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Veröffentlicht am 26.06.2024

Philosophisches Kreisen um die besten Jahre

Mitte des Lebens
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Der Inhalt des Buches „Mitte des Lebens“ von Barbara Bleisch und ihr Anliegen sind am besten umrissen mit den Worten der Autorin: „Was ich vorschlage sind somit keine Lösungen, sondern Versuche, eine Lebensphase ...

Der Inhalt des Buches „Mitte des Lebens“ von Barbara Bleisch und ihr Anliegen sind am besten umrissen mit den Worten der Autorin: „Was ich vorschlage sind somit keine Lösungen, sondern Versuche, eine Lebensphase zu verstehen, die allzu oft nur als düster und verworren dargestellt wird und der ich eine Philosophie entgegensetzen will, die die mittleren Jahre als potentiell beste Zeit unseres Lebens auslotet.“
Und ich würde sagen, dass gelingt ihr auch. In verständlich,,en Worten, häufig mit Beispielen aus dem Alltag umkreist die Autorin die Frage, was der Mensch der „midlife crisis“ entgegensetzen könnte. Dazu bemüht sie vielfältige Antworten aus der Literatur sowie aus der Philosophie bzw. aus der Biographie verschiedener Philosophen, von denen sich nicht wenig auch recht schwer nicht nur mit der Lebensmitte taten. Oder vielmehr gewinnt sie Fragen aus Romanen, (AutBiografien und philosophischen Essays, die sie an gängige Vorstellungen von der Lebensmitte heranträgt. Dabei zeigt sie auf, welche negativen Sichtweisen auf gerade diese Lebensphase bestehen: Das Lebensende rückt näher, eine Bilanz rechnet auch die verpassten Lebenschancen auf, das Erreichte fragt nach dem, was noch kommt. Und entwickelt – ganz im Stile der sokratischen Hebammentechnik – mit Hilfe des Infragestellens dieser Perspektiven Möglichkeiten, die Lebensmitte auch ganz anders zu sehen: Blütezeit, Hochebene, die Überblick ermöglicht, Zeit für Innehalten und Genuss des Erreichten.
Auch wenn sich manchmal ein wenig der Kopf dreht bei dem philosophischen Kreisen, dessen Ziel ja nicht die geradlinige Lösung, sondern der Versuch, d. h. der Weg ist, der auch Irrweg sein und neu versucht werden kann, so vermittelt das Buch doch einen Lebensoptimismus und eine Lebensfreude, die auch Zweifel und Ängste nicht negieren und somit umso authentischer wirken. Kein Lebensratgeber, sondern ein Buch, das nachdenklich macht und zum Selberdenken anregt. So erscheint mir – logisch ganz stimmig – das Bild vom Irrgarten des Lebens als tröstliche und ermutigende Quintessenz der Lektüre: Wenn ich auch vielleicht das Gefühl habe, mich in meiner Lebensmitte verlaufen zu haben, dann ist der Weg hinaus nicht immer mit blinden Aktionismus, der sich selbst erschöpft, zu finden. Sondern dann darf ich auch einmal verweilen, rasten, um mich blicken, mich neu ausrichten und ausgeruht und gestärkt bedächtig auf einen neuen Weg machen. Z. B. mit und nach der Lektüre von „Mitte des Lebens“.

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Veröffentlicht am 13.06.2024

Stunde null der Frauen

Die kurze Stunde der Frauen
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Dass diese Stunde null der Frauen genauso ein Mythos ist wie die Stunde null für Deutschland nach dem Krieg macht schon der Titel von Miriam Gebhardts neuem Sachbuch „Die kurze Stunde der Frauen“ deutlich. ...

