, um Geschehnisse der Gegenwart der handelnden Personen erklären zu können.

In diesem Werk wechselt der Autor zwischen den Jahren 1913 und 1933. Beide Jahre bergen die Vorboten eines neuen Krieges, der die Welt überschatten wird. Brutalität, Ideologien und Furcht prägen beide Jahre und überbrücken die zwanzig Jahre, die sie trennen.

„Falls Sie noch mal Hilfe brauche, dann wissen Sie, wo Sie mich finden“, sagte er. „In der Nacht“, erwiderte sie. „Bei den Büchern“


Im Jahr 1933 wird der Polizist Cornelius beinahe Zeuge eines Doppelmordes, ein Mädchen und ein Polizist. Entgegen der allgemeinen Meinung glaubt er nicht an eine schlichte, einfache Erklärung und beginnt in der Vergangenheit des Mädchens unter die Lupe zu nehmen. Freimaurer, Okkultisten und Séancen haben das Leben des toten Mädchens geprägt, während der Polizist, ein überzeugter Nazi, bei seinen Mitmenschen alles andere als beliebt war. Was verbindet die beiden und was bedeuten die rätselhaften Buchstaben auf der Hand der Toten? Bei seinen Nachforschungen nähert er sich immer mehr den Geheimnissen von gefährlichen Männern, die ihre dunklen Geschäfte im chaotischen Deutschland zur Blüte getrieben haben und kein Interesse daran haben, diese durch einen einfachen Polizisten in die Luft gehen zu lassen.

Zwanzig Jahre zuvor begibt sich Paula zusammen mit ihrem Verlobten und Kollegen Jonathan auf die Reise ins Baltikum, um das Manuskript eines Autors zu holen. Doch in dem gewaltigen Anwesen geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Paula ist überzeugt, dass es spukt. Sie hört Schritte, wo keine Gänge sind und Stimmen, wo keine Menschen sind. Sie beginnt alles zu hinterfragen und stößt auf eine Geschichte, die besser im Verborgenen geblieben wäre.

Ich bin noch immer in diesem Zug, irgendwo zwischen Einsteigen und Endstation.

Die Handlungsstränge beider Geschichten wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab, vertiefen dabei die Spannung und die Neugierde darauf, wie es weitergehen soll und wird. Beide Teile sind geprägt vom Übersinnlichen, von Geistern und Stimmen aus dem Jenseits, von Geheimnissen der Vergangenheit, die nicht ans Licht kommen sollten. Entgegen so vielen seiner anderen Werke benutzt Kai Meyer in diesem Werk zwei Protagonisten und Protagonistinnen, die es mir schwer gemacht haben, sie ins Herz zu schließen.

„Wir beide sind uns zwar begegnet, aber ich habe keine Ahnung, wer du bist“


Cornelius ist ein verbitterter Polizist, der zuerst suspendiert und später wieder eingesetzt wurde, als seinem Arbeitgeber das fähige Personal ausging. Er verachtet den Nationalsozialistischen Staat und macht sich dadurch keine Freunde in der Stadt. Cornelius bevorzugt die Gesellschaft von Büchern deren von Menschen, mit Ausnahme seiner reizenden Verlobten. Er ist ein Einzelgänger, der alles im Alleingang erledigt, der nie um Hilfe fragt oder diese akzeptiert. Am liebsten geht er auf direkte Konfrontation mit seinem Gegenüber und er traut keinem seiner Kollegen über den Weg. Im Laufe des Buches lernte ich ihn zu schätzen, aber es dauerte.

