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kathieder

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2024

Faszinierend anders

Das Lied des Propheten
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Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln ...

Dieses Buch ist anders. Besonders prägnant ist die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist. Anders als bei den meisten Büchern finden sich hier keine Satzzeichen, die direkte Reden oder einen Sprecherwechseln kennzeichnen. Als Leserin bzw. Leser hat man das Gefühl, außerhalb der Geschichte zu stehen. Wie hinter einer Glasscheibe, während eine neutrale Stimme alles berichtet: von den Bewegungen der Figuren, über ihre Gespräche bis hin zu ihren Klamotten. Wie Audiokommentiert. Sehr ungewöhnlich und es dauert ein bisschen, in diese Art der Erzählung hineinzufinden. Der Spannung des Buches tut dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Obwohl die Leserin/der Leser quasi als unbeteiligter Zuschauer an der Handlung teilnimmt, wird sie/er direkt mit hineingezogen. Die Angst, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit angesichts der Situation sind so greifbar, als wären es die eigenen Gefühle und Gedanken.

Die Geschichte, die erzählt wird ist eine, die jederzeit eintreten kann. In dem Moment, in dem der Staat beginnt, autoritär zu handeln. Ab dem Moment, wo zu viel Macht auf zu wenige Menschen aufgeteilt ist. Ab dem Moment, ab dem Angst gewinnt und die Gewalt regiert. Es sind Bilder aus dem Geschichtsunterricht, Bilder aus der Vergangenheit und Bilder, wie sie auch jetzt auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind. Eine Geschichte, in der die Demokratie und das Leben, das damit verbunden ist, kippen und einem unbarmherzigen und brutalen Regime den Platz überlassen.

Es ist ein erschütterndes und ehrliches Buch, das eine Geschichte erzählt, die über unserem Leben wie ein Damoklesschwert schwebt und hoffentlich nicht eintreffen wird.

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Alles ist fremdes Eigentum, nur die Zeit ist unser. Seneca

Hast du Zeit?
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Das erste, was mir bei dem Buch aufgefallen ist, nachdem ich es ausgepackt hatte, war, wie schön es ist. Dunkler Hintergrund, auf dem in weißen Buchstaben der aufrüttelnde Titel „Hast du Zeit?“ ins Auge ...

Das erste, was mir bei dem Buch aufgefallen ist, nachdem ich es ausgepackt hatte, war, wie schön es ist. Dunkler Hintergrund, auf dem in weißen Buchstaben der aufrüttelnde Titel „Hast du Zeit?“ ins Auge sticht. Im Vordergrund prangt das untere Ende einer Sanduhr, die leicht schillernd zur Eile drängt. Die roten Seiten runden das Buch in seiner schlichten Eleganz ab.

Einundfünfzig Jahre ist es her, seit Michael Ende mit seinem Buch Momo die Zeit in den Mittelpunkt einer Geschichte gerückt hat. Andreas Winkelmann widmet sich in diesem Buch demselben Thema. Er knallt jedem, der auch nur einen kurzen Blick auf sein Buch wird, eine der essenziellen Fragen unserer Gegenwart direkt ins Gesicht: „Hast du Zeit?“ Wie oft haben wir diese Frage schon gehört oder selber gestellt. Und wie oft haben wir sie mit Nein beantwortet?

Es ist das erste Buch, das ich von Andreas Winkelmann gelesen habe und ich war nicht in der Lage, es aus der Hand zu legen. Von der ersten Seite an gelingt es dem Autor, einen bedrohlichen Unterton in seine Erzählung zu weben, die ständige Gefahr voraussagend und dennoch immer wieder überraschend in seiner Brutalität. Die verzweifelte Suche nach dem Täter, die schiere Untätigkeit der Polizei und die stets gegenwärtige Bedrohung wirken wie ein rasches Suchtmittel, dem man nicht entkommen kann. Trotz des ungeheures Erzähltempos gelingt es Andreas Winkelmann immer wieder, den Leser bzw. die Leserin zurückzuholen zu der ursprünglichen, essenziellen Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und alles miteinander verbindet: Hast du Zeit?

„Ich zählte die Minuten, die Stunden, die Tage, aber je genauer ich zählte, desto langsamer verging die Zeit. Viel später begriff ich, dass Uhren einen Dreck wert waren. Ihre Gleichmut ist unerträglich und trägt der Wichtigkeit oder Unwichtigkeit der Zeit keine Rechnung. Die Menschen, das verstand ich, hatten die Zeit nie richtig begriffen. Ein grundlegender Irrtum zwingt uns dazu, die Zeit als gleichförmige Konstante zu begreifen. Dabei spürte doch jeder, dass das nicht stimmt.