Dass diese Stunde null der Frauen genauso ein Mythos ist wie die Stunde null für Deutschland nach dem Krieg macht schon der Titel von Miriam Gebhardts neuem Sachbuch „Die kurze Stunde der Frauen“ deutlich. Sie räumt darin – nicht neu – mit dem Mythos der Trümmerfrauen auf, die Deutschland aus dem Nichts neu erschufen. Und sie fragt, wieso sich die Frauen nach einer kurzen Phase der Selbst- und Mitbestimmung wieder in die alte Rolle mit den drei Ks – Kinder, Küche, Kirche zurückdrängen ließen. Dazu trägt sie interessante Fakten und Kurzbiographien von Frauen zusammen, die die Stunde null mitgestalteten. Meist eher mitgestalten mussten, weil die Männer nicht (mehr) da waren, gefallen, gefangen genommen oder gebrandmarkt. Dagegen wurde ein Bild von der unschuldigen Frau aufgebaut, ideologisch unverdächtig, weil politisch inaktiv, das nun geeignet war, ein demokratisches Deutschland auf den Trümmern zu errichten. Dass auch dieses Bild eher ideologischen als realistischen Ursprungs war, wird in den Darstellungen Miriam Gebhards deutlich. Zwar gab es – schon vor der Stunde null – politisch engagierte Frauen, die für Mit- und Selbstbestimmung kämpften. Aber viele Frauen waren eben auch froh, als sie die Verantwortung für Familie, für die Beschaffung des Lebensunterhaltes und auch für politische Fragen wieder den Männern überlassen konnte. Dass sie nicht darin bestärkt wurden, die ihnen auferzwungenen Rollen nach dem Zweiten Weltkrieg weiter einzunehmen, war in West- wie auch in Ostdeutschland, wenn auch aus unterschiedlichen ideologischen Gründen, ähnlich.
Die Darstellung Gebhardts scheint wertfrei zu sein. Sie gliedert sich in verschiedene Bereiche: Trümmerfrau, Mutter, Ehefrau, Frau in Ost und West, Arbeitnehmerin, Frau des öffentlichen Lebens. Dennoch kommt es – in der Natur der Sache liegend, denn keine Frau ist nur Arbeiterin, nur Frau, nur Ehefrau, nur Mutter, nur Arbeiterin – zu Redundanzen in dem ewig gleichen Fazit: Die Stunde der Frauen währte nicht lang, war nicht gewollt, sondern aus der Not geboren und von daher auch schnell wieder freiwillig beendet, nicht aber ohne Spuren in der Gesellschaft zu hinterlassen, auch wenn diese lange brauchten, sichtbar zu werden, sich aber bis heute noch nicht vollends durchgesetzt haben. Denn auch heute noch regiert eher – aus unterschiedlichen Gründen – die Stunde der Männer. Und so klingt auch durch Gebhardts Darstellung, die weder die Frauen heroisiert noch die Männer verteufelt, bisweilen ein leicht ironisch-kritischer Zug, der sich vor allem gegen eine Geschichtsbildung richtet, die die Frauen für eine bestimmte Sichtweise auf eine schwierige Anfangsstunde instrumentalisiert.

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Nicht so witzig

Fucking Famous
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Ich hatte das Buch „Fucking Famous“ gelesen in der Erwartung, dass es eine witzige, bissige Abrechnung mit dem Social-Media-Influencer-Gedöns würde. Ich fand es dann aber weniger witzig, als vielmehr die ...

Ich hatte das Buch „Fucking Famous“ gelesen in der Erwartung, dass es eine witzige, bissige Abrechnung mit dem Social-Media-Influencer-Gedöns würde. Ich fand es dann aber weniger witzig, als vielmehr die alte Leier: Vom Leben frustrierte, alternde Single-Frau mit wechselnden Hip-Berufen, Freundinnenclique, aber ohne Alltag und geregeltem Leben, was man ja nicht unbedingt haben muss, ist frustriert, gelangweilt und ohne tieferen Sinn im Leben. Das kann ja nicht alles gewesen sein. Da muss noch was kommen. Zum Glück hat sie eine reiche Hacker-Freundin mit viel Personal und guten Connections, die sie mit Make-Up, coolen Klamotten und Fake-News bzw. Videos geschickt in den Sozialen Medien in Szene setzt. Und der Plan geht auf: Lotte Hohenfeld, nicht adelig und ohne „von“, wird berühmt. Verbürgte früher einmal Berühmtheit so etwas wie Unsterblichkeit, so ist die Lebensdauer des Ruhms auf social media ungefähr so lang oder vielmehr so kurz wie die einer Eintagsfliege.
Die Mechanismen der Scheinwelt der Influencer, wie ihre Berühmtheit funktioniert, wie man in den Focus der Aufmerksamkeit gerät, nicht aufgrund besonderer Fähigkeiten oder Talente sondern vielmehr aufgrund der Abwesenheit von Scham und Schmerzgrenzen, wie man den Mainstream bedient, auch unter völliger Aufgabe seiner selbst, stellt die Autorin überzeugend und mit gewisser Expertise da.
Aber der Witz fehlt. Und so wird es doch wieder die Geschichte einer „alten, weißen Frau“, die den Sinn im Leben verpasst zu haben scheint und in Selbstmitleid und Verzweiflung nicht versinkt, sondern zur Tat oder eher zur Schlagzeile greift. Man kann es lesen, muss man aber nicht. Die Welt der Influencer wird sich weiter im Schnellkreisel drehen. Wer mitfahren will, viel Spaß.

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Veröffentlicht am 28.04.2024

Eher enttäuschend

25 letzte Sommer
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Nachdem das Buch „25 letzte Sommer“ so hoch gelobt worden ist, habe ich es mit entsprechender Erwartung gelesen, bin aber darin doch eher enttäuscht worden.
Ein beruflich gestresster Familienvater trifft ...

