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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.10.2024

ein außergewöhnlicher Spannungsroman, beeindruckend erzählt

Unter dem Sturm
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„Unter dem Sturm“ von Christoffer Carlsson wird als Kriminalroman vermarktet, aus meiner Sicht ist es jedoch mehr Roman als Krimi, denn obwohl gleich zu Beginn ein Mord geschieht, stehen weniger die Ermittlungen ...

„Unter dem Sturm“ von Christoffer Carlsson wird als Kriminalroman vermarktet, aus meiner Sicht ist es jedoch mehr Roman als Krimi, denn obwohl gleich zu Beginn ein Mord geschieht, stehen weniger die Ermittlungen im Vordergrund als die Auswirkungen der Ereignisse auf die Menschen im Umfeld.
Schauplatz der Geschichte ist der kleine Ort Marbäck im schwedischen Halland. Im Jahr 1994 wird die junge Lovisa in ihrem Elternhaus ermordet und das Haus anschließend niedergebrannt. Hauptverdächtiger ist ihr Freund Edvard, nicht zuletzt aufgrund seines aufbrausenden Charakters, den er von seinem Vater geerbt hat. Einige Indizien sprechen gegen ihn, und obwohl nicht alle Ungereimtheiten geklärt werden können, wird Edvard verurteilt. Für seinen Neffen Isak, der seinen Onkel sehr bewundert hat, bricht einen Welt zusammen, nicht nur dass er die Tat seines Onkels nicht versteht, auch seiner Person wird in Folge mit Ablehnung begegnet, das Stigma der Gewaltbereitschaft wird auch ihm angehaftet und führt bei Isak zu Selbstzweifeln.
Auch Vidar, einen der ermittelnden Polizisten lässt der Fall nicht los, 10 Jahre nach der Tat werden alte Erinnerungen wach gerüttelt und neue Erkenntnisse sähen Zweifel, ob damals alle Fakten korrekt berücksichtigt wurden.
Die Geschichte wird zum Teil aus der Sicht Isaks erzählt, der im Verlauf vom siebenjährigen Jungen zum erwachsenen Mann heranwächst, und für den die Verhaftung des Onkels eine einschneidende Wende in seinem Lebenslauf darstellt. Vidar ist der zweite Hauptcharakter, er stammt aus Marbäck, kennt die Menschen dort und auch für ihn wird dieser besondere Fall zu einer Art Besessenheit.
Der Roman verläuft eher ruhig, er bewegt sich dicht an seinen Hauptfiguren, spiegelt intensiv ihre Gefühle wieder. Obwohl die Figuren nicht wirklich Sympathieträger sind, ist die Geschichte bewegend und spannend. Die Sprache ist klar und schnörkelos und dabei so präzise, dass das Dorf und die Menschen sehr lebendig erscheinen.
Anhand des Mikrokosmos der kleinen Gemeinde zeigt Carlsson, wie Vorurteile und vorschnelle Meinungen das Leben von Menschen nachhaltig beeinflussen bis zerstören können. Hier ist nicht nur die Tat selbst das Verbrechen, nicht nur die Ereignisse selbst verändern den Lauf der Dinge, es ist die Gesellschaft selbst, die durch ihr Verhalten zum Schuldigen wird.
Selten hat mich ein Spannungsroman so bewegt wie hier, der Autor versteht wirklich etwas vom Schreiben, sowohl sprachlich als auch inhaltlich ist die Geschichte für mich außergewöhnlich und eines meiner Highlights des Jahres.

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Veröffentlicht am 17.09.2024

interessantes Szenario, aber zu kurz und oberflächlich ausgeführt

Lieferdienst
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Wie, das soll jetzt alles gewesen sein? Das war meine erste Reaktion, nachdem ich Tom Hillenbrands aktuellen Roman „Lieferdienst“ beendet hatte. Zugegeben, mir hätte auffallen können, dass „Lieferdienst“ ...

