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Veröffentlicht am 24.02.2020

Die Macht der Populisten ist grenzenlos

Dear Oxbridge
1

Es gibt Ereignisse, die ich nicht vergesse und genau weiß, wo ich war, als sie eintraten. Das betrifft nicht nur „Nine Eleven“ sondern auch den 23.06.2016. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Und dennoch ...

Es gibt Ereignisse, die ich nicht vergesse und genau weiß, wo ich war, als sie eintraten. Das betrifft nicht nur „Nine Eleven“ sondern auch den 23.06.2016. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Und dennoch musste ich mich damit abfinden, dass die Mehrzahl der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft stimmten. Hätten sie die Wahl, dann würden sie auch dem Kontinent Europa den Rücken kehren.

Die Autorin des Buches

DearOxbridge studierte in Oxford. Sie wollte dort lernen, wo ihre Vorbilder einst studierten. Bis sie hier einen Platz erhielt, musste sie etliche Absagen hinnehmen. Nur ihre Ausdauer und ihr Ehrgeiz bildeten dann doch noch die Grundlage zum Erreichen ihres Zieles.

DearOxbridge ist eine Biographie, die unverfälscht beschreibt, wie die Autorin ihr Leben in England empfand. Sie sah es als Geschenk an, dass sie hier die besten Universitäten besuchen durfte. Ja, auch die negativen Seiten des Staates lernte sie kenne. Aber mal ehrlich, gibt es überhaupt ein Land, welches nur durch Positives punktet? Doch wohl eher nicht.

Nele Pollatschek weiß, wer in Oxford und Cambridge studierte. Diese Politiker setzten sich mitunter ohne Rücksicht auf Verluste für den Brexit ein. Gibt es hier tatsächlich einen Zusammenhang zur Universität? Das kann und will ich nicht beurteilen. Klar ist aber auch, dass die Parallelen eindeutig sind.

Die Autorin des Buches hat mich beeindruckt. Ihr Humor ist zuweilen recht sarkastisch angehaucht und trifft dennoch genau den Kern. Ihre Weitsicht beleuchtet eindrucksvoll, in welcher Weise die Eliteuniversitäten der Insel Politiker hervorbrachten, die sich gegen die Europäische Gemeinschaft wandten. Was ist also nur los, mit diesem England? Warum konnten sich Populisten in dieser Weise durchsetzen? Das Buch hat auf jeden Fall fünf Sterne und eine Leseempfehlung verdient. #NetGalleyDE

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Veröffentlicht am 20.02.2020

"Das Kind ist nicht abrichtfähig"

Die Unwerten
1


Das Buch mit dem oben angeführten Titel steht bei mir im Regal. Es beschreibt die Versuche, welche in der Klinik des Ortes Waldniel durchgeführt wurden. Es gab etliche dieser Anstalten, die sich das „Ausmerzen ...


Das Buch mit dem oben angeführten Titel steht bei mir im Regal. Es beschreibt die Versuche, welche in der Klinik des Ortes Waldniel durchgeführt wurden. Es gab etliche dieser Anstalten, die sich das „Ausmerzen unwerten Lebens“ zur Aufgabe machten. Auch das Buch Die Unwerten beschreibt dieses Unrecht, wenn auch in Form eines Romans.

Es ist der 22.12.1939 als der glühende Anhänger Hitlers, der Herr Pilz, die kleine Hannah vor der Klasse demütigte. Er ist ein Sadist und es macht ihm große Freude, die Halbjüdin so sehr aufzuregen, dass sie ohnmächtig wird. Nach dem Anfall schickt er sie zum Direktor und durchsucht in der Zeit ihre Hefte. Was er dabei entdeckt, wird für Hannah kaum übersehbare Folgen haben. Hannahs Mutter lässt ihre Tochter von einem Arzt untersuchen und der stellt fest, dass sie unter Fallsucht (Epilepsie) leidet. Hannah und ihre Mutter müssen fliehen und werden von den Nazis verfolgt. Sehr hartnäckig ist dabei ein Arzt, der zu den Verantwortlichen der Aktion T4 gehört. Wie auch seine Kollegen, nimmt er sich das Werk von Hermann Lubeck als Vorbild, das sogenannte Rassenbuch. Es ist das erste „Grundsatzwerk zur Rassenhygiene“.