Paula hingegen ist eine faszinierende Frau. Als einzige Lektorin des Verlags werden ihr deutlich größere Steine vor die Füße gelegt, als ihren Kollegen. Sehr zum Ärger von diesen ist sie es, die einen der bedeutendsten Autoren ihrer Zeit entdeckte und zu einem Bestseller machte. Selbst dieser Erfolg lässt die Kritiker nicht zum Schweigen bringen, im Gegenteil: die Eifersucht wird nur weiter angeheizt. Paula ist sehr sensibel und in ihren Träumen erscheinen immer wieder die Geister der Vergangenheit, um sie zu warnen oder ihr etwas mitzuteilen. Trotz ihrer beeindruckenden Geschichte wurde ich bis zum Schluss nicht richtig warm mit ihr. Fast, als würde ein Graben zwischen uns sein, der es ihr nicht ermöglicht, mich zu berühren.

„Das Weltall ist wie eine riesige Bibliothek: Niemand gibt einen Mucks von sich, man streift einfach wortlos von einem Wunder zum nächsten“

Es war eine faszinierende Erfahrung für mich, von einem Buch gefesselt zu sein, mit deren Charakteren ich nicht wirklich warm wurde. Es hat der Geschichte keinen Abbruch getan. Jede einzelne Seite des Buches war eine wunderbare Reise in eine Zeit, die wir nicht erleben wollen und die aktueller scheint als je zuvor in meinem Leben.

„Wenn beide Spieler mit Schwaz spielen, können sie dann ihre Figuren nach den ersten Zügen noch auseinanderhalten? Spielt es überhaupt eine Rolle, wer auf welcher Seite steht? Und geht es dann nicht nur noch darum, alle Figuren vom Feld zu räumen, ohne einen Unterschied zu machen zwischen den eigenen und denen des Gegners?“
„Die beiden Könige können sich nicht gegenseitig schlagen.“ „Aber eine einzelne Königin genügt, um das Spiel zu entscheiden“ „Oder ein einfacher Bauer“


Das Haus der Bücher und Schatten ist ein weiteres faszinierendes Buch von Kai Meyer. Es ist nicht notwendig, die vorherigen Bände des Graphischen Viertels zu lesen, da jedes eigenständig für sich steht, jedes sein eigenes Geheimnis verbirgt. Sein künstlerischer Umgang mit der deutschen Sprache und sein Talent für spannungsgeladene Handlungsbögen machen das Buch zu einem wahren Lesegenuss.

*Diese Stellen wurden direkt aus dem Buch (Auflage 2024) entnommen

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Faszinierend anders

Das Lied des Propheten
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Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln ...

Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln kennzeichnen. Als Leserin bzw. Leser hat man das Gefühl, außerhalb der Geschichte zu stehen. Wie hinter einer Glasscheibe, während eine neutrale Stimme alles berichtet: von den Bewegungen der Figuren, über ihre Gespräche bis hin zu ihren Klamotten. Wie Audiokommentiert. Sehr ungewöhnlich und es dauert ein bisschen, in diese Art der Erzählung hineinzufinden. Der Spannung des Buches tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Obwohl die Leserin/der Leser quasi als unbeteiligter Zuschauer an der Handlung teilnimmt, wird sie/er direkt mit hineingezogen. Die Angst, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit angesichts der Situation sind so greifbar, als wären es die eigenen Gefühle und Gedanken.

Die Geschichte, die erzählt wird ist eine, die jederzeit eintreten kann. In dem Moment, in dem der Staat beginnt, autoritär zu handeln. Ab dem Moment, wo zu viel Macht auf zu wenige Menschen aufgeteilt ist. Ab dem Moment, ab dem Angst gewinnt und die Gewalt regiert. Es sind Bilder aus dem Geschichtsunterricht, Bilder aus der Vergangenheit und Bilder, wie sie auch jetzt auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind. Eine Geschichte, in der die Demokratie und das Leben, das damit verbunden ist, kippen und einem unbarmherzigen und brutalen Regime den Platz überlassen.

Es ist ein erschütterndes und ehrliches Buch, das eine Geschichte erzählt, die über unserem Leben wie ein Damoklesschwert schwebt und hoffentlich nicht eintreffen wird.

