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Veröffentlicht am 30.08.2021

Fluss, Landschaft und Geschichte

Auf dem Rad entlang der Spree von den Quellen bis Berlin
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„Ick steh uff die Brücke / und spuck uff'n Kahn, / da freut sich de Spucke, / dass se Kahn fahr'n kann.“

Mit diesem wunderschönen Radwanderführer lernen wir einen geschichtsträchtigen Fluss kennen, der ...

„Ick steh uff die Brücke / und spuck uff'n Kahn, / da freut sich de Spucke, / dass se Kahn fahr'n kann.“

Mit diesem wunderschönen Radwanderführer lernen wir einen geschichtsträchtigen Fluss kennen, der mehr ist als Spreewald, Berliner Wasserader oder mäandernder Bach. Doch eines direkt vorneweg: der Autor betont explizit, dass es in diesem Buch keine Streckendetails, keine Koordinaten oder sonstige Serviceinformationen zu finden gibt, sondern nur reine Inspiration für kommende Touren, um den Fluss von der Quelle bis Berlin kennenzulernen.

Sagen und Märchen (Krabat, Pumphut) begleiten den Radfahrer entlang des Flusslaufes, unzählige romantische Brücken sind zu überqueren (wieso habe ich ausgerechnet jetzt den Song "Über sieben Brücken" von Karat im Ohr ?! gg), die typischen Umgebindehäuser faszinieren immer wieder aufs Neue, Heide- und Teichlandschaften sorgen für reizvolle und augenschmeichelnde Naturerlebnisse.

Der Fluss hat eine eigene geschichtsträchtige Vergangenheit, kulturelle Einflüsse von slawischen Stämmen (u.a Sorben und Wenden) sind ebenso zu finden wie das Kuriosum, dass auch Österreich mal seine Finger mit im Spiel gehabt hat.

Während dem Lesen taucht man tief ein in die wunderbare Stille, die am Flussufer zu finden ist, hört Enten schnattern, das Wasser an den Uferrand plätschern und bekommt Lust, von den Quellen (ja, die Spree kann sich tatsächlich mit ganzen drei Quellen brüsten) bis nach Berlin zu radeln, um die kleinen und großen Paradiese am Flusslauf kennenzulernen.

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Thema verfehlt

Wildblütenzauber
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Der Schmerz über den Verlust der Mutter sitzt tief, als Sarah beim Sichten des Nachlasses ein Herbarium findet. Im Buch ist von einer Großtante die Rede, von deren Existenz Sarah bisher nicht einen blassen ...

Der Schmerz über den Verlust der Mutter sitzt tief, als Sarah beim Sichten des Nachlasses ein Herbarium findet. Im Buch ist von einer Großtante die Rede, von deren Existenz Sarah bisher nicht einen blassen Schimmer hatte. Um herauszufinden, wie die Familienbande tatsächlich gestrickt sind, reist sie nach Nürnberg und erfährt ein gut gehütetes Geheimnis...



Andrea Russo schreibt unter dem Pseudonym Anne Töpfer normalerweise echte Wohlführomane, die mit viel Gefühl, einem zauberhaften Setting und einem gut durchdachten Plot punkten können. Aber mit "Wildblütenzauber" hat sie sich regelrecht vergaloppiert und verfehlt um Längen die bisher gewohnte Qualität.

Lässt der Titel und die Andeutung des Herbariums auf dem Klappentext noch vermuten, dass es hier um Wildblumen, Romantik und Gefühle geht, so findet sich der Leser in einem bunten, aber nicht zusammenpassenden Mix aus Vergangenheitsbewältigung, DDR-Familiengeschichte, Frauenfreundschaft, Romanze und Backbuch wieder.

Über mehr als 150 Seiten spielt die Handlung am Ostseestrand mit dem möglichen Neubeginn, einem Hauskauf und aufkeimenden zarten Gefühlen. Erst auf den letzten Metern kommt Nürnberg ins Spiel und das Familiengeheimnis wird Knall auf Fall gelüftet. Genauso schnell, wie der Deckel von Pandoras Büchse geöffnet ist, ist auch Nürnberg wieder vergessen und die Autorin schenkt dem eigentlichen Schwerpunkt keinerlei Beachtung mehr.