Am 01. Januar 1934 trat ein Gesetz in Kraft, welches den Namen: „Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses“ erhielt. Systematisch wurden Behinderte ermordet und das so lange, bis die Bevölkerung davon erfuhr. Die Predigten des Clemens Graf Galen führten unter anderem dazu, dass die Aktionen kurzfristig eingestellt wurden. Aber nur kurz, das Morden durch Verhungern oder Überdosierung von sedierenden Medikamenten gab es bis zum Kriegsende. Viele der Täter wurden nicht belangt. Sie konnten weiter als Ärzte arbeiten oder flohen ins Ausland.

Das Buch zeugt von intensiver Recherche und zeigt, wie es damals in Deutschland zuging. Viele Kinder wurden den Eltern entrissen und in Heimen ermordet. In dem Roman Die Unwerten ist die Hauptperson auch ein Kind. Sie erlebt schreckliche Dinge und muss sich gegen Menschen durchsetzen, die sie verfolgen oder gar töten wollen. Es ist ein Auf und Ab und die Spannung hält sich auf hohem Niveau. Auch wenn mir der Schluss zu langatmig war, gebe ich fünf Sterne. Alleine schon deshalb, weil dieses Thema viel mehr Aufmerksamkeit benötigt. Niemals dürfen wir schweigen, wenn Nazis die Oberhand gewinnen wollen. Der Autor schreibt in seinem Nachwort, wie schwer es für ihn war, dieses Buch zu vollenden. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und danke ihm daher ausdrücklich, dass er es trotz Schwierigkeiten abschloss.

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Veröffentlicht am 20.02.2020

Krankhafte Mutterliebe ist gefährlich

Krähenmutter
1

Und wieder einmal bekommt es Laura Kern mit einem sehr verzwickten Fall zu tun. Ein Baby wurde entführt als die Mutter kurz den Blick vom Kinderwagen abwandte. Nein, nicht auf offener Straße sondern in ...

Und wieder einmal bekommt es Laura Kern mit einem sehr verzwickten Fall zu tun. Ein Baby wurde entführt als die Mutter kurz den Blick vom Kinderwagen abwandte. Nein, nicht auf offener Straße sondern in einem Kaufhaus. Damit nicht genug. Der Vater des Kindes ist ein angesehener, sprich reicher, Mensch und nicht nur Lauras Chef drängt auf rasche Aufklärung. Auch die Berliner Senatorin für Inneres, Marion Schnitzer, nervt mit ihrem Einmischen und den unqualifizierten Äußerungen zum Fall.

Max und Laura sind entsetzt. Kein Zeuge kann eine vernünftige Täterbeschreibung abgeben und die Eltern schweigen sich aus. Und als erneut ein Kind entführt wird, erreicht die Ratlosigkeit ihren Höhepunkt. Keine Lösegeldforderung gibt es und keine Nachricht der Entführer. Die Story ist in zwei Stränge aufgeteilt und das macht die Sache noch spannender. Was hat es mit dem „Baby“ auf sich? Wer nimmt sich das Recht heraus, einfach fremde Kinder mitzunehmen? Und in welcher Weise hängen die Entführungen mit einem anderen Fall zusammen?

Ein spannendes Hörbuch fand den Weg zu mir. Besonders die Sprecherin Dana Geissler gefiel mir, da sie ihre Stimme den Akteuren perfekt anpasste. Spannend bis zur letzten Minute gebe ich glatte fünf Sterne und ein Lese- beziehungsweise Hörempfehlung.

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Veröffentlicht am 15.02.2020

Außergewöhnlich und außergewöhnlich gut

Milchmann
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Milchmann ist das Werk der irischen Autorin Anna Burns. Sie schreibt über die Zeit der großen Konflikte in ihrer Heimat, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung lagen. Die Rede ist oft von „Wir“ und ...

Milchmann ist das Werk der irischen Autorin Anna Burns. Sie schreibt über die Zeit der großen Konflikte in ihrer Heimat, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung lagen. Die Rede ist oft von „Wir“ und „die da drüben“, wobei „drüben“ nur die andere Straßenseite war. „Unsere“ Religion und „deren“ Religion bietet ebenfalls immer wieder Stoff zu tödlichen Auseinandersetzungen.

