ein außergewöhnlicher Spannungsroman, beeindruckend erzählt
„Unter dem Sturm“ von Christoffer Carlsson wird als Kriminalroman vermarktet, aus meiner Sicht ist es jedoch mehr Roman als Krimi, denn obwohl gleich zu Beginn ein Mord geschieht, stehen weniger die Ermittlungen ...
„Unter dem Sturm“ von Christoffer Carlsson wird als Kriminalroman vermarktet, aus meiner Sicht ist es jedoch mehr Roman als Krimi, denn obwohl gleich zu Beginn ein Mord geschieht, stehen weniger die Ermittlungen im Vordergrund als die Auswirkungen der Ereignisse auf die Menschen im Umfeld.
Schauplatz der Geschichte ist der kleine Ort Marbäck im schwedischen Halland. Im Jahr 1994 wird die junge Lovisa in ihrem Elternhaus ermordet und das Haus anschließend niedergebrannt. Hauptverdächtiger ist ihr Freund Edvard, nicht zuletzt aufgrund seines aufbrausenden Charakters, den er von seinem Vater geerbt hat. Einige Indizien sprechen gegen ihn, und obwohl nicht alle Ungereimtheiten geklärt werden können, wird Edvard verurteilt. Für seinen Neffen Isak, der seinen Onkel sehr bewundert hat, bricht einen Welt zusammen, nicht nur dass er die Tat seines Onkels nicht versteht, auch seiner Person wird in Folge mit Ablehnung begegnet, das Stigma der Gewaltbereitschaft wird auch ihm angehaftet und führt bei Isak zu Selbstzweifeln.
Auch Vidar, einen der ermittelnden Polizisten lässt der Fall nicht los, 10 Jahre nach der Tat werden alte Erinnerungen wach gerüttelt und neue Erkenntnisse sähen Zweifel, ob damals alle Fakten korrekt berücksichtigt wurden.
Die Geschichte wird zum Teil aus der Sicht Isaks erzählt, der im Verlauf vom siebenjährigen Jungen zum erwachsenen Mann heranwächst, und für den die Verhaftung des Onkels eine einschneidende Wende in seinem Lebenslauf darstellt. Vidar ist der zweite Hauptcharakter, er stammt aus Marbäck, kennt die Menschen dort und auch für ihn wird dieser besondere Fall zu einer Art Besessenheit.
Der Roman verläuft eher ruhig, er bewegt sich dicht an seinen Hauptfiguren, spiegelt intensiv ihre Gefühle wieder. Obwohl die Figuren nicht wirklich Sympathieträger sind, ist die Geschichte bewegend und spannend. Die Sprache ist klar und schnörkelos und dabei so präzise, dass das Dorf und die Menschen sehr lebendig erscheinen.
Anhand des Mikrokosmos der kleinen Gemeinde zeigt Carlsson, wie Vorurteile und vorschnelle Meinungen das Leben von Menschen nachhaltig beeinflussen bis zerstören können. Hier ist nicht nur die Tat selbst das Verbrechen, nicht nur die Ereignisse selbst verändern den Lauf der Dinge, es ist die Gesellschaft selbst, die durch ihr Verhalten zum Schuldigen wird.
Selten hat mich ein Spannungsroman so bewegt wie hier, der Autor versteht wirklich etwas vom Schreiben, sowohl sprachlich als auch inhaltlich ist die Geschichte für mich außergewöhnlich und eines meiner Highlights des Jahres.