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Alles ist fremdes Eigentum, nur die Zeit ist unser. Seneca

Hast du Zeit?
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Das erste, was mir bei dem Buch aufgefallen ist, nachdem ich es ausgepackt hatte, war, wie schön es ist. Dunkler Hintergrund, auf dem in weißen Buchstaben der aufrüttelnde Titel „Hast du Zeit?“ ins Auge ...

Das erste, was mir bei dem Buch aufgefallen ist, nachdem ich es ausgepackt hatte, war, wie schön es ist. Dunkler Hintergrund, auf dem in weißen Buchstaben der aufrüttelnde Titel „Hast du Zeit?“ ins Auge sticht. Im Vordergrund prangt das untere Ende einer Sanduhr, die leicht schillernd zur Eile drängt. Die roten Seiten runden das Buch in seiner schlichten Eleganz ab.

Einundfünfzig Jahre ist es her, seit Michael Ende mit seinem Buch Momo die Zeit in den Mittelpunkt einer Geschichte gerückt hat. Andreas Winkelmann widmet sich in diesem Buch demselben Thema. Er knallt jedem, der auch nur einen kurzen Blick auf sein Buch wird, eine der essenziellen Fragen unserer Gegenwart direkt ins Gesicht: „Hast du Zeit?“ Wie oft haben wir diese Frage schon gehört oder selber gestellt. Und wie oft haben wir sie mit Nein beantwortet?

Es ist das erste Buch, das ich von Andreas Winkelmann gelesen habe und ich war nicht in der Lage, es aus der Hand zu legen. Von der ersten Seite an gelingt es dem Autor, einen bedrohlichen Unterton in seine Erzählung zu weben, die ständige Gefahr voraussagend und dennoch immer wieder überraschend in seiner Brutalität. Die verzweifelte Suche nach dem Täter, die schiere Untätigkeit der Polizei und die stets gegenwärtige Bedrohung wirken wie ein rasches Suchtmittel, dem man nicht entkommen kann. Trotz des ungeheures Erzähltempos gelingt es Andreas Winkelmann immer wieder, den Leser bzw. die Leserin zurückzuholen zu der ursprünglichen, essenziellen Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und alles miteinander verbindet: Hast du Zeit?

„Ich zählte die Minuten, die Stunden, die Tage, aber je genauer ich zählte, desto langsamer verging die Zeit. Viel später begriff ich, dass Uhren einen Dreck wert waren. Ihre Gleichmut ist unerträglich und trägt der Wichtigkeit oder Unwichtigkeit der Zeit keine Rechnung. Die Menschen, das verstand ich, hatten die Zeit nie richtig begriffen. Ein grundlegender Irrtum zwingt uns dazu, die Zeit als gleichförmige Konstante zu begreifen. Dabei spürte doch jeder, dass das nicht stimmt.

Jedem Kapitel ist eine Uhrzeit beigefügt, erinnert an das stete Ticken einer Uhr. Die Zeit rinnt durch die Finger, fließt unaufhörlich weiter und wird immer weniger.

Fazit

Ein Thriller, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen hat. Der nicht nur auf die brutalen und psychischen Seiten und Gründe des Killers konzentriert ist, sondern versucht gleichzeitig uns aufzurütteln, damit wir unsere eigene Zeit wieder bewusster wahrnehmen. Zeit ist nicht unendlich und unsere Lebenszeit ist das Kostbarste, was wir besitzen. Eine Tatsache, die wir leicht vergessen in einer Welt, in der wir Sklaven des Geldes geworden sind.

Danke für dieses Buch und für das wahre und berührende Nachwort!

direktes Zitat aus dem Buch

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Veröffentlicht am 13.01.2024

KRIEG IST FRIEDEN. FREIHEIT IST SKLAVEREI. UNWISSEN IST STÄRKE.

Julia
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JULIA – eine bekannte Geschichte, die durch neue Augen erzählt wird, und dabei kein bisschen von seiner erschreckenden Brutalität und Aktualität verloren hat.

„Julia, was würdest du von denjenigen halten, ...