In dem Buch Milchmann beschreibt die Ich-Erzählerin ihr Leben in Irland. Sie berichtet von sexueller Nötigung durch ihren Schwager und der Gerüchteküche ihrer Nachbarschaft. In ihren Augen war es eine „Chefgerüchteküche“, die nicht nur ihr das Leben schwer machten. Die Menschen sind verstört, weil sie, geprägt von dauerhafter Gewalt und sozialen Konflikten, ihr Leben in Belfast fristen. Die Autorin verarbeitet hier eigene Traumen und Erlebnisse und das macht das Buch zu etwas Besonderem. Sie weiß, wovon sie schreibt. Nichts ist übertrieben und, obwohl zuweilen lustig, so blieb mir als Leser das Lachen im Halse stecken.

Die Hauptperson des Buches ist 18 Jahre alt und leidet unter den Familienverhältnissen. Der Vater ist depressiv und muss immer wieder zur langwierigen Behandlung in eine psychiatrische Klinik. Wie es damals wohl noch extremer war als heute, wo wurde die Erkrankung gegenüber der Nachbarschaft geleugnet. Die Mutter verstand nicht, was den Vater belastete. „Man sah doch nichts.“ Die junge Frau ist ebenfalls Opfer von Verleumdung und übler Nachrede. Keiner der Denunzianten hinterfragt den Wahrheitsgehalt der Gerüchte, dabei hätte sie deren Hilfe so sehr gebraucht.

Nein, es ist kein Buch, welches ich einfach mal so locker weg lesen konnte. Es gibt ungewöhnlich lange und verschachtelte Sätze sowie viele neue Wortschöpfungen. Oder haben Sie schon mal etwas von „Vielleicht-Freund“, „Zehnminutengegend“ oder „Bruder zwei“ gehört oder gelesen? Und gerade deshalb packte mich die Freude an außergewöhnlicher Literatur und ich ließ mich auf das besondere Buch ein. Es lohnte sich und ich lernte die Situation der Iren aus einer anderen Perspektive kennen. Nämlich der einer jungen Frau. Erschrecken war für mich, dass der Konflikt noch immer schwelt und der Roman in einer Zeit spielt, die noch gar nicht so lange zurück liegt. Wer sich auf ungewöhnliche Sprache einlässt, wird bei der Lektüre von Milchmann nicht enttäuscht.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Ein Meisterwerk in Sprache und Stil

Goodbye, Bukarest
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Die Autorin Astrid Seeberger war gerade mal 17 Jahre alt als sie ihrer Familie und ihrem Heimatland den Rücken kehrte. Ganz allein zog sie nach Schweden. Warum? Sie verabscheute die Taten der Deutschen ...

Die Autorin Astrid Seeberger war gerade mal 17 Jahre alt als sie ihrer Familie und ihrem Heimatland den Rücken kehrte. Ganz allein zog sie nach Schweden. Warum? Sie verabscheute die Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und wollte nichts damit zu tun haben. Sie ging sogar so weit, dass sie keine Deutsche mehr sein wollt und nahm die Schwedische Staatsbürgerschaft an. In ihrem Buch Goodbye Bukarest gilt nicht Deutschland, sondern Rumänien ihr Hauptaugenmerk.

Die Mutter Astrids erzählte ihrer Tochter immer wieder, dass ihr Bruder, der Onkel Bruno, in Stalingrad vermisst wurde. Sie beharrte darauf, dass er tot sei. Als die Mutter stirbt und Frau Seeberger deren Papiere durchsieht, stößt sie auf ein Schriftstück, welches in ihr einen Wunsch weckt. Sie möchte das Schicksal des Onkels erfahren. Dass er damals in Russland gestorben ist, glaubt sie nicht mehr. Sie macht sich auf die Suche nach Brunos Spuren. Die Reise geht durch einige Länder und das Leben des Onkels wird aus der Sicht von mehreren Menschen erzählt.

Es ist ein berührendes Buch. Es zeigt, was Diktatur bei den Menschen anrichtet und wie dankbar wir sein dürfen, in einer Demokratie zu leben. Hier liegt der Fokus nicht im Erleben des Krieges, sondern der Zeit danach. Was heißt es, ständig bespitzelt zu sein und als Feind des Diktators zu gelten? Welchen Einfluss hat die Kunst im Leben von Menschen und wie können Bilder und Bücher helfen, gefahrvolle Situationen zu meistern? Astrid Seebergers Buch zu lesen, war für mich ein Genuss. Sie schreibt so abwechslungsreich und anschaulich, dass ich Goodbye Bukarest innerhalb weniger Stunden durchlas. Gäbe es mehr als fünf Sterne, dieses Werk hätte es verdient.

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