Die Figuren wirken recht hilflos in der zauberhaften Landschaft und verlieren ihren Reiz. Das ganze Buch wirkt überfrachtet und am Thema vorbei, somit keine Leseempfehlung !

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Geschrieben, um zu erinnern

Das Kind von Gleis 1
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Während in Prag die Schrecken der Naziherrschaft immer weiter zunehmen und sich das Unabwendbare nicht mehr aufhalten lässt, fasst Pianistin Eva einen folgenschweren Entschluss. Um ihre Tochter in Sicherheit ...

Während in Prag die Schrecken der Naziherrschaft immer weiter zunehmen und sich das Unabwendbare nicht mehr aufhalten lässt, fasst Pianistin Eva einen folgenschweren Entschluss. Um ihre Tochter in Sicherheit zu bringen, wird sie sie auf eine Reise nach England schicken, um sie vor Schlimmeren zu bewahren. In der Familie Denison findet Miriam ein neues Zuhause und mit Pamela eine Ersatzmutter, die ihr nicht nur Liebe, sondern auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft entgegenbringt. Doch noch ahnen beide nicht, wie grausam das Schicksal zuschlagen wird...



Gill Thompson weiß von der ersten Seite an ihre Leser emotional an ihren Roman zu binden, denn mit ihrem seelenvollen Schreibstil gelingt es ihr, die Gefühle ihrer Leserschaft in Aufruhr zu versetzen. Die Bilder aus Prag sind sehr eindrucksvoll geschildert und zeigen in aller Deutlichkeit Evas Pein und Qualen.

Trotz, oder gerade deswegen, zeichnet sie aber auch ein sehr einfühlsames und sensibles Bild und ermöglicht so dem Leser eine Reise zurück in das dunkelste Kapitel der Geschichte. Die Schilderungen aus Theresienstadt gehen unter die Haut, lassen einen sprach- & fassungslos das Martyrium miterleben. Die Musik gibt den Erniedrigten Hoffnung und die Geschichte, die sich daraus entwickelt, ist sensibel aufbereitet und mit eindrucksvollen Worten geschildert.

Die Autorin erschafft unglaublich starke Charaktere, deren Seelenleben für den Leser frei zugänglich ist. Ihre Profile sind sehr scharf gezeichnet und so gelingt es ihnen, den Leser mit in die Handlung hineinzuziehen und die ganzen Wirren und Schrecken des Krieges mitzuerleben.

Es fällt schwer, hier die zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, denn Gill Thompson lässt, dank hervorragender Recherchearbeit, die Grenzen zwischen ihren sehr guten Ideen und den geschichtlichen Ereignissen verschwimmen und ermöglicht so dem Leser, bewegte Bilder zu erleben, die zu Herzen gehen und lange nachwirken.

Ein Roman, der geschrieben wurde, um den vielen Ermordeten eine Stimme zu geben und ihnen mit Musik zu gedenken.

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Veröffentlicht am 26.08.2021

Janz Berlin is eene Wolke..und Gretchen mittendrin

Die Damen vom Pariser Platz
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Gretchen möchte nicht länger Außenseiterin sein und flüchtet regelrecht vom platten Land hinein in das Großstadtleben von Berlin. Ihr neues Leben beginnt mit einer Anstellung im Schönheitssalon von Madame ...

Gretchen möchte nicht länger Außenseiterin sein und flüchtet regelrecht vom platten Land hinein in das Großstadtleben von Berlin. Ihr neues Leben beginnt mit einer Anstellung im Schönheitssalon von Madame Bross und, als wäre das noch nicht aufregend genug, als Tippfräulein von Nachclubsängerin Isis. Gretchen ist ganz angetan von der neuen schillernden Welt und dem aufregenden Nachtleben und lernt nicht nur die schönen Seiten kennen, sondern auch noch Schreiberling Erik...



Bücher von Joan Weng bedeuten extrem gute Recherche, wundervolle Zeitreisen und beste Unterhaltung. Aber mit "Die Damen vom Pariser Platz" hat die Autorin ein nicht ganz so glückliches Händchen bewiesen und ihren, in meinen Augen, bisher schwächsten Roman veröffentlicht.

