Außergewöhnlich. Dieses Wort fällt mir als erstes ein, wenn ich an den Roman „Milchmann“ von der Autorin Anna Burns denke. Wortgewandt, lange, teilweise verschachtelte Sätze, spannend und doch in die Länge ...
Außergewöhnlich. Dieses Wort fällt mir als erstes ein, wenn ich an den Roman „Milchmann“ von der Autorin Anna Burns denke. Wortgewandt, lange, teilweise verschachtelte Sätze, spannend und doch in die Länge ziehend. Wiederholend und dennoch in jedem Wort das gewisse Etwas zu finden. So wirkte der Schreibstil in „Milchmann“ auf mich. Stets war ich auf der Suche nach dem, was mir die Autorin Anna Burns mit ihrem Buch wohl sagen will. Und dennoch – oder gerade deshalb – hat mich ihr Roman so sehr gefesselt und gefangen gehalten. In einer Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, in der sich die Gesellschaft noch zu ordnen versucht, lebt die namenlose Ich-Erzählerin in einer Beziehung zu ihrem namenlosen Vielleicht-Freund und in einer Familie mit Mutter, Bruder 1 bis 4 – wobei einige der Brüder eben nicht mehr leben – Schwester 1 bis 3 – wenn ich mich nicht verzählt habe – sowie daugehörigen Schwägern 1 bis 3 und Kleinen Schwestern – 3 an der Zahl. Die Erzählerin selbst ist die Mittelschwester. Und schon allein an diesem Beziehungskonstrukt kann der Leser erkennen, in was für eine Welt er sich begibt. Sie ist eben außergewöhnlich. Ach ja. Und dann ist da noch der Milchmann. Er stalkt scheinbar die Protagonistin, die Ich-Erzählerin ohne Namen. Und schnell wird ihr eine Affäre angedichtet, und sie ist die einzige, die weiß, dass es nicht so ist. Niemand glaubt ihr. Im Übrigen ist dies der falsche Milchmann, denn es gibt ja noch den Echten Milchmann. Alles ziemlich verwirrend. Aber irgendwie auch total abgefahren zu lesen. Und wer zwischen den Zeilen lesen kann, merkt schnell, dass es keiner Namen bedarf. Es kann jedem Individuum so ergehen. Der Leser lernt, wie schnell sich Gerüchte verbreiten und potenzieren. Wie schnell es vorbei sein kann, wie oft der Schein einfach trügt. Auch wenn man sich ins Lesen hineinfinden muss und wenn man dies letztendlich geschafft hat, gewinnt man den Roman „Milchmann“ und den Schreib- und Erzählstil von Anna Burns echt lieb. Ich kann mich nur wiederholen: „Milchmann“ ist außergewöhnlich aber dafür umso lesenswerter. Einfach mal etwas Anderes, was mich als Leserin überrascht hat und dafür für mich umso wertvoller ist.