Jedem Kapitel ist eine Uhrzeit beigefügt, erinnert an das stete Ticken einer Uhr. Die Zeit rinnt durch die Finger, fließt unaufhörlich weiter und wird immer weniger.

Fazit

Ein Thriller, der mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen hat. Der nicht nur auf die brutalen und psychischen Seiten und Gründe des Killers konzentriert ist, sondern versucht gleichzeitig uns aufzurütteln, damit wir unsere eigene Zeit wieder bewusster wahrnehmen. Zeit ist nicht unendlich und unsere Lebenszeit ist das Kostbarste, was wir besitzen. Eine Tatsache, die wir leicht vergessen in einer Welt, in der wir Sklaven des Geldes geworden sind.

Danke für dieses Buch und für das wahre und berührende Nachwort!

direktes Zitat aus dem Buch

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Veröffentlicht am 13.01.2024

KRIEG IST FRIEDEN. FREIHEIT IST SKLAVEREI. UNWISSEN IST STÄRKE.

Julia
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JULIA – eine bekannte Geschichte, die durch neue Augen erzählt wird, und dabei kein bisschen von seiner erschreckenden Brutalität und Aktualität verloren hat.

„Julia, was würdest du von denjenigen halten, ...

JULIA – eine bekannte Geschichte, die durch neue Augen erzählt wird, und dabei kein bisschen von seiner erschreckenden Brutalität und Aktualität verloren hat.

„Julia, was würdest du von denjenigen halten, die dich für diene Taten hassten?“ […]„Die wissen nicht, wie es ist. Es ist immer einfach, über etwas zu urteilen, was man nicht versteht. Sie halten sich für überlegen, aber sie haben keine Ahnung.“
„Sie wurden noch nie vor eine so schwierige Wahl gestellt“
„Ja. Sie wissen nicht, wie sie sich in einer ähnlichen Situation verhalten würden.“


Mit 1984 hat George Orwell ein Werk geschaffen, das zu einem Klassiker in der Weltliteratur aufgestiegen ist. Mit Julia wirft Sandra Newman erneut einen Blick in diese düstere Welt , die auch nach all den Jahren nicht an ihrer drohenden Aktualität eingebüßt hat.

Anders als Winston, der Antiheld aus Orwells‘ Vorlage, versucht Julia nicht, zwingen aus dem System auszubrechen sondern sucht einen Weg, in dieser menschenunwürdigen Welt bestmöglich zu überleben. Sie bewegt sich innerhalb der engen Grenzen, die gesetzlich auferlegt werden und findet die Möglichkeit, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Ihr vermehrter Kontakt mit Winson ist der Beginn vom Ende.

Du glaubst, dass es möglich ist, eine geheime Welt zu erschaffen, in der du leben kannst, wie du willst – alles, was du brauchst, ist Glück, List und Kühnheit, solange bist du in Sicherheit. Aber das Individuum wird immer unterliegen. Du musst selbst erkennen, dass du de Untergang geweiht bist ja, tief in deinem Herzen weißt du das schon ganz genau. […] Wir sind die Toten.

Sandra Newman verfügt über die Gabe, schreckliche Geschichten mit wunderschönen Worten zu erzählen. Die Melodie ihrer Sprache scheint vom Paradies zu kommen, während sie in Wahrheit von der Hölle berichtet.

Ihr wurde bewusst, dass Luxus ebenso sehr aus der Abwesenheit von gewissen Dingen bestand wie aus dem Überfluss anderer.

Immer wieder klammern sich die Gedanken an ein positives, hoffnungsvolles Ende. Doch mit jeder Seite wird die Dunkelheit und Grausamkeit der Welt intensiver und unerträglicher. Es ist, als folge man Dantes Weg durch die Kreise der Hölle: ein jeder scheint an Grausamkeit nicht zu überbieten zu sein, doch folgt im nächsten ein noch viel schlimmeres Schicksal. So war es bei Orwell, und so ist es auch bei Julia.

In diesem Spiel, das wir da spielen, können wir nicht gewinnen. Manche Arten des Scheiterns sind besser als andere. Ganz einfach.

