Ein Buch welches im Kopf bleibt
Sanctuary – Flucht in die FreiheitEin Buch, welches ich aus der Hand gelegt habe und wusste, es ist etwas ganz Besonderes. Eines, was man nicht nach dem lesen zuklappt und ins Regal stellt. Es ist genau das eine, was einen beschäftigt ...
Ein Buch, welches ich aus der Hand gelegt habe und wusste, es ist etwas ganz Besonderes. Eines, was man nicht nach dem lesen zuklappt und ins Regal stellt. Es ist genau das eine, was einen beschäftigt und nicht loslässt.
Die Geschichte der Flucht von Vali und Ernie ist etwas, das einen fesselt.
Es liegt natürlich an der Story, aber wie ich finde auch in der Art des Schreibstils. Er ist sehr klar, sehr nüchtern, oftmals sehr unemotional, sehr bedrückend und gradlinig. Dieser Stil macht selten Bewegungen nach rechts und links, er bleibt eher seiner Linie treu. Dieses Stilmittel sorgt dafür, dass man beim Lesen die Angst spürt, das stetige angetrieben und auf der Flucht sein, die Sorge gefunden zu werden und das Ziel nicht zu erreichen. Es braucht keine großartigen Adjektive um dies zu präsentieren, oftmals reicht das Kleine und das hat hier Gewicht.
Man fliegt beim lesen nur so durch die Seiten, denn man ist gefesselt von der Story rund um Vali und Ernie.
Dennoch darf man einen Aspekt nicht außer Acht lassen, es ist kein seichtes Buch, sondern eines was schonungslos ehrlich, brutal, gewaltsam und unnachgiebig ist. Wir werden als Leser nicht in Watte gepackt, sondern mit der schonungslosen Realität konfrontiert.
Auch wenn es ein Roman aus dem Bereich Dystopie ist, finde ich gar nicht so sehr das man ihn dort ansiedeln muss. Denn das Setting könnte auch heutzutage spielen. Es ist sehr nah an der Realität, sehr nah an manchen Ländern in denen Krieg geführt wird und sehr greifbar. Ich hatte nie das Gefühl mich in der Zukunft zu befinden.
Was dieses Buch aber vor allem auszeichnet ist die Story.
Wir befinden uns in einer Zwischenwelt, zwischen der Wirklichkeit und was wäre, wenn. Was wäre, wenn die „Great American Wall“ zwischen den USA und Mexiko gebaut worden wäre? Was wäre passiert? Hätte der Präsident wirklich sein Vorhaben von Abschiebung und Verfolgung umgesetzt? Das Land von denen zu bereinigen, die nicht dorthin gehören? Doch auch in all dieser Grausamkeit, gibt es immer wieder Hoffnung. Menschen, die sich gegen das System auflehnen und nicht die Illegalen sehen, sondern den Menschen.
Daher finden Vale und Ernie auf ihrem Weg nach Kalifornien Unterschlupf bei einer Nonne und dort neue Freunde, die sie begleiten werden. Ein Stück Hoffnung keimt in ihnen auf, sie erfahren trotz ihrer Situation Nächstenliebe, Solidarität mit Gleichgesinnten und erleben zumindest für einen Moment wie sich das Leben ohne Vorurteile anfühlt.
Es passiert unsagbar viel in diesem Buch während der Reise, die die beiden erleben. Es hat mich immer wieder zutiefst getroffen, oftmals musste ich tief schlucken und Tränen wegwischen, denn dieses Buch bewegt jede Pore im Körper.
Es beginnt am Anfang bereits mit einem großen Knall. Einer der die Richtung und Stimmung des Buches wegweisend anzeigt. Ein Weg, den ich gerne mit Vali und Ernie gegangen bin. Auch wenn er mich ganz viel Kraft gekostet hat und es immer wieder Situationen gab, die mich als Leser stumm vor Schmerz zurückgelassen haben. Dennoch bin ich wieder aufgestanden und mit ihnen zusammen weitergelaufen.
Wir haben den Weg, egal wie holperig er war, wie schmerzerfüllt, mit Hass und Elend gepflastert, Hand in Hand gelaufen. Ich konnte nicht von diesem Buch ablassen, denn es hat mich bewegt, gepackt und nicht mehr losgelassen.
Ich habe in allen Situationen mit ihnen gefühlt. Wenn sie nicht weiterwussten, wenn sie Hunger und Durst hatten, wenn sie nicht wussten wem sie vertrauen sollten. Jede dieser Situationen hat mich ein Stück näher mit ihnen verbunden. Denn letztendlich bin ich der Leser, der die Story rund um die Flucht mit seinen Gedanken, Gefühlen und Emotionen zum Leben erweckt.
Ich bin die, die in Sicherheit lebt, die niemals solch eine Flucht erfahren muss. Die ihre Türe aufmacht, in den blauen Himmel schaut, frische Luft atmet und den Tag beginnt. Ich bin aber auch die, die sich hinsetzt und dieses Buch liest. Die durch Worte erfährt, wie es ist zu flüchten, Angst um sein Leben und das der anderen zu haben, den Schmerz wahrnimmt und die Ausweglosigkeit.
Am Ende des Tages, wenn es heißt, ich klappe das Buch wieder zu, ist mein Leben voller Sicherheit. Doch in vielen anderen Ländern ist dem nicht so. Dort erfahren täglich Menschen, wie es Vali und Ernie ergangen ist, am eigenen Leib. Dort ist dies der Alltag! Vielleicht haben die beiden Autorinnen manche Dinge schwärzer gemalt, vielleicht haben sie manche Dinge ungesagt gelassen…aber ich denke, die volle Wahrheit einer solchen Flucht kann man nicht aufschreiben. Man kann es versuchen. Kann den Mut zeigen, den diese Menschen brauchen, die Hoffnung die sie antreibt und die Zuversicht auf ein neues Leben.
Das Buch ist zu, es ist gelesen…doch die Worte bewegen mich noch immer!
“La esperanza es el sueño del hombre despierto.” –
Die Hoffnung ist der Traum des aufgeweckten Menschen
Meine Bewertung: 5 Sterne
Ein Buch, welches mich erstmalig an meinem behüteten Leben zweifeln lässt. Welches mich mitnimmt auf eine grausame Reise, die unsagbar ist. Eine Flucht, die ausweglos erscheint und dann doch immer wieder Hoffnung gibt. Eine Welt so grausam, schrecklich, unmenschlich und abartig. Doch gar nicht soweit entfernt von jedweder Realität. Dieses Buch verursacht Gänsehaut, lässt einen nachdenken, umdenken und lässt einen nicht mehr los. Ein Lesehighlight 2021. Ein Buch, welches ich bestimmt noch einmal lesen werde.