Nachdem das Buch „25 letzte Sommer“ so hoch gelobt worden ist, habe ich es mit entsprechender Erwartung gelesen, bin aber darin doch eher enttäuscht worden.
Ein beruflich gestresster Familienvater trifft bei einem seiner Aufenthalte in seinem Ferienhaus auf dem Land auf einen alten Kartoffelbauer, der ihm die Fragen seines Lebens stellt und ihn an einem Tag dazu bringt, sein ganzes Leben zu hinterfragen. To-do-Listen versus Muße, Hektik versus Achtsamkeit, Profitstreben versus Selbstversorgung, Immer-weiter versus auf den Traum im Leben Hinleben.
Ja, sicherlich ist das Ambiente beschaulich, ein See im Wald, ein alter Hof mit einem Kartoffelacker und großem Bücherzimmer mit zwei Sofas für das erholsame Mittagsschläfchen. Leckeres, genußvolles Essen, tiefsinnige Gespräche, kunstvolle Bilder.
Allerdings ist das Buch nicht sonderlich originell. Ob nun der alte Bauer mit seinem Kartoffelacker oder eine alte Frau, die einem im Wald begegnet und einem die entscheidenden vier Fragen des Lebens stellt, oder ein Mann, der im Gespräch mit einem Baum auf Lebensweisheiten kommt usw.usf. Alles schon mal da gewesen. Auch die Erkenntnisse sind nicht neu: zu viel zu tun, zu oberflächlich leben, zu wenig Zeit für die Dinge, die wirklich wichtig sind, zu viel Social Media, zu viel Hektik, zu viel Profitstreben, zu wenig Beziehung, zu wenig unverwirklichter Lebenstraum.
Dabei ist auch der Ruf „Zurück zur Natur“ nicht neu: Das Landleben als Kartoffelbauer wird hier ziemlich verkitscht und naiv dargestellt: Man kann sich nicht wirklich vorstellen, dass ein Landwirt heute mit einem kleinen Acker seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und Sonntags die freie Wahl hat: faulenzen oder auf den Acker. Da sind wir von der Realität dann doch ziemlich weit entfernt.
Mich hat auch der Tonfall gestört, der immer irgendwie an das naiv erstaunte Erkennen eines Kleinkindes erinnert, das offensichtliche Wahrheiten für sich zum ersten Mal entdeckt.

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Veröffentlicht am 28.04.2024

Nette Sommergeschichte

Die Kranichfrauen
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Die Freundinnen Anna und Paula erleben einen ereignisreichen Sommer am Ammersee zur Zeit der amerikanischen Besatzung in München. Sie sollen für die Amerikaner ein Sommercamp auf dem Gelände des ehemalgen ...

Die Freundinnen Anna und Paula erleben einen ereignisreichen Sommer am Ammersee zur Zeit der amerikanischen Besatzung in München. Sie sollen für die Amerikaner ein Sommercamp auf dem Gelände des ehemalgen Yachtclubs von Paulas Vater errichten. Dort lehren sie die Kinder Segeln, Schwimmen, aber auch Nähen und allerlei Dinge über die Natur. Und lernen dabei auch etwas über sich selbst und ihre Träume vom Leben: Anna möchte Boote bauen, Paula Lehrerin werden, nicht ganz einfach in einer Zeit, als die Männer langsam aus dem Krieg wiederkehrten und ihre alte Rolle in der Gesellschaft zurückverlangten, während sie die Frauen wieder auf die ihnen angestammten Plätze in Kirche, Küche und bei den Kindern zurückverwiesen.
Am Anfang entwickelt sich die Story etwas schleppend, aber zunehmen nimmt sie an Fahrt und auch an Tiefe auf. Aus den Figurenkonstellationen ergeben sich spannende Ent- bzw. Verwicklungen um Liebe, Sehnsucht und Selbstverwirklichung. Die beiden Mädchen treffen auf Kriegsheimkehrer, einen Juden, der ins gelobte Land auswandern möchte, aber Angst vor dem Wasser hat und auf die Amerikaner, die mit dem Bewusstsein der siegreichen Besatzer den Deutschen ein amerikanischen Lebensgefühl vermitteln, aber auch die Sonnenseiten des Siegers auskosten wollen. So beanspruchen sie die „Kranich“, Paulas geliebtes Segelboot, als Siegestrophäe für sich. Das kann Paula nicht zulassen, und mit Anna schmiedet sie einen Plan.
Mit gut leserlichem Ton, wenn auch manchmal mit ein wenig einfacher Rührseligkeit schreibt die Autorin mit dem Roman „Die Kranichfrauen“ einen netten, unterhaltsamen Sommerroman, der dem Leser das Lebensgefühl und die Stimmung im Nachkriegsdeutschland mit besonderem Blick für die sich wandelnde Rolle der Frau vermittelt.

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