JULIA – eine bekannte Geschichte, die durch neue Augen erzählt wird, und dabei kein bisschen von seiner erschreckenden Brutalität und Aktualität verloren hat.

„Julia, was würdest du von denjenigen halten, die dich für diene Taten hassten?“ […]„Die wissen nicht, wie es ist. Es ist immer einfach, über etwas zu urteilen, was man nicht versteht. Sie halten sich für überlegen, aber sie haben keine Ahnung.“
„Sie wurden noch nie vor eine so schwierige Wahl gestellt“
„Ja. Sie wissen nicht, wie sie sich in einer ähnlichen Situation verhalten würden.“


Mit 1984 hat George Orwell ein Werk geschaffen, das zu einem Klassiker in der Weltliteratur aufgestiegen ist. Mit Julia wirft Sandra Newman erneut einen Blick in diese düstere Welt , die auch nach all den Jahren nicht an ihrer drohenden Aktualität eingebüßt hat.

Anders als Winston, der Antiheld aus Orwells‘ Vorlage, versucht Julia nicht, zwingen aus dem System auszubrechen sondern sucht einen Weg, in dieser menschenunwürdigen Welt bestmöglich zu überleben. Sie bewegt sich innerhalb der engen Grenzen, die gesetzlich auferlegt werden und findet die Möglichkeit, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Ihr vermehrter Kontakt mit Winson ist der Beginn vom Ende.

Du glaubst, dass es möglich ist, eine geheime Welt zu erschaffen, in der du leben kannst, wie du willst – alles, was du brauchst, ist Glück, List und Kühnheit, solange bist du in Sicherheit. Aber das Individuum wird immer unterliegen. Du musst selbst erkennen, dass du de Untergang geweiht bist ja, tief in deinem Herzen weißt du das schon ganz genau. […] Wir sind die Toten.

Sandra Newman verfügt über die Gabe, schreckliche Geschichten mit wunderschönen Worten zu erzählen. Die Melodie ihrer Sprache scheint vom Paradies zu kommen, während sie in Wahrheit von der Hölle berichtet.

Ihr wurde bewusst, dass Luxus ebenso sehr aus der Abwesenheit von gewissen Dingen bestand wie aus dem Überfluss anderer.

Immer wieder klammern sich die Gedanken an ein positives, hoffnungsvolles Ende. Doch mit jeder Seite wird die Dunkelheit und Grausamkeit der Welt intensiver und unerträglicher. Es ist, als folge man Dantes Weg durch die Kreise der Hölle: ein jeder scheint an Grausamkeit nicht zu überbieten zu sein, doch folgt im nächsten ein noch viel schlimmeres Schicksal. So war es bei Orwell, und so ist es auch bei Julia.

In diesem Spiel, das wir da spielen, können wir nicht gewinnen. Manche Arten des Scheiterns sind besser als andere. Ganz einfach.

Fazit

Julia ist ein fesselndes Buch. Grausam und irgendwie so nah dran an der Wahrheit der menschlichen Natur. Der Urinstinkt des Menschen gilt dem Überleben. Am Ende zählt jeder für sich. Was Orwell begonnen hat, hat Sandra Newman vollendet. Sie hat ein Werk geschaffen, dass trotz allem schwer aus der Hand zu legen ist. Ein Buch, in dem so viel mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Eine Heldin, die keine ist. Die man versteht, oder auch nicht. Eine Protagonistin, die ihr eigenes Überleben über die moralischen Vorstellungen einer Gesellschaft stellt, die gemütlich mit einer Tasse Tee vor dem warmen Kamin sitzen und in die düsteren Seiten des Buches hinableiten.

Julia ist ein beklemmendes, düsteres Werk. Aber eines, dass gelesen werden sollte. Ebenso wie der Klassiker, auf dem dieses Buch aufbaut. Es ist spannend geschrieben, wunderschön erzählt und hält dabei der Welt einen Spiegel vor.

Die kursiv geschriebenen Stellen sind direkt aus dem Buch entnommen

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