Wie, das soll jetzt alles gewesen sein? Das war meine erste Reaktion, nachdem ich Tom Hillenbrands aktuellen Roman „Lieferdienst“ beendet hatte. Zugegeben, mir hätte auffallen können, dass „Lieferdienst“ mit nur 192 Seiten erheblich kürzer ausfällt als Hologrammatica, Qube, Montecrypto oder auch ‚Die Erfindung des Lächelns“, die mir mit ihrer Komplexität und spannenden Entwicklungen ausgesprochen gut gefallen haben.
‚Lieferdienst‘ spielt in einer unbestimmten Zukunft in Neu-Berlin, nachdem die Stadt, die wir heute kennen in einem Krieg zerstört wurde, und nimmt die ausufernde Entwicklung der online-Lieferdienste aufs Korn. Produkte werden nicht mehr in Fabriken produziert, sondern in riesigen 3-D-Druckern nach Bestellung hergestellt, oft von konkurrierenden Lieferdiensten zeitgleich. Wer am schnellsten ausliefert, macht das Geschäft, was übrigbleibt wird vernichtet. Held der Geschichte ist Arkadi, Angestellter bei einem der größten Versandunternehmen, der auf seinem Hoverboard durch die Stadt düst und bei einem Auftrag Zeuge wird, wie ein Kollege ermordet wird. Weitere Sonderaufträge und Befragungen aus der Chefetage bringen Arkadi in brisante Situationen aber auch ins Grübeln, ob da noch alles mit rechten Dingen zugeht.
Passend zum Thema ist die Geschichte temporeich erzählt, auf der Strecke bleiben dabei jedoch detaillierte Beschreibungen und eine Entwicklung der Charaktere. Die Hauptfigur Arkadi bleibt dabei ebenso blass und oberflächlich wie das ganze Szenario. Insbesondere zu Beginn wird der Leser mit fachspezifischen Begriffen gerade zu bombardiert, deren Bedeutung man sich zwar im Verlauf zusammenreimen kann, den Lesefluss aber zunächst holprig gestalten. Kaum hat man sich richtig eingelesen und Gefallen an dem spannenden Verlauf gefunden, ist auch schon das Ende erreicht, das einen wie Arkadi abrupt aus der Luft fallen lässt.
Die Idee hinter diesem Bändchen ist interessant, die Ausführung ist Tom Hillenbrand in seinen anderen Romanen deutlich besser gelungen. Selbst die 14,99 Euro für das ebook halte ich in diesem Fall für deutlich überteuert.

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Veröffentlicht am 04.08.2024

sprachlich überzeugend, inhaltlich für meinen Geschmack zu abstrakt

Cascadia
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In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen ...

In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen mit einfachen Jobs ihr Leben zu bestreiten und gleichzeitig die Arztrechnungen ihrer Mutter zu begleichen, während sie von einer besseren, unbeschwerteren Zukunft träumen. Als eines Tages ein Bär in der Nähe ihres Hauses auftaucht, gerät das Leben der Schwestern und ihr eingespieltes Verhältnis aus den Fugen.
Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht der 28-jährigen Sam, die mit ihrem Leben und ihrer Chancenlosigkeit hadert, sie wirkt verbittert und reagiert anderen Mitmenschen gegenüber ablehnend und voreingenommen. Ihre nur weniger als 2 Jahre ältere Schwester Elena musste früh die Verantwortung für die kleine Familie übernehmen, da die alleinerziehende Mutter zunächst viel Zeit bei der Arbeit verbracht hat und dann früh schwer erkrankt ist. Als der Bär in ihr Leben tritt, reagiert Sam mit Angst, während Elena fasziniert ist von der Magie des Tieres. Diese mystische Komponente wird in dem Roman aufgegriffen mit Bezügen zu dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot.
Die Geschichte ist spannend erzählt, sie berührt einerseits durch die intensiven Schilderungen aus der Sicht von Sam, andererseits machte es Sams schroffe und verschlossene Art schwierig, Sympathien für sie zu entwickeln. Sie wirkt sehr kindlich und unselbstständig, je weiter die Entwicklungen voranschreiten, umso mehr wird deutlich, wie sehr sie sich auf ihre Schwester Elena verlässt und sich ihr Leben zusammen träumt, wie er ihr am besten gefällt, dabei aber die Realität und auch die Bedürfnisse ihrer Schwester ausblendet. Elenas Faszination für den Bären blieb für mich bei der Lektüre ebenso wenig greifbar wie für Sam.
Der Roman ist einerseits sprachlich glänzend erzählt, spannend und bewegend, dennoch lässt er mich am Ende etwas ratlos zurück. Vielleicht ist das Szenario für mich zu fremd, bieten die Charaktere für mich persönlich zu wenig Fläche zur Identifikation. Es gibt sehr viel Spielraum für Interpretationen, insbesondere zu den Bindungen und der Schwestern, ihrem Schicksal, ihrer Zukunft und ihren Träumen, mir ist das am Ende zu abstrakt.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

interessantes Szenario aber zu viele Längen

Im Unterholz
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‚Im Unterholz‘ ist der Auftaktband einer Krimireihe, zu der in Schweden bereits drei Bände erschienen sind, für die Autorin Sara Strömberg mehrere Auszeichnungen erhalten hat.
Schauplatz ist die von weiten ...