Fazit

Julia ist ein fesselndes Buch. Grausam und irgendwie so nah dran an der Wahrheit der menschlichen Natur. Der Urinstinkt des Menschen gilt dem Überleben. Am Ende zählt jeder für sich. Was Orwell begonnen hat, hat Sandra Newman vollendet. Sie hat ein Werk geschaffen, dass trotz allem schwer aus der Hand zu legen ist. Ein Buch, in dem so viel mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Eine Heldin, die keine ist. Die man versteht, oder auch nicht. Eine Protagonistin, die ihr eigenes Überleben über die moralischen Vorstellungen einer Gesellschaft stellt, die gemütlich mit einer Tasse Tee vor dem warmen Kamin sitzen und in die düsteren Seiten des Buches hinableiten.

Julia ist ein beklemmendes, düsteres Werk. Aber eines, dass gelesen werden sollte. Ebenso wie der Klassiker, auf dem dieses Buch aufbaut. Es ist spannend geschrieben, wunderschön erzählt und hält dabei der Welt einen Spiegel vor.

Die kursiv geschriebenen Stellen sind direkt aus dem Buch entnommen

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Veröffentlicht am 14.11.2022

Teufel der Welt

Die Bücher, der Junge und die Nacht
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Trotzdem wäre es dumm, einen Teufel beschwören. Man muss sich nur umschauen, dann sieht man, dass es schon genug davon gibt.

Bücher bestimmten schon immer das Leben von Robert.

Bereits sein Vater, den ...

Trotzdem wäre es dumm, einen Teufel beschwören. Man muss sich nur umschauen, dann sieht man, dass es schon genug davon gibt.

Bücher bestimmten schon immer das Leben von Robert.

Bereits sein Vater, den er nie kennenlernen durfte, hatte sein Leben dem gedruckten Wort verschrieben und kam als Buchbinder über die Runden. Eines Tages steht eine junge Frau vor der Tür und bittet ihn, ihr Werk zu binden. Als sie kurz darauf verschwindet ist seine Neugierde gepackt und Jakob setzt alles daran, die Frau zu finden und ihr Geheimnis zu lüften.

Robert verbringt die ersten Jahre seines Lebens in einem Kellerraum voller Bücher. Sie sind seine einzige Abwechslung in diesem öden Dasein, bis ihn eines Tages ein fremder Mann abholt und ihn mit den wahren Abenteuern des Lebens konfrontiert.

Dreißig Jahre später bestimmen Bücher noch immer Roberts Leben. Das Verwalten von großen Bibliotheken ist zu seinem Job geworden. Doch dann stößt er auf Bücher, die sein Vater gebunden haben soll, Jahre, nachdem dieser bereits gestorben war. Robert versucht dieses Mysterium zu lösen und stößt dabei auf ein Geheimnis, das weit größer ist, als er je zu träumen gewagt hätte.

In diesem Buch entführt Kai Mayer seine Leserinnen und Leser nicht in eine seiner fantastischen Welten,
sondern in eine Zeit, in der alles zu zerfallen scheint.

Der zweite Weltkrieg wird in der deutschsprachigen Gesellschaft häufig thematisiert und zur Sprache gebracht. Doch dieses Buch tanzt aus der Reihe.

Es geht nicht um Hitler, nicht mal um den Krieg.
Zumindest nicht so richtig. Im Zentrum der Geschichte steht ein Buch. Aus drei unterschiedlichen Erzählperspektiven (Vater, Sohn jung und Sohn älter) wird die Geschichte erzählt. Ungefähr vierzig Jahre trennen Vater und Sohn, dennoch versuchen sie, dasselbe Geheimnis zu lüften. Ein Geheimnis, dem der Sohn in seinen Kinderjahren bereits auf der Spur war, ohne es zu bemerkten.

Der Schein von Straßenlaternen und Werksbeleuchtung reichte gerade so aus, um wabernde Schlieren in der Finsternis sichtbar zu machen, als wäre der Himmel ein Nest schwarzer Blindschleichen
. Kai Mayer spielt mit Sprache, nimmt Wörter und bastelt Sätze, die zum Träumen anregen und Welten erschaffen können. Es ist wie Magie, denn Magie ist nichts anderes als das richtige Wort zur rechten Zeit.