Das Buch wirkt wie eine nicht ganz so gut gelungene Parodie auf das Berliner Nachtleben in den goldenen Zwanzigern und lässt die Figuren auch ein wenig bedröppelt dastehen. Gretchen ist wirklich eine echte Landpomeranze, die unbedarft und vollkommen ahnungslos in das Nachtleben von Berlin stürzt. Sie muss im großen Teich von Lug und Trug erst einmal lernen zu unterscheiden, was Wahrheit und was Hirngespinste sind, die man ihr auftischt. Zwar verfolgt sie konsequent ihren Weg, aber trotzdem ist sie für mich keine Protagonistin, der ich mich sofort verbunden fühle.

Ihre Freundin Henni dagegen lebt in einer Welt aus schillernd bunten Seifenblasen, fernab jeglicher Realität. Kein Wunder, dass ihre Träume platzen und sie sich auf dem Boden der Tatsachen einfinden muss. Ihr spitze Zunge müsste sie einfach öfter mal im Zaum halten..

Es gibt ein Wiedersehen mit Vicky Grenzer und ihrer Buchhandlung aus dem Buch " Die Frauen vom Savignyplatz" - auch wenn sie nur kurze Auftritte hat, so gefallen mir diese Passagen doch noch am besten von allen Akteuren.

Irgendwie fehlt diesmal der Funke, das große Glitzern und die vielen Emotionen, die Joan Weng sonst in ihren Büchern für die Leser bereit hält, um aus diesem Roman einen echten Gassenhauer werden zu lassen. Ich weiß, dass die Autorin allemal das Zeug dazu hat, historische Romane zu schreiben, die einen vor Begeisterung aus den Schuhen hauen. Aber hier gelingt ihr das leider nicht und ich bleibe enttäuscht zurück.

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Veröffentlicht am 26.08.2021

Essen und Trinken in Südtiroler Landschaft

Blutroter Wein
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Tiberio Tanner ist nicht nur Detektiv, sondern auch ein echter Genussmensch. Umso erfreuter ist er als er merkt, dass er mit dem Kauf einer guten Flasche Wein auch direkt einen Rebstock sein Eigen nennen ...

Tiberio Tanner ist nicht nur Detektiv, sondern auch ein echter Genussmensch. Umso erfreuter ist er als er merkt, dass er mit dem Kauf einer guten Flasche Wein auch direkt einen Rebstock sein Eigen nennen darf. Um das Schätzchen zu bewundern, fährt er zum Weinberg und...findet eine Leiche. Ausgerechnet direkt neben seinem Eigentum. Nun ist Tiberios Spürsinn gefragt und dieser wird arg strapaziert...



"Blutroter Wein" ist für Einsteiger ins Krimi-Genre gut geeignet, denn es geht recht unblutig, entspannt und absolut genussfreudig zu - eben echter Cosy-Crime, der wenig Spannung, dafür aber unglaublich viel Seitenhiebe und genussvolle Momente zu bieten hat.

Der Roman zeigt nicht nur die landschaftlichen Schönheiten Südtirols auf, er lässt auch Tiberios Genussseiten zum Vorschein kommen und macht dem Leser den Mund mit Schupfnudeln, Speckknödeln und Co den Mund wässrig.

Die Krimihandlung an sich mäandert eher ein wenig vor sich hin und es ist für den geübten Krimileser schon recht schnell erkennbar, wer der Drahtzieher der Taten ist. Dazu kommt, dass Tiberio als Ermittler eher linkisch und unbeholfen wirkt. Seine Ermittlungsmethoden sind eher zweifelhaft , ja fast schon als altbacken zu bezeichnen. Denn anstatt sich neuer Medien zu bedienen, wühlt er lieber in staubigen Akten und scheint noch nicht mitbekommen zu haben, dass die Technik im 21. Jahrhundert hilfreicher Unterstützer bei der Aufklärung von Mord und Co. sein kann.

Der Roman eignet sich eher als seichte Unterhaltung bzw. Gastroführer um die Region Bozen/Meran, aber von einem Krimi ist er meilenweit entfernt - schade.

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