‚Im Unterholz‘ ist der Auftaktband einer Krimireihe, zu der in Schweden bereits drei Bände erschienen sind, für die Autorin Sara Strömberg mehrere Auszeichnungen erhalten hat.
Schauplatz ist die von weiten Wäldern geprägte Region um Åre im Norden Schwedens, im Mittelpunkt stehen in dieser Reihe keine polizeilichen Ermittler, sondern die ehemalige Journalistin Vera Bergström. Vera hat viele Jahre als Lokalredakteurin in der Region Jämtland gearbeitet, bis vor drei Jahren ihre Stelle wegrationalisiert wurde. Zur selben Zeit ist ihre langjährige Beziehung zerbrochen, Vera kämpft seither nicht nur mit beginnenden Wechseljahren sondern hadert auch mit dem Leben, das sie verloren hat. Als in der Nähe die Leiche einer Frau aufgefunden wird, und ihr ehemaliger Chef sie um eine Reportage zu Reaktionen der Anwohner bittet, übernimmt Vera den Fall zunächst nur widerwillig. Im Laufe ihrer Recherchen wird sie jedoch immer besessen er davon, mehr über den Hintergrund des Opfers herauszufinden, wer sie getötet hat und vor allem warum. Dabei wird Vera immer tiefer in die Geschichte hineingezogen, sie entdeckt in der Vergangenheit der ermordeten Frau Ereignisse, die im Zusammenhang mit der aktuellen Tat stehen könnten und begibt sich selbst in Gefahr.
Die Krimireihe wird in Schweden hoch gelobt, mich konnte das Debüt nicht wirklich überzeugen. Vera als Hauptfigur steht für meinen Geschmack mit ihren Befindlichkeiten zu sehr im Mittelpunkt, das nimmt der Geschichte die Spannung, die Passagen um ihre depressiven Stimmungen und ihre Schwierigkeiten, ihrem Leben eine Perspektive zu geben, wiederholen sich und sorgen für Längen. Sprachlich finde ich das Buch überzeugend, die düstere Atmosphäre der weitläufigen Region um Åre, in der das alltägliche Leben für die Bevölkerung immer schwieriger wird, ist gut getroffen. Die Rückblenden aus der Vergangenheit sorgen für eine beklemmende Stimmung, aber auch wenn die Geschichte in sich stimmig ist, bleibt für mich die Motivation hinter den Taten nicht wirklich nachvollziehbar.
Ich kann die Begeisterung über die Reihe nach diesem Auftakt nicht nachvollziehen, da gibt es andere skandinavische Krimireihen, die mich deutlich mehr überzeugen.

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Veröffentlicht am 14.07.2024

spannend und düster

Teufelsgabe (Ewert Grens ermittelt 4)
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Die Krimis von Anders Roslund aus der Reihe um Kriminalkommissar Ewert Grens und seinem Freund Piet Hoffmann sind düster und nichts für zartbesaitete Seelen, der neuste Band ‚Teufelsgabe‘ macht da keine ...

Die Krimis von Anders Roslund aus der Reihe um Kriminalkommissar Ewert Grens und seinem Freund Piet Hoffmann sind düster und nichts für zartbesaitete Seelen, der neuste Band ‚Teufelsgabe‘ macht da keine Ausnahme.
Kommissar Ewert Grens hat seine verstörende Psychose überwunden und wagt einen Neuanfang. Sein Leben definiert sich seit Jahren durch seine Arbeit bei der Mordkommission, doch hat er mittlerweile nicht nur das Pensionsalter erreicht, sondern wurde nach seinem Selbstmordversuch vor einem Jahr vom Dienst suspendiert. Polizeichef Wilson gibt ihm sieben Tage Bewährungszeit, in der Grens seine frühere Kollegin Mariana bei der Aufklärung eines brutalen Mordes unterstützen soll. Die Ermittlungen verlaufend jedoch zunächst zermürbend schleppend, eine DNA-Probe bringt dann neue Erkenntnisse und führt zu weiteren, einige Jahre zurück liegenden Morden. Gibt es in Schweden tatsächlich einen Serienmörder? Als ein Tatverdächtiger identifiziert wird, ist Grens fassungslos und setzt alles daran, dessen Unschuld zu beweisen. Unterstützt wird er von Piet Hoffmann, der wie Grens selbst in diesem Band an einem Wendepunkt in seinem Leben steht und einiges aufs Spiel setzt.
Wie von Anders Roslund gewohnt ist auch dieser Krimi komplex und temporeich erzählt mit einigen unerwarteten Wendungen. Mit Ewert Grens und Piet Hoffmann hat er zwei sehr spezielle Charaktere geschaffen, die für ihre Sache brennen und bei der Wahl ihrer Mittel regelmäßig auch wenig legale Wege einschlagen. Realistisch sind die Geschichten damit nicht aber dafür ausgesprochen spannend. An Grens fasziniert mich, wie er manchmal naiv wirkt wie ein zu groß geratenes Kind, andererseits aber intelligent und mit allen Sinnen auf die Auflösung der Fälle fokussiert. Der Band ist in sich abgeschlossen, eine Kenntnis der Vorgeschichten halte ich für hilfreich, um Grens Entwicklung und seine besondere Beziehung zu Piet Hoffmann in vollem Umfang zu verstehen.

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