1933 war eine Zeit, in der die Menschlichkeit in Mitteleuropa nichts verloren hatte. Der Hölle wurde zur Realität und der Teufel war allgegenwärtig. Fragwürdige Rituale und Glaubensideen schossen aus dem Boden und fanden Nährboden in der Angst und Verzweiflung der Menschen. Der Teufel nimmt in dieser Geschichte eine zentrale Rolle ein.

Packend erzählt und in eine wunderschöne Sprache gepackt berichtet Kai Mayer von der Liebe zu Büchern. Zu der Macht, der Hoffnung und der Magie, die Worten innewohnt.

„Warum tut jemand so was?“
„Weil die Menschen nicht genug Bücher lesen. Erst wenn sie wirklich verstehen, wie es sich anfühlt, ein anderer zu sein, werden sie aufhören, sich gegenseitig Schlimmes anzutun. […] Irgendwann werden sie begreifen, dass genau darin ihre Erlösung liegt“


*Diese Stellen sind direkt aus dem Buch (Auflage Nov. 2022) entnommen

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Der Schrei der Toten

KAMMERJÄGER DES HERRN
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Nach den Ereignissen von „Symphonie des Schweigens“, in denen Frankie beinahe als unschuldig eingesperrter Serienmörder auf dem elektrischen Stuhl gelandet wäre, machen sich er und Seelsorger Werner Hansen ...

Nach den Ereignissen von „Symphonie des Schweigens“, in denen Frankie beinahe als unschuldig eingesperrter Serienmörder auf dem elektrischen Stuhl gelandet wäre, machen sich er und Seelsorger Werner Hansen auf den Weg nach Deutschland. Frankie will zuhause bei seinen Eltern einen Weg zurück in die Gesellschaft finden und Werner ist auf dem Weg zu seiner neuen Gemeinde.

Es ist ein langer Weg und Werner nutzt die Gelegenheit und führt Frankie schrittweise durch die düsteren Ereignisse in Deutschland ein, die ihn vor Jahren dazu brachten, seinem Heimatland den Rücken zu kehren.

Der Kammerjäger des Herrn

Schon wieder eine Leiche. Grausam entstellt und mit Salpetersäure verätzt trägt auch sie den eindeutigen Schriftzug des Serienmörders, der in Polizeikreisen nur Salpeter genannt wird. Juliane Jac Winter ist auf Täter dieser Art spezialisiert und wird kurzerhand nach Köln geholt und mit dem Fall betraut. Ihre Kenntnisse und ihr Instinkt sollen den Beamten helfen, dem Mörder habhaft zu werden.

Neben ihrer offiziellen Polizeiarbeit widmet sich Juliane noch ihrem eigenen Phantom. Über Jahre hinweg sammelt sie Tatorte, die nicht so recht ins Bild passen wollen. Vertieft in ihre Suche merkt sie nicht, wie sie immer tiefer in das Netz des größten Kammerjägers von Deutschland gerät: den

Kammerjäger des Herrn.

Spannungsgeladen bis zur letzten Seite
Wie auch beim ersten Buch arbeitet Peter Riese auch in diesen Band mit (hauptsächlich) zwei zeitlich stark getrennten Erzählsträngen, die den Spannungsbogen der Geschichte zusätzlich erhöhen. Im starken Gegensatz zur Symphonie des Schweigens bildet die Handlung in der Gegenwart dieses Mal kurze Verschnaufpausen zwischen den intensiven Erlebnissen der Vergangenheit.

Kurz zum Buch

Der Kammerjäger des Herrn ist ein Thriller, der seinem Namen alle Ehre macht. Auch wenn der grobe Ausgang der Geschichte bis zu einem gewissen Grad durch Andeutungen und Erzählungen von Werner vorauszuahnen ist, wird das Ende dadurch keineswegs in seiner Genialität gemildert. Spannend bis zur letzten Seite ist es erneut ein Werk, dass nur mit Mühe aus der Hand gelegt werden kann und noch schwerer aus seinen Gedanken zu verbannen ist.

Die Macht der Zahlen

Numerologie und die Psyche stehen im Zentrum der Diskussionen. Ist unser Leben durch Mathematik vorherbestimmt oder beeinflussen wir unser Leben selbst? Können Menschen töten, ohne es zu wollen? Gibt es Mörder, die von Natur aus dazu bestimmt sind zu dem Monster zu werden, das das Schicksal vorhergesagt haben soll?

Wissenschaft trifft auf Religion und Peter Riese schreibt ein Buch, dass den eigenen Blick auf die Welt verändern wird.

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